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Archiv "Akutversorgung von Patienten mit zerebralen Insulten: Exklusivstatus der Stroke Units" (12.11.1999)

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A-2914

M E D I Z I N

(70) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 45, 12. November 1999 Die Autoren weisen zu Recht

auf die Verbesserungsbedürftigkeit der Versorgungsstrukturen zur Be- handlung des akuten Schlaganfalls hin. Das von ihnen vorgestellte, von der Deutschen Gesellschaft für Neu- rologie (1) entwickelte Stroke-Unit- Modell mit Spezialstationen an Kli- niken der Zentral- und Maximalver- sorgung weist jedoch Mängel auf, die seinen Wert grundsätzlich in Frage stellen. Das Modell gewährleistet keine flächendeckende Versorgung, benachteiligt Patienten in ländlichen Regionen und ist zu teuer. In Hessen zum Beispiel sollen sieben Einrich- tungen (sechs davon in Ballungsge- bieten) für zirka sechs Millionen Einwohner die Akutbehandlung des Schlaganfalls maßgeblich überneh- men (2). Angesichts der Häufigkeit der Erkrankung läßt sich leicht er- rechnen, daß maximal 20 Prozent al- ler Schlaganfall-Patienten auf einer Stroke Unit behandelt werden kön- nen. Bei langem Anfahrtsweg zum Beispiel aus den dünnbesiedelten Teilen Nordhessens ist die Einhal- tung eines Zeitfensters von drei (auch von sechs) Stunden illusorisch.

Angesichts zusätzlicher Gefährdung durch den Transport ist eher mit ei- ner Verschlechterung der Behand- lungsergebnisse zu rechnen.

Man muß sich fragen, ob nicht mit weniger Mitteln mehr für die Gesamtbevölkerung getan werden kann. Die günstigen Ergebnisse in Skandinavien wurden mit vergleichs- weise geringerem technischen und fi- nanziellen Aufwand erzielt (3, 4, 5).

Anstatt sich hieran zu orientierten, hat die Deutsche Gesellschaft für Neurologie eine andere Art von Stroke Unit inauguriert, für die es bis- her kein Vorbild und keinen Effi- zienznachweis gibt. Der Schwerpunkt liegt auf medizintechnischem Aktio- nismus in den ersten Krankheitsta-

gen. Die Anforderungen an die Aus- stattung der Stroke Unit sind dadurch so hoch, daß mit einer späteren flächendeckenden Ausweitung aus Kostengründen nicht zu rechnen ist.

Es ist zu bezweifeln, daß die von den Autoren hervorgehobene Überle- genheit des Leistungsspektrums sol- cher einzelner Exklusivstationen der Gesamtbevölkerung zugute kommt.

Die Autoren propagieren weite- re Unplausibilitäten. So sollen die für eine „Maximaltherapie (bei- spielsweise Lyse)“ geeigneten Pati-

enten mit kürzlich stattgefundenen Schlaganfall nach bestimmten Krite- rien selektioniert und direkt einem neurologischen Zentrum mit Stroke Unit zugeführt werden, gegebenen- falls unter Aufhebung des Regional- prinzips. Dem ist entschieden zu wi- dersprechen. Ein Notarzt, der in die- ser Situation ein regionales Kran- kenhaus mit CT- und Farbduplex- Know-how umgeht, um eine 40 Kilo- meter entfernte Stroke Unit anzu- fahren, verhält sich fahrlässig. Die bisherigen Ergebnisse der systemati- schen rt-PA-Lyse beim Schlaganfall sind zu wenig überzeugend, als daß sie als elementares Argument zugun- sten einer Zentralisierung der Schlaganfall-Akutbehandllung an Stroke Units nach deutschem Mu- ster ins Feld geführt werden dürfen.

Im übrigen ist die systemische Fibri- nolyse kein Privileg der Maximalver- sorger. Die Internisten der Kranken- häuser der Grund- und Regelversor- gung wenden dieses Verfahren zum Beispiel bei der Behandlung des akuten Myokardinfarkts seit über 15 Jahren routinemäßig an.

