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Wenn Pferde den Schlaf nicht finden

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Forschung

38 Kavallo 3/2019

Wenn Pferde

den Schlaf nicht finden

S

eit einigen Jahren wird vermehrt von Pferden berichtet, die immer wieder merkwürdige Verletzun- gen an Karpal-, Fessel- und Sprungge- lenken oder gar am Kopf aufweisen, ohne dass ein offensichtlicher Grund dafür ersichtlich wäre. Erst später be- merken die Pferdehalter vielleicht, dass diese Tiere, wenn sie in Ruhepha- sen stehend mit hängendem Kopf dö- sen, mit den Vordergliedmassen ein- knicken (unvollständiger Kollaps) oder aber gänzlich stürzen (vollständiger Kollaps). Meist erwachen sie dabei und strecken sich eventuell kurz, bevor

sich das Verhaltensmuster wiederholt.

Bezeichnenderweise stellen sich be- troffene Pferde zum Ruhen oft an eine Wand oder in eine Ecke und stützen teilweise sogar ihren Kopf am Zaun oder an der Stalltüre ab. Die Pferde können zwar beim Wälzen beobachtet werden, hingegen findet man sie nie oder zumindest selten liegend vor.

Diese Auffälligkeiten weisen auf die sogenannte Pseudonarkolepsie hin, ein Phänomen, dass in den letz- ten Jahren in einigen wissenschaftli- chen Studien untersucht wurde. Im Unterschied zur echten Narkolepsie,

eine neurologische Erkrankung, die man beispielsweise beim Menschen und Hunden und sehr selten auch bei Pferden antrifft, wird die Pseudonar- kolepsie schlicht durch anhaltenden Schlafmangel verursacht.

Das Ruheverhalten von Pferden

Erholungsphasen sind für Pferde ge- nauso wichtig wie für uns, auch wenn sich Equiden in ihrem arttypischen Ruheverhalten deutlich von Men- schen unterscheiden. Tatsächlich kön- nen sich Pferde im Stehen entspannen und gar schlafen; Liegephasen sind aber auch für sie zwingend nötig. Es gibt drei Intensitätsstufen des Ruhens bei Pferden. Das häufige Dösen ge- schieht im Stehen. Durch das so ge- nannte «Schildern» kann das dösende Pferd seinen Energieaufwand in er- staunlichem Masse senken und sich ausruhen. Die nächste Stufe ist das Liegen auf dem Bauch mit unterge- schlagenen Beinen (Schlummern). In diesen beiden Ruhepositionen findet der so genannte slow wave sleep statt.

Die dritte Stufe, ein seitliches Liegen mit ausgestreckten Beinen, dient dem Tiefschlaf mit stark herabgesetztem Muskeltonus. Dieser ist nur in Seiten- lage möglich (allenfalls in Bauchlage mit aufgestütztem Kinn). Häufig sind hier schnelle Augenbewegungen bei geschlossenen Liedern sichtbar, die beispielsweise beim Menschen mit Phasen des Träumens einhergehen (REM-Schlaf, Rapid Eye Movement sleep). Von Wildpferden weiss man, dass die Dauer der Ruhezeiten saison- Von Ohnmacht wurde früher bei

Schlafstörungen gesprochen, als Pseudonarkolepsie sind solche Fälle heute bekannt, wenn Pferde ein- knicken oder gar hinfallen. In einer Studie soll das Verhalten nun wissenschaftlich besser untersucht werden.

von

Iris Bachmann

Agroscope, Schweizer National- gestüt, Beratungsstelle Pferd

Nicht zu erklärende Verletzungen können ein Hinweis auf eine Pseudonarkolepsie sein.

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Kavallo 3/2019 39 kolepsie. Chronischer Schlafmangel ist tierschutzrelevant.

Soziale Unsicherheiten als Ursache

Nebst anderen möglichen Ursachen ist der Grund, dass sich ein Pferd nicht mehr hinlegt, vermutlich oftmals im sozialen Umfeld zu suchen. In der Re- gel fühlen sich Pferde in der Nähe von Artgenossen wohl und geschützt und legen sich problemlos zum Schlafen hin. Allerdings kann es Individuen ge- ben, die sich innerhalb einer gegebe- nen Gruppenzusammensetzung oder eingestallt neben einem bestimmten Boxennachbarn nicht entspannen können. Einerseits können dies tief- rangige Individuen sein, welche we- sentlich mehr Individualdistanz oder Schutz vor höherrangigen Pferden be- nötigen. Es kann sich aber auch um sehr ranghohe Tiere handeln, die ein übertriebenes Kontrollverhalten über die anderen Pferde oder die Umge- bung aufweisen, was zu chronischem Stress und somit reduziertem Liege- verhalten führen kann. Auch die Ursa- chen aus dem sozialen Umfeld können also je nach betroffenem Pferd variie- ren. Massnahmen zur Verbesserung der Situation müssen somit für jedes Pferd spezifisch gewählt werden, was vom Tierhalter Einfühlungsvermögen und viel Geduld abverlangt.

abhängig sowie abhängig vom Alter und Geschlecht ist. Sie umfasst unge- fähr sieben Stunden beim erwachse- nen Pferd. Das Liegen nimmt dabei nur einen kleinen Anteil an den Ge- samtruhezeiten ein, zwischen einer halben bis zweieinhalb Stunden. Lie- gen ist aber ein essentielles Bedürfnis, da für eine echte Erholung alle Stufen der Ruhephasen der durchlaufen wer- den müssen.

Pferd muss sich sicher fühlen

Für ein Fluchttier ist es gefährlich, sich hinzulegen. Pferde liegen daher grundsätzlich nur, wenn sie sich si- cher fühlen und rasch wieder aufste-

hen können. Sowohl in Gruppen- als auch in Einzelhaltung kann es nun vorkommen, dass sich ein Pferd aus Unsicherheit selten oder gar nie hin- legt. Dies kann an einer neuen unbe- kannten Umgebung liegen, an Schwie- rigkeiten oder Schmerzen bei Ablie- gen und Aufstehen, an ungeeigneten Liegeplätzen (zu klein, zu wenig Ein- streu), anderen baulichen Gegeben- heiten, aber auch an sozialen Konflik- ten zwischen den Pferden. Wird das Abliegen über lange Zeit verweigert, kann dies zu einem chronischen REM- Schlaf-Mangel führen mit diversen gravierenden Folgeproblemen, wie zum Beispiel die erwähnte Pseudonar-

Foto: zvg

Drei Formen des Ruhens lassen sich bei Pferden unterscheiden:

Dösen (rechts), Schlummern (Mitte) und seitliches Liegen (links).

Pferde in Paddockboxen mit Pseudonarkolepsie gesucht

Im Rahmen einer Bachelorarbeit an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebens- mittelwissenschaften (HAFL) in Zollikofen in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Nationalgestüt von Agroscope ist eine Studie geplant, welche den Erfolg einer einfachen Managementmassnahme systematisch überprüfen soll. Hierzu werden Pferde mit Pseudonarkolepsie gesucht, welche in Auslaufboxen bzw.

Paddockboxen gehalten werden. Bei Interesse an einer Mitarbeit werden die PferdebesitzerInnen gebeten, sich via E-Mail an bachelorhafl@gmail.com zu melden.

Foto: kav

Für die Studie gesucht werden an Pseudonarkolepsie leidende Pferde in Paddockboxe.

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