ÄRZTEBLATT Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
Heft 51/52 vom 21. Dezember 1978
Pathophysiologische Grundlagen zerebraler Durchblutungs-
und Stoffwechselstörungen
Horst Herrschaft
Aus der Neurologischen Klinik des Niedersächsischen Landeskran- kenhauses Lüneburg
(Leitender Arzt: Professor Dr. med. Horst Herrschaft)
In den letzten Jahren sind eine Fülle neuer Erkenntnisse über die pathophysiologischen Grundlagen und Zusammenhänge zerebraler Durchblutungs- und Stoffwechelstörungen gewonnen worden, die für die Therapie dieser Erkrankungen große Bedeutung erlangt haben.
Dabei sind Störungen der Hämodynamik bei Erkrankungen des Her- zens oder des Systemblutdrucks, mechanische Strombahnhinder- nisse bei Stenosen und Verschlüssen der zuführenden Hirngefäße mit Veränderungen der Blutviskosität ebenso bedeutsam, wie die intraze- rebralen Glukoseaufnahme- und -verwertungsstörungen, sowie die Sauerstoffverwertungsstörungen. Daneben spielen die zerebralen Kollakteralkreisläufe und das alle akuten Durchblutungsstörungen begleitende Hirnödem eine große Rolle.
Die meisten Organe des Menschen können einen vorübergehenden Versorgungsausfall entweder als Unterbrechung der Durchblutung oder als Substratmangel tolerieren.
Im Gegensatz hierzu stehen dem Gehirn keine nennenswerten Sub- stratreserven zur Verfügung. Es ist nicht in der Lage, auch nur kurze Unterbrechnungen seiner Blut- und Substratversorgung unbeschädigt zu überstehen.
In Abbildung 1 sind in einem Sche- ma der zerebralen Ver- und Entsor- gung die drei wichtigsten Systeme dargestellt, die gleichzeitig die en- gen Beziehungen zwischen Hirn- durchblutung und Hirnstoffwechsel veranschaulichen. Die wichtigsten Stoffwechselgrößen sind Sauerstoff,
Glukose und verschiedene haupt- sächlich als Biokatalysatoren wirk- same essentielle Substanzen. Die wichtigsten Parameter für die zere- brale Durchblutung stellen das Herzminutenvolumen, der Blut- druck, der zerebrale Gefäßwider- stand, die Blutviskosität und der in- trakranielle Druck (Liquordruck) dar. Das dritte wichtige System be- steht aus der metabolischen Gluko- severwertung, der oxydativen Phos- phorylierung mit ATP-Synthese, der Synthese der Transmittersubstan- zen und dem Strukturstoffwechsel im Gehirn. Dieses System hat über pH-Veränderungen, die durch die Kohlensäure und Metaboliten des Glukoseabbaus ausgelöst werden, einen Rückkoppelungseffekt auf den zerebralen Gefäßwiderstand.>
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H 2 O CO,
Venöses Hirnblut
Abbildung 1: Schema der zerebralen Ver- und Entsorgung Laktat
Gehirndurchblutung und -stoffwechsel
Sauerstoff, Glukose, essentielle Substanzen
Blutdruck, Herzminutenvolumen,-viskosität Intrakranieller Druck (Liquordruck) zerebraler Gefäßwiderstand
Autoregulation der Hirndurchblutung
Sauerstoff Glukose
Hirngewebe 1. Metabolische Glukoseverwertung
2. Oxydative Phosphorylierung, ATP-Synthese 3. Synthese von Transmittersubstanzen 4. Strukturstoffwechsel
4
Substrat Kreislauf
Essentielle Substanzen Arterielles Arterielle Hirnblut Gefäßwand Dabei ist zu berücksichtigen, daß die gleichzeitige Störung mehrerer Sy- steme additive Folgen haben kann, das heißt, daß mehrere einzeln noch tolerierbare Störungen gemeinsam zu erheblichen Funktionsausfällen oder Strukturschäden führen können.
Extrazerebrale Ursachen zerebraler Versorgungsstörungen sind in Ta- belle 1 und Abbildung 2 aufgeführt.
Bei nur 2 Prozent Anteil am Gesamt- körpergewicht benötigt das Gehirn 20 Prozent des Herzminutenvolu- mens. Aus diesem Grunde kann eine mäßige Verminderung der kardialen Leistungsfähigkeit die 0 2-Versor- gung des Zentral-Nervensystems bereits gefährden. Dies um so eher, wenn bei gleichzeitig bestehender Hirnarteriosklerose die 0 2 -Utilisa- tion bereits krititsch vermindert ist.
Die Möglichkeit der zerebralen lschämie ist immer dann gegeben,
wenn das Herzminutenvolumen 3I und das Hirnminutenvolumen einen kritischen Wert von 25 ml/100 g un- terschreitet. Dies erklärt, warum häufig bei einem akuten Herzversa- gen neurologische Ausfallerschei- nungen das intern-medizinische Krankheitsbild begleiten.