Die Landeskrankenhausaus- schüsse der Länder waren nicht gut beraten, sich bei der Entwicklung ei- nes Schlaganfallkonzepts, das dem Wohl der Gesamtbevölkerung die- nen soll, primär an den Empfehlun- gen der Neurologischen Fachgesell- schaft zu orientieren. Diejenigen medizinischen Einrichtungen, die in Deutschland in den letzten Jahr- zehnten die Schlaganfallbehandlung maßgeblich durchgeführt haben, nämlich die internistischen Abtei- lungen der regionalen Krankenhäu- ser, wurden von der Diskussion weitgehend ausgeklammert. Dabei wird auch zukünftig in den aller- meisten Erkrankungsfällen die Akut- behandlung beim Schlaganfall eine medikamentös-konservative unter besonderer Berücksichtigung der internistischen Begleiterkrankungen sein (zum Beispiel Herzrhythmus- störungen, Hypertonie, Diabetes mellitus).

Eine Neuordnung der Schlagan- fallbehandlung in Deutschland be- darf folgender Aufgaben- und Rol- lenverteilung:

c Die regionalen Krankenhäu- ser übernehmen auch künftig flächen- deckend den Großteil der Schlagan- fallbehandlung. Die Behandlung ei- ner Gesundheitsstörung, die von ihrer Häufigkeit her den Charakter einer

„Volkskrankheit“ besitzt, muß vor Ort erfolgen mit allen damit verbun- denen Vorteilen wie kurzem Trans- port, raschem Behandlungsbeginn so- wie Erleichterungen für Patienten und Angehörige.

Für diese Aufgabe müssen die re- gionalen Krankenhäuser, sofern nicht schon aus eigener Initiative heraus ge- schehen, zusätzlich qualifiziert wer- den. Die Qualitätsanforderungen müs- sen in interdisziplinären Expertenrun- den definiert werden und sich am me- dizinisch Erwiesenen und finanziell Machbaren orientieren. So können zum Beispiel außerhalb eines Kran- kenhauses liegende medizinische Po- tentiale kostengünstig in das lokale DISKUSSION

Akutversorgung von Patienten mit zerebralen Insulten

Exklusivstatus der Stroke Units

Zu dem Beitrag von

Prof. Dr. med. Erich Bernd Ringelstein Prof. Dr. med. Otto Busse

Priv.-Doz. Dr. med. Martin Grond in Heft 17/1999

(2)

Versorgungsnetz einbezogen werden.

Es ist belanglos, ob ein Neurologe an einer Internistischen Abteilung ange- stellt ist oder ob er, was weitaus wirt- schaftlicher ist, als niedergelassener Arzt bedarfsweise für die Abteilung konsiliarisch tätig ist. Entscheidend sind seine Verfügbarkeit und seine Teamfähigkeit.

c Die Neurologischen Fachkli- niken der Zentral- und Maximalver- sorgung stehen weiterhin für ihr un- mittelbares Einzugsgebiet und die- jenigen Sonderfälle aus den regiona- len Krankenhäusern zur Verfügung, in denen spezielle fachneurologische

„High-End“-Kompetenz und appa- rative Maximalausstattung für Dia- gnostik und Behandlung wirklich er- forderlich sind. Eine Verlegung dort- hin erfolgt nach individueller Sach- lage.

In Nordhessen werden jetzt schon in einigen regionalen Kran- kenhäusern Befunde von Problem- patienten mit Neurologischen und Neurochirurgischen Fachabteilun- gen auf teleradiologischem Weg vor- ab diskutiert. Die Verlegungsrate ließ sich dadurch deutlich senken.

Verlegungen nach einem rigiden Kri- terienkatalog sind abzulehnen.

