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Archiv "Unser Eid auf das Leben verpflichtet uns — wozu?" (27.04.1984)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

TAGUNGSBERICHT

Unser Eid auf das Leben verpflichtet uns wozu?

Der Tübinger „Kongreß zur Verhütung eines Atomkrieges"

Nach den Kongressen der Sekti- on Bundesrepublik in der „Verei- nigung Internationale Ärzte zur Verhütung eines Atomkrieges (IPPNW)" im September 1981 in Hamburg, im November 1982 in Berlin und im April 1983 in Mün- chen hatten in diesem Jahr die Südwestdeutschen Ärzteinitiati- ven nach Tübingen eingeladen.

Die Veranstaltungen fanden vom 30. März bis zum 1. April in der Mensa Morgenstelle statt unter dem Motto: „Unser Eid auf das Le- ben verpflichtet zum Wider- stand".

Bisher hatten sich die Kongresse in der Bundesrepublik vor allem mit der Frage medizinischer Ver- sorgung im Atomkrieg und mit der Einplanung von Ärzten und Schwestern im Kriegsfall befaßt.

Die Polemik richtete sich gegen das von der früheren Regierung geplante Gesundheitssicherstel- lungsgesetz und gegen ein von der neuen Regierung zu erwar- tendes Gesundheitsschutzgesetz.

In Tübingen wurden jetzt folgen- de Themen behandelt: Wider- stand — Wie kann die „Friedensbe- wegung" weitergehen? Neues Le- ben — „Eine wesentlich neue Art zu Denken ist notwendig" (Ein- stein); „Militarisierung" des Ge- sundheitswesens; Militärstrate- gien, Waffentechnologie und Ver- teidigungskonzepte; Darstellung von Alternativen.

Nach Begrüßungsworten der Tü- binger Frauenärztin Dr. Barbara Waldow für die Südwestdeut- schen Ärzteinitiativen und des Psychoanalytikers und Psychia- ters Prof. Dr. Dr. Horst Eberhard Richter für die IPPNW richtete Prof. Dr. Leonid Iljin aus der

UdSSR Grußworte an den Kon- greß, übersetzt vom Dolmetscher:

. Wir sind davon überzeugt, daß die Ärzte in aller Welt durch ihre Aufklärung zu einer Verände- rung in den internationalen Bezie- hungen in Richtung von Entspan- nung und Zusammenarbeit beitra- gen können, indem sie gegenüber der Öffentlichkeit und den Regie- rungen die katastrophalen Folgen eines Atomkrieges aufzeigen so- wie die Notwendigkeit verdeut- lichen, auf den Ersteinsatz von Atomwaffen zu verzichten, die atomaren Waffen einzufrieren, zu begrenzen und schließlich zu be- seitigen. Regierungen und politi- sche Gruppen aller Kontinente schenken der Stimme der Ärzte- gemeinschaft heute Gehör. Es liegt an uns, diese Mahnung der Mediziner eindringlicher zum Ausdruck zu bringen." — Kongres- se wie dieser in der Bundesrepu- blik Deutschland sind im Osten al- lerdings nicht möglich. Es gibt aber Differenzierungen im Ost- block. In Ungarn ist die IPPNW als Verein etabliert. Nach dem 4. in- ternationalen IPPNW-Kongreß in Helsinki findet der 5. internationa- le Kongreß 1985 in Budapest statt.

Prominente Referenten:

Auf hohem Niveau

die Apokalypse beschworen Die Reihe der großen Referate er- öffnete Prof. Dr. Fritjof Capra, Berkeley (USA). Er sprach am Freitagabend vor dem Eröff- nungsplenum über „Wir brauchen eine wesentlich neue Art zu den- ken, wenn die Menschheit am Le- ben bleiben soll" (Ausspruch von Albert Einstein).

