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Archiv "Gesundheitspolitik im US-Wahlkampf: Die Versprechen reichen von mehr Staat bis mehr Freiheit" (29.02.2008)

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A442 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 929. