engt die Freiheit des Arztes, Arznei- mittel nach seiner persönlichen Ab- wägung und Entscheidung zu verord- nen, ein (14). Der Arzt vermeidet es, wenn möglich, gewünschte Verord- nungen zu verweigern. Er möchte ein vertrauensvolles Arzt/Patienten- Verhältnis und das daraus herrüh- rende therapeutische Potential nicht gefährden (16).
Verordnungswünsche ergeben sich aus dem Behandlungsbegehren eines Erkrankten und Behandlungs- empfehlungen von Arzt, Apotheker, Heilpraktiker, Verwandten und Be- kannten oder Arzneimittelwerbung.
Mehr als 50 Prozent der Verord- nungswünsche sollen sich auf nicht- ärztliche Empfehlung oder Informa- tion zurückführen lassen (15). Nicht selten werden solche Verordnungs- wünsche auch von Motiven des Be- gehrenden beeinflußt, die eher irra- tional als krankheitsspezifisch be- gründet sind und sich im Wunsch nach naturheilkundlicher Behand- lung und Stärkung der Selbsthei- lungskräfte des Organismus äußern.
Derartige Wünsche werden in jüngster Zeit häufiger geäußert, bringen Wandel in die Arzneiverord- nung und verdienen Aufmerksam- keit, da ein derartiger Verordnungs- wandel nicht problemfrei ist.
Der Laie, der mit Naturheilmit- teln behandelt werden möchte, denkt dabei kaum an eine Behand- lung mit naturwissenschaftlich syste- matisch durchuntersuchten natürli- chen Wirkstoffen, zum Beispiel mit Glykosiden der Digitalispflanze, mit Reserpin, Morphin, Codein, Theo- phyllin, Insulin oder Hormonen, son- dern an die Verordnung von Volks- heilmitteln oder homöopathischen Mitteln. Er wird nur selten infor- miert sein,
• daß ein Großteil dieser Mit- tel den Sprung von der vorwissen- schaftlichen Medizin in die naturwis- senschaftliche Medizin nicht ge- schafft hat, daß der Nachweis ihrer Wirksamkeit und Unbedenklichkeit äußerst lückenhaft ist und daß sie ihr Überleben im heutigen Arzneimit- telsortiment wohlwollender Inkonse- quenz der national und international anerkannten Prüfrichtlinien und Re- gistrierungsbedingungen verdanken (8, 9). In der Werbung wird er über
diese Defizite nicht informiert. Dort werden sie positiv interpretiert.
Wirksamkeitsschwächen werden eu- phemistisch als „weich", „mild" oder
„sanft" vorgestellt, unzureichende Unbedenklichkeitsprüfung wird still- schweigend übergangen.
In der Bundesrepublik Deutsch- land findet man den größten euro- päischen Markt für „Alternativthera- peutika" und Naturheilmittel (17).
Einstweilen findet der Glaube an die Überlegenheit dieser „Naturheilmit- tel" bei den Ansuchern von Wunsch- verordnungen viele Anhänger. Das Geheimnis ihres Erfolges ist leicht zu entschleiern. Bei Symptomen, de- nen keine organischen Erkrankun- gen zugrunde liegen, können Arznei- stoffe, die für die Behandlung von Erkrankungen mit organischen Ursa- chen entwickelt wurden, und bei de- nen die suggestive Komponente von untergeordneter Bedeutung ist, nicht nur nicht wirken, sondern sie lösen unter Umständen nur unerwünschte Wirkungen aus. Die persistierenden Symptome werden dann ihrer psy- chosomatischen Grundlage entspre- chend infolge der positiven Erwar- tungshaltung von Arzt und Patient eine weit bessere Aussicht auf er- folgreiche Behandlung haben, wenn man zu Mitteln greift, deren sugge- stive Komponente eine viel größere Rolle spielt.
Die Voraussetzung für eine Mo- difizierung der Arzneiverordnung in die rationale Richtung ist sicherlich das Studium der zugrunde liegenden Determinanten, denn nur die analy-
Die Mitgliedstaaten der Euro- päischen Gemeinschaft sollen Rege- lungen vorsehen, „welche die Zahl der Medizinstudenten für den Zu- gang zur Grundausbildung und den Verbleib in der Grundausbildung durch Relationsgrößen festlegen, welche sich an den Ausbildungsmög- lichkeiten, insbesondere hinsichtlich
1. der Zahl der Lehrkräfte, 2. der Zahl der Unterrichtsbet- ten,
tische Durchleuchtung kann zu Er- kenntnissen führen, die Grundlage für Korrekturen sein können. Erfolg- versprechend ist die bei den Kassen- ärztlichen Vereinigungen im Aufbau begriffene „Ph armakotherapie-Be ra- tung". Beratergruppen, bestehend aus therapeutisch erfahrenen Ärz- ten, die außerdem über pharmakolo- gische und klinisch-pharmakologi- sche Kenntnisse verfügen, stehen als Gesprächspartner ihren Kollegen zur Verfügung, um mit ihnen in kon- kreten Fällen — gegebenenfalls auch epikritisch — therapeutische Konzep- te zu diskutieren, eine neue Form konsiliarischer ärztlicher Tätigkeit.