Der Samstag begann mit einem Vortrag über „Angst, Hoffnung, Widerstand" von Prof. Dr. Horst Eberhard Richter. Anschließend sprach Prof. Robert Jung über

„Leben ohne Zukunft". Dann folg- ten, zum Teil in Parallelveranstal- tungen, Referate u. a. von Prof.

Harald Stumpf, Tübingen, über

„Kriegsangst: Massenhysterie oder Notwehr der Vernunft?", von Dr. Regine Armbruster-Heyer, Hamburg, über „Medizin und Ge- walt", von Prof. Dr. D. Müller-He- gemann über „Angst und Wider- stand", von Prof. Dr. Reinhard Lempp, Tübingen, über „Atom- krieg und Erziehung", von Oberst- leutnant a. D. Dr. Alfred Mechters- heimer „Zur Entwicklung nicht- nuklearer Massenvernichtungs- mittel", von Dr. John Dawson, London: Secretary of the British Medical Association, über die Stu- die dieser Gesellschaft, von Prof.

Dr. Howard Hiatt-Boston/USA, Harvard School of Public Health (und Päpstliche Akademie der Wissenschaften), über „The Ulti- mate Public Health Challenge", von Dr. Wolfgang Send, Göttin- gen, über „Die Ohnmacht des Zi- vilschutzes".

Am Nachmittag tagten parallel verschiedene Arbeitsgruppen mit Vorträgen und Diskussionen zu folgenden Themen: Gewaltfreie Aktionen / Selbstzweck oder wir- kungsvolle Widerstandsform? Zi- viler Ungehorsam / eine Perspek- tive für Ärzte?, Kriegsmedizin / Katastrophenmedizin, Ziviler Un- gehorsam als aktiver Verfassungs- schutz, Umgang mit Feindbildern, den Feind entfeinden, Ärztliche Kriegsdienstverweigerung, Sozial- abbau.

Der Abend wurde eröffnet mit ei- nem rhetorisch glänzenden Refe- rat von Prof. Dr. Dr. Walter Jens, Tübingen, über „Hippokrates und Holocaust. Von der Verantwor- tung der Wissenschaft in finsterer Zeit". Beginnend mit den griechi- schen Philosophen, fortfahrend mit den Gelehrten und Forschern der beginnenden Neuzeit und mit Albert Schweitzer, Albert Einstein, Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 17 vom 27. April 1984 (23) 1337

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Blick ins Plenum bei dem Atom-Kongreß in Tübingen, dessen Referate und Diskus- sionen den verschiedensten Aspekten eines Nuklearkrieges gewidmet waren

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Verhütung eines Atomkrieges

Georg Friedrich Nicolai, Bert Brecht, James Franck und Edward Teller, argumentierte er, wie trotz aller Kenntnisse, voller Problem- bewußtsein und trotz hoher Moral von Tausenden von Wissenschaft- lern „die Wissenschaft" eine un- ermüdliche Schuldanhäufung zu- stande gebracht habe. Gerade die barbarischen Mächte hätten sich mit Vorliebe der scheinbar unpoli- tischen Wissenschaftler bedient, um ihre Ziele in die Tat umzuset- zen.

„Politik ist weiter nichts als Medi- zin im großen": So sollte die Prä- misse einer künftigen Verfassung lauten. Die Ärzte stünden also in der Pflicht und seien aufgefordert, ihrer Verantwortung innezuwer- den (Verantwortung im Sinne von Verpflichtung, vor dem Gerichts- hof der Mitbetroffenen Rede und Antwort zu stehen). Um des Ja zur Vision einer menschlichen Gesell- schaft willen hätten sie nein zu sa- gen: Nein zu allem, was den Tod und dessen Begriff, den Krieg, zu fördern hilft. Prof. Jens Rede wur- de oft von Beifall unterbrochen; er konnte stehend und lange begei- sterte Ovationen entgegenneh- men.