Bei Herzrhythmusstörungen werden große Schwankungen und phasen- weise Senkungen des arteriellen Mitteldrucks bis unter 60 mm Hg be- obachtet. Die Bestimmung der Hirn- durchblutung bei Patienten mit ei- nem AV-Block III. Grades vor und nach intrakardialer Schrittmacher- reizung zeigt, daß bei 50 Prozent der untersuchten Patienten im Stadium der extremen Bradykardie die Hirn- durchblutungsgröße reduziert ist.
Die häufigste Ursache einer bedroh- lichen zerebralen Ischämie mit kurz- zeitiger Bewußtlosigkeit ist der plötzliche totale AV-Block. In 80
Prozent der Fälle ist dabei die präau- tomatische Pause, das heißt die Zeit bis zum Einspringen eines sekundä- ren oder tertiären Schrittmachers von vitaler Bedeutung. Bei 20 Pro- zent der Fälle werden aber auch Synkopen durch Kammertachykar- dien, Kammerflattern und Kammer- flimmern hervorgerufen.
Eine umschriebene Mangeldurch- blutung des Gehirns setzt Stenosen oder Verschlüsse der zuführenden Arterien voraus. Dabei haben der kritische Gefäßquerschnitt und der poststenotische kritische Blutdruck eine entscheidende Bedeutung.
Bei der Arteria carotis interna be- trägt der kritische Gefäßquerschnitt 4 mm 2 . Ist jedoch der Gefäßwider- stand der nachgeschalteten intraze- rebralen Arterien erhöht, kann die- ser kritische Gefäßquerschnitt bei einer Karotisstenose deutlich über 4 mm 2 liegen. Das gleiche Prinzip gilt für Stenosen der Arteria verte- bralis und Einengungen intrakra- nieller Arterien. Die exakten kriti- schen Gefäßquerschnitte sind für diese Gefäße nicht bekannt.
Im Prinzip wird eine umschriebene zerebrale lschämie stets dann aus- gelöst, wenn zwischen dem Strö- mungsdruck und dem Gefäßwider- stand ein Mißverhältnis besteht und somit der Funktions- und/oder Strukturstoffwechsel des Gehirnge- webes nicht mehr aufrechterhalten werden kann.
Ursächlich sind 85 Prozent der Arte- rienstenosen und -verschlüsse auf eine Arteriosklerose, 10 Prozent auf Embolien (linkes Herz, arteriosklero- tische Plaques der Carotisbifurka- tion oder Aorta-Ascendens) und zu 5 Prozent auf entzündliche und ande- re seltene Gefäßerkrankungen zu- rückzuführen.
In allen Versorgungsgebieten des Gehirns können Gefäßstenosen und -verschlüsse unbemerkt bleiben, so- lange entweder die nachgeschalte- ten Gefäße in ihrer Reaktionsfähig- keit nicht beeinträchtigt sind und/
oder ein ausreichender Kollateral- kreislauf vorhanden ist. In Abbil-
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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
TRANSPORT
STÖRUNG
VERWERTUNGS STÖRUNG
AUFNAHME
STÖRUNG Glukose
ZEREBRAL
MANGELDURCHBLUTUNG
STÖRUNGEN
DER HÄMODYNAMIK Hypertonus Hypotonus MECHANISCHE
STROMBAHNHINDERNISSE
HERZ Insuffizienz Rhythmus-
störungen Infarkt
Veränderungen der Blutviskosität
Anämie
Pol zythämie
Abbildung 2 b: Extra-intrazerebrale Ursachen zerebraler Stoffwechselstö- rungen")
*) Aus "Durchblutungs- und Stoffwechselstörungen des Gehirns", Textbuch zum wissen- schaftlichen Farbtonfilm von St. Molnar, Promonta/Hamburg (1976)
Abbildung 2 a: Ursachen der zerebralen Mangeldurchblutung*)
Aktuelle Medizin
dung 3 sind schematisch die vier wichtigsten Formen zerebraler Kol- lateralkreisläufe abgebildet. Sowohl der Circulus arteriosus Willisii (Ab- bildung 3a), als auch die präformier- ten Anastomosen zwischen Carotis- interna- und Carotis-externa-Kreis- lauf (Abbildung 3b) und die Anasto- mosen im Vertebralis-Basilaris- Kreislauf (Abbildung 3c) sowie die leptomeningealen Anastomosen (Abbildung 3d) können den Gefäß- ausfall eines ganzen zerebralen Ver- sorgungsgebietes ersetzen. Zwi- schen der vollständigen Ausbildung und dem völligen Fehlen des Kolla- teralkreislaufes sind sämtliche For- men eines partiellen Kollateralkreis- laufs mit teilweiser Kompensation der Durchblutung im ischämischer Hirngebiet möglich.
Die pathophysiologischen Vorgän- ge, die als Folge einer umschriebe- nen zerebralen lschämie auftreten, sind in Abbildung 4 veranschaulicht.
Das Verhalten
der Gehirndurchblutung in Abhängigkeit vom Blutdruck Der Einfluß des Blutdrucks auf die Gehirndurchblutung ist in Abbil- dung 5 dargestellt. Man kann drei Druckbereiche unterscheiden:
• Mitteldruck 70 mm Hg und weni- ger, in dem die Gehirndurchblutung stark absinkt (A).
