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Archiv "Wer eignet sich fürs Medizinstudium?" (28.09.1978)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

FORUM

Die derzeitige Bevorzugung rheto- risch-kognitiver Fächer im Fächer- kanon der gymnasialen Oberstufe führt eher theoretisch Begabte oder gar Streber zum Studium. Die Fähig- keit zu angewandter wissenschaftli- cher Arbeit, zu schneller Entschei- dung, zu menschlicher Zuwendung und zu Einfühlungsvermögen in die Probleme anderer und das Vorhan- densein von Führungsqualitäten bleiben dabei unberücksichtigt (Hoppe, Heft 48/1976, Seite 3088).

Auch Tests haben so erhebliche Schwächen, daß selbst eine Aussa- ge zur Studieneignung bezweifelt werden muß (Bochnik, Heft 20/1977, Seiten 1360 ff). Da die Fragen unifor- miert sind, können freilich Tausende abgefertigt werden. Damit aber be- steht die Gefahr, daß von immer mehr und immer schlechter ausge- bildeten Akademikern immer weni- ger gebraucht werden, wodurch zwangsläufig ein Notstand der Ge- bildeten entsteht. Helmut Schmidt äußert hierzu: „Ein akademischer Abschluß kann keineswegs Garantie sein, lebenslang mehr zu verdienen als ein Facharbeiter". Für Rudi Dutschke hat sich damit die Hoff- nung auf eine Revolution belebt .. . Nach meiner Auffassung sollten Wahlpflichtfächer der gymnasialen Oberstufe zur Vermeidung von Miß- erfolgen an der Universität bereits auf ein Medizinstudium ausgerichtet sein. Das bedeutet auch, daß die Na- turwissenschaften nicht abgewählt werden dürfen. Es kann nicht sein, daß durch lauter Einsen in Fächern wie Deutsch oder in Gesellschafts- wissenschaften (wie immer die je- weiligen Fächer in den jeweiligen Bundesländern heißen mögen) der- jenige sich plötzlich verpflichtet fühlt, in snobistischer Weise Medizin zu studieren.

Ein berufsfindendes Praktikum halte ich in der Organisation nicht für un- überwindlich schwierig (für Wehr-

dienstverweigerer wird ja auch eini- ges ermöglicht). Ein solches dient der Selbstprüfung: Wer außerstande ist, auf einer unfallchirurgischen Aufnahmestatioh Blut zu sehen, oder vor einem Geisteskranken das Hasenpanier ergreift, sollte seine Absichten nochmals überprüfen.

Daß Tätigkeitszeugnisse über Prak- tika Aufrichtigkeit und Mut vom Aus- steller verlangen, bedarf keiner Be- tonung angesichts des tarifrechtli- chen Anspruches auf ein „anständi- ges" Zeugnis im Zusammenhang mit einem Beschäftigungsverhältnis.

Die Selbstprüfung steht im Vorder- grund.

Für weiterhin sehr wesentlich halte ich das Personalgespräch. Außer dem Kandidaten sollten anwesend sein: ein Pädagoge / Psychologe, ein Jurist / Verwaltungsbeamter und selbstverständlich ein nicht zu pra- xisfern stehender Arzt. Der Umgang mit Menschen, mit dem Recht und der Bürokratie und der lebensnahen ärztlichen Kunst sollte im Gespräch erörtert werden.

Zusammenfassend: Spezifische Ab- iturnoten, berufsfindendes Prakti- kum und Personalgespräch können Maßnahmen zur Vorauswahl dar- stellen; den Rest sollte man mit Bochnik dem Los überlassen, solan- ge man von dem eifernden Reform- irrtum ausgeht, daß statt bisher fünf Prozent nun ständig 20 Prozent ei- nes Jahrgangs Abitur machen müs- sen — um Bildungsreserven auszu- schöpfen oder die Chancen gleicher zu machen; und dieses glatt vorbei an den Möglichkeiten des Arbeits- marktes.

Die Auswirkungen der schriftlichen Prüfungen konnte ich in einem 1'/2- Tage-Gespräch mit einem Kandida- ten der Ärztlichen Vorprüfung vom August 1977 beobachten (ich ver- wendete zwei Urlaubstage darauf).