Osterwald, Vizepräsident der Bun- desärztekammer und Vorsitzen- der des BÄK-Ausschusses „Sani- tätswesen der Bundeswehr und Zivilschutz", Initiator eines Hand- buches über den Katastrophen- schutz „Wegweiser Medizinische Katastrophenhilfe", herausgege- ben von der Ärztekammer Nieder- sachsen. Die hier referierten Kernaussagen mögen ein Bild von den verschiedenen Standpunkten geben.

Prof. Begemann verwies auf das Referat von Prof. Jens und auf die Ärztetagsbeschlüsse 1958 in Gar- misch-Partenkirchen und 1982 in Münster mit den Aussagen über Atomgefahren und andere Gefah- ren des Krieges sowie zur ärzt- lichen Hilfe im Katastrophen- und Verteidigungsfall. Mit einer Ver- weigerung der Fortbildung in

„Kriegsmedizin" und der Verwei- gerung des ärztlichen Dienstes im Sanitäts- und Gesundheitswesen der Bundeswehr hätte der Arzt ein Mittel gegen den Krieg in der Hand.

Dr. Vilmar hob hervor, daß unbe- stimmte Ängste abgebaut werden müßten. Wir müßten als Ärzte al- les tun, um im „Fall des Falles"

helfen zu können. Bereits der

Deutsche Ärztetag 1958 habe sich beschwörend an die Politiker der ganzen Welt gewandt und eine weltweite Aufklärung über Atom- kriegsgefahren gefordert. Der Deutsche Ärztetag 1982 erklärte dazu: „Niemand kann der atoma- ren, chemischen und bakteriolo- gischen Kriegsdrohung der Ge- genwart gleichgültig gegenüber- stehen. Bedroht ist die ganze Menschheit. Als Ärzte warnen wir wie alle verantwortlich denken- den und handelnden Bürger vor der sich anbahnenden Katastro- phe in der Menschheitsgeschich- te." Und weiter:

„Die Aufgabe aller Bürger ist es, jedem Krieg entgegenzuwirken, denn jeder Konflikt kann zur nu- klearen Katastrophe eskalieren.

Im Sinne einer langfristigen kon- sequenten Friedenspolitik ist es erforderlich, daß

1. bei den Völkern in Ost und West Feindbilder abgebaut werden und wechselseitiges Vertrauen aufge- baut wird,

2. die Bevölkerung über Folgen und Wirkung insbesondere der atomaren, chemischen und bak- teriologischen Massenvernich- tungsmittel rückkhaltlos aufge- klärt wird,

Podiumsdiskussion:

„Was können Ärzte gegen den Krieg tun?"

Anschließend diskutierten auf dem Podium unter Leitung des Fernseh-Journalisten Dr. Franz Alt vom Südwestfunk in Baden-Ba- den über das Thema „Was kön- nen Ärzte gegen den Krieg tun?":

Dr. Helmut Becker, ehemaliger Vi- zepräsident der Ärztekammer Berlin*), Prof. Dr. Herbert Bege- mann, emeritierter Direktor der Medizinischen Klinik in München;

Dr. Edith Schieferstein, Werksärz- tin in Tübingen; Dr. Barbara Wal- dow, Frauenärztin in Tübingen;

Dr. Karsten Vilmar, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages; Dr. Gustav

*) Dr. Becker wurde kürzlich von der Delegier- tenversammlung der Ärztekammer Berlin ab- gewählt (DÄ 9/84, Seite 633) — die Red.

1338 (24) Heft 17 vom 27. April 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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Was können Ärzte gegen den Krieg tun? Das Thema löste eine spannungsgeladene Podiumsdiskussion bei dem vierten Kongreß „zur Verhütung eines Atomkrieges"

aus, worüber auf diesen Seiten berichtet wird Fotos: Bitz (1), Kater (1)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Verhütung eines Atomkrieges

3. keine weiteren Massenvernich- tungsmittel entwickelt und die vorhandenen Bestände in allen Teilen der Welt kontrolliert und abgebaut werden."