Es bleibt zu hoffen, daß die Ko- stenträger die Gefahr einer gesund- heitspolitischen Fehlentwicklung bei der Schlaganfallbehandlung endlich erkennen und der Fortsetzung kost- spieliger Experimente Einhalt gebie- ten. Alle im Gesundheitswesen ver- antwortlichen Partner sind gefor- dert, die gegenwärtige Entwicklung zu überdenken und nach einer neuen Konzeption bei der Schlaganfallbe- handlung zu suchen. An der Bereit- schaft zur interdisziplinären Mitar- beit fehlt es in der Ärzteschaft nicht.

Literatur

1. Kommission „Stroke Units“ der Deut- schen Gesellschaft für Neurologie: Emp- fehlungen für die Einrichtung von Schlag- anfallspezialstationen („Stroke Units“).

Nervenarzt 1998; 69: 180–185.

2. Positionspapier Leitender Krankenhaus- neurologen: Stroke Unit – Konzept für Hessen. Hess Ärztebl 1998; 3: 73–74.

3. Indredavik B et al.: Benefit of a stroke unit: a randomized controlled trial. Stroke 1991; 22: 1026–1031.

4. Jorgensen HS, Nakayama H, Raschou HO et al.: The effect of a stroke unit: reduc- tions in mortality, discharge rate to nur- sing home, length of hospital stay, and cost. Stroke 1995; 26: 1178–1182.

5. Indredavik B et al.: Treatment in a com- bined acute and rehabilitation stroke unit:

which aspects are most important? Stroke 1999; 30: 917–923.

Dr. med. H. Schmid Internist, Kardiologe Medizinische Abteilung des Kreiskrankenhauses Forststraße 9

35066 Frankenberg

In drei Artikeln wird die Akut- versorgung des Schlaganfalls abge- handelt. Während der federführend von Einhäupl verfaßten Arbeit, die sich um eine objektive Darstellung des derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstandes therapeutischer Maß- nahmen bei Patienten mit akutem ischämischem Insult bemüht, unum- wunden zugestimmt werden kann, bedürfen die beiden anderen Ab- handlungen eines Kommentars. Sie beschäftigen sich beide mit Überle- gungen zu der Versorgungsstruktur und sprechen die Organisation von Stroke Units an.

Es steht außer Zweifel, daß die Prognose von Schlaganfallpatienten durch Versorgung auf Spezialstatio- nen nachhaltig verbessert werden kann (4). Entsprechende Daten, vor allem skandinavischer Autoren, wer- den viel zitiert und dienen auch bei uns nachdrücklich als Argument zur Einrichtung von Stroke Units. Da das in Deutschland angestrebte Stro- ke-Unit-Konzept (3) aber in wesent- lichen Punkten von den Strukturen abweicht, mit denen die in der Lite- ratur etablierten Ergebnisse gewon- nen wurden, ist dies nicht zulässig.

Hier sei auf zwei wesentliche Beson- derheiten des „deutschen Stroke- Unit-Modells“ hingewiesen.

c Die Stroke Unit konzentriert sich bei hohem personellen und ap- parativen Standard einer Intensiv- pflegestation ausschließlich auf die Versorgung der Patienten in den er- sten zwei bis vier Tagen (Intensive Care Stroke Unit). Die in der Litera- tur erzielten positiven Ergebnisse auf Mortalität, bleibendem Behinde- rungsgrad und Krankenhausverweil-

dauer sind hingegen mit Modellen er- zielt worden, die auch die Subakut- phase und teilweise die Rehabilitati- onsperiode im Blickfeld hatten. Die immer wieder zitierte Bemerkung, daß das Stroke-Unit-Konzept der Deutschen Gesellschaft für Neurolo- gie den in der Literatur beschriebe- nen überlegen sei, mag allenfalls für die ersten drei Tage stimmen, ist aber unter Berücksichtigung der Gesamt- prognose der Patienten rein spekula- tiv, ja zweifelhaft. Die kritische Phase eines Insultes endet nicht nach drei Tagen, sondern die Patienten sind auch in den Folgetagen noch durch eine Vielzahl potentiell lebensbe- drohlicher Komplikationen gefähr- det, die ein speziell geschultes Team besser erkennen und behandeln kann. Auch die immer wieder zitierte Notwendigkeit einer frühen Mobili- sation und logopädischen Betreuung macht vor allem Sinn, wenn dafür ein größerer Zeitrahmen zur Verfügung steht. Des weiteren wird in der Ver- sorgung eines Insultpatienten durch das „deutsche Schlaganfallstations- modell“ eine neue Schnittstelle ge- schaffen (Stroke Unit – Normalstati- on), an der die Gefahr besteht, daß bis dahin gewonnene Vorteile wieder verloren gehen.