• Mitteldruck 70 bis 160 mm Hg, in dem die Gehirndurchblutung unab- hängig vom Blutdruck konstant bleibt (Autoregulation).
• Mitteldruck 160 mm Hg und hö- her, in dem die Gehirndurchblutung bis zu extrem hohen Werten ansteigt (E).
Der Abbildung 5 ist zu entnehmen, daß sowohl ein unterer (B) wie auch ein oberer (D) Blutdruckschwellen- wert der zerebralen Autoregulation bestehen. Der kritische untere Schwellenwert für die Autoregula- tion ist bei Patienten mit einem Blut- hochdruck oder mit einer fortge- schrittenen Hirnarteriosklerose auf Mitteldruckwerte zwischen 100 und
Abbildung 2: Die Versorgungsstörungen des Gehirns
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 51/52 vom 21. Dezember 1978
3097Tabelle 1: Extrazerebrale Ursachen zerebraler Versorgungsstörungen
1. Cardio-vaskuläre Erkrankungen
1.1 Verminderung des Herzminutenvolumens 1.1.1. Herzinsuffizienz
1.1.2. Koronarinfarkt
1.1.3. Herzrhythmusstörungen 1.2 Blutdruckkrisen
1.2.1 Hypotonie 1.2.2 Hypertonie
1.3. Strombahnhindernisse der zuführenden Hirngefäße 1.3.1. Arteriosklerose
1.3.2. Thrombose 1.3.3. Embolie
1.3.4. Entzündliche Gefäßerkrankungen
1.3.5. ektravaskuläre Prozesse (Exostosen, Tumoren) 1.3.6. Gefäßanomalien („kinking", Ursprungsanomalien) 1.3.7. Gefäßektasie bei der Arteriosklerose
1.4 Störungen der Blutviskosität 2. Substratmangel
2.1 Sauerstoffmangel 2.2 Glukosemangel
2.3 Verminderte Sauerstofftransportkapazität des Blutes 120 mm Hg angehoben. Der obere
Schwellenwert der Autoregulation liegt bei hypertensiven Patienten bei einem Mitteldruck von 160 bis 180 mm Hg. Bei Durchbruch des oberen Blutdruckschwellenwertes erfolgt ein druckpassiver Anstieg der Hirndurchblutung. Dabei resul- tieren sehr hohe Kapillardrücke, die zu Plasmaexudation und Erythrozy- tenaustritten in das Hirngewebe füh- ren. Die morphologischen Gefäßver- änderungen bestehen in segmental teils konstringierten teils dilatierten Gefäßen, wobei die konstringierten Abschnitte als letzter Versuch der Hirngefäße gedeutet werden, die Au- toregulation aufrechtzuerhalten.
Störung der Autoregulation Eine Störung der Autoregulation (Abbildungen 6 a und 6 b) kann be- reits nach vorübergehender Hypo- xie, mit einem Absinken der arteriel-
len Sauerstoffsättigung auf Werte unter 60 Prozent der Norm auftreten.
In gleicher Weise ist bei hohen arte- riellen CO 2-Drucken (Hyperkapnie) mit einem Anstieg der apCO 2 -Werte über 60 mm Hg die Autoregulation aufgehoben. Dabei kann die Stö- rung der Autoregulation auf ein ge- schädigtes Hirnareal beschränkt bleiben, aber auch bei umschriebe- ner regionaler Hirngewebsschädi- gung einen größeren Abschnitt einer Großhirnhemisphäre, eine ganze Großhirnhemisphäre oder sogar das Gesamtgehirn einbeziehen.
Bei einem Teil der Patienten mit ei- ner umschriebenen zerebralen lschämie wird sowohl ein Verlust der Autoregulation als auch der CO 2-Re- aktivität der zerebralen Gefäße be- obachtet (komplette Vasoparalyse).
Die Autoregulation kann unter nor- mokapnischen Bedingungen gestört oder aufgehoben sein, jedoch bei
Änderungen des apCO 2-Gehaltes wieder eine normale Gefäßan- sprechbarkeit erreichen.
Bei einem globalen Verlust der Au- toregulation kann die örtliche Ge- websdurchblutung mit ansteigen- dem Blutdruck abnehmen und mit fallendem Blutdruck zunehmen.
Solche abnormen Reaktionen wer- den bei der zerebralen Ischämie nur bei gleichzeitiger Erhöhung des in- trakraniellen Drucks beobachtet.
Die Gehirndurchblutung in Abhängigkeit
vom arteriellen CO 2-Druck
Bei gesunden Probanden besteht für das Verhältnis von arteriellem CO2 -Druck und Hirndurchblutung im Wachzustand eine exponentielle Beziehung, wobei mit zunehmen- dem apCO 2 eine zunehmende Stei- gerung der Durchblutung erfolgt (Abbildung 7). Im physiologischen apCO2 -Bereich von 20 bis 60 mm Hg entspricht der Veränderung von 1 mm Hg apCO 2 eine Durchblu- tungsänderung von 2 bis 6 Prozent.