Sollte sich dieses pharmako- therapeutische Beratersystem eta- blieren, erscheint es durchaus mög- lich, daß als Folge wachsender phar- makotherapeutischer Kompetenz ein Wandel in der Arzneiverordnung stattfindet, der schließlich nach eini- gen Jahren auch quantitativ ins Ge- wicht fällt.
Die Ziffern in () beziehen sich auf das Lite- raturverzeichnis, das im Sonderdruck enthalten ist. Ein Sonderdruck kann sowohl bei den Ver- fassern wie bei der Redaktion angefordert wer- den.
Anschrift der Verfasser
Prof. Dr. Hans Friebel Uferstraße 42
W-6900 Heidelberg Prof. Dr. Walter Rummel Institut für Pharmakologie und Toxikologie
der Universität des Saarlandes W-6650 Homburg
3. der Zahl der in den Ausbil- dungsstätten zur Verfügung stehen- den Patienten orientieren".
Die Arbeitsgruppe „Juristen"
hat diesen Vorschlag zur Anderung der Richtlinie 75/363/EWG vom 16.
Juni 1975 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschrif- ten für die Tätigkeiten des Arztes er- arbeitet. Die jährliche Plenarver- sammlung des Ständigen Ausschus- ses der Ärzte der Europäischen Ge-
EG-Ausschuß der Ärzte sieht Neuregelung des Zugangs zur Grundausbildung vor
Dt. Ärztebl. 88, Heft 1/2, 7. Januar 1991 (31) A-31
meinschaft hat den Vorschlag verab- schiedet. Der EG-Kommission wird empfohlen, diesen Artikel la der Richtlinie einzufügen.
Die Arbeitsgruppe „Berufsord- nung" (Ärztliche Ethik) wird auf der Basis eines Fragebogens eine Be- standsaufnahme der Regeln und ge- setzlichen Bestimmungen zur Organ- transplantation in den einzelnen Mitgliedsländern erheben. Ein Aus- schuß für ethische, soziale und recht- liche Aspekte, der bei der EG-Kom- mission eingerichtet werden soll, wird sich mit der Genomanalyse be- fassen und die Kommission in ethi- schen Fragen beraten.
Die Arbeitsgruppe „Kranken- hausärzte" forderte, dem auf euro- päischer Ebene vorgesehenen Quali- tätssicherungssystem in verstärktem Maße Rechnung zu tragen.
Die Arbeitsgruppe „Ambulante ärztliche Versorgung" hat das Er- gebnis einer EG-weiten Befragung zum Thema „Versorgung älterer Menschen" in den einzelnen Mit- gliedstaaten vorgelegt. Die Studie in- formiert über die zahlenmäßige Ent- wicklung alter Menschen in den EG- Mitgliedstaaten und bietet eine Übersicht über den Anteil der älte- ren Bevölkerung an der Gesamtbe- völkerung. Diese Dokumentation wird im Laufe des nächsten Jahres in deutscher Sprache vorliegen und über den Auslandsdienst der Bun- desärztekammer zu beziehen sein.
Dr. Vilmar informierte über die Entwicklung in Deutschland
In der Arbeitsgruppe „Arbeits- medizin" wurde ein Überblick über den Stand der betriebsärztlichen Versorgung der Arbeitnehmer in den einzelnen Mitgliedstaaten bera- ten. Die Arbeitsgruppe wird sich im Zusammenhang mit einem von der EG-Kommission vorgelegten Richt- linienvorschlag auch mit Maßnah- men zur Verbesserung der Sicher- heit und des Gesundheitsschutzes von Zeit-Arbeitnehmern befassen.
Bei den zu behandelnden nicht voll- zeitlichen und nicht unbefristeten Arbeitsformen handele es sich im wesentlichen um Teilzeitarbeit, Zeit-
arbeit, Saisonarbeit, Abrufarbeit, Heimarbeit und Telearbeit.