c Die Stroke Unit versorgt ein stark selektioniertes Patientenkol- lektiv. Bei geplanten vier Betten für 500 000 Einwohner (1) ist eine rigo- rose prähospitale und intrahospitale Patientenselektion nötig, die durch die Daten der Literatur nicht ge- rechtfertigt ist, da diese zeigen, daß keine definierbare Subgruppe von einer Betreuung auf Stroke Units profitiert (4). In der Deklaration von Helsingborg wurde deshalb die Ver- sorgung aller Schlaganfallpatienten auf Stroke Units als Ziel für das Jahr 2005 formuliert. Die in dem Artikel von Grond beschriebene weitgehen- de Beschränkung auf potentiell lyse- fähige Patienten ist zwar als Mo- dellversuch interessant, aber zur flächendeckenden Nachahmung ab- zulehnen, zumal die Fibrinolyse der- zeit in Fachkreisen durchaus noch kontrovers diskutiert wird (2).

Unbesehen davon muß durch Öffentlichkeitsarbeit und strukturel- le Maßnahmen alles getan werden, um eine möglichst umgehende Klinik-

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Neue Behandlungs-

konzepte etablieren

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einweisung von Insultpatienten zu er- reichen, da deren Prognose unab- hängig von der Möglichkeit einer Ly- setherapie durch frühe sachgerechte Versorgung verbessert werden kann.

Es müssen in Kliniken Strukturen geschaffen werden, mit denen mit hoher Kompetenz das Krankheits- bild Schlaganfall behandelt werden kann. Das „Intensive Care Stroke Unit“-Konzept als Basisstruktur zur Behandlung von Schlaganfallpatien- ten ist jedoch zu hinterfragen. Es ist vielmehr sinnvoll, über Schlaganfall- stationsmodelle nachzudenken, die sich an den guten Erfahrungen skan- dinavischer Autoren orientieren, da mit diesen bei vertretbarem Kosten- aufwand (1) eine Verbesserung der Schlaganfallbehandlung auf dem Boden gesicherter Daten (evidence based medicine) erreichen lassen, die allen Patienten und nicht nur ei- ner selektionierten Subgruppe, zu- gute kommen kann.

Literatur

1. Asplund K, Indredavik B: Stroke units and stroke teams: evidence-based mana- gement of stroke. In: Castillo J, Dalavros A, Toni D (Hrsg.): Management of ische- mic stroke, Springer Verlag Iberica 1997:

3–15.

2. Bath P: Ateplase not yet proven for acute ischaemic stroke. Lancet 1998; 352:

1238–1239.

3. Kommission „Stroke Units“ der Deut- schen Gesellschaft für Neurologie: Emp- fehlung für die Einrichtung von Schlagan- fallpatientenstationen („Stroke Units“).

Akt Neurologie 1996; 23: 171–175.

4. Stroke Unit Trialists’ Collaboration.

Collaborative systemic review of the ran- domized trials of organized inpatient (stroke unit) care after stroke. Br Med J 1997; 314: 1151–1159.

Priv.-Doz. Dr. Wolfgang Habscheid Medizinische Klinik

Paracelsus-Krankenhaus Ruit Hedelfingerstr. 166

73760 Ostfildern

Gegen das Stroke-Unit-Konzept der Deutschen Gesellschaft für Neu- rologie (DGN; Kommission 1.06) wird zur Zeit oft ins Feld geführt, daß dieses Stroke-Unit-Konzept nicht flächendeckend sei und zu teuer. Die selben Argumente trafen natürlich seinerzeit genauso zu, als für Herzin-

farkt-Patienten in den 60er- und 70er-Jahren ähnliche Akutversor- gungseinrichtungen geschaffen wur- den. Diese konnten ebenfalls zunächst nicht flächendeckend sein.