Trotz Anstiegs der Hirndurchblu- tung bei steigender Kohlensäure- spannung im arteriellen Blut bleiben die zerebralen arterieovenösen Sub- stratdifferenzen (A-VDO 2 , A-VD-Glu- kose) konstant. Bei einem apc0 2- Druck von 19 mm Hg und darunter finden sich bereits Zeichen der Ge- webshypoxie. Bei dieser extremen Hypokapnie wird eine weitere Ab- nahme der Hirndurchblutung nicht mehr beobachtet.
Das intrakranielle Steal-Phänomen Die mit dem Begriff intrakranielles Steal-Phänomen (Abbildung 8 a) be- legte paradoxe Reaktion der Hirnge- fäße auf apCO 2 -Änderungen findet sich bei einem Teil der Patienten mit umschriebener zerebraler lschämie.
Im Gegensatz zum normalen Verhal- ten stellt man bei einem apCO 2 -An- stieg eine Abnahme der Durchblu- tung in den bereits mangeldurchblu- teten Gehirnarealen fest. Arterien und Arteriolen in den Gehirnge- websabschnitten distal eines Gefäß-
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Arteria communicans anterior
Arteria cerebri anterior
Arteria cerebri media
Arteria carotis interna
Arteria communicans posterior
Arteria cerebri posterior
Arteria basiliaris
Arteria cerebri anterior
Arteria cerebri posterior Meningeale
Anastomosen (Heubner)
Verschluß der Arteria cerebri media
Arteria carotis interna Arteria cerebellaris
superior
Arteria basilaris Arteria cerebellaris inferior posterior
Verschluß der Arteria vertebralis
Arteria vertebralis
Abbildung 3 a: Ringanastomosen der beiderseitigen Karo- tiskreisläufe und des vertebro-basilären Kreislaufs im Cir- culus arteriosus Willisii
Abbildung 3 b: Blutversorgung des Karotisstromgebietes a) über die homolaterale Externa-Ophthalmica-Anasto- rnose und b) über die Arteria communicans anterior aus dem gegenseitigen Karotisstromgebiet bei einem Ver- schluß der Arteria carotis interna
Abbildung 3 c: Blutversorgung der homolateralen Klein- hirnhemisphäre durch die gegenseitige Arteria vertebralis via homolateraler . Arteria cerebellaris inferior posterior und Arteria cerebellaris superior
Abbildung 3 d: Retrograde Blutversorgung des Media- stromgebietes aus der Arteria cerebri anterior und poste- rior beim Verschluß der Arteria cerebri media
Aktuelle Medizin
Abbildung 3: Zerebrale Kollateralkreisläufe
Arteria ophthalmica
Arteria fr
Arteria ethmoid. Arteria dorsalis
11111
Arteria carotis externa
Verschluß der A. carotis interna
Arteria carotis communis
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 51/52 vom 21. Dezember 1978
3099fokale Hyperämie fokale Vasoparalyse
Gewebsazidose
lokale Gewebshypoxie
ödem
Zellaggregation und Stase in den Kapillaren u. Venolen
Strömungsverlangsamung
4—
I
Poststenotischer Blutdruckabfall Autoregulative Vasodilatation FunktionsstörungReversible Störung des Gang I ienzel lstoffwechsels
Infarkt Irreversibler Ganglien-
zelluntergang
Anaerobe Glykolyse
Blut-Hirn-Schranken- Störung
A
Hirnischämie
CBF ml 1009 min 120
100—
80 —
60
40 —
20
I I I I 40 50 60 70
I I
90 110 130 150 170 180
20 200 mm Hg
MABP
CBF = Gehirndurchblutung MABP = Arterieller Mitteldruck
Bereich des druckpassiven Abfalls der Hirndurchblutung
= Bereich des
unteren Schwellenwertes für die Autoregulation
= Bereich der voll funktions- fähigen Autoregulation
= Bereich des
oberen Schwellenwertes für die Autoregulation
= Bereich des druckpassiven Anstiegs der Gehirndurchblutung verschlusses und in hyperämischen
Arealen sind bereits maximal dila- tiert, so daß sie auf einen apCO 2- Anstieg mit einer darüber hinausge- henden Erweiterung nicht mehr rea- gieren können. Die normale CO 2-re- aktive Dilatation der Gefäße in den umgebenden, nicht geschädigten Hirnarealen vermindert den Gesamt- perfusionsdruck und bedingt auf
diese Weise eine zusätzliche Durch- blutungsabnahme im geschädigten ischämischen Areal.
Das umgekehrte intrakranielle Steal-Phänomen („inverse steal") Dieses Phänomen zeigt bei einer Ver- minderung des arteriellen CO 2-Ge-
haltes einen Anstieg der Hirndurch- blutung im pathologisch geschädig- ten Hirnareal (Abbildung 8 b).
