• Keine Ergebnisse gefunden

Untersuchung der „Schiefe“ des Pferdes

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Untersuchung der „Schiefe“ des Pferdes"

Copied!
384
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Cuvillier Verlag Göttingen

Internationaler wissenschaftlicher Fachverlag

Katharina Dorothee Rehren

Untersuchung der „Schiefe“ des Pferdes:

Symmetrie von Bewegungsablauf und Hufbelastung

STIFTUNG TIERÄRZTLICHE HOCHSCHULE HANNOVER

Herausgegeben von

Karsten Feige, Peter Stadler,

Harald Sieme, Bernhard Ohnesorge

37

(2)
(3)

Cuvillier Verlag Göttingen

Internationaler wissenschaftlicher Fachverlag

Untersuchung der „Schiefe“ des Pferdes:

Symmetrie von Bewegungsablauf und Hufbelastung

(4)

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

1. Aufl. - Göttingen : Cuvillier, 2018

Zugl.: Hannover (TiHo), Univ., Diss., 2018

© CUVILLIER VERLAG, Göttingen 2018 Nonnenstieg 8, 37075 Göttingen Telefon: 0551-54724-0

Telefax: 0551-54724-21 www.cuvillier.de

Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Weg (Fotokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen.

1. Auflage, 2018

Gedruckt auf umweltfreundlichem, säurefreiem Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft.

ISBN 978-3-7369-9804-9 eISBN 978-3-7369-8804-0

(5)

Tierärztliche Hochschule Hannover

Untersuchung der „Schiefe“ des Pferdes: Symmetrie von Bewegungsablauf und Hufbelastung

INAUGURAL – DISSERTATION zur Erlangung des Grades einer

Doktorin der Veterinärmedizin -

Doctor medicinae veterinariae

-

vorgelegt von

Katharina Dorothee Rehren Celle

Hannover 2018

( Dr. med. vet. )

(6)

Wissenschaftliche Betreuung: Prof. Dr. Peter Stadler Klinik für Pferde

Tierärztliche Hochschule Hannover

1. Gutachter: Prof. Dr. Peter Stadler

2. Gutachter: Prof. Dr. Jürgen Rehage

Tag der mündlichen Prüfung: 17. Mai 2018

Gefördert durch das Gestüt Fährhof, Sottrum

(7)

oli eo loria

(8)
(9)

Abkürzungsverzeichnis ... 13

1. Einleitung ... 15

2. Literatur ... 17

2.1. Allgemeines zur Lateralität ... 17

2.2. Lateralität bei Wirbeltieren ... 17

2.2.1. Lateralität beim Menschen ... 17

2.2.2. Lateralität bei vierbeinigen Wirbeltieren ... 19

2.3. Die Schiefe des Pferdes in der Reiterei ... 24

2.3.1. Vorkommen und Symptome... 24

2.3.2. Ursachen ... 44

2.3.3. Bedeutung und Folgen ... 47

2.3.4. Korrektur der Schiefe: Methoden zum Geraderichten ... 51

2.4. Lateralität und Schiefe von Equiden in wissenschaftlichen Publikationen ... 61

2.4.1. Motorische Lateralität bzw. Schiefe ... 61

2.4.2. Sensorische Lateralität ... 79

2.4.3. Zusammenhänge der verschiedenen Ausprägungen von Lateralität bzw. Schiefe...84

2.4.4. Hinweise auf orthopädische Auswirkungen asymmetrischer Belastung .... 88

2.4.5. Geraderichten ... 89

3. Material und Methoden ... 91

3.1. Probanden ... 91

3.2. Bewegungsanalyse-Versuche auf natürlichem Boden ... 92

3.2.1. Reiten in allen Gangarten ... 92

3.2.2. Longieren auf beiden Händen ... 92

3.2.3. Beobachtung der Stellung der Vorderbeine beim Grasen auf einem Paddock...93

3.2.4. Freilaufversuche durch verschiedene Gassen ... 93

(10)

3.3. Bewegungsanalyse in Schritt und Trab auf dem Laufband mittels Hochfre- quenzkameras und Reflexmarkern sowie synchroner Hufdruckmessung der

3.3.1. Ziel des Versuchs ... 96

3.3.2. Technik ... 96

3.3.3. Vorbereitung der Pferde ... 100

3.3.4. Vorbereitung der Hufsensoren ... 104

3.3.5. Versuchsaufbau ... 113

3.3.6. Versuchsablauf ... 120

3.3.7. Auswertungsmethode ... 122

3.4. Auswertung der Ergebnisse und Statistik ... 137

3.4.1. Zeigen die Pferde eine seitliche Abstellung der Hinterhand (auf dem Laufband gemessen)? ... 137

3.4.2. Besteht ein Zusammenhang zwischen der Abstellungsrichtung und der Symmetrie der Vor- und Rückführung der Gliedmaßen?. ... 138

3.4.3. Entsprechen sich die Hinterhandverschiebung des Pferdes auf dem Lauf- band (gemessene Abstellung) und unter dem Reiter (in der Reithalle).... 138

3.4.4. Zeigen die Pferde eine bevorzugte Biegung (auf dem Laufband gemessen)?. ...139

3.4.5. Besteht ein Zusammenhang zwischen Abstellungsrichtung und Wirbelsäulenform? ... 140

3.4.6. Haben die Pferde ein bevorzugt vorgestelltes Vorderbein beim Weideschritt. ...142

3.4.7. Lässt sich für die einzelnen Pferde ein bevorzugter Galopp feststellen überein? ... 143

3.4.8. Haben die Pferde eine bevorzugte Ausweichrichtung im Hindernisversuch?...144

3.4.9. Untersuchung der Symmetrie der Hufbelastung ... 145

3.4.10. Ist die gemessene Belastungssymmetrie der Gliedmaßen von der 3.4.11. Gibt es Zusammenhänge zwischen Belastungssymmetrie der 3.4.12. Gibt es Zusammenhänge zwischen Belastungssymmetrie der und Weideschrittpräferenz? ... 147

Vorder- und Hinterbeine ... 96

auf dem Laufband gemessenen Abstellungsrichtung abhängig? ... 146

Gliedmaßen und Wirbelsäulenform?... 146 und stimmt der subjektive Eindruck beim Reiten und Longieren damit

(11)

3.4.13. Besteht ein Zusammenhang zwischen Existenz einer asymmetrischen Belastung der Vorderbeine im Trab und der individuellen Kombination 3.4.14. Führen die verschiedenen Arten der Beurteilung der Wirbelsäulenform

zum selben Ergebnis und lässt sich die auf dem Laufband gemessene Wirbelsäulenform durch einen der anderen Versuche vorhersagen? ...148 3.4.15. Lässt sich die auf dem Laufband gemessene Wirbelsäulenform durch die Seite, auf die die Mähne fällt, vorhersagen? ... 148 3.4.16. Haben die Pferde eine bevorzugte Abbiegerichtung im Trabversuch? . 148 4. Ergebnisse ... 151

4.1. Zeigen die Pferde eine seitliche Abstellung der Hinterhand (auf dem

4.1.1. Reproduzierbarkeit des Abstellungswinkels ... 153 4.2. Besteht ein Zusammenhang zwischen der Abstellungsrichtung und der

Symmetrie der Vor- und Rückführung der Gliedmaßen? ...153 4.2.1. Reproduzierbarkeit der Gliedmaßenvor- und -rückführung ... 156 4.3. Entsprechen sich die Hinterhandverschiebung des Pferdes auf dem Laufband

(gemessene Abstellung) und unter dem Reiter (in der Reithalle)? ... 157 4.4. Zeigen die Pferde eine bevorzugte Biegung (auf dem Laufband

gemessen)?...159 4.4.1. Einteilung der Wirbelsäulenform: gerade Form, einfache Biegung,

S-Form. ...159 4.4.2. Einteilung der Wirbelsäulenform: gerade Form oder einfache Biegung ... 163 4.4.3. Einteilung der Wirbelsäulenform: Vergleich der Ergebnisse mit und ohne

Berücksichtigung einer möglichen S-Form ... 165 4.4.4. Bestimmung einer gangartübergreifenden Wirbelsäulenform ... 166 4.5. Besteht ein Zusammenhang zwischen Abstellungsrichtung und

Wirbelsäulenform? ... 167 4.5.1. Einteilung der Wirbelsäulenform: gerade Form, einfache Biegung,

S-Form. ...167 4.5.2. Einteilung der Wirbelsäulenform: gerade Form oder einfache Biegung ... 168 4.6. Haben die Pferde ein bevorzugt vorgestelltes Vorderbein beim

Weideschritt?...170 von Abstellung und Biegung?... 147

Laufband gemessen)? ... 151

(12)

4.6.1. Besteht ein Zusammenhang des bevorzugt vorgestellten Vorderbeins 4.6.2. Besteht ein Zusammenhang des bevorzugt vorgestellten Vorderbeins

4.6.3. Besteht ein Zusammenhang zwischen Auftreten einer

Abstellung und Wirbelsäulenform? ... 172

4.7. Lässt sich für die einzelnen Pferde ein bevorzugter Galopp feststellen und 4.7.1. Hängt Bevorzugung eines Handgalopps von der auf dem Laufband gemessenen Abstellung ab? ... 175

4.7.2. Lässt sich die auf dem Laufband gemessene Wirbelsäulenform anhand 4.8. Haben die Pferde eine bevorzugte Ausweichrichtung im Hindernisversuch? . 178 4.8.1. Hängt die bevorzugte Ausweichrichtung am Hindernis von der auf dem Laufband gemessenen Abstellungsrichtung ab? ... 179

4.8.2. Hängt die bevorzugte Ausweichrichtung am Hindernis von der Wirbelsäulenform (nach Messung auf dem Laufband) ab? ... 179

4.9. Untersuchung der Symmetrie der Hufbelastung ... 180

4.9.1. Varianzkomponentenanalyse der Kraftparameter ... 180

4.9.2. Normalisierung der Kraftparameter, Berechnung des Asymmetrie- 4.9.3. Ist eine signifikante Asymmetrie der Hufbelastung erkennbar? ... 187

4.10. Ist die gemessene Belastungssymmetrie der Gliedmaßen von der auf dem Laufband gemessenen Abstellungsrichtung abhängig? ... 188

4.11. Gibt es Zusammenhänge zwischen Belastungssymmetrie der Gliedmaßen 4.11.1. Belastungssymmetrie und Wirbelsäulenform inkl. S-Form ... 189