Dr. Vilmar: Kein Ärztetag hat Chancen gesehen, im atomaren Krieg organisierte ärztliche Hilfe leisten zu können. Aber: Wir müs- sen unabhängig von den Ursa- chen von Katastrophen bereit sein zu helfen! Wir müssen uns ge- meinsam bemühen, Konflikte aus- zuschalten und den Frieden zu er- halten.

Dr. Alt: Die Journalisten müssen auf den Ärztetagen wohl verschla- fen haben, daß die Ärztetage und die Bundesärztekammer den Krieg geächtet haben! Dr. Vilmar:

Die Beschlüsse der Deutschen Ärztetage sind an über 150 Jour- nalisten für alle Medien über- reicht worden.

Die Verpflichtung zur ärztlichen Hilfe gilt

unabhängig von der Ursache Dr. Becker: Es bestände ein gro- ßer Unterschied zwischen den De- klarationen der Ärztetage und ih- rer Realisierung; immer wieder würde die Ethik betont; tatsäch- lich verkäme sie aber „im Sumpf der Bürokratie", weil die Vollzugs- praxis fehlte. Die Bundesärzte- kammer hätte die IPPNW-Kon- gresse veranstalten müssen. Prä- sident Vilmar hätte für seine Fort- bildungskongresse viel Zeit ge- habt. Und Vilmar müsse die Holo- caust-Gefahren verhindern; sonst wäre sein Verhalten doppelzün- gig. Dr. Schieferstein: Vermutlich wären die Journalisten hilflos ge- wesen angesichts der Bundesärz- tekammer-Erklärung, daß ärzt- liche Hilfe in Randzonen noch möglich sein könne. Gegenüber solchem „Optimismus" wirke es

„klärend", wenn Fortbildung in Katastrophenmedizin verweigert würde. Nach neuesten Lehrbü- chern beinhalte die Katastrophen- medizin auch kriegerische Kata- strophen. Daher wäre es berech-

tigt, die Katastrophenmedizin als

„Kriegsmedizin" zu bezeichnen.

Dr. Osterwald: Man sollte auf die Realitäten zurückkommen (Pfeif- konzert, Zwischenrufe). Die Hilfs- verpflichtung für Ärzte und im Ge- sundheitswesen Beschäftigte gilt unabhängig von der Ursache. Die- ser Kongreß fordert eine politi- sche Prävention, die von Ärzten getragen sein soll. Eine solche Prävention braucht zum Wirk- samwerden lange Zeiträume; dar- auf muß man sich einrichten. Wir können politische Veränderungen nur im Westen bewirken. Wenn ein solcher Kongreß wie dieser auch im Osten stattfinden könnte, wären wir weiter. In unserer hoch- technisierten Welt ist das Empfin- den für Gefahren geringer gewor- den. Daher sind die Ärztetags- Beschlüsse nicht bis zur Akzep- tanz gekommen. Zum Stichwort Triage: Die Diskussion darüber ist emotional aufgeheizt. Auch au- ßerhalb von Kriegsereignissen müssen wir Behandlungs-Prioritä- ten setzen, z. B. bei großen Ver- kehrsunfällen. Wir müssen immer nach der Devise handeln: Jedes Leben muß erhalten bleiben, das erhalten werden kann!

Dr. Waldow: Was ist ein Rechts- staat? Er dürfte doch wohl etwas mit Ethik zu tun haben. Leider werde die Verantwortlichkeit für das Leben nicht eingehalten. Es ist unmoralisch zu sagen: „Das Schlimmste wird wohl nicht pas-

sieren!" Wir müssen eine Ent- scheidung zugunsten des Lebens treffen.