Verminderung der Sauerstofftrans- portkapazität des Blutes
Die Verminderung der Sauerstoff- transportkapazität des Blutes bei
Abbildung 5: Das Verhalten der Ge- hirndurchblutung in Abhängigkeit vom Blutdruck
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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Abbildung 6a: Kombination von ischämischem und hyper- ämischem Fokus bei Mediateilverschluß am zweiten Tag nach Einsetzen der klinischen Symptome
= lschämischer Fokus
= Hyperämischer Fokus
Die Zahlen in den Meßfeldern geben die Werte für die regionale Gehirndurchblutung in m1/100g/min
Abbildung 6b: Verlust der Autoregulation im ischämi- schen und hyperämischen Fokus bei Blutdrucksenkung von 140 auf 120 mm Hg arteriellen Mitteldrucks
iC) = +25%
Abnahme des rCBF in den ischämischen/hyperämischen Bezirken um 15 bis 20 Prozent bei unveränderten Durch- blutungswerten in den normal regulierten Arealen
—25%
Aktuelle Medizin
Zerebrale Durchblutungs- und Stoffwechselstörungen
Anämien kann zu einer Unterversor- gung des Gehirns mit Sauerstoff führen. Während jugendliche Pro- banden beim relativen Sauerstoff- mangel des Gehirns den Glukose- transport aus dem Blut in das Gehirn zu steigern vermögen, um durch verstärkte Glykolyse einen Aus- gleich des zerebralen Energiedefi- zits herbeizuführen, ist der alternde Mensch und der Patient mit vorge- schädigtem zerebralem Gefäßsy- stem in dieser Möglichkeit begrenzt.
Die Gehirndurchblutung in Abhängigkeit
vom arteriellen 02 -Druck
Die Hirndurchblutung nimmt mit ab- nehmendem arteriellen Sauerstoff- gehalt zu. Die Durchblutungszunah- me ist bei sinkendem ap0 2 bis 50 mm Hg gering. Ein weiterer Abfall des arteriellen Sauerstoffdrucks un- ter 50 mm Hg hat eine ausgeprägte Zunahme der Hirndurchblutung zur Folge. In Abhängigkeit vom Sauer- stoffgehalt wird eine Zunahme der Hirndurchblutung von 100 bis 150 Prozent beobachtet. (Abbildung 9)
Bei sehr hohen Sauerstoffkonzen- trationen dagegen resultiert eine leichte Abnahme der Hirndurchblu- tung um 10 bis 15 Prozent. Bei leich- ter Hyperkapnie oder Normokapnie wird die durch Hypoxie bedingte verminderte Sauerstoffsättigung nicht ausgeglichen. Entsprechend ist eine Abnahme des venösen Sau- erstoffdrucks im Gehirn festzustel- len. Der venöse Sauerstoffdruck ist dabei der Parameter, den der Orga- nismus konstant zu halten versucht.
Glukosemangel
Das Gehirn bezieht normalerweise seinen Energiebedarf ausschließlich aus dem Abbau von Glukose. Der Abbau erfolgt bilanzmäßig zu 93 Prozent als CO, und H 2 O und zu 7 Prozent als Milchsäure. Das Gehirn weist in weiten Bereichen des Blut- zuckerspiegels einen konstanten Glukosegehalt auf. Daher kommen klinische Funktionsstörungen oder Strukturschäden des Gehirns infol- ge Glukosemangel nur bei lang an- haltenden hypoglykämischen Zu- ständen vor. Das Gehirn ist in der
Lage, sich einem allmählichen Ab- sinken des Blutzuckerspiegels anzu- passen, indem die Glukoseaus- schöpfung adaptativ gesteigert wird.
Bis zu einem Blutzuckerspiegel von 50 mg Prozent bleibt die Glukose- aufnahme des Gehirns konstant. Bei einem weiteren Absinken des Blut- zuckerspiegels können mit großen individuellen Unterschieden zere- brale Symptome auftreten.
Hirnödem
Pathophysiologisch werden zwei grundsätzlich verschiedene Formen des zerebralen Odems unterschie- den: das vasogene und zytotoxische Ödem (Abbildung 4). Bei zytotoxi- schem ödem liegt eine abnorme in- trazelluläre Wasseransammlung vor.
Beim vasogenen ödem führt eine er- höhte Kapillarpermeabilität zum ver- stärkten Austritt von Flüssigkeit aus der Blutbahn in den Extrazellulär- raum. Die erhöhte Permeabilität der Hirnkapillaren ist aufs engste mit Veränderungen der Blut-Hirn- Schranke verbunden. Morpholo- gisch ist die Blut-Hirn-Schranke für
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Durchblutungsänderung
10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 apCO2 (mm Hg)
120 -
100 -
80 -
60-
40-
20-
0 -
20-
40-
60
Abbildung 7: Die Änderung der Gehirndurchblutung in Abhängigkeit vom arteriellen CO 2-Druck
Individueller Streubereich der paCO 2-Antwort
A = Bereich der maximalen Gefäßkonstriktion und fehlender weiterer CO 2- Ansprechbarkeit der Gefäße
B Bereich der normalen CO 2Ansprechbarkeit der zerebralen Gefäße Bereich der maximalen Gefäßdilatation
Proteine im Bereich der Membran- verbindungen der Kapillarendothe- lien gelegen. Einer vorübergehen- den Öffnung der sonst absolut was- serdichten Verbindungen folgt ein Austritt proteinhaltiger Flüssigkeit aus der Blutbahn in den Extrazellu- lärraum vorwiegend der weißen Substanz.
