• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Wo liegen die Ursachen?" (10.12.1986)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Wo liegen die Ursachen?" (10.12.1986)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heil- und Hilfsmittel

Der Anteil der Ausgaben für Heil- und Hilfsmittel an den Ausgaben der gesetzli- chen Krankenversicherung ist von 1970 bis 1985 von 2,8 Prozent auf 6 Prozent gestiegen. Demgegenüber ist im Vergleich der Anteil der Ausgaben für ambulante ärztliche Versorgung von 22,9 Prozent auf 18,1 Prozent im gleichen Zeitraum gesun- ken. Seit 1977 bis heute, in dem Zeitraum also, da das Kostendämpfungskonzept mit Grundlohnsummenorientierung gilt, wei- sen die Heil- und Hilfsmittel die höchsten durchschnittlichen jährlichen Ausgaben- überhänge über der Grundlohnsumme auf: 3,1 Prozent p. a. Diese deutlich über- proportionale Entwicklung ist ohne Zweifel mit eine Ursache der jüngsten Beitrags- satzanhebungen.

Eine Aufhellung der Hintergründe ist notwendig, und zwar sowohl unter ökonomisch-gesamtwirtschaftlichen als auch medizinisch-gesundheitspolitischen Aspekten, um daraus Schlußfolgerungen für ökonomisch gebotene und medizinisch vertretbare korrigierende Maßnahmen zie- hen zu können.

Immer wieder ist der Vorwurf zu hören, al- lein der Arzt löse durch seine Verordnung die Leistung und damit die Kosten aus.

Mithin müsse er in den Mittelpunkt der Kostendämpfungsbemühungen auch in diesem Bereich gestellt werden. Diese Meinung ist nur sehr bedingt richtig.

Der Arzt unterliegt einer Vielzahl von Gesetzes-, Rechts- und Vertragsvorschrif- ten, die ihn in seinem ärztlichen Handeln stark einengen. Seit 1982 sind die Heil- und Hilfsmittel-Richtlinien des Bundes- ausschusses der Ärzte und Krankenkassen in Kraft. Diese engen seinen Handlungs- spielraum erheblich ein. Der Kassenarzt steht in einem ständigen Interessenkon- flikt zwischen seiner Sozialbindung gegen- über der Solidargemeinschaft der Versi- cherten (Gebot der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit) einerseits und seiner Fürsorgeverpflichtung und dem ärztlich- ethischen Gebot, dem einzelnen Patienten

so gut wie möglich zu helfen, anderer- seits. Die vom Kassenarzt geforderte Zu- rückhaltung gegenüber den Wünschen des Versicherten wird unerfüllbar, wenn, wie immer wieder in der Alltagspraxis zu beobachten, diese seitens der Kranken- kassen durch allzu großzügige Auslegung des Wirtschaftlichkeitsgebots oder gar konterkarierende Werbemethoden aus Wettbewerbsgründen gegenüber anderen Kassenarten unterlaufen wird. Soviel zur grundsätzlichen Klarstellung vorweg!

Wo liegen die Ursachen für die rasante Entwicklung? Auch wenn die vorgelegten Daten keine abschließende Beurteilung, insbesondere unter medizinisch-gesund- heitspolitischen Aspekten, zulassen, ist dem Bundesarbeitsministerium doch für das Bemühen zu danken, in differenzierter Analyse diesen Sektor aufzuarbeiten. Im wesentlichen werden zwei Faktoren zur Er- klärung herangezogen:

1. ein in den letzten 10 bis 15 Jahren deut- lich gewandeltes Morbiditätsspektrum, stark beeinflußt auch durch eine veränder- te demographische Struktur,

2. die wachsende Zahl der Leistungser- bringer auch in diesem Sektor.

Weiter spielt eine Rolle die Preisentwick- lung und insbesondere bei den Hilfsmit- teln die Innovationskomponente: Neue Hilfsmittel sind in der Regel auch teurere Hilfsmittel!

Der Vergleich der Ausgaben für Heil- und Hilfsmittel je Mitglied in den letzten 10 Jahren zeigt nicht nur mehr als eine Ver- doppelung der Ausgaben pro Kopf insge- samt, sondern insbesondere auch eine Verdreifachung der Ausgaben für Renten- versicherte. Demgegenüber haben sich die Ausgaben je Allgemeinversicherten

„nur" verdoppelt. Damit bestätigt sich auch in diesem Bereich die deutlich wach- sende „Alterslast" in der gesetzlichen Krankenversicherung, die über die Kran- kenversicherung der Rentner auf den Soli-

darausgleich zwischen Allgemeinversi- cherten und Rentnerversicherten durch- schlägt.