4.11.2. Belastungssymmetrie und Wirbelsäulenform exkl. S-Form ... 189

4.12. Gibt es Zusammenhänge zwischen Belastungssymmetrie der Gliedmaßen 4.13. Besteht ein Zusammenhang zwischen Existenz einer asymmetrischen Belastung der Vorderbeine im Trab und der individuellen Kombination von mit der Abstellungsrichtung? ... 171

mit der Symmetrie der Rückführung der Hintergliedmaßen?... 172

stimmt der subjektive Eindruck beim Reiten und Longieren damit überein?... 174

Weideschrittpräferenz und individuellem Laufmuster bezüglich des bevorzugten Galopps vorhersagen? ... 176

Indexes, Korrelationsanalyse der Kraftparameter ...182

und Wirbelsäulenform? ... 189

und Weideschrittpräferenz? ... 189

Abstellung und Biegung? ... 192

(13)

4.14. Führen die verschiedenen Arten der Beurteilung der Wirbelsäulenform zum selben Ergebnis und lässt sich die auf dem Laufband gemessene

4.14.1. Untersuchung Wirbelsäulenform nach reiterlicher Einschätzung

gegenüber der auf dem Laufband gemessenen ... 194

4.14.2. Untersuchung Biegung nach reiterlicher Einschätzung zweier Reiter .. 194

4.14.3. Untersuchung Halshaltung und Nachgiebigkeit an der Longe gegenüber der auf dem Laufband gemessenen Wirbelsäulenform ... 194

4.15. Lässt sich die auf dem Laufband gemessene Wirbelsäulenform durch die Seite, auf die die Mähne fällt, vorhersagen? ... 195

4.16. Haben die Pferde eine bevorzugte Abbiegerichtung im Trabversuch? ... 196

4.16.1. Richtet sich die bevorzugte Abbiegerichtung nach Abstellung, Wirbelsäulenform, Weideschrittpräferenz oder Belastungssymmetrie 5. Diskussion ... 197

5.1. Diskussion von Material und Methoden ... 197

5.1.1. Bewegungsanalyse-Versuche auf natürlichem Boden ... 198

5.1.2. Bewegungsanalyse auf dem Laufband ... 200

5.1.3. Mathematische und statistische Auswertung ... 205

5.2. Diskussion der Ergebnisse ... 206

5.2.1. Abstellung, Vor- und Rückführung der Gliedmaßen ... 206

5.2.2. Lateroflexion ... 208

5.2.3. Weideschritt, Galopppräferenz, Hindernisversuch und Trab- Abbiegeversuch. ...213

5.2.4. Hufbelastung ... 220

5.2.5. Übergreifende Ergebnisdiskussion im Hinblick auf die Schiefe des Pferdes...223

6. Zusammenfassung ... 235

7. Summary ... 237

Literatur ... 239

Anhang ... 279

A Glossar ... 279

Begriffserklärungen aus der wissenschaftlichen Fachsprache ... 279

Wirbelsäulenform durch einen der anderen Versuche vorhersagen?. ... 193

der Vorderbeine? ... 196

(14)

Begriffserklärungen aus der reiterlichen Fachsprache ... 280

B Details zur Methodik ... 281

Umgang mit lückenhafter Markererfassung ... 281

C Details der Ergebnisse ... 286

Abstellungswinkel und Daten zur Vor- und Rückführung der Vorder- und Hinterbeine... 286

Auswertung der Wirbelsäulenform ... 300

Kombinationen von Abstellungsrichtung und Wirbelsäulenform ... 318

Galoppbevorzugung ... 320

Symmetrie der Hufbelastung ... 323

Ergebnisse des Tests auf bevorzugte Abbiegerichtung... 346

Übersicht über die Analyse der einzelnen Probanden ... 347

Danksagung ... 377

(15)

Anm. d. Verf. Anmerkung der Verfasserin

ASI Asymmetrie-Index

bds. beidseits

Bsp. Beispiel

bzw. beziehungsweise

C1, C2 (etc.) 1. Halswirbel, 2. Halswirbel (etc.)

ca. zirka

cm Zentimeter

ebd. ebenda

evtl. eventuell

exkl. exklusive

f./ ff. folgende Seite(n)

Fa. Firma

FN Fédération Equestre Nationale, Deutsche Reiterliche Ver- einigung

ggf. gegebenenfalls

Gldm. Gliedmaße(n)

GRF Ground reaction force = Bodenreaktionskraft H.Dv. 12 Heeresdienstvorschrift 12 (Anonymous 1937)

Hgldm. Hintergliedmaße(n)

HL hinten links

HR hinten rechts

Hz Hertz

i.d.R. in der Regel

i.d.S. in dem Sinne

Incc. Incisurae

inkl. inklusive

(16)

IVCA International Veterinary Chiropractic Association

Jh. Jahrhundert

Kap. Kapitel

kg Kilogramm

l. links

L1, L2 (etc.) 1. Lendenwirbel, 2. Lendenwirbel (etc.) bzw. entspre- chender Marker

lt. laut

m Meter

m.o.w. mehr oder weniger

min Minute

mind. mindestens

mm Millimeter

ms Millisekunden

N Newton

n.f. nicht feststellbar

Ns Newtonsekunden (N*s)

o.a. oben angegeben

o.ä. oder ähnliches

o.g. oben genannt

o.J. ohne Jahresangabe

pers. persönlich

PF Peak force = Spitzenkraft, s. Glossar

PVF Peak vertical force = vertikale Spitzenkraft, s. Glossar

QH Quarter Horse

r. rechts

s Sekunde

s. siehe

s.o. siehe oben

(17)

s.u. siehe unten

S1, S2 (etc.) 1. Kreuzwirbel, 2. Kreuzwirbel (etc.) bzw. entsprechender Marker

seitl. seitlich

sog. sogenannt

Th1, Th2 (etc.) 1. Brustwirbel, 2. Brustwirbel (etc.) bzw. entsprechender Marker

tw. teilweise

u. und

u.a. unter anderem

u.u. und umgekehrt

v.a. vor allem

v.Chr. vor Christus

v.l.n.r. von links nach rechts

vgl. vergleiche

Vgldm. Vordergliedmaße(n)

vGRF vertical ground reaction force = vertikale Bodenreaktions- kraft

VI vertical impulse = vertikaler Impuls, s. Glossar

VL vorne links

VR vorne rechts

WB Warmblut

WS Wirbelsäule

(18)
(19)

1. Einleitung

Viele Lebewesen mit grundsätzlich bilateral-symmetrischer Anatomie zeigen dennoch eine Lateralität, also Unterschiede zwischen rechter und linker Körperhälfte. Bei der mo- torischen Lateralität wird für bestimmte Bewegungen eine Seite bevorzugt benutzt.

Zur motorischen Lateralität bzw. Schiefe von Pferden sind bisher nur wenige wissen- schaftliche Arbeiten angefertigt worden; auch wenn ihre Existenz mittlerweile kaum noch strittig ist, so fehlen doch noch Untersuchungen über ihre Ausprägung und die möglichen Auswirkungen auf den Bewegungsablauf. Es ist anzunehmen, dass die in Reiterkreisen von Beginn der Reiterei an beobachtete und heute als „(natürliche) Schiefe“ bezeichnete Bewegungsasymmetrie des (gerittenen) Pferdes in engem Zusammenhang mit dessen Lateralität steht.1 Bewegungsasymmetrien sind vermutlich von großer Bedeutung sowohl für die Orthopädie als auch für das Training und die Ausbildung von Pferden in allen Disziplinen, da zu erwarten ist, dass Lateralität bei einem vierbeinigen Tier eine unsym- metrische Belastung der Gliedmaßen und eine Biegung und/ oder Schrägstellung der Wirbelsäule in Relation zur Laufrichtung nach sich zieht. Daher soll in dieser Arbeit an klinisch gesunden Pferden untersucht werden, ob bei grundsätzlich symmetrischen Be- wegungsabläufen eine Asymmetrie in der Bewegung der Wirbelsäule und der Bewegung und Belastung der Gliedmaßen besteht; weiterhin, ob dabei eine seitliche Verschiebung der Hintergliedmaßen gegenüber den Vordergliedmaßen beobachtet werden kann; so- dann, ob für bestimmte asymmetrische Bewegungen eine Körperseite bevorzugt genutzt wird.

Das Hauptaugenmerk liegt darauf, festzustellen, ob eine Lateralität im Sinne einer moto- rischen Asymmetrie der einzelnen Pferde nachgewiesen werden konnte und wie diese sich beim einzelnen Pferd auf die erhobenen Parameter auswirkt, insbesondere, ob be- stimmte vorhersagbare Zusammenhänge bestehen. In diesem Fall wäre die Bestimmung der Lateralität eines Pferdes aus orthopädischer und reiterlicher Sicht eine wertvolle Ba- sis, um mögliche Ungleichbelastungen von Wirbelsäule und Gliedmaßen zu erkennen und ggf. sogar durch geeignete Maßnahmen zu verhüten oder zu vermindern.

Besonders interessiert die Frage, ob aufgrund der in dieser Studie erhobenen klinischen Befunde eine Aussage über die Ausprägung der erhobenen technisch gemessenen Pa- rameter beim Individuum gemacht werden kann. Dies würde sowohl den Kliniker als auch den Reiter in die Lage versetzen, ohne aufwändige wissenschaftliche Ausrüstung die La- teralität eines Pferdes zu bestimmen und so, wenn nötig, entsprechende Maßnahmen

1 Inwieweit es sich beim wissenschaftlichen Begriff der (motorischen) Lateralität des Pferdes und dem rei- terlichen Begriff der „Schiefe“ um dasselbe Phänomen handelt, ist noch nicht abschließend geklärt – s.

hierzu Kap. „2.4 Lateralität und Schiefe von Equiden in wissenschaftlichen Publikationen“, S. 61. Da es sich bei der „Schiefe“ um einen gängigen Begriff in der reiterlichen Fachsprache handelt, wird er im Fol- genden ohne Anführungszeichen verwendet.

(20)

orthopädischer oder ausbildungstechnischer Art zu ergreifen, um Folgeschäden zu ver- hüten bzw. eine erfolgreiche Ausbildung des Pferdes zu gewährleisten. Dabei ist eine besondere Bedeutung der Lateralität für das in der Ausbildungsskala des Reitpferdes aufgeführte Geraderichten zu erwarten.

Abbildung 1.1: Laufen Pferde schief…

Abbildung 1.2: …oder mehr zu einer Seite gebogen?

(21)

2. Literatur

2.1. Allgemeines zur Lateralität

Grundsätzlich bilateral-symmetrische Wirbeltiere (MECKEL 1822, S. 147) zeigen als Sei- tigkeit bzw. Lateralität bezeichnete Unterschiede der Körperhälften (ROGERS 1989;

PALMER 2004), die individuell (individuelle Lateralität) oder speziesspezifisch (Lateralität auf Populationsebene) ausgeprägt sein können (ROGERS u. ANDREW 2002, S. 2).2 Es gitb morphologische (strukturelle) und funktionelle Lateralität (ROGERS 1989); letztere beinhaltet sensorische und motorische Unterschiede. Morphologische Lateralität be- schreibt anatomische Unterschiede (z.B. einseitig längeres Bein (SCHLEGEL 1912)).