Heute ist das Problem bundesweit zufriedenstellend gelöst. Was dem Herzinfarkt-Patienten zusteht, sollte dem Insult-Patienten nicht vorent- halten werden. Aufgrund einer Mehrdeutigkeit des im internationa- len Schrifttum gebräuchlichen Be- griffes „Stroke Unit“ wird von inter- nistischer Seite oft das angebliche

„Skandinavische Modell“ als Mu- sterbeispiel ins Feld geführt. Hierzu ist festzuhalten, daß es ein Skandina- visches Modell im eigentlichen Sinne nicht gibt. In den angelsächsischen Ländern wurde seit 15 Jahren in un- terschiedlichen Formen der Versuch unternommen, Schlaganfall-Patien- ten zentralisiert, das heißt kompeten- ter und damit besser zu versorgen.

Das Stroke-Unit-Konzept der Deut- schen Gesellschaft für Neurologie geht über die dort gestellten An- sprüche hinaus und stellt insofern ei- ne zeitgemäße Weiterentwicklung angelsächsischer Stroke-Unit-Kon- zepte dar, die in einem ausschließ- lich rehabilitativen Ansatz stecken- geblieben sind. Inzwischen wird das deutsche Stroke-Unit-Konzept von angelsächsischen Einrichtungen mit Interesse zur Kenntnis genommen, und es werden Überlegungen ange- stellt, die skandinavischen Einrich- tungen im Sinne des DGN-Modelles weiterzuentwickeln (European Ad Hoc Consensus Group 1997).

Die verschiedenen englischen und skandinavischen Stroke-Unit- Konzeptionen erfreuen sich bei deutschen Internisten aber vor allem deshalb so großer Beliebtheit, weil die leitenden Ärzte dort durchweg Internisten sind. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um Chefärzte, die gleichzeitig auch das gesamte Spek- trum der Inneren Medizin zu versor- gen haben, sondern um Internisten und Neurologen, die sich ausschließ- lich auf die Versorgung von Schlag- anfallpatienten spezialisiert haben.

Der im Beitrag von Schmid kri- tisierte „medizintechnische Aktio- nismus in den ersten Krankheitsta- gen“ ist aus pathophysiologischen Gründen bei Insulten erforderlich.

Der Biologie des Hirninfarktes muß Rechnung getragen werden, wenn die Hirninfarkte durch unsere Be- handlung verkleinert werden sollen.

Insofern geht diese Kritik fehl. Ein Effektivitätsnachweis wird in den nächsten ein bis zwei Jahren erfol- gen, da inzwischen in den vernetzten Datenbanken der Stroke Units eine ausreichende Informationsbasis an- gesammelt werden konnte. Bevor somit die Effizienz der Stroke Units in Abrede gestellt wird, sollten die Ergebnisse abgewartet werden.

Auch die ersten kardiologischen Wachstationen waren „Exklusivsta- tionen“, wie der Kollege Schmid die bisher existierenden Stroke Units zu diffamieren versucht. Inzwischen sind diese kardiologischen Exklusiv- stationen der Gesamtbevölkerung flächendeckend zugute gekommen.