In der Plenarversammlung des Ständigen Ausschusses der Ärzte der EG, die ebenso wie die Arbeitsgrup- pensitzungen im Oktober in Barcelo- na stattfand, beglückwünschte des- sen neuer Präsident die Vertreter der deutschen Delegation zur deut- schen Einigung. Zahlreiche Vertre- ter der einzelnen Mitgliedsorganisa- tionen bekundeten spontan, wie groß ihre persönliche Freude über diese Entwicklung sei.
Dr. Karsten Vilmar, Präsident der Bundesärztekammer, informier- te die Plenarversammlung über die aktuelle Situation und führte aus, daß die rechtliche Weichenstellung so erfolgt sei, daß es nicht zwei ver- schiedene Gesundheitssysteme in ei- nem Deutschland geben werde. Er dankte allen im Ständigen Ausschuß vertretenen Delegierten und ihren Ländern dafür, daß sie den europäi- schen Befreiungs- und Einigungspro- zeß immer unterstützt haben; dabei hob er besonders hervor, daß diese Entwicklungen sicher nicht denkbar gewesen wären, wenn „wir uns nicht auf feste Freundschaften und Bin- dungen in der Europäischen Ge- meinschaft und außerhalb hätten verlassen können".
Die Plenarversammlung verab- schiedete eine Note zu einem Vor- schlag für ein multilaterales Rah- menabkommen (Uruguay-GATT- Runde) für den Handel mit Dienst- leistungen, die der Ständige Aus- schuß an die EG-Kommission leiten wird. Darin heißt es:
„Der Vorschlag für ein multila- terales Rahmenprogramm für den Handel mit Dienstleistungen vom 12.
September 1990 erfüllt den Ständi- gen Auschuß mit großer Sorge. Wir sind der Auffassung, daß die Einbe- ziehung der Ärzte in ein solches Ab- kommen zu einer Gefährdung des europäischen Gesundheitswesens führen könnte.
Der Ständige Ausschuß bittet daher die Kommission dringend, im Zusammenhang mit der GATT-Uru- guay-Runde dazu beizutragen, daß die Heilberufe nicht restriktiven Be- stimmungen unterworfen werden.
Das Problem der wachsenden Zahl der Ärzte und der damit ver-
bundenen nachteiligen Auswirkun- gen auf die Gesundheitssysteme und die Systeme der gesetzlichen Kran- kenversicherung in den Mitgliedstaa- ten der EG sind der Kommission be- kannt. Die Problematik würde ver- ständlicherweise durch einen unge- regelten Zugang von Ärzten aus Drittländern verschärft.
Es ergibt sich daraus, daß die Ärzte aus den Ländern, die der Eu- ropäischen Gemeinschaft nicht an- gehören, nur unter den Vorausset- zungen ihre Dienstleistungen erbrin- gen können, daß sie denselben Aus- bildungs- und Qualifikationsforde- rungen unterworfen werden, wie sie auf Ärzte aus EG-Mitgliedstaaten angewandt werden, die zu migrieren oder sich im EG-Raum niederzulas- sen wünschen. Ebenso wird es sich selbstverständlich mit den berufs- rechtlichen Bestimmungen zu ver- halten haben."
Neue Überlegungen zur künftigen Arbeit Die Plenarversammlung befaßte sich auch mit dem Tagesordnungs- punkt „Aktivitäten des Ständigen Ausschusses sowie die künftige Ar- beit". Verschiedene Länder — so auch die Bundesrepublik — hatten hierzu ihre Überlegungen schriftlich einge- reicht. Da die Vorschläge zu diesem Thema nicht abschließend behandelt werden konnten, wurde eine Ad-hoc- Gruppe gegründet, die sich unter dem Vorsitz des deutschen Delegationslei- ters und unter Beteiligung von Vertre- tern der französischen und britischen Ärzteorganisationen in naher Zu- kunft treffen wird.
Wegen der Entwicklung in der Europäischen Gemeinschaft als auch im Hinblick auf das zunehmende In- teresse an einer Einbeziehung Ost- Europas muß die europäische Arzte- schaft in kürzester Frist gemeinsame Stellungnahmen gegenüber der Kommission abgeben. Das Ergebnis der Ad-hoc-Gruppe wird in der nächsten Sitzung der Delegationslei- ter am 10. und 11. Mai 1991 in Spani- en erörtert und mit großer Wahr- scheinlichkeit auch beschlossen wer- den.
Renate Vonhoff-Winter/BÄK A-32 (32) Dt. Ärztebl. 88, Heft 1/2, 7. Januar 1991