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Archiv "Strukturreform: Augen zu und durch?" (19.05.1988)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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berraschenderweise hatte sich Dr. Norbert Blüm zum Ärztetag angesagt.

Seine Kabinettskollegin Profes- sor Dr. Rita Süssmuth, die noch im Programm aufgeführt war, blieb statt seiner in Bonn. Der Bundesarbeitsminister, der Be- suche in den Höhlen von Löwen zu genießen scheint, ließ auch bei der Eröffnungsveranstaltung des 91. Deutschen Ärztetages in der Frankfurter Alten Oper am 10. Mai kein Formtief erken- nen, obgleich er, vorgewarnt durch den einen oder anderen Ärzteverband, mit lautstarkem Widerstand hatte rechnen müs- sen. Am Rande des Ärztetages war in der Tat diskutiert wor- den, Blüm einen derart „gebüh- renden" Empfang zu bereiten.

Demonstratives Schweigen, so hieß schließlich die Parole, sei wohl das Beste.

Als Blüm dann kam, wurde er mit mildem Beifall begrüßt.

Buh-Rufe gab es bei seiner Re- de nicht, wohl vereinzelte Zwi- schenrufe. Und nachdem der Minister treuherzig den Regie- rungsentwurf des Gesundheits- Reformgesetzes vor den ver- sammelten Vertretern der Ärzte verteidigt hatte, verließ er unter freundlichem Beifall das Red- nerpult.

Der gepflegte Empfang in der gepflegten Alten Oper kann freilich nicht darüber hinweg- täuschen, daß die Vertreter der Ärzteschaft mit dem Gesetzes- entwurf alles andere als zufrie- den sind; ja, viele wünschen ihn zum Teufel. So drastisch hat es der Präsident der Bundesärzte- kammer und des Deutschen Ärztetages, Dr. Karsten Vil- mar, zwar nicht ausgedrückt.

Doch seine Auseinandersetzung mit der Gesetzesvorlage der Bundesregierung und der Koali- tionsfraktionen kam einer Zu- rückweisung des Gesetzespake- tes gleich. Vilmar griff die Ko- stendämpfungsideologie an, das Postulat der Beitragssatzstabili- tät, das Zuviel an Reglementie- rung und an Sanktionsmechanis- men. Die eigentlichen Probleme der gesetzlichen Krankenversi-

Strukturreform

Augen zu und durch?

cherung, vor allem jene, die aus der Verschlechterung der Al- tersstruktur und aus Überkapa- zitäten resultieren, würden nicht gelöst.

Vilmar und Blüm redeten im Grunde genommen aneinan- der vorbei. Auf jene „eigent- lichen Probleme" ging der Mini- ster vor dem Ärztetag einfach nicht ein. Das die Ärzte vor al- lem erregende Thema „Re- glementierung der ärztlichen Arbeit" sparte er weitgehend aus. Seine Verteidigungsrede stellte solche Punkte heraus, de- nen kaum jemand widerspre- chen kann. Blüm zeichnete noch einmal die tatsächlich ein- drucksvolle Ausgabenentwick- lung nach, er beklagte Ver- schwendung und Mißbrauch und forderte die Konzentration auf das Notwendige. Solidarität und Eigenverantwortung sollten gestärkt werden; es gelte, einen Weg zwischen Markt und Staat zu finden. Seine Kritik an den Ärzten war wohlverpackt und dargeboten mit Komplimenten über die gesellschaftliche Son- derstellung des Arztes.

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ffen griff der Minister le- diglich die Anzeigenak- tion des Bundesverban- des der Pharmazeutischen Indu- strie und einen Aufruf des Hart- mannbundes an: Der Vorwurf,

„intimste Daten stehen auf Knopfdruck zur Verfügung"

(Pharmaverband), sei ein Phan- tasiegebilde, und bei der Aussa- ge, der medizinische Dienst sol- le sich in die ärztliche Behand- lung einmischen (Hartmann- bund), handele es sich um einen Phantomvorwurf. Folglich ka- men Blüm (CDU) wie auch der hessische Wissenschaftsminister Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP)

dazu, mehr Sachlichkeit zu for- dern — eine Forderung, der man an sich kaum widersprechen kann und der sich, freilich an die Bonner Adresse gerichtet, auch Dr. Vilmar anschloß.

Von solcher Sachlichkeit zeugte der „Bericht zur Lage", den der Erste Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesverei- nigung, Professor Dr. Siegfried Häußler, am 9. Mai vor der KBV-Vertreterversammlung in Frankfurt hielt. Häußler ver- zichtete, bis auf das unvermeid- liche Ceterum censeo, auf eine Generalabrechnung mit dem Gesetzesentwurf; er verteidigte vielmehr die KBV-Strategie, durch Verhandlungen das Best- mögliche zu erreichen. Tatsäch- lich haben die vielen Gespräche im kleinen Kreis eine Fülle von Veränderungen namentlich zu- gunsten der Kassenärzte er- bracht. Weitere Verbesserun- gen scheinen im parlamentari- schen Verfahren möglich zu sein. Auch Blüm erklärte sich vor dem Ärztetag ausdrücklich als gesprächsbereit.

F

ortschritte im Detail än- dern indes nichts an der Gesamtkonzeption des Gesetzes. Die wird nicht geän- dert. Das darf man aus Blüms und, bei aller parteipolitischen Differenzierung, auch aus den Worten des hessischen Wissen- schaftsministers schließen. Die sogenannte Gesundheitsreform ist zu einer Frage nach dem poli- tischen Sein oder Nichtsein hochstilisiert worden, ähnlich der Steuerreform. Die Bundes- regierung und die Koalition werden beide Reformvorhaben auf Biegen oder Brechen durch- ziehen wollen — allein schon um zu demonstrieren, daß sie zu po- litischen Entscheidungen noch fähig sind.

Reform oder Ruin. Diese Alternative nannte Blüm in Frankfurt und meinte damit die Gesetzliche Krankenversiche- rung.

In einem weiteren Sinne

könnte damit auch die Bonner Koalition gemeint sein. Also — Augen zu und durch? NJ

Dt. Ärztebl. 85, Heft 20, 19. Mai 1988 (1) A-1405

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