Sensorische Lateralität meint die Präferenz der Nutzung des Sinnesorgans einer Seite für bestimmte Aufgaben (KRUEGER et al. 2011). Bei motorischer Lateralität wird für be- stimmte Bewegungen eine Körperseite bevorzugt (GRZIMEK 1949, S. 430; TOMKINS, THOMSON, et al. 2010). Die verschiedenen Formen können sich gegenseitig bedingen – z.B. könnte anatomische Beinlängendifferenz bevorzugtes Abwenden zu einer Seite verursachen (LUDWIG 1932, S. 247). Lateralität erstreckt sich bei vielen Tierarten als zerebrale Lateralität auch auf das Gehirn (ROGERS 1989; CORBALLIS 2006). Eine Ge- hirnhälfte steuert dabei überwiegend die motorischen Funktionen der kontralateralen Kör- perseite, da die Nerven sich kreuzen (NICKEL et al. 2004, S. 59ff.); dies trifft auch für die Sinnesleistungen von Auge (Ebd., S. 440ff.) und Ohr (Ebd., S. 470f.) zu, nicht jedoch für den Geruchssinn, der von der gleichseitigen Gehirnhälfte kontrolliert wird (Ebd., S. 146).

Lateralität hat Vorteile: Das Individuum verliert z.B. keine Zeit für die Entscheidung über die Fluchtrichtung (WALLDEN 2011) oder die zu nutzende Hand für eine Aufgabe (F. T.

P. OLIVEIRA et al. 2010). Einer Tiergruppe erleichtert Lateralität auf Populationsebene z.B. die gleichsinnige Flucht (VALLORTIGARA u. ROGERS 2005). Ein verirrtes Tier fin- det durch einseitigen Drall zum Ausgangspunkt zurück (GULDBERG 1896, 1897).

2.2. Lateralität bei Wirbeltieren

2.2.1. Lateralität beim Menschen

2.2.1.1. Motorische und sensorische Ausprägungen der Lateralität 2.2.1.1.1. Händigkeit und Füßigkeit

Mit ca. 90% der Menschen besteht eine Populationslateralität als Rechtshänder (WAR- REN 1980), die beim Fetus schon nachweisbar ist (HEPPER et al. 1990). Händigkeit ist aufgabenspezifisch; ANNETT (1967) findet 3-4% Linkshänder, 25-33% Menschen mit

2 Von LUDWIG (1932, S. 2-4) als „fluktuierende Asymmetrie“ und „Kollektivasymmetrie“ bezeichnet.

(22)

rechts

gemischter Händigkeit und 60-70% konstante Rechtshänder. Die fehlende Erfassung der gemischten Händigkeit in vielen Studien erzeugt Ungenauigkeit (ANNETT 1998).

Linkshändigkeit ist nicht bloße Umkehrung von Rechtshändigkeit: Gekreuzte Lateralität von Hand und Fuß ist häufiger bei Links- als bei Rechtshändern (DARGENT-PARÉ et al.

1992; PETERS u. DURDING 1979; PETERS 1988). Dies unterstützen auch REISS u.

REISS (1997a), die „Right Shift Theory“ (ANNETT 1998) und YAHAGI u. KASAI (1999).

Auch Füßigkeit bzw. Beinigkeit ist aufgabenspezifisch (ELIAS et al. 1998; WALLDEN 2011); Mobilisationsaufgaben sind in der Population rechts lateralisiert, für Stabilisation besteht höhere Variabilität bei schwächeren Präferenzen (BACELAR u. TEIXEIRA 2015).

2.2.1.1.2. Lage des Schwerpunktes, Asymmetrie der Wirbelsäule und Kopfhaltung Der Schwerpunkt des menschlichen Körpers (STRUTHERS 1863) und meist auch das muskuläre Übergewicht (WEBER 1849) liegen rechts von der Mitte. Die Wirbelsäule weist i.d.R. eine leichte Skoliose auf (HASSE u. DEHNER 1893; LUDWIG 1932, S. 260; s.

folgende Abbildung). Die meisten Menschen drehen den Kopf lieber nach rechts (VER- VERS et al. 1994; GÜNTÜRKÜN 2003; s.a. NICHOLLS et al. 1999; KONISHI et al. 1987).

Abbildung 2.1: Schema der häufigsten Form der menschlichen Wirbelsäulenkrümmung (rot: Verlauf der Wirbelsäule, von hinten gesehen; dunkelblau: senkrechte Linie). Erstellt nach: s.o. im Text.

2.2.1.1.3. Zirkularbewegung und Wendigkeit

Orientierungslose Menschen laufen kreisähnliche Bahnen (Zirkularbewegung) mit indivi- duell konstanter Richtung (GULDBERG 1897; SCHAEFFER 1928, S. 311-313; LUDWIG 1932, S. 324), evtl. wegen Rechtswendigkeit der meisten Menschen (ABDERHALDEN 1919; BRADSHAW u. BRADSHAW 1988) und Rechtsäugigkeit (LUDWIG 1932, S. 330).

In Räumen bewegen sich Menschen eher linksherum (BRADSHAW 1991).

2.2.1.1.4. Äugigkeit und Ohrigkeit3

LUDWIG (1932, S. 333f.) fand in Studien zur Äugigkeit ca. 75% Rechtsäuger in der Po- pulation (nach REISS u. REISS (1997b): ca. 66%), ca. 25% Links- und ca. 2% Beidäuger.

3 Ohrigkeit wurde oft im Zusammenhang mit anderen lateralisierten Funktionen untersucht, s. Kap. „2.2.1.2 Ursachen und Einflussfaktoren der Lateralität sowie Zusammenhänge“, S. 19

links

Halsbereich

Thorakalbereich

Lumbalbereich

(23)

Bei linkshemisphärischer Sprachlokalisation ist das rechte Ohr überlegen (nach BRYDEN (1967) häufiger), bei rechtshemisphärischer das linke (KIMURA 1961).

2.2.1.2. Ursachen und Einflussfaktoren der Lateralität sowie Zusammenhänge Die Hirnhemisphären weisen Lateralität in Morphologie (SPRINGER u. DEUTSCH 1990, S. 78) und Funktion (MACNEILAGE et al. 2009; F. T. P. OLIVEIRA et al. 2010; SAIN- BURG 2014) auf. Eine Hemisphäre ist tendenziell dominant (LUDWIG 1932, S. 339), was kontralaterale Seitigkeit auslöst (LUDWIG 1932, S. 361; MARTINIUS 1974, S. 355). Als Folge treten überzufällig häufig Händigkeit, Füßigkeit, Äugigkeit und Ohrigkeit auf dersel- ben Seite auf (DARGENT-PARÉ et al. 1992; ARNOLD-SCHULZ-GAHMEN et al. 1999;

SIEFER et al. 2003; TRAN et al. 2014). Auch die Richtung von Wendigkeit und Händigkeit (REISS u. REISS 1997a) bzw. des geschickteren Fußes (PREVIC u. SAUCEDO 1992) stimmt oft überein – Letzteres könnte die zerebrale Lateralität anzeigen (ELIAS et al.

1998).4

Außerdem können Genetik (LUDWIG 1932, S. 309; WARREN 1980; MCMANUS 1985;

MCMANUS u. BRYDEN 1992; ANNETT 1998; CORBALLIS 2006; FRANCKS et al.

2007), Geschlecht (DARGENT-PARÉ et al. 1992; REISS u. REISS 1997b; TRAN et al.

2014), Alter (FLEMINGER et al. 1977; COREN et al. 1981; DARGENT-PARÉ et al. 1992) und Training (HAALAND u. HOFF 2003; MAURER 2005) motorische Lateralität beein- flussen; zwangsweise Umschulung hat negative Auswirkungen (LUDWIG 1932, S. 353;

WILLIKONSKY 2015; SHIMIZU et al. 1985; SATTLER 1986).

2.2.2. Lateralität bei vierbeinigen Wirbeltieren5

2.2.2.1. Grundsätzliches und Vergleich mit dem Menschen

Etwa seit der Jahrtausendwende ist die Existenz der Lateralität auf individueller und auf Populationsebene bei Tieren bewiesen (ROGERS 1989; CORBALLIS 2008), z.B. mit der der Rechtswendigkeit des Menschen ähnlichen Populationslateralität bei Ratten (BRAD- SHAW u. BRADSHAW 1988; BRADSHAW 1991). Rechtsverschiebung der Händigkeit auf Populationsebene scheint nur Menschen eigen zu sein (WARREN 1980), während die unterliegenden Gesetzmäßigkeiten sich entsprechen könnten (ANNETT 1998).

4 Weiterhin hängen das meist links gelegene Sprachzentrum, das bei Linkshändern auch rechts sein kann (KNECHT et al. 2000), und sogar das Temperament (ängstliche und depressive Tendenzen bei bevorzug- tem Einsatz der rechten Hemisphäre) (MERCKELBACH et al. 1990) mit zerebraler Lateralität zusammen.

5 Ein großer Teil der Erkenntnisse, die teilweise die Forschung zur Lateralität an Säugetieren erst ermög- lichten, wurde an Fischen, Vögeln, Reptilien und Amphibien gewonnen (GLICK 1985, S. 5f.; ROGERS 1989; CORBALLIS 2008). Zur Vergleichbarkeit mit dem Pferd wird hier jedoch nur die Lateralität bei vier- beinigen Wirbeltieren näher vorgestellt.

(24)

Abbildung 2.2: Schema der Normalverteilung der Pfotenpräferenz bzw. Händigkeit in der Population bei Tieren (schwarz) und Menschen (blau). Erstellt nach ANNETT (1998). L = links, R = rechts.

Laut FAGOT u. VAUCLAIR (1991) tritt echte Händigkeit individuell eher bei weniger kom- plexen, bekannten Aufgaben auf; dagegen zeige sich „manuelle Spezialisierung“ bei komplexeren und neuen Aufgaben als Populationslateralität und entspräche der Gehirn- organisation (Spezialisierung kontralaterale Hemisphäre). ROGERS (2009) erklärt Letz- teres als notwendige Kontrolle komplexer Aufgaben durch die spezialisierte Hemisphäre, während individuelle motorische Lateralität bei einfacheren Aufgaben sich nach der bei dem entsprechenden Individuum hauptsächlich kontrollierenden Hemisphäre6 richte.