Daraus ergeben sich für mich fol- gende Schlußfolgerungen:

Der Verfasser hat sich fast zwei Tage lang mit einem Me- dizinstudenten, der soeben die ärztliche Vorprüfung be- standen hatte, darüber unter- halten, wie heute studiert und geprüft wird. Es war ein rein privates, aus keinem offiziel- len Antrieb veranlaßtes „Ver- gnügen". Seine erfrischenden Beobachtungen und Schluß- folgerungen sind hier — zu we- nigen Punkten zusammenge- faßt — wiedergegeben.

C) Die für notwendig gehaltene Einübung in das Prüfverfahren machte zusätzlich 20 Prozent des Gesamtaufwandes aus.

C Reine Fallen sind die Negations- fragen (manche mit doppelter Nega- tion!)

® Bei der ärztlichen Vorprüfung werden pharmakologische Fragen gestellt, die in die Ärztliche Prüfung gehören.

® Bei insgesamt 240 gestellten Fra- gen entfallen allein 60 auf Medizini- sche Psychologie/Soziologie; davon Soziofragen, die keinen Bezug zur Praxis haben oder von verschiede- nen Autoren verschieden abgehan- delt werden (dabei muß erschwe- rend noch berücksichtigt werden, daß nur einzelne Vorlesungen wirk- lich gehalten wurden). Auf Physik/

Physiologie entfallen dagegen zu- sammen 80 Fragen, auf Chemie/

Physiologische Chemie zusammen 80, auf Biologie/Anatomie zusam- men 80. Und weiter: Nichtoperative Fächer 150 Fragen, Operative Fä- cher 150 Fragen, Nervenheilkunde 100 Fragen, ökologisches Fachge- biet 100 Fragen (Arbeits- und Rechtsmedizin, Hygiene). Es wurde bestätigt: man kann auf Anatomie ganz verzichten und geht voll in die übrigen Fächer, man besteht ein- fach „arithmetisch" trotzdem. Dem- nach wäre es möglich, Medizin beim gegenwärtigen Zustand im Fernstu- dium zu betreiben (Zeitaufwand: ein Jahr). Voraussetzung wäre gezielter

Wer eignet sich fürs Medizinstudium?

Günther Terbeck

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 39 vom 28. September 1978 2221

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Wer eignet sich fürs Medizinstudium?

Büchereinkauf, d. h. verstärkter Ein- satz von Kommentaren zum Gegen- standskatalog. Lediglich Anatomie müßte als einziges praktisches Fach am Ende des Fernkurses verbleiben.

Da läge das echte Restrisiko eines denkbaren Fernstudiums.

C) Zur computergerechten Frage- stellung gehören textverschlüsselte, unscharfe Fragen.

C) Computerisiert sind Kausalket- tenzüge nur unvollkommen aufstell- bar. Es sind nur zwei Schritte mög- lich, sonst ergibt sich ein sehr gro- ßer Textaufwand.

0 Es besteht die Gefahr, daß gutes Wissen nicht computergerecht dar- gestellt werden kann.

Die Gesamtzeit von 1 1/2 Minuten pro Frage ist unrealistisch. Allein die Zeit für das Eintragen beträgt min- destens 30 Sekunden.

C) Schlimm sind doppelt verschlüs- selte Fragen, des Aufgabentyps B:

Eine mögliche richtige Antwort aus Liste 2 trifft für alle Begriffe aus Liste 1 zu. Das bedeutet eine verkrampfte Suche nach stellbaren Fragen.

1:) Einzelne Spitzenleistungen las- sen sich durch Spezialkurse errei- chen (Mainz). Damit wird indirekt ei- ne Vorlesungsgebühr wieder einge- führt.

C) Dem von mir befragten Kandida- ten schien die schlagartige Lösung des Numerus-clausus-Problems möglich durch Abverlangen ausrei- chender Kenntnisse der deutschen Sprache bei Deutschen und Auslän- dern in Wort, Schrift und wissen- schaftlichen Ausdrücken. Aus eige- ner langjähriger Unterrichtserfah- rung konnte der Verfasser zustim- men.

0 Eine NC-Milderung wäre möglich durch Nichtgestattung von Zweit- und Drittstudien von Personen im pensionsnahen Alter (belegbares Beispiel: zwei Damen von 65 Jahren) oder durch Nichtverlängerung der vorklinischen Studien über das 12.

bis 15. Semester hinaus. 15 Prozent der Studierenden brauchen jetzt schon mehr als acht Semester. Man- che mögen dies bedauern; hart be- troffen wären Berufsdemonstranten.

