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Archiv "Glaukom: Eine vaskuläre Neuropathie" (14.03.2008)

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A562 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 1114. März 2008

M E D I Z I N R E P O R T

N

eue Erkenntnisse zur Patho- genese und Pathophysiologie des Glaukoms (grüner Star) legen vor allem eines nahe: Ein Teil der Patienten bedarf einer interdiszipli- nären Behandlung, sonst könnte durch die Therapie das Fortschreiten der Erkrankung gefördert werden.

Charakteristisch für das Glaukom ist, dass es kaum spezifische Sym- ptome hervorruft. Der Funktionsver- lust manifestiert sich zunächst mit Ausfällen in der Peripherie des Ge- sichtsfelds. Unbehandelt vergrößern sich diese Skotome, gehen ineinan- der über und verursachen erst in weit fortgeschrittenem Stadium eine wahrnehmbare visuelle Beeinträch- tigung.

Bis vor einigen Jahren wurde der grüne Star fast ausschließlich auf eine Erhöhung des Augeninnen- drucks zurückgeführt, auf Werte über 21 oder 22 mmHg. Bei der neueren Definition des Glaukoms, wie jener der European Glaucoma Society, wird der Augeninnendruck gar nicht mehr erwähnt.

Stattdessen liegt der Schwer- punkt des Krankheitsbegriffs auf dem Aspekt der glaukomatösen Neuropathie. Einen Verlust von Nervenfasern gibt es zwar bei zahl- reichen degenerativen Erkrankun- gen des Zentralnervensystems oder der Sinnesorgane: Der Zelltod von

Neuronen führt zu einem blassen und atrophischen Sehnervenkopf, zum Beispiel nach einem Zentral- arterienverschluss oder nach einer anterioren ischämischen Optikus- neuropathie, aber nicht zwangsläu- fig zu einer Exkavation der Sehner- venscheibe, wie sie beim Glaukom ophthalmoskopisch sichtbar ist.

Aktiver Umbauprozess und Reduktion des Blutflusses

Diese für das Glaukom spezifische Veränderung bedarf neben eines Verlusts von Axonen, Gliazellen und Blutgefäßen auch eines Gewebe- umbaus, der zu einer Ausbuchtung und Dehnung der Lamina cribrosa führt. Die Exkavation, so erklärt Prof.

Dr. med. Josef Flammer (Kantons- spital Basel) anlässlich des Welt- glaukomtages am 6. März, sei nicht einfach das Ergebnis mechanischer Kräfte, sondern das eines aktiven biologischen Umbauprozesses.

Zu diesem Prozess trägt eine Re- duzierung des Blutflusses beträcht- lich bei. Er ist nach Flammers Ein- schätzung bei der Mehrzahl der Glaukompatienten in allen Teilen des Auges reduziert. Die Angio- grafie offenbart relative und abso- lute Füllungsdefekte, eine verspätete Füllung der Gefäße und eine diffuse Anfärbung der Papille. In den retro- okulären Gefäßen ist die Blutge-

schwindigkeit reduziert und der Flusswiderstand erhöht.

Die Reduktion des Blutflusses kann zwar zur Atrophie des Seh- nervs führen, aber nicht zwingend zu einer Exkavation. Beim Glau- kom, so das Fazit der Forschungs- ergebnisse aus Basel und anderen klinischen Zentren, führt weniger die Verringerung der Perfusion zur Exkavation als vielmehr die Instabi- lität der Blutversorgung, die einen Reperfusionsschaden hervorruft.

Der Terminus beschreibt einen Gewebeschaden, der dadurch aus- gelöst wird, dass nach einer Phase der Ischämie der Blutfluss wieder zurückkehrt.

Das während der Ischämie beste- hende Sauerstoff- und Nährstoff- defizit im Gewebe bewirkt, dass bei der Restituierung der Perfusion ein Entzündungsreiz gesetzt wird, der zu oxidativen Schäden führt, denn in der Reperfusionsphase entstehen viele freie Sauerstoffradikale. Der wieder aufgenommene Blutfluss mit der neuerlichen Zufuhr von Sau- erstoff schädigt Proteine, Lipide und Plasmamembranen. Das Blutgefäß gewinnt nicht seine normale Funkti- on zurück.

Fluktuationen des okulären Blut- flusses, die gemäß diesem Postulat viel gefährlicher sind als eine kons- tante Reduktion, findet man vor

GLAUKOM

Eine vaskuläre Neuropathie

Circa 40 Prozent der Glaukompatienten haben einen normalen Augeninnendruck, aber das Auge ist extrem empfindlich gegenüber Blutdruckschwankungen.

Ophthalmologen und Internisten sollten deshalb die Behandlung miteinander abstimmen.

Ein trockenes, gereiztes Auge kann auf ein Glaukom hinweisen.

Fotot:Stroebl Communication

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A564 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 1114. März 2008

M E D I Z I N R E P O R T

allem bei einem Krankheitskom- plex, der als primäre vaskuläre Dys- regulation (PVD) bezeichnet wird.

Die PVD, auch primäres vaso- spastisches Syndrom genannt, ist die vererbte Veranlagung, anders (oder intensiver) auf gewisse Stimu- li, wie Kälte, mechanische Belastung oder emotionalen Stress, zu reagie- ren als andere Individuen. Frauen sind von dieser Disposition häufiger betroffen als Männer, Japaner – in deren Land das Normaldruckglau- kom die häufigste Glaukomform ist – viel häufiger als Europäer.

