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Ist Oma ein Vampir?

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PRAXIS

30 DIE PTA IN DER APOTHEKE | Sonderheft Senioren | www.diepta.de

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ls Kind war es für mich das Größte, bei meiner Oma Gertrud zu über- nachten. Wenn sie mich abends ins Bett brachte, erzählte sie mir noch stundenlang Märchen.

Wenn ich nachts wach wurde, war Oma auch wach und häkelte. Und morgens, wenn ich aufstand, stand der Grießbrei schon auf dem Tisch.

Irgendwann kam mir die Idee, Oma könnte ein (freundlicher) Vampir

sein. Als ich sie fragte, ob sie denn nie schläft, lachte sie. „Kind, ich bin alt, im Alter braucht man nicht mehr viel Schlaf!“ Stimmt das, brauchen Senioren weniger Schlaf?

Der zirkadiane Rhythmus, unsere in- nere Uhr, wird im Alter schwächer, außerdem verändern sich die Schlaf- phasen. Während jüngere Menschen durchschnittlich fünf kurze, unbe- wusste Wachmomente pro Nacht haben, sind es bei älteren bis zu 150.

Einige Senioren haben nachts Harndrang, der sie aufweckt. Im Alter werden sie auch empfindlicher gegenüber Störfaktoren wie einem zu warmen Schlafzimmer, Geräuschen (vom schnarchenden Partner) oder einer zu weichen Matratze. Einmal wach, können ältere Menschen dann über längere Zeit nicht mehr ein- schlafen. Zudem können psychische Probleme wie Einsamkeit, Unterfor- derung oder Konflikte ihnen die Ruhe rauben.

Zum Teil gleichen Senioren den feh- lenden Nachtschlaf durch Nicker- chen am Mittag aus. Gelingt ihnen das nicht, sodass ihnen Schlaf fehlt, spricht man von einer Schlafstörung oder Insomnie. Darunter leidet rund die Hälfte der Über-65-Jährigen. Die Folge: Sie sind tagsüber erschöpft, nervös oder gereizt. Die Abwehr- kräfte leiden unter dem Schlafman- gel und das Demenzrisiko steigt.

Schlafräuber Doch Schlafman- gel macht nicht nur krank, anders- herum können auch Erkrankungen eine Schlafstörung auslösen, dar- unter einige, von denen Senioren häufig betroffen sind: chronische Schmerzen, Herz- und Lungener- krankungen, Diabetes mellitus und Blasenentleerungsstörungen. Vie- len Demenzkranken geht der Tag- Nacht-Rhythmus verloren, sie schla- fen tagsüber viel und irren nachts unruhig umher.

Auch Arzneimittel kommen als Aus- löser in Frage. Die Botenstoffe Nor- adrenalin, Acetylcholin, Serotonin, Histamin und Dopamin regeln den Schlaf. Arzneimittel, die in den Neu-

Ist Oma ein Vampir?

Rund die Hälfte aller Senioren leidet an Schlafstörungen, ein Drittel der Über-70-Jährigen nimmt verschreibungspflichtige Hypnotika ein. Über Dinge, die wachhalten, Arzneimittel, die müde machen, und warum meine Oma nachts gehäkelt hat.

SCHLAFSTÖRUNGEN

© Fitri H / iStock / Getty Images

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | Sonderheft Senioren | www.diepta.de

rotransmitter-Haushalt eingreifen, können deshalb Schlafstörungen ver- ursachen. Medikamente gegen Par- kinson etwa wirken dopaminerg, auch Antidepressiva wie selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer wirken aktivierend. Tramadol und Triptane setzen Serotonin frei und können so schlaflose Nächte besche- ren. Als Acetylcholinesterase-Hem- mer wirkt das Antidementivum Donepezil sedierend, als Nebenwir- kung wurden jedoch auch paradoxe Effekte beobachtet. Anticholinergika gegen Harninkontinenz wirken erre- gend und können zu Unruhe führen, deshalb sollte man sie morgens ein- nehmen, so wie auch Diuretika oder Glucocorticoide. Ein Blick auf den Medikationsplan lohnt sich also, wenn Ihre Kunden über Schlafprob- leme klagen.

Januskopf Kaffee Coffein gilt als Wachmacher. Körpereigenes Adeno- sin bindet an seine Rezeptoren und hemmt so die Ausschüttung von ak- tivierenden Neurotransmittern. Cof- fein blockiert diese Bindungsstellen, sodass die Neurotransmitter ihre wachmachende Wirkung entfalten können. Allerdings verbessert Cof- fein auch die Durchblutung im Ge- hirn, was vielen Älteren das Ein- schlafen erleichtert.

Schlafhygiene Der erste Schritt zum gesunden Schlaf sind Verhal- tensweisen, die dem Körper den Tag- Nacht-Rhythmus verdeutlichen.