Einzelne, inzwischen durch Stroke Units nach DGN-Konzept bestens versorgte Areale, zum Beispiel der ostwestfälische Raum um Minden oder das gesamte Stadtgebiet von Essen, werden durch ein beziehungs- weise zwei Stroke Units flächen- deckend und höchst effizient ver- sorgt. Von den dortigen Kranken- kassen ist zu vernehmen, daß im Endeffekt eine Einsparung an Fallko- sten durch Verkürzung der Gesamt- liegezeit resultiert. Insofern trifft auch der Vorwurf des Kollegen Schmid eines „kostspieligen Experi- mentes“ nicht zu. Diese Einrichtun- gen können nur dadurch in dieser ex- zellenten Weise funktionieren, daß das Regionalprinzip aufgehoben wurde. Es hat sich inzwischen gene- rell die Auffassung durchgesetzt, daß diese Aufhebung des Regional- prinzips den Schlüssel zum Erfolg der Stroke Units darstellt. Von Neu- rologen wird auf keinen Fall in Ab- rede gestellt, daß Internisten bei der Behandlung des akuten Herzinfark- tes nicht brillant mit Fibrinolytika umgehen könnten. Die fibrinolyti- sche Behandlung eines akuten Ver- schlusses einer Hirnarterie ist jedoch eine andere Krankheit, die eigenen Gesetzmäßigkeiten unterliegt und daher ein besonderes Spezialwissen erfordert. Dieses Spezialwissen ist bisher zweifelsohne an Neurologi- schen Kliniken, die in der Regel über eine besondere Schlaganfallexperti-

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Schlußwort

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se verfügen, akkumuliert. Eine ver- läßlich gute Akutversorgung des Patienten mit kürzlich stattgefun- denem Schlaganfall innerhalb der biologisch vorgegebenen Zeitfenster von drei bis sechs Stunden durch nie- dergelassene Neurologen im Konsi- liardienst, wie Herr Kollege Schmid vorschlägt, halten wir für ausge- schlossen.

Zudem dürfte vielen internisti- schen Chefärzten und Kardiologen nicht bekannt sein, daß metaanaly- tisch betrachtet des Nutzen-Risiko- Verhältnis der Fibrinolyse-Therapie beim Schlaganfall schon jetzt, trotz der wenigen Studien, günstiger aus- fällt als beim Herzinfarkt (Fibrinoly- tic Therapy Trialists’ [FTT] Collabo- rative Group 1994).

Von neurologischer Seite wurde bisher jedenfalls noch nie ein Inter- nist daran gehindert, die Schlagan- fall-Patienten kompetent zu versor- gen. Das Stroke-Unit-Konzept der DGN sieht ausdrücklich vor, Interni- sten, insbesondere Kardiologen, in die Akutversorgung der Schlagan- fall-Patienten mit einzubeziehen und den Patienten, sofern internistische Grundkrankheiten im Vordergrund stehen, nach der Akuttherapie von internistischen Kollegen weiterbe- handeln zu lassen.

Die Aufgabe der niedergelasse- nen Ärzteschaft (Allgemeinmedizi- ner, Neurologen, Internisten) sehen wir vorrangig in der konsequenten und flächendeckenden Nachsorge im Sinne einer durchgreifenden Sekun- därprävention. Nach unserer Erfah- rung bestehen hier noch außeror- dentlich große Versorgungsmängel.

Eine Lieblingsidee einiger inter- nistischer Chefärzte ist auch die Ein- führung der Telemedizin in die Ver- sorgung des Schlaganfalles, wobei Neurologen am anderen Ende der Leitung wieder in die antiquierte Rolle des Konsiliarius zurückge- drängt werden, während die unmit- telbare Versorgung der Patienten das Primat der Internisten bleibt. Es wird zu prüfen sein, inwieweit diese Technologie in bestimmten Regio- nen für bestimmte Zwecke hilfreich sein kann. Eine Regelung, bei der solche Konsiltätigkeit lediglich eine Alibifunktion hat, ohne daß die sich daraus ergebenden Konsequenzen

auch definitiv realisiert werden, wür- de nur die bisher unbefriedigende Behandlung der akuten Insultpati- enten wieder perpetuieren. Hier sind in der Tat eindeutige Kriterienkata- loge zu erarbeiten.

Selbstverständlich ist die Stroke Unit als einzelne Einrichtung noch kein Patentrezept, um das End- ergebnis der Schlaganfall-Patienten zu verbessern. Erst ihre zentrale Rolle innerhalb eines Versorgungs- netzwerkes bedingt ihre Effizienz.