Menschen mit PVD haben durch die veränderte Expression von ABC- Transport-Proteinen eine veränderte Medikamenten- und Geruchsemp- findlichkeit. Sie haben darüber hin- aus eine veränderte Herzfrequenz- variabilität und eine vergleichsweise niedrige Blut-Hirn-Schranke mit erhöhter Membranpermeabilität.

Darin dürfte eine Ursache für das Auftauchen der bei Patienten mit Normaldruckglaukom häufig zu be- obachtenden spritzerförmigen Blu- tungen am Papillenrand liegen. Die Betroffenen haben oft ein verminder- tes Durstgefühl, vermutlich wegen eines erhöhten Endothelinspiegels.

Viele Patienten mit PVD berichten über verlängerte Einschlafzeiten und die Verschiebung des zirkadianen Rhythmus um etwa eine Stunde.

Ziel ist Stabilisierung oder Erhöhung des Blutdrucks

Gerade Patienten mit Normal- druckglaukom, deren Augeninnen- druckwerte eigentlich im „gesunden Bereich“ unter 20 mmHg liegen, be- dürfen der interdisziplinären Betreu- ung. Diese Situation ist keine Selten- heit: Ihr Anteil liegt bei 40 Prozent aller Glaukompatienten. Sie haben einen sehr niedrigen und – für die retinalen Ganglienzellen pathogene- tisch fast noch schlimmer – einen stark schwankendem Blutdruck. Bei diesen Patienten strebt der Augenarzt daher therapeutisch eine Stabilisie- rung des systemischen Blutdrucks an;

häufig jedoch auch dessen Erhöhung, was für den Hausarzt oder Internisten wenig nachvollziehbar ist.

Andere Patienten mit Normal- druckglaukom haben oder hatten einen Hypertonus und wurden oder

werden deshalb mit blutdrucksen- kenden Mitteln behandelt. Als Folge der antihypertensiven Therapie ha- ben sie – vor allem nachts – Blut- druckabfälle und -schwankungen, die buchstäblich Gift für die Nerven- zellen in Netzhaut und Sehnerv sind.

Das Glaukom wird heute eher als Neuropathie, denn als Folge einer mechanischen Schädigung des Seh-

nervs gesehen. Patienten mit Exka- vation der Papille, die einen norma- len Augeninnendruck haben, sollten interdisziplinär behandelt werden, vor allem wenn sie gleichzeitig eine PVD haben, eine Hypotonie oder wegen eines Bluthochdrucks sehr effektiv mit Antihypertensiva be-

handelt werden. I

Dr. med. Dr. phil. Ronald D. Gerste

Durch eine umfassende Kooperation von stationär und ambulant tätigen Fachärzten verschiedener Diszipli- nen sowie definierten Behandlungs- pfaden gelang es in der Stadt Lever- kusen, die Inzidenz von Amputatio- nen bei Diabetikern in den letzten 15 Jahren um etwa 37 Prozent zu senken. Im Rahmen der Leverkusen Amputation Reduction Study (LARS) wurden die Daten von Pati- enten der Jahre 1990/1991 und 1995 bis 2005 verglichen; 692 erfüllten die Einschlusskriterien.

Das mittlere Alter der Betroffenen lag bei 71,7 Jahren, 58 Prozent waren Männer, 72 Prozent litten an einem Diabetes mellitus. Im Verlauf von 15 Jahren verringerten sich die Amputa- tionszahlen oberhalb des Sprungge- lenks (n = 352) um 36,7 Prozent (p = 0,0318), oberhalb der Zehen um 37,1 Prozent. In der nicht diabetischen Be- völkerung veränderten sich die Am- putationszahlen hingegen nicht. I Dr. Susanne Heinzl

Quelle: Trautner C et al. Diabetes Care 2007; 30:

2633–7.

Bei Patienten mit ST-Hebungs- Myokardinfarkt (STEMI) kann die kritische Zeit bis zur Klinikeinliefe- rung und Behandlung erheblich ver- kürzt werden, wenn alle Beteiligten der Notfallkette systematisch über die Abläufe und Zeiten informiert werden. Dies ergab eine prospektive Untersuchung eines Myokardin- farkt-Kliniknetzwerks in Nieder- sachsen. Der Verbund besteht aus einem 524-Betten-Zentrum, zwei Allgemeinkrankenhäusern und vier Notfallfahrzeugen inklusive 12-Ka- nal-EKG-Geräten und Telemetrie.

Diagnose, Transport und Thera- pie der 120 in die Studie einge- schlossenen Patienten wurden in ei- nem speziellen Protokoll dokumen- tiert. Die Patienten der ersten drei

Monate dienten als Referenzgruppe.

Am Ende jeden Quartals wurden die Notfallteams bei einem interaktiven Treffen systematisch über die Ab- läufe informiert.

Diese beschleunigten sich über das Jahr 2006 erheblich. Die durch- schnittliche Contact-to-Balloon-Zeit wurde um 59 Minuten (im Median um 39 Minuten), die mittlere Door- to-Balloon-Zeit um 27 Minuten (im Median um 28 Minuten) verkürzt.

Contact-to-Balloon-Zeiten von un- ter 90 Minuten wurden bei 21 Pro- zent der Patienten des ersten Quar- tals und bei 61, 76 und 79 Prozent der Patienten des zweiten bis vierten Quartals 2006 erreicht. I Dr. Susanne Heinzl Quelle: Scholz KH et al. Am J Cardiol 2008; 101: 46–52.

Kooperation senkt Amputationsrate bei Diabetikern

Systemische Datenrückkopplung

verbessert Notfallabläufe

Referenzen

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