Raten Sie Ihren schlaflosen Kunden, immer zur gleichen Zeit ins Bett zu gehen und auch für das Nickerchen zwischendurch einen fixen Zeitpunkt zu finden. Kleine Rituale wie ein ge- mütliches Bad oder eine Tasse Tee signalisieren dem Körper, dass er jetzt zur Ruhe kommen kann. Lesen und Musikhören entspannen den Körper eher als ein aufregendes Abendprogramm. Wer sich tagsüber an der frischen Luft bewegt, wird abends leichter müde. Schwere Mahlzeiten, Nikotin und Alkohol sollte man vor dem Schlafengehen vermeiden. Das Schlafzimmer sollte

kühl, dunkel und ruhig sein und die Matratze bequem. Und wenn Ihre Kunden nachts aufwachen, stehen sie am besten auf und sich beschäftigen sich mit etwas Entspannendem statt sich im Bett herumzuwälzen.

Schlaf auf Rezept Auch die S3-Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen – Insomnie bei Erwachsenen“ sieht die Schlafhy- giene als ersten Schritt der Therapie an, außerdem sucht der Arzt oder die Ärztin nach Alternativen für Medika- mente, die den Schlafrhythmus stö- ren. Geht die Schlaflosigkeit auf eine psychische Erkrankung zurück, wird diese behandelt. Hat die Insomnie je- doch keine erkennbare Ursache, soll der Betroffene an einer kognitiven Verhaltenstherapie teilnehmen. In Übungen und Gesprächen lernt er Denkmuster und Verhaltensweisen zu verändern und so leichter und tie- fer in den Schlaf zu finden.

Bessert das die Schlafqualität noch nicht genug, verordnet der Arzt Ben- zodiazepine wie Lormetazepam und Triazolam, die Z-Substanzen Zo- piclon, Eszopiclon oder Zolpidem oder sedierende Antidepressiva wie Doxepin. All diese Arzneimittel sind jedoch nur zur Kurzzeitbehandlung zugelassen (4 Wochen, bei Eszo- piclon 6 Monate). Dennoch nehmen viele Senioren die Substanzen über einen langen Zeitraum ein, wenn der Arzt sie off-label auf einem Privatre-

zept verordnet. Bei hochbetagten, psychiatrischen Patienten kommen außerdem die Antipsychotika Melpe- ron und Pipamperon in Frage, auch über einen längeren Zeitraum.

Hilfe aus der Apotheke Für Anti- histaminika, Melatonin und Phyto- pharmaka sieht die Leitlinie die Wirk- samkeit nicht ausreichend belegt, was allerdings auf die Studienqualität zu- rückzuführen ist und nicht zwangs- läufig auf die Arzneimittel selbst.

Viele Anwender haben gute Erfah- rungen mit entsprechenden Präpara- ten gemacht. Melatonin als Arznei- mittel ist verschreibungspflichtig, als Nahrungsergänzungsmittel nicht. Die Nachfrage der Kunden ist hierfür hoch, da Melatonin-Präparate aktuell stark beworben werden. Auch für die Antihistaminika Diphenhydramin und Doxylamin sowie für pflanzliche Mittel benötigt der Kunde kein Re- zept. Hier ist also Ihre Beratung ge- fragt.

Bei älteren Kunden erhöhen einige dieser das Sturzrisiko, lösen Schwin- del oder kognitive Störungen aus oder verändern die Herzaktivität.

Eine gute Übersicht bietet Ihnen die PRISCUS-Liste, die für ältere Men- schen potenziell inadäquate Medika- mente aufzählt und bewertet. Auf der sicheren Seite sind Sie mit Phyto- pharmaka. Extrakte aus der Baldri- anwurzel, dem Hopfenzapfen, der Lavendelblüte, Melissenblättern oder dem Passionsblumenkraut haben be- ruhigende und schlafanstoßende Ei- genschaften.

Meine Oma Gertrud hat sehr selten mal einen Melissengeist getrunken.

Ansonsten hat sie ihren Schlaf über den Tag verteilt. Getreu dem Sprich- wort „Nach dem Essen sollst du ruh´n, eine Stunde gar nichts tun“

legte sie sich mittags kurz aufs Ohr und war dann wieder fit, um mit mir auf den Spielplatz zu gehen – in die Sonne. Oma war also kein Vam- pir. Und Knoblauch mochte sie auch.  n

Gesa Van Hecke, PTA/Redaktion

PRAXISTIPP

Klagt Ihr Kunde darü- ber, dass er nachts nicht genug Schlaf bekommt, muss das keine Schlaf- störung sein. Viele Seni- oren gleichen fehlenden Nachtschlaf mit einem Nickerchen tagsüber aus.

Fragen Sie, ob Ihr Kunde tagsüber müde ist und Konzentrationsschwierig- keiten hat – dies deutet dann auf eine Insomnie hin.

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