Besonders stark wirkt sich der Anteil al- tersbedingter Behandlungsbedürftigkeit naturgemäß bei den Sehhilfen, bei Dialy- seleistungen, Hörhilfen und im Bereich orthopädische Hilfsmittel aus. Hier kom- men neben dem altersbedingt veränderten Morbiditätsspektrum natürlich auch neue Diagnose- und Therapiemöglichkeiten und erhebliche technische Verbesserungen, aber auch die gesundheitspolitisch gewoll- ten verstärkten Rehabilitationsbemühun- gen und -möglichkeiten der letzten Jahre zum Tragen.

Ein Beispiel nur: Die Nachteile der nach- weislich teureren Im-Ohr- bzw. beidohri- gen Versorgung, die bei Beachtung der Physiologie des Hörens und der Patho- physiologie der Schwerhörigkeit medizi- nisch durchaus angezeigt sein kann, wer- den infolge der technischen Weiterent- wicklung der Geräte zunehmend überwun- den. Von daher dürfte eine Einschränkung der Versorgung insbesondere von Schwerhörigen mit dieser Art von Hörge- räten nicht nur als Rückschritt zu sehen sein, sondern auch bei der Werbung der Krankenkassen mit optimalem Leistungs- angebot den Versicherten nur schwer ver- ständlich zu machen sein. Dies kann je- denfalls nicht den Ärzten aufgebürdet wer- den.

Oder die Versorgung mit Reha-Mitteln und Stoma-Artikeln, die seit 1980 mit + 76,6 Prozent und + 91,9 Prozent Ausgabenzu- wachs besonders stark expandieren. Nie- mand wird ernsthaft unterstellen wollen, daß der Arzt hier unnötig oder unwirt- schaftlich verordnet bzw. der Patient un- nötig Ansprüche anmeldet!

Oder der Bereich Dialyse: Wo ist die Alter- native, wenn einerseits die Zahl der Pa- tienten mit kostenintensivem Behand- lungsbedarf und kostenintensiven Be- handlungsverfahren zunimmt, anderer- seits die Möglichkeit der Nierentransplan- tation aufgrund der relativ niedrigen Zahl verfügbarer Transplantate dem Bedarf nicht entspricht? Bemerkenswert er- scheint mir allerdings gerade hier die we- sentlich kostengünstigere und damit wohl auch wirtschaftlichere Leistungserbrin- gung in der Praxis des niedergelassenen

Arztes.

Wo liegen die Ursachen?

Aus dem Statement von Dr. Eckart Fiedler

zum Bereich Heil- und Hilfsmittel vor der Konzertierten Aktion

Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 50 vom 10. Dezember 1986 (15) 3519

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

vorzubereiten und zu erlas- sen, hat jetzt das Bundesmini- sterium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit ein wissenschaftliches Gutachten ausgeschrieben, das für die

An der Beurtei- lung von neuen Untersu- chungs- und Behandlungsme- thoden für die Gesetzliche Krankenversicherung wird sich nach Auffassung der Bundesregierung nichts We-

Deutschen Ärz- tetag als Präsident der Bun- desärztekammer bestätigt worden war — ist damit für ei- ne vierte Amtsperiode seit 1976 Präsident der Ärzte- kammer Bremen.. Zum

Ich habe früher einmal gelernt, dass es sich um das Herausziehen ei- nes 20 bis 30 cm langen Wur- mes aus dem Unterschenkel handelt und dass es eine Kunst ist, diesen Wurm

Nach dem drastischen Rückgang der Antragszahlen für medizini- sche Rehabilitationsleistun- gen um 300 000 – also um mehr als 35 Prozent, bezogen auf 1995 – zeichnete sich in den

Nach der Um- wandlung zur Orthopädi- schen Universitätsklinik 1934 errichtete die Freie Universi- tät 1954 im Westteil der Stadt einen Lehrstuhl für Orthopä- die. Ulrich Weber,

Der Vergleich der Ausgaben für Heil- und Hilfsmittel je Mitglied in den letzten 10 Jahren zeigt nicht nur mehr als eine Ver- doppelung der Ausgaben pro Kopf insge- samt,

Und dazu kommen noch von einzelnen Kosten- trägern ohne jede Begrün- dung erstattete Mehrleistun- gen für Entspiegelungen und Tönungen von Brillenglä- sern, die bei anderen