Dr. Vilmar: Wir können in unserem Staat kontrovers diskutieren; den- noch sollten wir zu einem Kon- sens kommen. Es ist möglich zu fragen, was schlimmer sei, ein Atomkrieg oder ein bakterieller oder chemischer Krieg oder auch ein konventioneller Krieg mit sei- ner kaum faßbaren Zerstörungs- kraft. Als Unfallchirurg weiß ich, worüber ich rede. Auch eine gro- ße Klinik ist überfordert, z. B. bei einer Mühlenexplosion mit etwa 100 Verletzten. Dann sind organi- satorische Maßnahmen erforder- lich wie die Triage.

Die Bundesärztekammer hat nie- mals eine Pflicht- oder Zwangs- fortbildung in Katastrophenmedi- zin gefordert. Geradezu idiotisch ist die Unterstellung, daß bei Nichtteilnahme ein Approbations- entzug angedroht wurde, den üb- rigens nur der Staat und nicht die Ärztekammer verfügen könnte.

Man sollte pfleglicher und red- licher miteinander umgehen.

Dr. Waldow: Man muß das Reiz- wort „Katastrophenmedizin" aus der Welt schaffen. „Kriegsmedi- zin" ist Sache des Militärs, Notfall- medizin eine zivile Angelegen- heit. Die Bundesärztekammer sollte sich mit dem Atomkrieg ge- nauso befassen wie die „Britische Ärztekammer".

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 17 vom 27. April 1984 (25) 1339

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Verhütung eines Atomkrieges

Dr. Vilmar: Es gibt keine „Briti- sche Ärztekammer". Die British Medical Association ist ein Ver- band mit freiwilliger Mitglied- schaft und damit in einer anderen Situation gegenüber der allgemei- nen Politik als die Bundesärzte- kammer (als Arbeitsgemeinschaft öffentlich-rechtlicher Körper- schaften). Die Deutschen Ärzteta- ge und die Bundesärztekammer haben sich seit 1958 mit Kriegsge- fahren beschäftigt. Möglicherwei- se haben innerärztliche Diskre- panzen eine gemeinsame Diskus- sion und einen Konsens er- schwert. Unsere Fortbildung ist jedenfalls freiwillig. Niemand kann zur Teilnahme gezwungen werden. Wir sollten auch die Feindbilder innerhalb der Ärzte- schaft abbauen.

Dr. Alt: Wann soll Katastrophen- medizin angewandt werden?

Dr. Osterwald: Wenn die „Hilfsbe- dürftigkeiten" die Hilfsmöglich- keiten grob überschreiten, dann sind organisatorische Maßnah- men erforderlich.

Prof. Begemann sieht eine Chan- ce zur Einigung mit folgender Feststellung: Im Atomkrieg ist ei- ne organisatorische Hilfe durch die Ärztekammern nicht möglich.

Bei zivilen Katastrophen in Mittel- europa habe man bisher organisa- torische Hilfe nicht benötigt. Eine Triage sei nicht erforderlich ge- wesen und somit eine Fortbildung hierfür auch nicht nötig.

Dr. Schieferstein verwies darauf, daß beim großen Campingplatz- Unfall in Spanien eine Triage nicht durchgeführt wurde und sie auch nicht erforderlich wäre z. B.

bei einer Anzahl von 60 Verletzten bei einem Unfall auf dem Lande.

Dr. Schieferstein forderte mehr Betten für Verbrannte, insbeson- dere in solchen Gebieten der Bundesrepublik, wo „kritische Industriebetriebe" konzentriert sind. Der Ärztetag solle seine Be- schlüsse in die Tat umsetzen und der Bevölkerung nicht „vorgau- keln", daß Hilfe möglich wäre.

Dr. Waldow: Unser Eid auf das Le- ben verpflichtet uns zum Wider- stand, aber nicht gegen die Ärzte- kammer! Wir sollten eine geistige Umstellung anstreben, damit wir die Politiker so beeinflussen kön- nen, daß sie auf uns Ärzte hören.

