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Archiv "Mehr Schutz dem Ungeborenen gegen Zigaretten-Rauch" (23.02.1989)

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DEUTSCHES 'la

ÄRZTEBLATT

Mehr Schutz dem Ungeborenen

gegen Zigaretten-Rauch

jr

ede fünfte Schwangere raucht aktiv, jede dritte Schwangere ist Passivraucherin. Beides be- deutet für das Ungeborene klinisch relevante Belastungen. Das Unge- borene ist der schutzbedürftigste Passivraucher. Seine rauchenden El- tern brauchen mehr aufklärende Hilfe.

Die Risiken des Passivrauchens wurden bisher unterschätzt, da beim aktiven Rauchen die Nikotinbela- stung 200- bis 300mal größer schien.

Der Passivraucher inhaliert durch Nebenstromrauch bis zu 100mal hö- here Konzentrationen flüchtiger Substanzen, als im Hauptstrom- rauch vorkommen Die im Neben- strom freigesetzten flüchtigen Sub- stanzen erreichen bei Passivrauchern die gleiche Konzentration wie bei Aktivrauchern. Allerdings werden diese kanzerogenen, kokanzeroge- nen und toxischen Substanzen in der Plazenta von aktiven Raucherinnen bis zu 100mal schneller durch En- zyminduktion abgebaut als bei Nichtraucherinnen.

1. Fertilitäts-Probleme infolge Rauchens

Raucherinnen haben eine redu- zierte Konzeptionswahrscheinlich- keit, die proportional dem täglichen Zigarettenkonsum ist. Erniedrigte Östrogenspiegel sind dafür mit aus- schlaggebend, die auch das vorzeiti- ge Altern starker Raucherinnen be- wirken. Bei stark rauchenden Män- nern werden gehäuft abnorme Sper- mien gefunden. Inhalierter Tabak- rauch wirkt auf männliches Keim- epithel stärker schädigend als auf die Eizelle. Die klinische Folge sind er- höhte Abortraten bei Frauen mit rauchenden Ehemännern. Noch gra- vierender sind mißgebildete Neuge- borene, die bei rauchenden Vätern doppelt so oft zu erwarten sind.

Durch Zigarettenkonsum kommt es gehäuft zu beunruhigen-

den Blutungen in der Schwanger- schaft, nicht selten mit Abortfolge.

Mit ein Grund dafür ist ein gestörter Uterusschleimhautaufbau infolge nikotinbedingter Mangeldurchblu- tung. Letzteres bewirkt mit das er- höhte Mißbildungsrisiko.

Seit 30 Jahren ist aus großen Studien das signifikant niedrigere Geburtsgewicht von Neugeborenen rauchender Mütter bekannt Als ei- ne Ursache seien Sauerstofftrans- portprobleme infolge der 200fach stärkeren Affinität von Kohlenmon- oxyd als Sauerstoff an Hämoglobin genannt. Kohlenmonoxyd ist ebenso plazentagängig wie viele Teere. In rauchgefüllten Räumen steigt Koh- lenmonoxyd bei Nichtraucherinnen in einer halben Stunde auf das Ni- veau von aktiven Zigarettenrauche- rinnen.

Mit dem diaplazentaren Niko- tinübertritt kommt das Neugebore- ne schlechter zurecht als Erwachse- ne, da die unreife Leber weniger Entgiftungsmöglichkeiten hat. Das bedeutet für das Ungeborene eine längere Nikotin-Kreislauf-Zirkula- tion, und das in höheren Konzentra- tionen als im mütterlichen Blutkreis- lauf. Bereits eine einzige konsumier- te Zigarette in der Schwangerschaft bedeutet für den Embryo eine ge- steigerte Herzfrequenz um 10 bis 15 Schläge. Damit soll das Sauerstoff- defizit kompensiert werden. Bei gleichzeitiger Katecholaminaus- schüttung mit zusätzlicher Herzfre- quenzsteigerung kommt es zu Blut- druckanstieg und erhöhtem Gefäß- tonus. Letzteres bedeutet eine ute- roplazentare Minderdurchblutung und längerfristig eine Retardierung des Ungeborenen.

2. Perinatale Mortalität erhöht durch Rauchen

Neugeborene von Raucherinnen haben ein 200 bis 300 g niedrigeres Geburtsgewicht. Diese Beziehung

existiert ab fünf Zigaretten täglich.

Der chronische Sauerstoffmangel bei Ungeborenen rauchender Mütter bewirkt eine erhöhte perinatale Mortalität. Mit Einsetzen der We- hentätigkeit führt nicht selten eine bis dahin grenzwertige uteroplazen- tare Durchblutung zur fetalen Bra- dykardie mit eventuell schneller Ge- burtsbeendigung durch Kaiser- schnitt. Noch wenige Stunden vor der Geburt lohnt völliger Nikotinver- zicht. Denn ein Ungeborenes hat 20 Minuten nach Zigarettenkonsum der Mutter die gleiche Nikotinkonzen- tration erreicht.

3. Spätfolgen des Rauchens

in der Schwangerschaft

Ein retardiertes Neugeborenes — hier infolge Rauchens der Eltern — bedeutet stets eine körperlich und geistig-sozial belastende Kindheits- entwicklung. Diese läßt sich bis zum 11. Lebensjahr verfolgen in allgemei- ner Wachstums- und Entwicklungs- Retardierung, etwa in Form von Le- se- und Sprachstörungen. Raucher- kinder haben eine generell erhöhte Morbidität mit vermehrten Kranken- hausaufenthalten, zum Beispiel we- gen starker Bronchitiden und Pneu- monien.

Elterliches Rauchen in der Schwangerschaft ist auch unter fol- gendem Aspekt höchst bedenklich:

Eine schwedische Studie kam zu dem Ergebnis, daß Kinder, deren Mütter während der Schwanger- schaft rauchten, ein um 50 Prozent höheres Risiko haben, eine maligne Erkrankung zu entwickeln als Kinder von Nichtraucherinnen.

Insgesamt gibt es ausreichend Fakten, das Rauchen in der Schwan- gerschaft als schadensetzendes So- zialverhalten zu werten. Das gilt nicht nur für die aktiv rauchende Mutter, sondern für alle Personen, die einer werdenden Mutter und de- ren Ungeborenem das ebenso schäd- liche Passivrauchen zumuten.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med.

Matthias Wenderlein Universitäts-Frauenklinik Prittwitzstraße 43 • 7900 Ulm Dt. Ärztebl. 86, Heft 8, 23. Februar 1989 (61) A-473

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