Im Vergleich von Mensch und Vierbeiner müssen Unterschiede zwischen aufrechtem bzw. vierbeinigem Gang berücksichtigt werden (MACNEILAGE et al. 1987); je nach Auf- gabe ist Gliedmaßennutzung als Stand- oder Spielbein zu unterscheiden (WALLDEN 2011). Bei Beachtung des jeweiligen Kontextes folgt Lateralität bei Wirbeltieren einem gemeinsamen Grundmuster (ROGERS u. ANDREW 2002, S. 94).

2.2.2.2. Motorische Lateralität

2.2.2.2.1. Längsbiegung der Wirbelsäule, Liegen

Milchkühe zeigen teilweise eine Populationslateralität für linksseitiges Liegen (TUCKER et al. 2009). Neonate Lämmer haben geringe individuelle Lateralität für eine Liegeseite und seitliche Schwanzhaltung beim Saugen (LANE u. PHILLIPS 2004). Die Schwanzhal- tung neonater Ratten zeigt die später präferierte Lauf- bzw. Wenderichtung (BRADSHAW 1991). Hunde kommunizieren über situationsspezifische Lateralität beim Schwanzwe- deln (QUARANTA et al. 2007; ARTELLE et al. 2011; SINISCALCHI et al. 2013).

2.2.2.2.2. Schrägstellung der Längsachse

LUDWIG (1932, S. 248f.) erwähnt das bei Hund und Wolf häufig beobachtete schiefe Laufen („Schränken“) auch bei größeren Haussäugetieren. Laut PINTNER (1918) schränken Wölfe nicht, Hunde aber deutlich; ferner junge größere Haussäugetiere und Hirschartige in „sehr geringem Grade […] durch Schrägstellung der Kruppe“.

6 S. Kap. „2.2.2.4.1 Lateralität der Gehirnhemisphären – zerebrale Lateralität“, S. 22, sowie Kap. „2.2.2.4.4 Umweltfaktoren“, S. 23

Richtung der Präferenz

L ohne Präferenz R

Anzahl der Individuen

(25)

Abbildung 2.3: Schränken bei einem Hund: Trotz gerader Laufrichtung auf den Fotographen zu wer- den die Hinterbeine gegenüber den Vorderbeinen leicht nach links versetzt vorgeführt.

2.2.2.2.3. Zirkularbewegung, Wendigkeit und Galopp

Zirkularbewegung mit individuell konstanter Richtung zeigen gejagte Hasen und Füchse (GULDBERG 1896, 1897), Ratten (GLICK u. COX 1978), Katzen (GLICK et al. 1981) und (apomorphininduziert) Hunde (NYMARK 1972). Gestresste Rentierherden zirkeln links- herum, Rentiere biegen eher links ab (ESPMARK u. KINDERÅS 2002), Schafe alternie- ren (ANDERSON u. MURRAY 2013), Ratten sind rechtswendig (YOSHIOKA 1928).

HACKERT et al. (2008) untersuchten den Galopp bei Hunden und Pfeifhasen und zeigten für beide Tierarten eine deutliche und konstante individuelle Präferenz, ein Vorderbein fast doppelt so häufig wie das andere als führendes Vorderbein zu nutzen.

2.2.2.2.4. Gliedmaßenbelastung im Seitenvergleich

Für gesunde Hunde ist eine gewisse Asymmetrie der Hintergliedmaßenbelastung (bis zu 14% der Spitzenbelastung (PVF) bzw. 13% des Impulses (VI)) physiologisch (OOSTER- LINCK, BOSMANS, et al. 2011). Laut COLBORNE et al. (2011) stützt im Trab meist das rechte Hinterbein mehr.

2.2.2.2.5. Bevorzugter Einsatz eines Vorderbeins (Pfotenpräferenz/paw preference) Individuelle Pfotenpräferenzen zeigen Mäuse (COLLINS 1975) und Ratten (LUDWIG 1932, S. 318ff.), 90% der Katzen beim Futtergreifen (PIKE u. MAITLAND 1997; D. L.

WELLS u. MILLSOPP 2009) und Hunde (teilweise Populationslateralität) (TOMKINS, THOMSON, et al. 2010). Zum Greifen mobiler Objekte linkspräferente Katzen (Regelfall) sind schneller und exakter als andere (FABRE-THORPE et al. 1993). Löwen zeigen Po- pulationslateralität im Vorstellen des rechten Vorderbeins (ZUCCA, BACIADONNA, et al.

2011), Rentiere für Scharren mit dem linken Vorderbein (ESPMARK u. KINDERÅS 2002).

Schafe haben keine Lateralität beim Betreten eines Bretts (VERSACE et al. 2007), Läm- mer geringe individuelle zum Antreten mit einem Vorderbein (LANE u. PHILLIPS 2004).

2.2.2.3. Sensorische Lateralität

Sensorische Lateralität, deren Stärke ein Indikator für das Wohlergehen eines Tieres sein kann (KRUEGER et al. 2011), und zerebrale Populationslateralität scheinen in engem

(26)

Verhältnis zueinander zu stehen (CORBALLIS 2008).7 Linksseitige Sinnesorgane8 wer- den bei emotionalem Kontext genutzt: Das linke Auge ist verbunden mit höherer Reakti- vität und wird bevorzugt zum Betrachten von Artgenossen (VALLORTIGARA u. ROGERS 2005) sowie in emotionalen/ stressigen Situationen bei Schafen (VERSACE et al. 2007), Hunden (SINISCALCHI et al. 2010) und Rindern (ROBINS u. PHILLIPS 2010). Hunde setzen linkes Ohr für emotional bewertete Geräusche (SINISCALCHI et al. 2008) und rechtes Nasenloch für neue und emotionale Gerüche (SINISCALCHI et al. 2011) ein. – Bei rechtsseitigem Organeinsatz9 erfolgt eher rationale Verarbeitung der Stimuli (KRUEGER et al. 2011): Das rechte Auge wird zu Angriffen auf Beute benutzt (VALLOR- TIGARA u. ROGERS 2005), bei Hunden auch beim Springen (TOMKINS, WILLIAMS, et al. 2010). Hunde nutzen eher rechtes Ohr für Hundelaute (SINISCALCHI et al. 2008) und linkes Nasenloch für gewohnte Gerüche (SINISCALCHI et al. 2011).

2.2.2.4. Ursachen der Lateralität und Einflussfaktoren

2.2.2.4.1. Lateralität der Gehirnhemisphären – zerebrale Lateralität

ROGERS (2002) fasst zusammen, die linke Hemisphäre sei für überlegte Reaktionen und fokussierte Aufmerksamkeit (z.B. Beutefang, Fressen) sowie das Unterdrücken (ins- tinktiver) Reaktionen während Entscheidungsprozessen zuständig, die rechte dagegen für schnelle Reaktionen (Flucht, Angst), räumliche Informationen und starke Emotionen (Aggression). Manipulation von Objekten und Erkennen speziestypischer Laute sind Spe- zialisationen der linken Gehirnhälfte, Erkennen von und Interaktion mit Artgenossen eher der rechten (VALLORTIGARA u. ROGERS 2005). Die linke Hirnhälfte ist für gewohnte Verhaltensmuster zuständig, die rechte prozessiert unerwartete Reize (MACNEILAGE et al. 2009). Diese Aufgabenteilung entspricht der beim Menschen bekannten weitgehend (DENENBERG 1981). Über dieses vermutlich für alle Wirbeltiere geltende Muster hinaus kann individuell eine Hemisphäre die überwiegend kontrollierende sein – was eine Nei- gung zu entsprechenden Reaktionen und einer bestimmten Einstellung zur Umwelt nach sich zieht: „Positiv denkende“, proaktive/ sichere Tiere werden eher von der linken, „ne- gativ denkende“, reaktive/ furchtsame und stressanfällige mehr von der rechten Hemi- sphäre beeinflusst (ROGERS 2009, 2010). Die Unterscheidung ist wichtig, da man beide Phänomene als zerebrale Lateralität bezeichnet und es leicht zu Verwechslungen kommt.

Im Gegensatz zu sensorischer Lateralität10 scheint laut KRUEGER et al. (2011) motori- sche Lateralität oft nicht mit zerebraler Lateralität11 übereinzustimmen und ist innerhalb

7 S.a. folgendes Kap. „2.2.2.4.1 Lateralität der Gehirnhemisphären – zerebrale Lateralität“, S. 22

8 Ausnahme Geruchssinn, hier Einsatz des rechten Nasenlochs bei emotionalem Kontext! Vgl. Kap. „2.1 Allgemeines zur Lateralität“, S. 17

9 Wiederum mit Ausnahme des Geruchssinns.

10 S. Kap. „2.2.2.3 Sensorische Lateralität“, S. 21

11 Im Sinne der typischen Aufgabenteilung der Gehirnhemisphären (Populationsebene).

(27)

der Tierarten sehr variabel. Manche Autoren verneinen Korrelationen zwischen Pfoten- präferenzen und zerebraler Lateralität (WARREN 1980), andere bejahen sie (WEBSTER 1972 - für individuelle zerebrale Lateralität!), zumindest für komplexe Aufgaben (FABRE- THORPE et al. 1993; BATT et al. 2008). ROGERS (2009) dagegen führt die Ausprägung motorischer Lateralität darauf zurück, ob die Aufgabe Kontrolle durch eine spezialisierte Hemisphäre erfordere – dann lasse sich die wirbeltiertypische zerebrale Populationslate- ralität beobachten. Ansonsten könne individuelle Händigkeit/ Pfotenpräferenz auftreten und richte sich nach der individuell hauptsächlich kontrollierenden Gehirnhälfte.

2.2.2.4.2. Angeborene individuelle Einflussfaktoren: Rasse und Geschlecht

Bei Hunden gibt es widersprüchliche Daten zum Einfluss der Rasse auf die Pfotenpräfe- renz im Kong Test (TOMKINS, THOMSON, et al. 2010; MCGREEVY et al. 2010).

Studien an kastrierten (BATT et al. 2008; BRANSON u. ROGERS 2006) und intakten (D.

L. WELLS 2003; MCGREEVY et al. 2010) Hunden lassen vermuten, dass nur bei intakten Tieren das Geschlecht die Pfotenpräferenz beeinflusst (TOMKINS, THOMSON, et al.

2010). Die Studien an kastrierten Katzen sind widersprüchlich (PIKE u. MAITLAND 1997;

D. L. WELLS u. MILLSOPP 2009). Bei Geschlechtsunterschieden tendieren weibliche Hunde oder Katzen (D. L. WELLS u. MILLSOPP 2009) mehr zur rechten, männliche mehr zur linken Pfote. Bei Rentieren (ESPMARK u. KINDERÅS 2002) und Schaflämmern (LANE u. PHILLIPS 2004) scheint motorische Lateralität geschlechtsunabhängig zu sein.