Dr. Vilmar: In unserem Staat ist Widerstand ohne jedes persön- liche Risiko möglich. Aber nicht Widerstand ist erforderlich, son- dern intensive Aufklärung über die Möglichkeiten und Grenzen ärztlicher Hilfe.

Dr. Becker fragt Dr. Vilmar, ob er jetzt zur Aufklärung der Bevölke- rung „flächendeckende" Veran- staltungen durchführen wird.

Dr. Vilmar: Das ist kein qualitati- ves, sondern ein quantitatives Problem — Prof. Jens schimpft Dr.

Vilmar mehrfach einen „Dumm- kopf", weil dieser auf Fragen, die er, Jens, Dr. Schieferstein zuge- schoben hatte, nicht antwortete.

Prof. Jens war nicht bereit, sich zu entschuldigen, als ich ihn in Ge- genwart von Prof. Begemann nach der Diskussion darauf an- sprach — Dr. Vilmar: Sicher wird Franz Alt mir einen guten Tip ge- ben, wie Aufklärung mit Hilfe der Medien intensiviert werden kann.

Die Kammern allein können eine

„flächendeckende Information"

für die Bevölkerung nicht durch- führen.

Dies war das Ende einer kon- troversen, spannungsgeladenen, aber relativ fairen Diskussion.

Gedanken zur Fortbildung:

Ein Kommentar des Berichterstatters

Nun zu eigenen Überlegungen des Berichterstatters: Ich kann nur wiederholen, was ich in Heft 25/1983 des DEUTSCHEN ÄRZ- TEBLATTES am Ende meines Be- richtes über den Münchener Kon- greß geschrieben habe. Der frü- here Sanitätsinspekteur der Bun- deswehr, Prof. Rebentisch, hat den Vorschlag gemacht, die Fort-

bildung zu trennen in (zivile) Kata- strophenmedizin und Kriegsmedi- zin. Dieser Begriff sollte nicht mehr tabuisiert werden. Ich mei- ne, daß erst dann die Fronten sich abklären, wenn man den Begriff

„Katastrophen-Medizin" nicht mehr für alles verwendet. Man sollte eine strikte Grenze ziehen zwischen Notfallmedizin (bis hin zum großen Unfall, auch in atoma- ren Anlagen) und der Kriegsmedi- zin, die aller Wahrscheinlichkeit nach eine Massenmedizin sein würde.

Fortbildung in Kriegsmedizin soll- ten aktive Sanitätsoffiziere betrei- ben. Wenn Reserve-Sanitätsoffi- ziere dazu eingeladen werden, aber nicht teilnehmen wollen, müßten sie unter Berufung auf das Grundgesetz Anerkennung als Kriegsdienst-Verweigerer be- antragen. Die Fortbildung in Not- fallmedizin ist Sache der Ärzte- kammern und aller Ärzte. Natür- lich können Sanitätsoffiziere dar- an teilnehmen.

Die Auffassungsgegensätze bei der Triage sind unüberwindlich.

Während sie z. B. von Prof. Bege- mann aus christlich-ethischer Überzeugung abgelehnt wird, wird der „Zankapfel Triage" von Dr. Sroka, Hamburg, und anderen krampfhaft festgehalten, um da- mit die Gegensätze zwischen ver- schiedenen Überzeugungen wei- terhin zu emotionalisieren.

Ärzte, Mitbürger und Medien sind sich auf dem Tübinger Kongreß nähergekommen. Es war erstaun- lich, daß die Exponenten der Bun- desärztekammer mit Beifall be- grüßt wurden. Aber die Bundes- ärztekammer und die Landesärz- tekammern haben bei aller Bereit- schaft, auf Andersdenkende zu hören, auch Verpflichtungen, die ihnen die IPPNW nicht abdiskutie- ren kann.

Anschrift des Verfassers Dr. med. Hermann Kater Höhenweg 16

3250 Hameln 5 1340 (26) Heft 17 vom 27. April 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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