DEUTSCHES
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ÄRZTEBLATT
Nach dem Medizinstudium sind immer mehr angehende Mediziner arbeitslos. Die Prognose ist für jeden Studienanfänger beängstigend. Die Zeiten, in denen man nach einem lockeren Studium aus vielen Stellen aussuchen konnte, gehören endgül- tig der Vergangenheit an. Auf den ersten Blick scheint der einzelne machtlos, und die Perspektiven sind gering. So beschränken viele Studen- ten ihren Arbeitseinsatz auf ein Mi- nimum.
„HiWi-Stellen": Jedes Institut an der Universität hat ein bestimm- tes Kontingent an Stellen für studen- tische Hilfskräfte („HiWi"), die ne- ben ihrem Studium im Institut mitar- beiten. Sei es im Fotolabor einer Kli- nik oder im Sektionssaal der Patholo- gie. Neben dem vertieften Einblick in die Arbeitsweise und die „Gesetze"
eines Instituts ist es auch eine Mög- lichkeit, Geld zu verdienen. Eine spätere Bewerbung wird sicher mit Wohlwollen aufgenommen werden.
FMGMS: Wie jedem im Studi- um eingepaukt wird, sind die Ameri- kaner oft das „Maß der Dinge". Es ist also naheliegend, einem Teil der späteren Facharztweiterbildung dort zu absolvieren.
Bedingung für ein Arbeiten in Amerika ist das Bestehen einer zwei- tägigen Aufnahmeprüfung, die zwar schwer ist, aber mit dem frischen Wissen nach dem ersten oder zwei- ten Staatsexamen zu schaffen ist. Mit der bestandenen Prüfung kann man sich um die Aufnahme in ein „Fel- lowship-Program" bemühen. Dabei sind die Chancen nicht schlecht, da der amerikanische Markt noch nicht von Medizinern übersättigt ist. Nach der Rückkehr aus den „goldenen"
USA wird man in Deutschland sicher
Aufnahme finden und um eine un- vergeßliche Erfahrung reicher sein.
Famulaturen: Statt wahllos zu famulieren, sollte man gerade, wenn einem keine Tätigkeit an einer Uni- versitätsklinik vorschwebt, sondern an einem Kreiskrankenhaus in seiner Umgebung, die Weichen frühzeitig stellen und dort seine Famulaturen ableisten.
Dissertation: In der Mitte seines Studiums wird jeder mit diesem Pro- blem konfrontiert werden. Hier hat jeder die Chance, die er sich nicht entgehen lassen sollte, zu zeigen, was er vermag. Man darf nicht den Feh- ler machen, sich mit vielen anderen durch eine „Doktorarbeit-Fabrik"
durchschleusen zu lassen. Der Mut und die Zeit, die man in eine experi- mentelle Dissertation steckt, ist nicht vertan, ein enger Kontakt zum Dok- torvater ist wünschenswert. Selbst-
verständlich darf man selbst die Dis- sertation nicht als „lästige Pflicht- übung" betrachten. Was viele nicht wissen, ist die Tatsache, daß man auch Arbeiten an Städtischen Kran- kenhäusern und an Kreiskranken- häusern schreiben darf. Da diese Kliniken nicht so überlaufen sind, hat man gute Chancen, optimal be- treut zu werden, und droht nicht im Apparat einer Uniklinik unterzuge- hen.
Praktisches Jahr (PJ): Auch hier lohnt sich ein verstärkter Ein- satz, der über die „nine to five"- Pflichtzeit hinausgeht. Engagiertes Arbeiten, ohne Überschreitung sei- ner Kompetenzen, theoretische Si- cherheit ohne angelesenes Besser- wissertum sind gern gesehene Quali- täten eines späteren Mitarbeiters.
Die leitenden Krankenhausärzte schauen sich daraufhin auch schon ihre Mitarbeiter auf Zeit an.
Im letzten Studienjahr ist die Konkurrenz unter den Studenten je- doch schon größer; man darf nicht dem Irrglauben verfallen, daß Ellen- bogentechnik gefragt ist, um sich in den Vordergrund zu drängen. Trotz aller fachlicher Kompetenz ist die Kollegialität immer noch die beste Visitenkarte.
Ferner: Darüber hinaus ist Spe- zialwissen auf Gebieten wie Immu- nologie, Epidemiologie, physikali- sche Therapie immer von Vorteil. Es wird auf Dauer nicht mehr gehen, daß jeder nur in seinem Wunschge- biet arbeiten will. Nur wer die Flexi- bilität hat, auch in „Nebengebieten"
ärztlich tätig zu sein, wird die Chan- cen nutzen können, die sich dort bie- ten.
Es kann nicht darum gehen, sich anzubiedern, um später eine Stelle zu bekommen, sondern darum, die vielfältigen Möglichkeiten auszunüt- zen, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Später wird man vielleicht um diese Chance betteln und ar- beitslos sein, ohne die Möglichkeit zu haben, zu zeigen, was man kann.
Anschrift des Verfassers:
Ernst-R. Lengyel, cand. med.
Implerstraße 14 8000 München 70
Medizinstudium:
An den Start schon während der Ausbildung denken!
Nicht „anbiedern", sondern zeigen, was man kann
Dt. Ärztebl. 87, Heft 6, 8. Februar 1990 (27) A-361