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Archiv "Strahlenschutz in der Medizin: Neue Grenzwerte für Probanden" (16.12.2011)

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A 2706 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 50

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16. Dezember 2011

O

b Kliniken oder niedergelas- sene Praxen, in denen mit ionisierenden Strahlen gearbeitet wird, die vorgeschriebenen Quali- tätsstandards einhalten, prüfen die Ärztlichen Stellen; diese sind in der Regel bei den Landesärztekammern angesiedelt. Ein heikles Thema ist die Frage, wie viel Personal erfor- derlich ist, um die Strahlenschutz- bestimmungen einzuhalten. Die neue Richtlinie „Strahlenschutz in der Medizin“ nimmt dazu nun ex- plizit Stellung: Künftig wird sich die Zahl der Ärzte, Medizinphysi- ker und der medizintechnischen Mitarbeiter mit Fachkunde im Strahlenschutz stärker als bisher an der Zahl der Geräte orientieren müssen. Danach muss es zum Bei- spiel jeweils einen fachkundigen Arzt und Medizinphysiker mehr ge- ben, als Kliniken oder Praxen Line- arbeschleuniger betreiben.

Wirtschaftlichkeitsaspekte nicht zulasten der Sicherheit

„Im Sinne des Personal- und Pa- tientenschutzes soll mit der Neu - formulierung verhindert werden, dass Betreiber aus wirtschaftlichen Gründen zum Beispiel weniger Medizinphysiker anstellen, als sie Standorte haben“, erläutert Jürgen Kopp, Medizinphysiker am Klini- kum Augsburg. Er ist Mitglied der Strahlenschutzkommission, die die Richtlinien mit erarbeitet hat. „Wirt- schaftlichkeitsüberlegungen dürfen nicht auf Kosten der Patienten - sicherheit gehen“, sagt Kopp. Der Personalbedarf werde im Einzelnen mit der Genehmigungsbehörde ab- gestimmt: „Die Richtlinie dient als Orientierung für Betreiber und Auf- sichtsbehörden.“

Auch Prof. Dr. med. Jürgen Dunst, Direktor der Klinik für Strahlentherapie an der Universität

zu Lübeck und Präsident der Deut- schen Gesellschaft für Radioonko- logie, hält diese Qualitätssiche- rungsmaßnahme für sinnvoll. „Die geplante Neuregelung des Personal- schlüssels hat innerhalb unserer Fachgesellschaft zunächst intensive Diskussionen und auch Kritik her- vorgerufen“, sagte Dunst dem Deut- schen Ärzteblatt. Nach einer Phase der inhaltlichen Vermittlung aber hätten sich die Wogen geglättet.

Die Richtlinie „Strahlenschutz in der Medizin“ ist vor kurzem der Novellierung und teilweisen Har- monisierung der Strahlenschutz- und Röntgenverordnung (StrlSchV, RöV) angepasst worden – ein Lang- zeitprojekt von Bund und Ländern.

„Mehr als sechs Jahre wurde um die

Novellierungen der beiden Verord- nungen gerungen“, erinnert sich Kopp. Politische Diskussionen über einen Ausstieg aus der Kernenergie verzögerten die Umsetzung: Denn nun musste ein Rechtsrahmen für die Freigabe von radioaktiv belaste- ten Materialien erarbeitet werden, die beim Rückbau von Atomkraft- werken anfallen. Seit November sind die beiden neuen Verordnun- gen in Kraft (Bundesrats-Drucksa- che 266/11).

Im Bereich der Medizin war es erklärtes Ziel des Gesetzgebers, Genehmigungsverfahren für die klinische Forschung zu vereinfa- chen, heißt es in der Begründung für die Novellierung. Dazu sollen sowohl das Bundesamt für Strah- lenschutz (BfS) als Genehmi- gungsbehörde für klinische Studi- en entlastet werden als auch der Antragsteller. Erleichterungen be- treffen zum Beispiel die radiologi- sche Begleitdiagnostik. Das sind diagnostische Untersuchungen im Rahmen von Arzneimittel-, Radio- oder Radiochemotherapiestudien, in denen nicht die Diagnostik, sondern die Wirksamkeit und Si- cherheit von Behandlungen geprüft werden.