Das Ausmaß des vasogenen Ödems ist von zwei wesentlichen Faktoren abhängig: Von der Höhe des Sy- stemblutdrucks und von der Dauer der vaskulären Schädigung mit Eröffnung der Blut-Hirn-Schranke.
Die Erhöhung des Systemblutdrucks führt zu einer raschen und starken Vergrößerung des Hirnödems. Eine kurze reversible Öffnung der Blut- Hirn-Schranke, wie sie nach akuter Hypoxie beobachtet wird, führt zu keiner nennenswerten Ausbildung eines Hirnödems. Hält die Störung der Blut-Hirn-Schranke längere Zeit (mehrere Stunden bis Tage) an, so entwickelt sich ein Hirnödem mit ty- pischer Ausdehnung in der weißen Substanz. Beim zytotoxischen Hirn- ödem wird eine direkte Schädigung der Zellelemente im Hirngewebe an- genommen, die zu einer vermehrten Wassereinlagerung und zu Zellquel- lung führt. Da Wasser die Blut-Hirn- Schranke frei zu passieren vermag, ist beim zytotoxischen ödem die Ka- pillarpermeabilität von untergeord- neter Bedeutung.
Es ist heute anerkannt, daß die Funktion der Blut-Hirn-Schranke über die Kapillarpermeabilität hin- aus auch komplexe Mechanismen für die homöostatische Regulation der Extrazellulärflüssigkeit im Hirn- gewebe einschließlich aktiver Trans- portsysteme einschließt. Diese Transportsysteme können durch ein zytotoxisches Agens geschädigt werden, so daß es zu einer vermehr- ten intrazellulären Flüssigkeitsauf- nahme und zu Störungen im Hirnge- websstoffwechsel kommen kann.
Ein zytotoxisches Hirnödem liegt in typischer Weise bei der zerebralen lschämie vor. Dabei sind nicht der Sauerstoffmangel allein, sondern auch die Anhäufung von Stoffwech-
selmetaboliten (zum Beispiel Milch- säure) für die Entwicklung des Ödems verantwortlich zu machen.
Autoregulation und CO2-Ansprech- barkeit der Gefäße im Odembereich sind gestört oder aufgehoben (Ab- bildung 4). Die Senkung der zere- bralen Durchblutung im ödematö- sen Gewebe ist auf eine Erhöhung des lokalen Gewebedrucks zurück- zuführen. Diese regionale Erhöhung des Hirngewebsdrucks beruht auf
einem Anstieg des Wassergehaltes, besonders in der weißen Substanz, um 70 bis 80 Prozent, der eine Zu- nahme des Gewebevolumens um nahezu 50 Prozent zur Folge hat. Im perifokalen ödematösen Gewebe ist eine Verminderung von Kreatinin- Phosphat und ATP bei gleichzeitiger Zunahme von Laktat nachweisbar, was auf eine Verminderung des oxy- dativen Stoffwechsels in diesen Hirngewebsabschnitten hinweist. >
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Abbildung 8a: Intrazerebrales Steal-Phänomen - Störung oder Verlust der CO2-Ansprechbarkeit der Gefäße im ischämischen Fokus nach Inhalation von CO 2 . Bei regel- rechter Reaktion der Gefäße in den normal durchbluteten Hirnregionen mit Zunahme der zerebralen Durchblutung um 15 bis 20 Prozent, Abfall der Durchblutung in den bereits mangetdurchbluteten Arealen um durchschnittlich 10 bis 15 Prozent
Abbildung 8 b: Inverses Steal-Phänomen
Zunahme der Durchblutung im ischämischen Fokus bei gleichzeitiger Abnahme der Durchblutung in den normal durchbluteten Arealen.
Senkung des apCO2 von 36 auf 28 mm Hg
rCBF-Änderung = -25% (11) ---- +25%
-25 1(1) = +25
Änderung des apCO 2 von 38 auf 46 mm Hg Aktuelle Medizin
Zerebrale Durchblutungs- und Stoffwechselstörungen
Bei mäßiger Hypokapnie findet sich eine geringe Zunahme der Durch- blutung im ödembereich bei signifi- kant gesteigerter Durchblutung in den angrenzenden Gewebeanteilen, während bei ausgeprägter Hyper- kapnie nur leichte Durchblutungs- änderungen beobachtet wurden. Bei extremer Hypokapnie finden sich ei- ne schwere Störung der Durchblu- tung und des Stoffwechsels mit Zu- nahme des örtlichen Ödems.
Obwohl die Hirndurchblutung auch stoffwechselabhängig ist, muß eine Störung der zerebralen Energiebi- lanz nicht primär auf eine Durchblu- tungsstörung zurückzuführen sein.