Dieses Netzwerk sieht eine kontinu- ierliche, phasengerechte und straffe Versorgung der Insult-Patienten vor, von der Akutaufnahme über die Stroke Unit, bei Bedarf unter Einbe- ziehung der Intensivstation oder der Neurochirurgie, über die Allgemein- stationen neurologischer oder inter- nistischer Provenienz bis hin zu sta- tionären oder neuerdings vermehrt genutzten, ambulanten Rehabilitati- ons- oder Pflegeeinrichtungen. Alle Argumente, die die Stroke Unit hier- von gedanklich loslösen, können da- her nicht überzeugen (siehe Beitrag des Kollegen Habscheid). Eine prä- stationäre Selektionierung der Pati- enten, wie von Herrn Kollegen Hab- scheid vorgeworfen wird, ist nicht vorgesehen.

Die Kommission 1.06 „Stroke Unit und akute Schlaganfallbehand- lung“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, deren Vorsitzender der Erstautor des kritisierten Beitra- ges ist, ist zur Zeit dabei, eine Wei- terentwicklung des Stroke-Unit- Konzeptes zu entwerfen, um auch strukturell schwächere Regionen be- reits jetzt flächendeckend zu versor- gen. Die dort zu schaffenden „loka- len Stroke Units“, deren Anforde- rungen an die Struktur- und Prozeß- qualität noch zu definieren sind, wer- den mit den übergeordneten „regio- nalen Stroke Units“, von denen bis- her etwa 40 in der Bundesrepublik Deutschland realisiert wurden oder unmittelbar vor der Inbetriebnahme stehen, vertikal streng vernetzt sein.

Unter bestimmten Voraussetzungen können diese lokalen Stroke Units auch in Internistischen Abteilungen betrieben werden. Insgesamt ent- steht dadurch in der gesamten Bun- desrepublik Deutschland eine mo- derne Variante des „Managed Care“

der Schlaganfall-Patienten, bei der sogar die Quadratur des Kreises ge- lingen könnte, nämlich mehr Qua- lität trotz gesenkter Fallkosten.

Literatur

1. The European Ad Hoc Consensus Group:

Optimizing intensive care in stroke: a european perspective. Cerebrovasc Dis 1997; 7: 113–128.

2. Fibrinolytic Therapy Trialists’ (FTT) Collaborative Group: Indications for fibri- nolytic therapy in suspected acute myocar- dial infarction: collaborative overview of early mortality and major morbidity results from all randomized trials of more than 1 000 patients. Lancet 1994; 343: 311–322.

Prof. Dr. med. Erich B. Ringelstein Klinik und Poliklinik für Neurologie Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Albert-Schweitzer-Straße 33 48129 Münster

Prof. Dr. med. Otto Busse Neurologische Klinik Klinikum Minden Friedrichstraße 17 32427 Minden/Westfalen

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M E D I Z I N DISKUSSION/FÜR SIE REFERIERT

(74) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 45, 12. November 1999

Eine kontrollierte Multicenterstu- die untersuchte verschiedene Dosie- rungen des Thrombozytenaggregati- onshemmers Acetylsalicylsäure (ASS) nach Karotis-Thrombendarteriekto- mie. Bei 2 849 Patienten wurden orale ASS-Dosierungen verglichen; End- punkte der Studie waren Ereignisse wie Schlaganfall, Herzinfarkt und Tod.

Überraschenderweise schnitten die höheren Dosierungen (650 und 1 000 mg Tagesdosis) sowohl in der kurz- als auch mittelfristigen Nachbeobachtung signifikant schlechter ab als die niedri- geren Dosierungen (81 und 300 mg), so daß die geübte Praxis der niedrig- dosierten Thrombozytenaggregations- hemmung weiter zu empfehlen ist. acc Taylor DW et al.: Low-dose and high- dose acetylsalicylic acid for patients un- dergoing carotid endarterectomy: a ran- domized controlled trial. Lancet 1999;

353: 2179–2184.

Prof. Taylor, Department of Clinical Epi- demiology and Biostatistics, Mc Master University, Hamilton, Ontario L8N 3Z5, Kanada.

Niedrige Dosen

von ASS wirksamer

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