Erleichterungen für die radiologische Diagnostik

Nach dem neuen § 24 (2) StrlSchV und § 28 b (2) RöV ist in diesen Fällen kein ausführliches Geneh- migungsverfahren mehr notwen- dig. Es müssen nicht mehr in jedem Fall alle bisher erforderlichen Ge- nehmigungsvoraussetzungen nach- gewiesen werden wie die Betriebs- und Umgangsgenehmigungen, die Fachkunde für Ärzte und Medizin- physiker oder die für eine Strahlen- exposition des Probanden erforder- lichen Messvorrichtungen.

STRAHLENSCHUTZ IN DER MEDIZIN

Neue Grenzwerte für Probanden

Seit November sind die veränderten Strahlenschutz- und Röntgenverordnungen in Kraft.

Die Novellierung erforderte, die Richtlinie „Strahlenschutz in der Medizin“ anzupassen. Im Vorfeld kontrovers diskutiert: der Personalschlüssel für die Mitarbeiter mit Fachkunde im Strahlenschutz

Röntgenuntersu- chung im OP:

Nach Implantation eines künstlichen Kniegelenks wird geprüft, ob die Pro- these richtig sitzt.

Foto: Your Photo Today

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16. Dezember 2011 Das BfS kann eine Genehmi-

gung erteilen, wenn Art und Häufig- keit der Anwendung radioaktiver Stoffe oder Röntgen- und ionisie- render Strahlung den anerkannten Standardverfahren der Heilkunde und dem Zweck des Forschungs- vorhabens entsprechen und die zu- ständige Ethikkommission zuge- stimmt hat. Diese muss sich inner- halb von 60 Tagen nach Antrags- eingang schriftlich äußern – auch zur Frage, ob sie für das beantragte Vorhaben ein ausführliches Geneh- migungsverfahren für zwingend notwendig hält (nach § 24 [1] 1,

§ 28 b [1] 1, § 92 StrlSchV und

§ 28 b [2] RöV). „Die Intention, den administrativen Aufwand zu reduzieren, ist richtig. Wir müssen abwarten, wie gut das in der Praxis umgesetzt wird“, sagt Dunst.

Besser gelöst werden soll auch das Problem der Probandenversi- cherung. In der Vergangenheit scheiterte manche Studie daran, dass sich eine solche Versicherung schlicht nicht finanzieren ließ. Jetzt müssen in Studien mit radiologi- scher Begleitdiagnostik Probanden nicht über die im Arzneimittel- und Medizinproduktegesetz vorgesehe- ne Versicherung hinaus gegen Fol- geschäden abgesichert sein. Aller- dings wird eine Schadenersatzver- pflichtung für einen Zeitraum von zehn Jahren nach Beendigung der Studie verlangt (§ 91 StrlSchV).

Der Kreis der Studienteilnehmer wird ausdrücklich auf volljährige und einwilligungsfähige Probanden beschränkt. „Die Klarstellung ist ethisch gerechtfertigt“, meint Kopp:

Bei der Altersbegrenzung, weil sich unerwünschte Langzeitfolgen von nuklearmedizinischen oder Strah- lenanwendungen bei Kindern und Jugendlichen außerordentlich schwer abschätzen ließen, und beim Selbst- bestimmungsrecht, weil für nicht- einwilligungsfähige erwachsene Per- sonen häufig eine gesetzliche Be- treuung angeordnet werde, was sich mit einer Entscheidung über eine Studienteilnahme nicht optimal ver- einbaren lasse.

