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Archiv "Psychische Erkrankungen: Wenn Arbeit krank macht" (09.04.2010)

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A 644 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 14

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9. April 2010

D

as Telefon klingelt im Minu- tentakt. Am anderen Ende der Leitung ist immer ein unzufrie- dener Kunde. Die Beschwerde auf- nehmen, den Anrufer beruhigen, dabei freundlich bleiben und alles möglichst schnell, denn in der War- teschlange ist schon der nächste Kunde. Dies sind die typischen Ar- beitsbedingungen in einem Call- Center – und die gehen zulasten der psychischen Gesundheit der Mitar- beiter, wie eine Studie der Bundes- psychotherapeutenkammer (BPtK) zeigt.

Die BPtK hat die psychischen Belastungen in der modernen Ar- beitswelt unter die Lupe genommen und dazu die Gesundheitsreporte der gesetzlichen Krankenkassen analysiert. Ergebnis: Arbeitnehmer fehlen immer häufiger wegen seeli- schen Erkrankungen. Hohe Anfor- derungen, Zeitdruck und wenig Ein- fluss auf den Ablauf oder das Ergeb- nis der Arbeit – das seien Faktoren, die die psychische Gesundheit des Menschen besonders gefährdeten, erklärte Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der BPtK, bei der Präsen- tation der Studie. „Eine besonders

belastete Berufsgruppe sind Telefo- nisten, die etwa doppelt so häufig aufgrund psychischer Erkrankungen ausfallen wie der Durchschnitt.“

Neben den Mitarbeitern von Call- Centern seien vor allem Dienstleis- ter, Beschäftigte in öffentlichen Ver- waltungen und Angestellte aus dem Gesundheits- und Sozialwesen be- troffen. Beschäftigte im Bauwesen sowie in der Forst- und Landwirt- schaft litten hingegen deutlich selte- ner an psychischen Erkrankungen.

Die Gründe für die steigende Zahl seelischer Erkrankungen sind vielfältig. Zum einen wurden sie lange Zeit „übersehen oder nicht richtig diagnostiziert“, sagte Rich- ter. Dies habe sich verbessert, so dass typische Begleitsymptome wie Magen- oder Rückenschmerzen heute als solche erkannt werden.

Auch dadurch kommt es zu einer höheren Zahl an Krankschreibun- gen wegen psychischer Beschwer- den. „Für den Patienten erhöht das aber die Chance auf eine angemes- sene Therapie“, betonte der BPtK- Vorsitzende.

Ein weiterer Grund sind Anfor- derungen der heutigen Arbeitswelt,

wie Arbeitsverdichtung, Zeitdruck, verhältnismäßig geringe Entloh- nung beziehungsweise Wertschät- zung durch den Arbeitgeber. Sie führen zunehmend zu seelischen Belastungen. „Studien belegen, dass die Kombination aus hohen Anforderungen einerseits und ge- ringem Einfluss auf den Arbeitspro- zess andererseits überdurchschnitt- lich häufig zu psychischen Erkran- kungen führt“, erläuterte Richter.

Diese Risikofaktoren fänden sich nicht in allen Arbeitsbereichen. Be- sonders ausgeprägt seien sie im Dienstleistungssektor, stellte Rich- ter fest.

„Die Arbeitsbedingungen müs- sen auch bei Dienstleistungen so gestaltet werden, dass das Arbeits- stakkato und Überforderung ver- mieden werden“, forderte der BPtK-Vorsitzende. Darüber hinaus müsse der Einzelne mehr Kontrolle über seine Arbeitsabläufe gewinnen.

Eine Pflegekraft habe beispielswei- se nur eine bestimmte Zeit für einen Patienten, obwohl jeder einen un- terschiedlichen Bedarf an Fürsorge habe. „Braucht sie bei einem Pa- tienten etwas länger, steht sie direkt unter Zeitdruck und hat auch noch ein schlechtes Gewissen, weil sie sich um den nächsten Patienten nicht ausreichend kümmern kann“, sagte Richter. Das sei eine hohe seelische Belastung. Hätte die Pfle- gekraft ein zusätzliches Zeitkontin- gent, das sie selbst je nach Bedarf verplanen könne, würde der psy- chische Stress deutlich abnehmen.

Darüber hinaus empfiehlt die BPtK, über betriebliche Gesund- heitsförderung psychischen Erkran- kungen vorzubeugen. Durch geziel- te Trainingsmaßnahmen könne die seelische Belastungsfähigkeit der Beschäftigten gestärkt und die Be- wältigung von belastenden Situa- tionen gefördert werden, erklärte Richter. „Betriebliche Prävention allein kann jedoch nicht verhindern, dass Arbeitnehmer psychisch er- kranken, da die Ursachen auch au- ßerhalb der Arbeit liegen.“ Deshalb seien eine frühzeitige Diagnose und eine leitliniengerechte Therapie von psychischen Erkrankungen weiter-

hin entscheidend. ■

Dr. rer. nat. Marc Meißner

PSYCHISCHE ERKRANKUNGEN

Wenn Arbeit krank macht

Immer häufiger fehlen Beschäftigte wegen psychischen Erkrankungen. Vor allem die Dienstleistungsbranche ist davon betroffen. Schuld sind Arbeitsbedingungen, die wenig Zeit und kaum Spielraum für eigene Entscheidungen lassen.

P O L I T I K

Foto: Fotolia [m]

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