0 Die Datenverarbeitung ist nur teilweise durchzuhalten, vorzugs- weise im Altteil „Vorphysikum", überhaupt nicht in der ärztlichen Prüfung. Erstrebenswert sei es — so der Kandidat — eine „Große Vorle- sung" zu haben mit dem jederzeiti- gen Aufruf zum Praktizieren (dazu auch Glees, Heft 46/1976, Seite 2972) sowie eine mündliche und ei- ne schriftliche Prüfung (aber mit of- fenen Fragen und nur einer mögli- chen Antwort). Teilweise ist dieser Wunsch ja mit der jüngsten Novelle zur Approbationsordnung in Erfül- lung gegangen.

®

Vielleicht sollte man „mitmi- schen" und neue Fragen für den Aufgabenkatalog zusammensuchen, damit dieser nicht allzusehr hinter der Wirklichkeit herhinkt und nicht mehr als 20 Prozent der gleichen Fragen der nachfolgenden Prüfge- neration zur Verfügung stehen. (Der Umsatz sei groß, erklärte der Kandi- dat, seitdem das Institut für Medizi- nische und Pharmazeutische Prü- fungsfragen, IMPP — der Kandidat:

„bottle imp" von Charles Dickens den Schweiß der Weisen abgezapft als Broschüre unters Volk bringe:

„Aufgaben, Entwicklung, Analysen", Verlag Druckhaus Schmidt und Bö- dige, Mainz; 24,80 DM).

Der Verfasser hat in den 1 1/2 Ferien- tagen, die er mit dem Kandidaten verbrachte, viel gelernt, indem er dem Betroffenen, dem Volk „aufs Maul" und ins Gemüt geschaut hat.

Er dankt dem hier ungenannten sympathischen Studiosus für seine Bereitschaft, sich beinahe wie eine Zitrone ausquetschen zu lassen, und empfiehlt wenigstens den Arzt-Vä- tern von Medizinstudenten(innen), sich in ähnlicher Weise zu bemühen, damit es nicht bei diesem Einzelbe- richt bleibt. Sie sind einigermaßen sachverständig. Bei Behörden und Ministerien dauern Einsichten na- turgemäß länger. Sie sind schließ- lich auf sachverständige Unterstüt- zung angewiesen.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Günther Terbeck Rüsterweg 6

4900 Herford

Genetische Beratung und

pränatale Diagnostik

Zu dem in Heft 23/1978 veröffentlichten Referat

von Prof. Dr. Jan-Diether Murken

Hier geht es um eine „Neue Dimen- sion" ärztlicher Vorsorge d. h. die pränatale Diagnostik mit der Mög- lichkeit, den Eltern einen Schwan- gerschaftsabbruch aus „kindlicher Indikation" nahezulegen, wenn sich eine gravierende Mißbildung zeigt, wie etwa das Heranwachsen eines mongoloiden Kindes im Mutterleib.

Herr Murken zitiert die Erfahrungen der Marburger Beratungsstelle unter Herrn Wendt und stellt einen nur als skandalös zu bezeichnenden „Ko- sten-Nutzen-Vergleich" an, um die Einrichtung weiterer genetischer Beratungsstellen zu unterstützen, der die tatsächlichen Kosten solcher Beratungsstellen gegen die Einspa- rungen aufrechnet, die sich ergä- ben, wenn die werdenden Mütter ih- re mißgebildeten Föten mit Hilfe der Ärzte abtrieben .. .

Wenn der Referent schon der An- sicht zuzuneigen scheint, es hande- le sich bei Mongoloiden um „le- bensunwertes Leben", das man bes- ser abtöten sollte, ehe es geboren wird, dann beweist das einmal mehr, wie weit sich medizinisches Denken von der traditionellen medizinischen Ethik entfernt hat. Ganz abgesehen von dem fehlenden Gespür für die seelisch reiche Erfahrung, die Eltern und Pfleger dem Umgang mit Mon- goloiden verdanken, handelt es sich doch wohl auch um das Recht des werdenden Wesens Mensch, gebo- ren zu werden. Hier fehlt nicht nur den Befürwortern des Schwanger- schaftsabbruchs aus „kindlicher In- dikation", sondern den Befürwor- tern einer lnterruptio aus angeblich

„sozialer Indikation" eine ganze me- taphysische Dimension. Da helfen auch keine rudimentären Kriterien aus der christlichen Ethik, weil eige- ne Anschauung offenbar fehlt: bei jedem Menschen, der sich zur „In-

2222 Heft 39 vom 28. September 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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