2.2.2.4.3. Alter

Alter beeinflusst zum Teil Richtung und Stärke der Pfotenpräferenz bei Hunden (TOM- KINS, THOMSON, et al. 2010), dies gilt aber nicht für alle Aufgaben (MCGREEVY et al.

2010). Für Katzen (D. L. WELLS u. MILLSOPP 2009), Rentiere (ESPMARK u. KIN- DERÅS 2002) und Schafmuttern (ANDERSON u. MURRAY 2013) ist motorische Latera- lität altersunabhängig, nur bei Lämmer ist sie etwas stärker (VERSACE et al. 2007).

2.2.2.4.4. Umweltfaktoren

Umweltreize, z.B. Licht (SKIBA et al. 2002; VALLORTIGARA u. ROGERS 2005), können in frühester Ontogenese Lateralität beeinflussen (ROGERS 1997). Ratten können ihre motorische Lateralität umgebungskonform entwickeln (COLLINS 1975). Sensorische La- teralität wird bei Rindern durch Lernprozesse beeinflusst (ROBINS u. PHILLIPS 2010).

(Akuter) Stress erhöht die Aktivität der rechten Gehirnhälfte bei Ratten (DENENBERG 1981) und Katzen (MAZZOTTI u. BOERE 2009); er erzeugt bei Ratten (SHERMAN et al.

1980) und Rentieren (ESPMARK u. KINDERÅS 2002) Linksläufigkeit bzw. Zirkularbewe- gung linksherum. Perigeburtlicher Stress scheint aber motorische Lateralität von Schaf- lämmern nicht zu beeinflussen (LANE u. PHILLIPS 2004). Chronischer Stress verstärkt die Populationslateralität von Löwen für das Vorstellen der rechten Pfote (ZUCCA, BACI- ADONNA, et al. 2011). Stress kann v.a. bei jungen Tieren langfristig zu Übererregbarkeit

(28)

der rechten Gehirnhälfte und damit zu Übererregbarkeit bzw. Ängstlichkeit führen (RO- GERS 2010). Frühere Erfahrungen beeinflussen, ob ein Tier generell eine eher optimis- tische oder pessimistische Haltung zeigt (HARDING et al. 2004).12

2.2.2.5. Zusammenhänge einzelner Ausprägungen von Lateralität

Motorisch stimmen bei Ratten individuell Richtung der Zirkularbewegung und Seite des bevorzugt genutzten Vorderbeins oft überein (ANDREW u. ROGERS 2002, S. 117).

KRUEGER et al. (2011) vermuten, dass sensorische und motorische Lateralität meist nicht zusammenhängen - bei Hunden wurden jedoch einzelne Zusammenhänge nach- gewiesen (TOMKINS et al. 2012).

Vorkommen bzw. Drehrichtung bestimmter Haarwirbel können motorische und sensori- sche Lateralität bei Hunden (TOMKINS et al. 2012), die Stirnwirbelposition kann indivi- duelle zerebrale Lateralität bei Rindern beeinflussen (GRANDIN et al. 1995).

2.3. Die Schiefe des Pferdes in der Reiterei

2.3.1. Vorkommen und Symptome

Verfasser der Reitliteratur sind sich einig, dass gerittene Pferde i.d.R. eine Neigung zu asymmetrischer, schiefer Bewegung zeigen. Die meisten attestieren dem Pferd selbst dabei eine Neigung zu einer bestimmten Seite (laut STEINBRECHT (2002, S. 88) eine

„allgemein bekannte Thatsache“); Seeger allerdings beobachtet die schiefe Haltung of- fenbar gleichartig (spiegelbildlich) auf beiden Händen13 bzw. führt einseitig betonte Ab- weichungen auf asymmetrische Reitereinwirkung zurück (SEEGER 1844, S. 186f. u. 219- 223). Für diese Asymmetrie hat sich spätestens seit Beginn des 20. Jh. in der Reiterspra- che der Überbegriff „(Natürliche) Schiefe“ eingebürgert (SPOHR 1998, S. 50; Anonymous 1937, S. 65; BÜRGER 1972, S. 102). Der Vergleich der Aussagen unterschiedlicher Au- toren wird teilweise durch uneinheitliche Nomenklatur erschwert (RIDGWAY 2013, S. 7f.).

2.3.1.1. Ungleiche Zügelannahme

Bereits XENOPHON (1969, S. 33f. - um 400 v.Chr.) schrieb, manche Pferde seien auf einer Seite „hartmäulig“. Grisone (1570) und de la Guérinière (1733) beschreiben über- einstimmend, Pferde seien leichter nach links zu biegen und gäben dem rechten Zügel schlechter nach (GRISONE 1972=1570, S. 161; DE LA GUÉRINIÈRE 1942, S. 105).

Auch SPOHR (1998, S. 50 - um 1900) bezeichnet die linke Seite als die weiche. Später scheint sich das Bild umzukehren: VON DREYHAUSEN (1936, S. 43) empfindet die meisten Pferde als links fester. In der H.Dv. 12 wird von einer ungleichmäßigen „Zügel- anlehnung“ mit meistens zu lockerem rechtem und zu straffem linken Zügel ausgegangen

12 S. Kap. „2.2.2.4.1 Lateralität der Gehirnhemisphären – zerebrale Lateralität“, S. 22

13 D.h., rechtsherum und linksherum

(29)

(Anonymous 1937, S. 65f. u. 126), was sich mit den Einfügungen Plinzners in Steinb- rechts Werk (STEINBRECHT 1900, S. 96; 2004, S. 107) sowie der Auffassung LICARTS (1989, S. 44) und Bürgers (1972, S. 104; BÜRGER u. ZIETSCHMANN 2003, S. 73) deckt.

Auch neuere Publikationen bezeichnen häufig die rechte Seite als die weichere (HEUSCHMANN 2011, S. 126f.; MÜSELER 1973, S. 74 (in den ersten Auflagen des Werks noch nicht zu finden!); DEUTSCHE REITERLICHE VEREINIGUNG E.V. 1994, S.

181; SCHULTEN 2009, S. 26), es gibt aber auch Gegenstimmen (RIDGWAY 2013, S. 3).

Häufig wird die Reaktion des Pferdes auf der Seite, auf der es der Zügeleinwirkung Wi- derstand entgegen setzt, als besseres Annehmen des Zügels beschrieben (PODHAJSKY 1965, S. 97). Dies ist in der vorherrschenden Vorstellung begründet, dass das Pferd „die Anlehnung an das Gebiß suchen“ soll (DEUTSCHE REITERLICHE VEREINIGUNG E.V.

1994, S. 171). Dementsprechend wird das bereitwillige Nachgeben auf der anderen Seite als Nicht-Annahme des Zügels interpretiert. Von anderen wird dieses seitliche Nachge- ben auf leichte Hilfen als positiv und das Gegenhalten des Pferdes gegen den angenom- menen Zügel als unerwünschte Festigkeit angesehen (XENOPHON (1969, S. 33f.):

„Hartmäuligkeit“). DE LA CROIX (1913, S. 117) beschreibt die unterschiedlichen Sicht- weisen am Beispiel eines sich lieber rechts stellenden Pferdes so:

Das „Pferd wird eingespannt [in den Zügel] links fest, geht scheinbar besser hier heran, während es, in seiner angeborenen Schiefe belassen [d.h., ohne den Versuch, es mit dem Zügel geradeaus zu stellen, Anm. d. Verf.], gerade gegen die Einwirkung dieses Zügels empfindlich ist, ihn scheut.“

In der 3. Auflage des „Gymnasium des Pferdes“ formuliert Plinzner die Nachteile beider Seiten: Pferde mit rechts weicher Seite würden „sich gegen den linken Zügel stützen, den rechten dagegen nicht annehmen“ (STEINBRECHT 1900, S. 96). In jedem Fall ist die Eigenschaft des Pferdes gemeint, auf der „weichen“ Seite einem Zügelanzug leicht durch Halsbiegung zu folgen und auf der anderen (festen) Seite einen stärkeren Zügelanzug zu tolerieren bzw. gegen den Zügel zu ziehen, ohne den Hals zu biegen.

2.3.1.2. Hohle Seite

Zwischen dieser seitenungleichen Reaktion auf Zügelhilfen und einem anderen häufig beschriebenen Symptom, nämlich der Bevorzugung einer bestimmten seitlichen Biegung („Sich-Hohlmachen“), besteht für die meisten Autoren ein offensichtlicher Zusammen- hang. VON HOLLEUFFER (1882, S. 149) sieht die Ursache für das ungleiche Annehmen der Zügel in einem Hohlmachen des Halses. Auch Podhajsky beschreibt, das Pferd habe eine „hohle Seite“, auf der es mit zu starker Halsbiegung auf Zügeleinwirkung reagiere

(30)

(PODHAJSKY 1965, S. 126). In neuerer Zeit hat DE JONG (o.J.-b) die Schiefe sehr de- tailliert beschrieben14 – sie geht ebenfalls davon aus, dass die ungleiche Zügelannahme darin begründet ist, dass jedes Pferd eine hohle (konkave) und eine konvexe Seite hat.

Abbildung 2.4: Überdeutliches Schema der Hohlbiegung (rechts oder links) der Wirbelsäule

Beginnend mit dem 16. (GRISONE 1972=1570, S. 66 u. 161) und weiter bis hin ins 19.

Jahrhundert waren sich die Reitmeister offenbar über eine überwiegende Tendenz zur Linksbiegung bei Pferden einig (DE PLUVINEL 2000=1670, S.19f.; DE LA GUÉRINIÈRE 1942, S. 105; L`HOTTE 1977 (Original 1895), S. 43). FILLIS (1979=1894, S. 202) befin- det das Verhältnis von links- und rechtsgebogenen Pferden dagegen für etwa ausgegli- chen. Im 20. Jahrhundert wird von mehr rechtsgebogenen Pferden berichtet15 (DE LA CROIX 1913, S. 116; VON DREYHAUSEN 1936, S. 43; BÜRGER 1972, S. 104;

MÜSELER 1973, S. 74; DEUTSCHE REITERLICHE VEREINIGUNG E.V. 1994, S. 181).

Heute sind verschiedenen Auffassungen vertreten: Während HEUSCHMANN (2011, S.

180) und SCHULTEN (2009, S. 25) häufigere Rechtsbiegung sehen, halten STODULKA (2006, S. 131; 2008, S. 69f.) und RIDGWAY (2013, S. 3f.) die meisten Pferde für links- gebogen. Eine bevorzugte Biegung beim einzelnen Pferd wird auch von SCHWYTER (1907, S. 36) und in der Westernreitlehre (ROTH-LECKEBUSCH 2009, S. 100) genannt.