Es sind eine Reihe von zerebralen Stoffwechselstörungen bekannt, bei denen die Gehirndurchblutung nur gering oder gar nicht gestört oder in Ausnahmefällen sogar erhöht sein kann.
Die innerhalb der Ganglienzellen ge- legenen Ursachen zerebraler Ver- sorgungsstörungen sind in Tabelle 2 zusammengefaßt.
Glukoseaufnahme
Wenn der Glukosetransport durch eine lokale Störung im Bereich der Blut-Hirn-Schranke insuffizient wird, so tritt für das Gehirn ein ener- getischer Mangelzustand ein, der ei- ne Funktionsminderung zur Folge haben kann.
Dieses Energiedefizit kann vom Ge- hirn zum Teil durch energetische Verwendung von plastischen Ami- nosäuren ausgeglichen werden.
Hierbei sind 02-Verbrauch und Durchblutung nicht in gleicher Wei- se wie die Glukoseaufnahme ver- mindert, (Tabelle 1).
Glukoseverwertung
Schwerere Störungen des Glukose- abbaues im Gehirn sind mit dem Le- ben nicht vereinbar. Die Glukose wird normalerweise über den oxyda- tiven Glukoseabbau, den Zitronen- säurezyklus und die anschließende Endoxydation zu CO 2 und H 2O abge-
baut. Ein kleiner Teil erscheint als Laktat im hirnvenösen Blut. Eine Störung im Zitronensäurezyklus hat zur Folge, daß die Glukoseoxydation nicht über die Brenztraubensäure und Acetylkoenzym A, sondern über die Milchsäurebildung läuft.
Hirndurchblutung, 0 2-Aufnahme und Glukoseaufnahme können da- bei annähernd normal oder nur ge- ring reduziert sein. Dennoch ist die Energieversorgung des Gehirns ver- mindert, da die Glykolyse im Ver- gleich zur oxydativen Verbrennung nur einen relativ geringen Energie- gewinn bringt (Tabelle 2).
Ist mit der Glukoseaufnahme auch die Glukoseverwertung gestört, so ist im hirnvenösen Blut auch eine verminderte Glukoseaufnahme und eine erhöhte Laktatabgabe zu er- warten.
Durch den hierbei auftretenden Er- satzstoffwechsel ist die Hirndurch- blutung nur in geringerem Ausmaß reduziert.
3104 Heft 51/52 vom 21. Dezember 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Tabelle 2: Intrazerebrale Ursachen zerebraler Versorgungsstörungen
Art der Störung Durch- 0 2-Auf- Glukose- Laktat- CO 2 - blutung nahme aufnahme Abgabe Abgabe 1. Glukose-Aufnahme
2. Glukose-Verwertung 3. 0 2-Verwertung 4. Oxydative Phosphorylierung
+++
( - )
( + )
++ +++
( ±- )
++
Abbildung 9: Die Gehirndurch- blutung in Abhängigkeit vom arteriellen und venösen 02-Gehalt Zeichenerklärung:
(±) = ungestört
= leicht vermindert
= mäßig vermindert
= stark vermindert
= leicht erhöht
= mäßig erhöht
= stark erhöht Störungen
der Sauerstoffverwertung
Das Adenosintriphosphat (ATP) wird im ZNS zum größten Teil bei der oxydativen Phosphorylierung wäh- rend des Abbaus von Glukose gebil- det. Ist die oxydative Phosphorylie- rung gestört, sinkt der Sauerstoff- verbrauch. Da Sauerstoff frei durch die Blut-Hirn-Schranke zu diffundie- ren vermag, kann es im Gehirn keine Transportstörungen, sondern nur Verwertungsstörungen von 0 2 ge- ben. Bei pathologischen Prozessen können die Diffusionswege im Ge- hirn verlängert werden. Die Verlän- gerung der Diffusionsstrecke wirkt sich auf die anderen Transportvor- gänge im Bereich der Blut-Hirn- Schranke nachteilig aus. Ist die End- oxydation allein gestört und der Glukosestoffwechsel intakt, ist eine verminderte CO 2 -Produktion und zwangsläufig eine verminderte Hirn- durchblutung die Folge. Bei einer isolierten Störung der Sauerstoff- verwertung im Gehirn steht genug 02 zur Verfügung, der jedoch vom Gehirn nicht voll genutzt werden kann. Pathophysiologisch ist dieser Zustand gekennzeichnet durch eine stark verminderte 0 2 -Aufnahme, ei- ne deutlich verminderte Hirndurch- blutung sowie eine verminderte CO2 -Abgabe an das hirnvenöse Blut (Tabelle 2, Punkt 3).
Eine Entkoppelung der oxydativen Phosphorylierung bedeutet, daß die dem Gehirn zugefügte Glukose zwar vollständig verbrannt wird, jedoch die an diesen Vorgang gekoppelte Synthese von ATP entfällt. Durch- blutung, Sauerstoffverbrauch und Glukoseaufnahme sind gegenüber der Norm deutlich erhöht.
