EBM 2000plus
KBV und Kassen in Zeitnot
Streit um Steuerung ärzt- licher Leistungsmenge bringt KBV in Bedrängnis.
D
ass der neue Einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM 2000plus) nicht mehr zum 1. Juli 2004 in Kraft treten wird, scheint sicher. Die Sit- zung des gemeinsamen Be- wertungsausschusses von Kas- senärztlicher Bundesvereini- gung (KBV) und den Spitzen- verbänden der Krankenkas- sen am 12. März ist kurzfristig abgesagt worden. Die Ver- tragspartner wollten sich statt- dessen schriftlich über das weitere Vorgehen abstimmen.Anlass für die Absage des Treffens war ein Beschluss des KBV-Länderausschusses, die Einführung der neuen Ge- bührenordnung um drei Mo- nate zu verschieben (dazu auch DÄ, Heft 11/2004, „Seite
eins“). Das Gremium, in dem die Vorsitzenden der regiona- len Kassenärztlichen Vereini- gungen vertreten sind, konnte sich nicht auf ein Modell zur Mengensteuerung der ärztli- chen Leistungen einigen.
In ungewohnt scharfer Form reagierte am 15. März der Er- ste Vorsitzende der KBV, Dr.
med. Manfred Richter-Reich- helm, auf den Beschluss des Ländergremiums. „Da hat man mit falschen Interpreta- tionen auf der Basis nicht mehr aktueller Mengensteue- rungsmodelle Stimmung ge- macht.“ Namentlich nannte Richter-Reichhelm die KV Bayerns, auf deren Antrag hin der Beschluss zur Verschie- bung des EBM 2000plus mit einer hauchdünnen Mehrheit gefasst worden war.
Der neue Zeitplan für die Einführung des EBM zielt nun auf den 1. Oktober dieses Jahres. Die definitive Ent- scheidung über die neue Ge- bührenordnung und die damit verbundene Mengensteuerung soll in Abstimmung mit den Krankenkassen nunmehr am 13. Mai fallen. Bis dahin muss sich der KBV-Länderausschuss
auf ein Modell zur Mengen- steuerung geeinigt haben, das dann aber auch noch von den Krankenkassen akzeptiert werden muss.
Unklar ist zurzeit ferner, wie sich das Bundesministeri- um für Gesundheit und Sozia- le Sicherung (BMGS) zu dem neuen Zeitplan stellt. Nach dem GKV-Modernisierungs- gesetz sind die Kassenärztli- chen Vereinigungen und die regionalen Kassenverbände verpflichtet, sich bis zum 30.
April auf neue Honorarver- teilungsmaßstäbe zu einigen.
Diese sollen zum 1. Juli dieses
Jahres in Kraft treten. Das ist nach Lage der Dinge nicht mehr zu schaffen, da dies eine Einigung über die Mengen- steuerung voraussetzt.
Das BMGS kann den so ge- nannten Erweiterten Bewer- tungsausschuss, das Schieds- amt von Ärzten und Kranken- kassen auf Bundesebene, anru- fen oder die neue Gebühren- ordnung im Wege einer Ersatz- vornahme selbst einführen.
Richter-Reichhelm werte- te vor diesem Hintergrund die Vorgänge um die Ein- führung des EBM als ein
„Alarmsignal für die ärztliche Selbstverwaltung“. Der KBV- Vorsitzende wollte nicht aus- schließen, dass der derzeit laufende Wahlkampf um die demnächst hauptamtlichen Vorstandspositionen innerhalb der Kassenärztlichen Vereini- gungen ein Motiv für die ge- forderte Verschiebung des EBM ist. Zugleich zeigte sich Richter-Reichhelm aber zu- versichtlich, dass der KBV- Länderausschuss noch recht- zeitig vor der Sitzung des Bewertungsausschusses eine positive Entscheidung treffen
werde. Josef Maus
A K T U E L L
Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1219. März 2004 AA757
Glaukom
Charakteristische Autoantikörper
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ei der Pathogenese des Glaukoms, in deren Verlauf es zu einem Un- tergang von retinalen Ganglienzellen kommt, sind wahrscheinlich auch Au- toimmunvorgänge beteiligt. Mainzer Wissenschaftler haben bei Patienten mit primärem Offenwinkelglaukom ein charakteristisches Repertoire von Au- toantikörpern gegen Sehnerv- und Netzhautgewebe nachgewiesen. Die Erhöhung des Augeninnendruckes ist heute nicht mehr Bestandteil der Defi- nition der Erkrankung, denn sie fehlt bei mehr als 30 Prozent der Glaukom- Patienten, und gilt nur noch als wichtig- ster Risikofaktor. Demgegenüber ent- wickeln viele Patienten mit okulärer Hypertension nie ein Glaukom. Das Team um Privatdozent Dr. Dr. FranzGrus (Universitätsklinik Mainz) hat die Autoimmun-Hypothese des Glau- koms anhand von IgG-Antikörper- Profilen bei Patienten und Augenge- sunden überprüft: Im Western Blot ge- gen präparierte Retina- und Sehnerv- Antigene wurden bei Glaukom-Pa- tienten deutlich mehr Autoantikörper gemessen.
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afür wurde ein analytisches Verfah- ren entwickelt, das die Quantifizie- rung solcher Autoantikörper-Reper- toires erlaubt. Dies war nötig, weil auch Gesunde eine sehr komplexe Autoanti- körper-Verteilung zeigen („natürliche Autoimmunität“). Nach digitaler Bild- verarbeitung und multivariaten stati- stischen Analysen zeigte sich ein „cha- rakteristisches“ Autoantikörper-Muster, das eine Diskriminierung auch gegen Nicht-Glaukom-Patienten mit okulä- rem Hochdruck erlaubte. Mithilfe arti- fizieller neuronaler Netzwerke haben die Wissenschaftler dann überprüft, ob sich die Diagnose über das Antikörper-Repertoire im Serum von Glaukom- Patienten stellen lässt.
D
ie erste Untersuchung bei 140 Pa- tienten mit Hoch- und Normaldruck- Glaukom sowie Patienten mit okulä- rem Hochdruck oder aber Kontrol- len ergab eine Sensitivität von 90 und eine Spezifität von 85 Prozent. Dieser Effekt ist bei rund 400 Patienten be- stätigt worden. Die Frage, ob diese Autoantikörper gegen okuläre Anti- gene Ursache oder Folge der Glaukom- Erkrankung sind, ist nicht vollständig geklärt. Im Tiermodell zumindest wurde nach Immunisierung mit bestimmten Proteinen eine glaukomähnliche Er- krankung induziert, was darauf hindeu- tet, dass es sich um primäre Auslöser einer organspezifischen Autoimmuner- krankung handeln könnte. Wenn sich dies bestätigt, könnte das Autoantikör- per-Repertoire in Zukunft zur Beurtei- lung der Progression herangezogen wer- den, aber auch zum nichtinvasiven Screening. Dr. Renate Leinmüller AkutManfred Richter-Reichhelm
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