Immer wieder taucht die Beobachtung auf, die Mähne eines Pferdes falle zu seiner hoh- len Seite (PERREAUX 2002; KARL 2000, S. 23; L`HOTTE 1977, S. 44). Schon Grisone erwähnt einen Einfluss der Schiefe auf die Mähnenseite (GRISONE 1972=1570, S. 158).

Erklären ließe sich das mit BÜRGER (1972, S. 106), der bei Stellung im Hals das Na- ckenband mit dem Mähnenkamm auf die (kürzere) innere Seite herüberschnellen sieht.

Die Nomenklatur für die beiden Seiten des Pferdes ist in der Literatur uneinheitlich bis widersprüchlich. Von SEUNIG (2001, S. 131), der FN (DEUTSCHE REITERLICHE VEREINIGUNG E.V. 1994, S. 181) und PUTZ (2010) wird die hohle Seite als „schwierige

14 S. Kap. „2.3.1.10 Ausführliche Beschreibungen des biomechanischen Symptomenkomplexes der Schiefe“, S. 34

15 Müseler bezeichnet in der 2. Auflage seiner Reitlehre noch die meisten Pferde als linksgebogen (MÜSELER 1933, S. 92), während in späteren Auflagen das Gegenteil behauptet wird.

rechtsgebogenes Pferd (rechts hohl)

linksgebogenes Pferd (links hohl)

(31)

Seite“ und die feste Seite16 als „Zwangsseite“ bezeichnet, ebenso bei von Heydebreck (Kommentar in Steinbrechts Werk: STEINBRECHT (2004, S. 108)) und SCHULTEN (2009, S. 27); auch ROTH-LECKEBUSCH (2009, S. 100) bezeichnet die feste Seite als Zwangsseite. Für STODULKA (2008, S. 70) dagegen ist die Zwangsseite die hohle Seite (Muskelverkürzung); bei RIDGWAY (2013, S. 3) wird die feste Seite als die schwierige bezeichnet. Entscheidend und vermutlich ursächlich zu dieser Verwirrung beigetragen hat Steinbrechts Werk und dessen spätere Bearbeitung: In der Originalausgabe des

„Gymnasium“ erklärt Steinbrecht, die rechte Seite der meisten Pferde sei die Zwangs- seite, und beschreibt dieselbe Seite auch als die schwierige Seite (STEINBRECHT 2002, S. 88f.). Plinzner hat später in der 3. Auflage jedoch die linke Seite als schwierige und Zwangsseite bezeichnet, wobei er das Pferd als rechts hohl betrachtet (STEINBRECHT 1900, S. 95f.). In der 4. Auflage schließlich kommentierte von Heydebreck, dass die schwierige Seite meist die rechte, die Zwangsseite dagegen die linke sei und beide Be- griffe daher keine Synonyme seien (STEINBRECHT 2004, S. 108). Steinbrecht selbst spricht dabei nicht direkt von einer bevorzugten Biegung; seine Aufzeichnungen vermit- teln aber den Eindruck einer bevorzugten Linksbiegung – so schreibt er, es sei „ange- zeigt, durch häufigere Uebung die Zwangsseite [also die rechte, Anm. d. Verf.] mehr zu biegen“ (STEINBRECHT 2002, S. 89), und erwähnt einen bekannten Erklärungsversuch für die Asymmetrie, nach dem diese „in der häufigen Annäherung des Wärters von der linken Seite“ (Ebd., S. 88f.) begründet sein könne. Auch sieht er bei übertriebener Kor- rektur den Zwang „auf der ursprünglichen [rechten, Anm. d. Verf.] Seite in das andere Extrem, nämlich fehlerhafte Biegsamkeit umschlagen“ (Ebd., S. 89). Auffällig, da schlecht vereinbar damit ist die Aussage in einem späteren, von Plinzner geschriebenen Kapitel (auch in der Originalausgabe), dass „die meisten rohen Pferde […] Rechts-Travers- Pferde“17 (Ebd., S. 184) seien und eine „falsche natürliche Rechtsbiegung“ (STEIN- BRECHT 2002, S. 192) aufwiesen. Entsprechend lassen sowohl Plinzner als auch von Heydebreck die letzteren Aussagen in späteren Auflagen stehen (STEINBRECHT 1900, S. 200; 2004, S. 204 u. S. 213). An Steinbrechts erstgenannten Aussagen dagegen ha- ben beide mehrere Änderungen und Ergänzungen vorgenommen, die vom Weglassen der Aussage über die möglichen Ursachen der Hohlbiegung (Annäherung von links etc., s.o.) bis dahin reichen, dass sich Plinzners Text in der 3. und 4. Auflage so liest, dass

„die meisten Pferde von Natur […] zu einer falschen Rechtsbiegung neigen“ und „sich gegen den linken Zügel“ stützten, „den rechten dagegen nicht annehmen“ (STEIN- BRECHT 1900, S. 96; 2004, S. 107).

16 Als feste Seite wird hier und im Folgenden die der hohlen Seite gegenüberliegende Seite bezeichnet.

17 S.a. Ausführungen zu den Seitengängen in Kap. „2.3.1.4 Seitengang“, S. 29

(32)

Manche Autoren erwähnen auch eine mögliche S-Form der Pferdewirbelsäule: BÜRGER (1972, S. 107f.) berichtet von der natürlicherweise wie ein großes „S“ reagierenden Pfer- dewirbelsäule, wodurch wenig gymnastizierte Pferde bei seitlicher Biegungsanforderung im Hals mit der Hinterhand zur anderen Seite auswichen und verrittene Pferde sich na- hezu allen Reiterhilfen entzögen. KARL (2000, S. 24f.) beschreibt, wie die im Trab inner- halb des Gangzyklus von „S“ zu „umgekehrtem S“ wechselnde Form der Wirbelsäule beim schiefen Pferd nicht spiegelbildlich gleich sei, sondern jeweils die Komponente der Biegung zur hohlen Seite mehr betont werde. HEUSCHMANN (2011, S. 185) sieht eine bestimmte, schwer korrigierbare S-Form beim verrittenen Pferd, bei dem versucht wurde, der Schiefe durch hartes Eingreifen am Zügel zu begegnen: Das zuvor einseitig hohle Pferd lasse sich nunmehr im Hals besser zu seiner eigentlich festen Seite biegen.

2.3.1.3. Schrägstellung der Längsachse

Als wesentliches Merkmal der Schiefe wird ein Schief-Laufen beschrieben, bei dem die Hinterhand nicht spurtreu der Vorhand folgt, sondern zu einer Seite davon abweicht (FIL- LIS 1979=1894, S. 124 u. 180; SEEGER 1844, S. 19 u. 219; BÜRGER 1972, S. 52;

PODHAJSKY 1965, S. 41f., 85 u. 113) 18. Laut VON HOLLEUFFER (1882, S. 88f.) laufen nicht alle Pferde gleichermaßen schief; stark schief laufende Pferde seien schlecht ge- eignet zum Reiten. Immer wieder genannt wird in diesem Zusammenhang ein sogenann- tes Anlehnen es Pferdes an die Bande mit der Schulter, wodurch die breitere Hinterhand nach innen ausfällt (FILLIS 1979=1894, S. 175; STEINBRECHT 2002, S. 61f. u. 120;

VON HEYDEBRECK 1972, S. 20; PODHAJSKY 1965, S. 85). Bei SPOHR (1998, S. 50), Plinzner19 (STEINBRECHT 2002, S. 191), VON HEYDEBRECK (1972, S. 20), in der H.Dv. 12 (Anonymous 1937, S. 65), bei MÜSELER (1973, S. 74), der FN (DEUTSCHE REITERLICHE VEREINIGUNG E.V. 1994, S. 172) und RIDGWAY (2014) wird vorwie- gend ein Schieflaufen mit der Hinterhand nach rechts beobachtet.20

Abbildung 2.5: Richtet sich das Pferd mit seiner äußeren Körperseite an der Bande aus, führt dies wegen der schmaleren Vorderhand zum Abweichen der Hinterhand nach innen, in diesem Beispiel nach rechts. Das rechte Hinterbein spurt nicht mehr hinter dem rechten Vorderbein, sondern nach rechts versetzt davon. Die Bewegungsrichtung ist in blau, die Längsachse des Pferdes in orange markiert; die grau gestrichelten Linien zeigen die von den einzelnen Beinen beschriebene Spuren.

KARL (2000, S. 25), PERREAUX (2002), WILL (2007, S. 34f.), STODULKA (2008, S.

70), SCHULTEN (2009, S. 25) und HEUSCHMANN (2011, S. 126) sehen das Abweichen

18 Vgl. das „Schränken“ anderer Vierbeiner, Kap. „2.2.2.2.2 Schrägstellung der Längsachse“, S. 20

19 In den von Plinzner geschriebenen Kapiteln in Steinbrechts Werk

20 Bei Müseler noch nicht in den ersten Auflagen zu finden.

(33)

der Hinterhand grundsätzlich in Richtung der hohlen Seite des Pferdes (Traversstel- lung)21. DE LA CROIX (1913, S. 117) behauptet das Gegenteil: Das Pferd weiche mit der Hinterhand zu seiner festen Seite ab und habe damit eine Schulterhereinstellung22. 2.3.1.4. Seitengang

Treffen Schieflaufen und Existenz einer hohlen Seite zusammen, bewegt das Pferd sich in einem zumindest angedeuteten Seitengang. Grundsätzlich sind dabei eine traversar- tige (schräg seitlich in Richtung der Hohlseite) und eine schulterhereinartige Bewegung (schräg seitlich von der Hohlseite weg) möglich.

Abbildung 2.6: Seitengänge am Beispiel eines linksgebogenen Pferdes. Links: Traversartig laufen- des Pferd, rechts: schulterhereinartig laufendes Pferd. Die Bewegungsrichtung ist in blau, die Längsachse des Pferdes in orange markiert.

