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Archiv "Medizingeschichte(n): Hexenverfolgung – Aufklärung durch Ärzte" (08.08.2005)

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sonders solche, bei denen die Krankheit chronisch mit deutlicher Residualsym- ptomatik verläuft, neigen dagegen häu- fig dazu, sich in Bezug auf ihre Gewichts- entwicklung wenig zu sorgen. Sie müssen deshalb aktiv über die entsprechende Problematik aufgeklärt werden.

Auf einen möglichen positiven Aspekt einer psychopharmakologisch bedingten Gewichtszunahme deuten Hinweise für einige Substanzen, dass die Gewichtszunahme während der Therapie positiv mit der therapeuti- schen Response korreliert. Dies zeigen Studien für Clozapin und Olanzapin (10, 19, 48). Möglicherweise spielen hierbei spezifisch neuroendokrine Ef- fekte, wie beispielsweise auf das Leptin- system, eine Rolle (62), denn bei eini- gen Antidepressiva, die keine ver- mehrte Leptinproduktion induzieren,

scheint ein solcher Zusammenhang nicht zu bestehen (27, 42, 47).

Gewichtszunahmen unter psycho- pharmakologischer Therapie sind ein häufiges Phänomen von hoher klini- scher Relevanz. Während das Wissen um die Ursachen rasch zunehmend dif- ferenzierter und detaillierter wird, ist noch viel zu wenig über Prädiktoren und effektive primär- und sekundär- präventive Maßnahmen bekannt. Auch über die langfristigen Folgen für die sekundäre metabolische Morbidität wissen wir sehr wenig, vor allem weil es an entsprechenden Langzeitstudien fehlt. Deshalb scheint zum gegenwärti- gen Zeitpunkt eine individuelle Über- wachung von Gewichtsentwicklung und metabolischen Parametern bei allen Patienten unter längerfristiger Psycho- pharmakotherapie indiziert zu sein.

M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 31–32⏐⏐8. August 2005 AA2177

Manuskript eingereicht: 29. 6. 2004, angenommen:

4. 11. 2004

Prof. Pollmächer hat Vortragshonorare erhalten von den Firmen Astra Zeneca, Bristol-Myers Squibb, Eli Lilly, GlaxoSmithKline, Novartis und Otzuka.

Priv.-Doz. Dr. Schuld erhielt Zuschüsse zu Fortbildungsver- anstaltungen von den Firmen Lundbeck und Astra Zeneca.

Dr. Himmerich erklärt, dass kein Interessemkonflikt im Sinne des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2005; 102: A 2172–2177 [Heft 31–32]

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Thomas Pollmächer Zentrum für psychische Gesundheit Klinikum Ingolstadt

Krumenauerstraße 25, 85049 Ingolstadt

E-Mail: Thomas.Pollmaecher@klinikum-ingolstadt.de Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit3105 abrufbar ist.

AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT

MEDIZINGESCHICHTE(N))

Hexenverfolgung Aufklärung durch Ärzte

Zitat:„Von allem Unglück, das die Mannigfaltigkeit fanatischer und verderbter Meinungen durch des Satans Hilfe in unserer Zeit über die Christenheit ge- bracht hat, ist nicht das kleinste das unter dem Namen der Hexerei wie ein bösartiger Samen ausgestreute.

Mögen die Menschen durch die vielfachen Streitigkei- ten über die Stellen der Schrift [1] oder über Kirchen- gebräuche auseinander gerissen werden, während die alte Schlange [2] den Brand schürt, so folgt daraus doch kein so grosses Unheil als aus der von ihr einge- flössten Meinung, dass kindisch gewordene alte Wei- ber, welche man Hexen oder Zauberinnen nennt, Menschen und Tieren Böses anthun könnten. Die täg- liche Erfahrung lehrt es, welch’ verfluchten Abfall von Gott, welche Freundschaft mit dem Bösen, welchen Hass und Streit unter den Nächsten, welchen Hader in Stadt und Land, wie zahlreiche Morde Unschuldiger durch des Teufels traurige Hilfe jene Meinung von der Macht der Hexen hervorbringt. Niemand kann dar- über richtiger urteilen als wir Ärzte, deren Ohren und Herzen durch diesen Aberglauben unaufhörlich ge- peinigt werden. [. . .]

Dir, o Fürst, weihe ich diese Frucht meines Denkens [3]. Seit dreizehn Jahren dein Arzt, habe ich an deinem Hofe die verschiedensten Meinungen über Hexen aus- sprechen gehört; aber keine stimmte mit der meinigen so sehr, als die deinige, dass die Hexen auch durch den bösesten Willen, durch die grässlichste Beschwörung

niemandem schaden können, dass sie vielmehr in ihrer durch die Dämonen in uns unverständlicher Weise er- hitzten Phantasie [4] und wie von Melancholie [5] ge- plagt sich nur einbilden, allerlei Übel erregt zu haben.

[. . .] Nicht wie andere ziehst du verwirrte, arme, alte Weiber zu schweren Straftaten heran. Du forderst den Beweis, und nur wenn sie wirklich Gift gegeben haben zum Morde der Menschen und der Tiere, lässt du den Vorschriften der Gesetze ihren Lauf.“

Johann Weyer: Die praestigiis daemonum [Über das Blendwerk der Dämonen]

(1563). Zitiert nach Carl Binz: Doctor Johann Weyer, ein rheinischer Arzt. Der erste Bekämpfer des Hexenwahns. Ein Beitrag zur Geschichte der Aufklärung und der Heilkunde. Zweite, umgearbeitete und vermehrte Auflage Berlin 1896, Seite 26 ff. – Weyer (= Wierus) (1515–1588) war Leibarzt des Herzogs von Jülich-Kleve-Berg. Seine hier zitierte Aufklärungsschrift wendet sich mit einer medizinischen beziehungsweise medizinpsychologischen Argumentati- on entschieden gegen den zeitgenössisch grassierenden Hexenwahn. Dieser war maßgeblich vom „Hexenhammer“, einer Art Handbuch zum Hexenwe- sen, geprägt worden, der von zwei Inquisitoren im Auftrag der katholischen Kirche, den Dominikanern Jakob Sprenger und Heinrich Institoris, verfasst worden und 1487 in lateinischer Sprache unter dem Titel „Malleus malefi- carum“ in Straßburg erschienen war. Der Höhepunkt der Hexenverfolgung lag nicht im Mittelalter, sondern in der frühen Neuzeit (Reformation, Gegenrefor- mation). Weyers Argumentation gewann Ende des 16. und im 17. Jahrhun- derts Anhänger unter Ärzten und Geistlichen, insbesondere ist hier der Kölner Jesuit Friedrich Spee von Langenfeld (1591–1635) mit seiner Schrift „Cautio criminalis“ (1631) zu nennen. – [1] Heilige Schrift. [2] Biblisches Symbol der Hinterlist. [3] Die Schrift ist dem Herzog Wilhelm V. von Jülich-Cleve-Berg (1539–1592) gewidmet. [4] Dämonen als quasi psychodynamische Kräfte verstanden. [5] Melancholie (Schwarzgalligkeit), eine traditionelle Ursache für „Geisteszerrüttung“.

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