Erleichterungen soll es für die Genehmigung von Multi-Center- Studien geben: Eine Genehmigung kann nun pauschal alle Einrichtun-

gen einschließen, die an der Studie mitwirken (§ 24 [4] StrlSchV). Die für klinische Studien relevanten Änderungen sind in der StrlSchV und in der RöV harmonisiert. Au- ßerdem wurde der Begriff „Studi- enplan“ durch „Forschungsvorha- ben“ ersetzt. Die Vorlage eines Stu- dienplans ist künftig nicht mehr nötig, die relevanten Fragen kön- nen über Formblätter beantwortet werden www.bfs.de/de/bfs/dienst leistungen/med_forschung).

Mit den Neuregelungen sollen gesunde Probanden besser ge- schützt werden. Die effektive Dosis

darf für sie den Grenzwert von 20 Millisievert (mSv) nicht über- schreiten (§ 24 [3] StrlSchV und

§ 28 b [3] RöV). Nach den alten Verordnungen konnte die Genehmi- gungsbehörde bisher eine höhere effektive Dosis zulassen, wenn mit der Anwendung für den Gesunden ein diagnostischer Nutzen verbun- den war und sich das Forschungs- ziel anders nicht erreichen ließ.

„Studien-Hopping“ soll künftig verhindert werden

Nun entfällt dieser Satz, eine höhere Effektivdosis als 20 mSv ist für die- sen Personenkreis nicht mehr zuläs- sig (§ 24 [3] StrlSchV, § 28 b RöV).

Auch darf die Effektivdosis bei er- neuter Strahlenanwendung inner- halb von zehn Jahren zusätzliche 10 mSV nicht überschreiten. „Mit der neuen Regelung soll ein sogenann- tes Studien-Hopping verhindert werden“, sagt Kopp. So hätten sich manche Studenten ihr Studium mit der Teilnahme an Untersuchungen finanziert, bei denen sie radioaktiver oder ionisierender Strahlung ausge- setzt waren.

Das soll jetzt nicht mehr möglich sein. Die Begrenzung der effektiven Dosis auf 20 mSv gilt aber nicht für Patienten, bei denen ein diagnosti- scher oder therapeutischer Nutzen erwartet wird. Für solche Studien- teilnehmer muss das Überschreiten von 20 mSv künftig nicht mehr be- gründet werden.

Schließlich möchte der Gesetz- geber die Allgemeinbevölkerung künftig besser vor Ausscheidungen von Patienten schützen, die mit ra- dioaktiven Substanzen untersucht oder behandelt worden sind. Dies betrifft die nuklearmedizinische Dia gnostik und Therapie, zum Bei- spiel die Radiojodtherapie bei Schilddrüsenerkrankungen.

Werden entsprechend behandel- te Patienten vorzeitig nach Hause entlassen, muss dies an die zustän- dige Behörde gemeldet werden. Im Rahmen eines Genehmigungsver- fahrens soll auch die Radioaktivität aus den Ausscheidungen von Pa- tienten als Vorbelastung des Stand- ortes berücksichtigt werden, um Anreicherungen zu vermeiden, zum Beispiel in der Nähe von Atomkraftwerken.

In diesem Punkt könnte man bald schon wieder nachregulieren müssen: Die EU-Kommission hat bereits den Entwurf für eine euro- päische Grundnorm vorgelegt, in der sieben EURATOM-Gesetze in einer Regelung zusammengefasst werden. Im kommenden Jahr, spä- testens aber 2013, soll sie verab- schiedet sein und muss dann in- nerhalb von zwei bis drei Jah- ren in nationales Recht umgesetzt werden.

Ein Vorteil wäre, wenn für Pa- tienten aller EU-Länder dann die- selben Grenzwerte gelten würden, zum Schutz der Patienten und – im Hinblick auf radioaktiv belastete Ausscheidungen – auch der Um- welt. „Die Gesetzgebung zum Strah- lenschutz ist ständig im Fluss“, sagt Kopp. „Das ist wie bei einem riesi- gen Hochhaus: Irgendwo gibt es immer eine Baustelle.“

Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze

Foto: dpa

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Geänderte Strahlenschutz- und Röntgenverordnung unter:

www.aerzteblatt.de/112706

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