Trotz der zwangsläufig erheblich ge- steigerten Hirndurchblutung ist die Substratversorgung des Gehirns ge- stört (Tabelle 2, Punkt 4).
Die angeführten Beispiele zerebraler Stoffwechselstörungen sind klinisch bei einem Teil der Patienten mit or- ganischem Psychosyndrom nachge- wiesen. Da die einzelnen Störungen nicht mit üblichen klinischen Meß- methoden zu differenzieren sind,
sind für eine exakte Diagnose die quantitative Messung der Gehirn- durchblutung und der Hirnstoff- wechselgrößen erforderlich. Mit Hil- fe dieser Methoden ist es in den letz- ten 15 Jahren gelungen, die Patho-
genese und Pathophysiologie zere- braler Durchblutungs- und Stoff- wechselstörungen beim Menschen weiter aufzuklären. Die dabei ge- wonnenen neuen Erkenntnisse ha- ben einschneidende Konsequenzen
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 51/52 vom 21. Dezember 1978 3105
Aktuelle Medizin
FÜR SIE GELESEN
Die in letzter Zeit immer wieder auf- getauchten Empfehlungen zu künst- lichen Anastomosenbildungen zwi- schen extra- und intrakraniellen Ge- fäßen und einige spektakuläre Ope- rationserfolge werfen die Frage auf, ob eine solch aufwendige gefäßchir- urgische Intervention sinnvoll und erfolgversprechend ist. In einigen neurochirurgischen Zentren in den USA werden bereits solche Bypass- Operationen zwischen der Arteria temporalis superficialis und der Ar- teria cerebri media durchgeführt.
Als Indikation gelten vorwiegend Fälle, wo ausgeprägte degenerative atherosklerotische Gefäßverände- rungen in der Arteria carotis interna vorliegen, und zwar im distalen Be- reich wo ein chirurgischer Zugang unmöglich ist. Um die Effektivität dieser Methode zu prüfen wurde
Es wurde die Wirkung von Propra- nolol (0,1 mg/kg intravenös appli- ziert mit nachfolgender oraler Do- sierung von 320 mg über 27 Stun- den) auf Serumspiegel der CPK an 95 Patienten mit unkompliziertem Myokardinfarkt innerhalb der ersten zwölf Stunden nach Auftreten der Symptome untersucht. Bei 15 Pa- tienten, die in den ersten vier Stun- den nach Infarktbeginn mit Propra- nolol behandelt wurden und die schließlich pathologische Q-Zacken entwickelten, wurden um 27 Prozent (p < 0,0125) niedrigere Maxima der Enzymspiegel als bei 19 Kontrollpa- tienten gemessen, die ebenfalls in- nerhalb der ersten vier Stunden nach Infarktbeginn beobachtet wur- den, aber keine spezifische Behand- lung erfahren hatten. Das berechne- te Totalaufkommen der Enzyme war ebenfalls bei behandelten Patienten
jetzt in den USA eine multizentrische Studie angelegt. In 23 Zentren soll an 600 operierten Patienten mit vor- maligen transienten ischämischen Attacken und abgelaufenen, in der Symptomatik völlig reversiblen apo- plektischen Insulten, gezeigt wer- den, welchen Stellenwert eine sol- che Bypass-Operation hat. Als Krite- rium der Bewertung sollen eine kli- nisch-neurologische Untersuchung, angiographische Studien der extra- und intrakraniellen Gefäße sowie Computertomographien mit der Messung des zerebralen Blutflusses herangezogenen werden. Alle ope- rierten Patienten sollen prospektiv über einen Zeitraum von fünf Jahren beobachtet werden. Dem
Mc Dowell, F. H.: The extracranial/intracranial Bypass Study, A. Journal of Cerebral Circula- tion (Editorial) 545 (1978)
geringer (25 Prozent, p < 0,05) ebenso wie die berechnete An- stiegsgeschwindigkeit (33 Prozent, p < 0,005). Kein signifikanter Unter- schied wurde im Vergleich mit der Kontrolle bei Patienten gefunden, die der Untersuchung nach mehr als vier Stunden nach Beginn der Ste- nokardien zugeführt wurden.
Diese Daten belegen offenbar, daß Propranolol die Größe eines unkom- plizierten Infarktes zu reduzieren vermag, wenn es innerhalb der er- sten vier Stunden nach Beginn intra- venös appliziert wird. Sor
Peter, Th., Norris, R. M., Clarke, E. D., Hang, M.
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Zerebrale Stoffwechselstörungen
für die Therapie dieser Krankheits- bilder. Die Berücksichtigung patho- genetischer und pathophysiologi- scher Zusammenhänge erlaubt eine kausale und sinnvolle Therapie durchzuführen_
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Anschrift des Verfassers:
Professor Dr. med.
Horst Herrschaft Leitender Arzt
der Neurologischen Klinik Niedersächsisches Landeskrankenhaus
Wienebütteler Weg 1, 2120 Lüneburg
Apoplektischer Insult:
Extrakranielle-intrakranielle Bypass-Operation
Senkung der Enzymspiegel (CPK) durch Propranolol
nach akutem Myokardinfarkt
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