Die meisten Autoren sprechen von einer Neigung vieler Pferde, sich traversartig (zu im- mer derselben Seite) fortzubewegen. Bereits Grisones Forderung der Korrektur eines Pferdes, das mit der Hinterhand nach innen versetzt und nach links gebogen stehe, könnte darauf hindeuten (GRISONE 1972=1570, S. 158). Nachdem Plinzner23 (STEIN- BRECHT 2002, S. 184) die meisten rohen Pferde in einem Rechtstravers laufen sieht und auch LICART (1989, S. 44) dies im Galopp beobachtet, stellt die H.Dv. 12 das schiefe Pferd in Rechtstraversstellung dar (Anonymous 1937, S. 65, Bild 25). Dem schließt sich VON HEYDEBRECK (1972, S. 20) an; auch Müselers Reitlehre24 und die FN-Richtlinien lassen sich dahingehend verstehen (MÜSELER 1973, S. 74; DEUTSCHE REITERLICHE VEREINIGUNG E.V. 1994, S. 181). L`HOTTE (1977, S. 50 u. 86) dagegen bemerkt bei manchen Pferden Laufen im Linkstravers, also Travers zur hohlen Seite, stellt aber auch die Regel auf, bei gebogener Körperrichtung trieben die Hanken die Schultern in Richtung der festen Seite (Ebd., S. 44f.) – was eher einer schulterhereinartigen Bewegung ent-

21 S. folgendes Kap. „2.3.1.4 Seitengang“

22 Dto.

23 In den von Plinzner geschriebenen Kapiteln in Steinbrechts Werk

24 In den ersten Auflagen des Werks noch nicht erwähnt

(34)

spricht. PODHAJSKY (1965, S. 126 u.131) konstatiert, Pferde zeigten ungern Schulter- herein auf der hohlen Seite bzw. Kruppeherein (Travers) auf der nicht hohlen Seite – folglich müssen sie zu Travers in Richtung der hohlen Seite neigen25, eine Ansicht, die WILL (2007, S. 34f.), HEUSCHMANN (2011, S. 126) und DE JONG (2015) unterstützen.

STODULKA (2008, S. 69f.) beschreibt zwar eine Traversstellung zur hohlen Seite, sieht jedoch an der Longe auf der hohlen Seite die Kruppe nach außen ausfallen (STODULKA 2006, S. 132), was eher einem Schulterherein entspricht.

Hinweise auf schulterhereinartiges Laufen finden sich noch bei weiteren Autoren: DE LA GUÉRINIÈRE (1942, S. 105) betrachtet links als die hohle Seite, beobachtet aber vor- nehmlich im Rechtsgalopp ein Ausweichen der Hinterhand nach innen (Ebd., S. 146) – allerdings nennt er beides nicht im Zusammenhang miteinander, sodass unklar bleibt, ob er eine solche schulterhereinartige Bewegung tatsächlich beobachtete. Dagegen können die Äußerungen SPOHRS (1998, S. 50) bei genauerem Lesen nur als (Links-)Schul- terein-Bewegung verstanden werden, die auch RIDGWAY (2014) beschreibt. BÜRGER (1972, S. 104-106) sieht beim rechts hohlen Pferd ein Wegdrängen gegen den linken Schenkel mit der Hinterhand; er erklärt, es falle Pferden leicht, seitwärts von der hohlen Seite wegzutreten, aber schwer, in Richtung der hohlen Seite seitwärts zu treten (BÜR- GER 1972, S. 107). Eindeutig genannt wird eine Schulterherein-Bewegung von DE LA CROIX (1913, S. 115-118), der bei der Mehrzahl der Pferde ein „korrumpiertes Rechts- Schulterherein“ (Ebd., S. 124) beobachtet. Die wohl zu seiner Zeit häufig postulierte tra- versartige Bewegung sieht er nur, wenn der Reiter das Pferd vorne zwischen die Zügel spanne, was „auf die Hinterhand natürlich seine Rückwirkung“ habe (Ebd., S. 117).

2.3.1.5. Ausfallen mit Schulter oder Hinterhand26

Ein Schiefstellen der Längsachse in bestimmten Situationen bzw. Lektionen scheint häu- fig zu sein: Bereits GRISONE (1972=1570, S. 36 u. 38) bemerkt bei vielen jungen oder verdorbenen Pferden ein (korrekturbedürftiges) schiefes Anhalten. VON HOLLEUFFER (1882, S. 130) verlangt eine gerade Piaffe, um auf Dauer ungleichmäßigen Tritten, un- gleicher Anlehnung und Gesundheitsschäden vorzubeugen. Besonders deutlich scheint das seitliche Ausfallen der Hinterhand im Galopp zu sein – SEEGER (1844, S. 219) be- obachtet es auf beiden Händen nach innen; PODHAJSKY (1965, S. 113) fügt hinzu, zu- sätzlich dränge die Schulter zur Außenseite. DE LA GUÉRINIÈRE (1942, S. 146) und Plinzner27 (STEINBRECHT 2002, S. 184 u. 191) hielten meist das Hereinstellen der Hin- terhand im Galopp auf der rechten Hand für stärker.

25 Ein Schulterherein in Richtung der festen Seite ist als normalerweise bevorzugter Gang wg. der nicht bevorzugten Biegung auf dieser Seite ausgeschlossen.

26 Dies bedeutet (analog zum Zügel, s. Kap. „2.3.1.1 Ungleiche Zügelannahme“, S. 24) auch eine ungleiche Reaktion auf die Schenkelhilfen. S. „Begriffserklärungen aus der reiterlichen Fachsprache“ im Anhang.

27 In den von Plinzner geschriebenen Kapiteln in Steinbrechts Werk

(35)

Abbildung 2.7: Darstellung des seitlichen Ausfallens der Hinterhand im Galopp nach Seeger, Po- dhajsky, de la Guérinière und Plinzner am Beispiel des Rechtsgalopps auf der rechten Hand. Das nach außen Drängen der Schulter beschreibt nur Podhajsky. Die Bewegungsrichtung ist in blau, die Richtungen, nach denen das Pferd wegdrängt, sind in hellgrün markiert.

Auch außerhalb des Galopps wird seitliches Ausfallen der Hinterhand oft thematisiert:

Auf gebogenen Linien weichen nach FILLIS (1979=1894, S. 120) und BÜRGER (1972, S. 105) manche Pferde mit der Hinterhand immer zur selben Körperseite aus, also in einer Wendung nach innen, in der anderen nach außen. Bezogen auf die hohle Seite bestehen hier unterschiedliche Ansichten: Während Bürger in der Wendung zur festen Seite ein Hereindrängen der Hinterhand sieht, da das Pferd versuche, die Außenstellung beizubehalten (BÜRGER u. ZIETSCHMANN 2003, S. 73), beobachten WILL (2007, S.

34f.) und RIDGWAY (2015, S. 46) dabei ein Herausdrängen der Hinterhand. Bei KARL (2000, S. 26), WILL (2007, S. 34f.), in der Westernreitlehre (ROTH-LECKEBUSCH 2009, S. 115) und bei DE JONG (2015) wird ein Ausweichen der Hinterhand zur hohlen Seite im Rückwärtsrichten beschrieben. STODULKA (2006, S. 132) konstatiert das Heraus- drängen der Hinterhand auf dem Zirkel auf der hohlen Seite, auf der festen Seite aber ein Ausfallen mit der Schulter nach innen, was den Zirkel verkleinert. An anderer Stelle at- testiert er jungen, auf dem Zirkel noch nicht ausbalancierten Pferden aber auf beiden Händen die Neigung, in Außenstellung mit der Schulter in den Zirkel hinein zu drängen (STODULKA 2006, S. 16; 2008, S. 70). Auch BÜRGER u. ZIETSCHMANN (2003, S. 73) sehen das Verkleinern des Zirkels auf der festen Seite; das Pendant des sich vergrößern- den Zirkels auf der hohlen Seite wird von Podhajsky (1965, S. 117) und Ridgway (2013, S. 3) beschrieben; bei vielen Autoren werden beide Phänomene genannt (DE JONG o.J.- b, 2015; RACHEN-SCHÖNEICH u. SCHÖNEICH 2005, S. 42; KARL 2000, S. 46; BÜR- GER 1972, S. 105; RIDGWAY 2015, S. 46; WILL 2007, S. 34f.). Im Zusammenhang mit dem Hereinlehnen in die Wendung auf der festen Seite sehen BÜRGER (1972, S. 105) und DE JONG (2015) teilweise ein Beschleunigen.

(36)

Abbildung 2.8: Verkleinern und Vergrößern einer Zirkellinie durch ein einseitig hohles Pferd (Bei- spiel rechts hohl): Auf der Hand der hohlen Seite tendiert das Pferd dazu, nach außen von der Linie abzuweichen, auf der Hand der festen Seite drängt es nach innen und verkleinert den Zirkel.

2.3.1.6. Bevorzugte Laufrichtung und Scheuen

Grisone (1972=1570, S. 164ff.) und DE PLUVINEL (2000=1670, S. 19f.) schreiben den meisten Pferden leichteres Abwenden zur hohlen Seite zu, was BÜRGER u.

ZIETSCHMANN (2003, S. 73), DE JONG (2015) und (RIDGWAY 2015, S. 44) später unterstützen – L`HOTTE (1977, S. 44f.), von Heydebreck (STEINBRECHT 2004, Kom- mentar von von Heydebreck, S. 67), PERREAUX (2002) und SCHULTEN (2009, S. 25) dagegen sehen die bevorzugte Laufrichtung zur festen Seite; bereits XENOPHON (1969, S. 34) schreibt, ein Pferd gehe zur festen Seite durch. Auch scheinen Pferde nicht auf beiden Seiten gleichmäßig zu scheuen: FILLIS (1979=1894, S. 241 u. 245) erwähnt, ein scheuendes Pferd mache i.d.R. zu immer derselben Seite Kurzkehrt; SEUNIG (2001, S.

131), LICART (1989, S. 44) und SCHULTEN (2009, S. 26f.) (für die die hohle Seite eher rechts ist) berichten übereinstimmend, dieses Ausbrechen geschehe gewöhnlich zur fes- ten Seite – WILL (2007, S. 34f.) sieht dabei den Kopf zur hohlen Seite gestellt.

2.3.1.7. Präferenz eines Handgalopps

Präferenz eines Handgalopps wird von FILLIS (1979=1894, S. 201), PODHAJSKY (1965, S. 89) und in der Westernreitlehre (ROTH-LECKEBUSCH 2009, S. 106) bejaht. Fillis schätzt dabei die Präferenzen für links und rechts in der Pferdepopulation etwa gleich- mäßig verteilt ein. SEEGER (1844, S. 187) sieht Rechtsgalopp bevorzugt, was er aber ausschließlich asymmetrischer Zügelführung28 anlastet. Linksgalopp bevorzugt sehen mehrere Autoren, aus verschiedenen Gründen: XENOPHON (1969, S. 55) vermutet eine menschliche Präferenz dahinter, GRAY (1989) eine Hirnhemisphärendominanz29, bei LI- CART (1989, S. 44) und in den FN-Richtlinien (DEUTSCHE REITERLICHE

28 S. Kap. „2.3.2.2.1 Menschlicher Umgang“, S. 46

29 S. auch unter Kap. „2.3.2.1.1 Zerebrale Ursachen“, S. 44

(37)

VEREINIGUNG E.V. 1994, S. 187) entspricht Linksgalopp der festen Seite, bei RIDG- WAY (2013, S. 5) der hohlen. Hier erkennen andere grundsätzliche Zusammenhänge:

Laut SEUNIG (2001, S. 131) galoppiere das Pferd lieber auf seiner festen Seite. Dagegen berichtet WILL (2007, S. 34f.), Pferde galoppierten lieber auf ihrer hohlen Seite, und SCHULTEN (2009, S. 25), sie würden dort besser angaloppieren, der Galopp sei aber auf der festen Seite „runder“. HEUSCHMANN (2011, S. 127) bestätigt bessere Balance vieler Pferde im Galopp auf der festen Seite. KARL (2000, S. 26) und WILL (2007, S.

34f.) konstatieren, dass trotz Bevorzugung der hohlen Seite der Galopp dort schief sei – was Plinzners Beobachtung30 untermauert (STEINBRECHT 2002, S. 191).

2.3.1.8. Zusammenhänge mit der Ausprägung der Muskulatur sowie der Belas- tung und Führung der Gliedmaßen im Seitenvergleich31

Die Schiefe könnte Auswirkungen auf laterale Symmetrie der Muskulatur sowie der Be- lastung und Vor- und Rückführung der Gliedmaßen haben. So schreibt SEEGER (1844, S. 221), das schiefe Pferd übertreibe im Galopp das (dieser Gangart eigene) weitere Vorgreifen des inneren Beinpaares. Nach SPOHR (1998, S. 50) bleibt das Pferd auf sei- ner festen Seite mit den Beinen etwas zurück. VON HOLLEUFFER (1882, S. 146) erklärt, das Kürzertreten eines Beines könne „durch schiefe Körperrichtung“ hervorgerufen wer- den, da die Diagonale32 der Seite, zu der die Hinterhand verschoben ist, mehr arbeiten müsse (Ebd., S. 130) – er definiert aber nicht, ob sich das auf Schrittlänge oder Tragarbeit bezieht. L`HOTTE (1977, S. 86) beobachtet, das Leichttraben sei jeweils mit der Diago- nale der Seite, zu der das Pferd traversiere, am leichtesten; die Diagonale, mit der der Reiter leichttrabe, greife weiter vor (Ebd., S. 84) – so müssten beim traversartig schief laufenden Pferd das innere Vorderbein und das äußere Hinterbein weiter vorgreifen. VON DREYHAUSEN (1936, S. 43) beschreibt beim rechts hohlen Pferd Kürzertreten und ver- mehrtes Tragen mit dem rechten Hinterbein, während das linke steif sei und mehr schiebe; dadurch komme das Becken rechts weiter nach vorne. PUTZ (2010, S. 4) er- wähnt Kurz-Lang-Kurz-Treten der Hinterbeine in Piaffe und Passage sowie ungleich weit durchgesprungene Galoppwechsel als Zeichen der Schiefe.

L`HOTTE (1977, S. 44) betont, beim hohlen Pferd bedürften die Muskeln der hohlen Seite vermehrter Dehnung. Von verkürzter Muskulatur der hohlen Seite sprechen auch PER- REAUX (2002), STODULKA (2008, S. 69f.), ROTH-LECKEBUSCH (2009, S. 100), PUTZ

30 S. Kap. „2.3.1.5 Ausfallen mit Schulter oder Hinterhand“, S. 30

31 Bei einigen Autoren tauchen die Fragen nach unsymmetrischer Muskulatur sowie Gliedmaßenbelastung und –vorführung im Rahmen einer umfassenderen Beschreibung des Symptomenkomplexes der Schiefe auf, sie erläutern komplette biomechanische Zusammenhänge. Ihre verschiedenen Sichtweisen werden im Kapitel „2.3.1.10 Ausführliche Beschreibungen des biomechanischen Symptomenkomplexes der Schiefe“, S. 34, erläutert.

32 Die Seite der Diagonale definiert sich über das Vorderbein, s. „Begriffserklärungen aus der wissenschaft- lichen Fachsprache“ im Anhang, S. 279.

(38)

(2010, S. 7), HEUSCHMANN (2011, S. 179) und RIDGWAY (2013, S. 6). Roth-Lecke- busch spezifiziert: Das Vorderbein der festen Seite sei mehr belastet.

2.3.1.9. Weideschritt

Pferde stehen beim Grasen mit den Vorderbeinen in Schrittstellung (nicht geschlossen).

Hier gehen einige Autoren von einer Bevorzugung eines Vorderbeines aus, das häufiger und/ oder länger vorgestellt wird als das andere. Da sie alle den bevorzugten Weideschritt in die detaillierte Beschreibung eines Symptomenkomplexes der Schiefe einordnen, wer- den ihre Ansichten im folgenden Kapitel mit aufgeführt. Für Perreaux, de Jong (beide vertreten traversartige Bewegung) und Gray ist das Vorderbein der festen Seite bevor- zugt vorgestellt und in der Bewegung mehr belastet; für Ridgway (schulterhereinartige Bewegung) liegt die Bevorzugung auf der hohlen Seite beim weniger belasteten Bein.33

Abbildung 2.9: Pferd im Weideschritt beim Grasen

2.3.1.10. Ausführliche Beschreibungen des biomechanischen Symptomenkomple- xes der Schiefe

Einige Autoren beschränken sich nicht auf das Erwähnen einzelner Merkmale des schie- fen Pferdes, sondern charakterisieren dessen Bewegung durch Beschreibung von Merk- malskombinationen genauer. Zur Erläuterung dieser teilweise komplexen biomechani- schen Zusammenhänge werden Schemazeichnungen verwendet, deren einzelne Kom- ponenten wie folgt zu deuten sind34:

33 Die Literaturangaben hierzu finden sich in Tabelle 2.2-Tabelle 2.4

34 Wenn keine Aussage zu einer der Eigenschaften erfolgt, wird das entsprechende Symbol weggelassen bzw. wie in der Erläuterung beschrieben modifiziert.

(39)

Tabelle 2.1: Legende zu Schemazeichnungen der Schiefe

Laufrichtung (gestrichelt, wenn Verschiebung der Längsachse zur Laufrich- tung nicht eindeutig benannt, teilweise mehrere Möglichkeiten denkbar)

Bevorzugte Abbiegerichtung (Bsp.: links)

Orientierung der Längsachse des Pferdes und Position der Hufe (Bsp.: Vor- derhufe auf gleicher Höhe bzw. kein Unterschied genannt, linkes Hinterbein weiter vorgeführt als rechtes)

Form der Wirbelsäule, von oben gesehen (der Pfeil symbolisiert den Kopf;

Bsp.: gerade Wirbelsäule bzw. Linksbiegung)

Belastung der Gliedmaße: schwarzer Huf mehr belastet als weißer; grau be- lassen bei fehlender Aussage zur Belastung

Bei Hinterbeinen: Kennzeichnung des vermehrt schiebenden Hinterbeins durch Unterstrich, falls erwähnt

Kennzeichnung des beim Grasen bevorzugt vorgestellten Hufes

Ungefähre Lage bzw. Richtung der Verschiebung des Schwerpunktes beim schiefen Pferd

Seite des bevorzugten Galopps; das Symbol wird unter oder neben dem Pferd auf der Seite des bevorzugten Galopps platziert; variiert laut dem je- weiligen Autor die Bevorzugung, steht das Symbol auf beiden Seiten

G

(40)

G

Abbildung 2.10: Beispiel der Schemazeichnung für ein ideal gerades Pferd. Markierung beider Vor- derbeine mit einem Kreis, da keine Bevorzugung eines vorgestellten Beines beim Grasen; Galopp- markierung in der Mitte, da keine Bevorzugung von Rechts- oder Linksgalopp. Kein Pfeil am Schwerpunkt, da keine seitliche Verschiebung. Keine bevorzugte Abbiegerichtung.

Die erste der drei folgenden Tabellen enthält die Beschreibungen von traversartig laufen- den Pferden, die zweite die von schulterhereinartig laufenden Pferden und die dritte drei weitere, bei denen keine generelle Schrägstellung der Längsachse genannt wird. In der Regel bezeichnen die Autoren die dargestellte Form der Schiefe als die häufigste, wobei sie in einem geringen Prozentsatz der Fälle die spiegelbildliche Form sehen. Abweichun- gen und Ergänzungen sind in der dritten Spalte erwähnt.

Bei der traversartigen Fortbewegung finden sich zur der Hufbelastung zwei verschiedene Ansichten – eine geht davon aus, dass Vorder- und Hinterbein der festen Seite vermehrt belastet sind (Seunig, Steinbrecht, FN, Schulten, Heuschmann) – wobei im Gegensatz zu Heuschmann Seunig und die FN das Hinterbein der hohlen Seite als das vermehrt schiebende bezeichnen – , die andere sieht eine Mehrbelastung der Diagonale der festen Seite (Karl, Perreaux, Will, Stodulka) – hier betrachten alle das Hinterbein der festen Seite als das vermehrt schiebende. De Jong sieht beide Möglichkeiten als gegeben an.35

Tabelle 2.2: Schemazeichnungen der Schiefe bei traversartig laufenden Pferden

Autor und Schema des

schiefen Pferdes Bemerkungen/ weitere Merkmale SEUNIG (2001, S.

129ff.)

- keine Aussage zu unterschiedlicher Position der Hufe im Seitenvergleich

- Halsmuskulatur auf fester Seite überlastet und ge- spannt

35 Die Literaturangaben hierzu finden sich in Tabelle 2.2-Tabelle 2.4

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

D 8 Ein Tier : Fressplatzverhältnis von 1:1 bei rationierter oder zeitlich begrenzter Futtervorlage bzw. 1,5 : 1 bei ad libitum Fütterung wird nicht überschritten. Werden die Tiere

Sind ausreichend viele Fress- stände vorhanden, so ist es für rangniedere Tiere immer möglich, sich aus dem Einfluss- bereich eines ranghohen Tieres zu entfernen und in Ruhe

The basis of individual feed dispensing is electronic animal identification with the aid of RFID transponders, the control of access to the feed, and the precise registration of

Änderung zum Programm des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz und der Sächsischen Tierseuchenkasse zur Prophylaxe der West-Nil- Virus-Erkrankung

Da aber heut- zutage die Zeit für einen schönen Spaziergang im Wald oder das Ab- kühlen des Pferdes nach einer an- strengenden Übung oft fehlt, werden die Pferde stattdessen für?.

Bezüglich des Einsatzes von Silagen in der Pferdefütterung waren sich die Ta- gungsteilnehmer einig, dass Silagen ein gutes Futter für Pferde sind?. Vorausset- zung ist jedoch, dass

Zusammengesetzte Nomen sind Nomen, die aus zwei Wörtern zusammengesetzt werden: aus Nomen + Nomen, aus Verb + Nomen oder aus Adjektiv + Nomen.. Manchmal muss man dabei einen

Auch Schülerinnen und Schüler, die Deutsch nicht als Muttersprache oder inklusiv unterrichtet werden, können sich mit dem Thema Pferde in diesen Arbeitsblättern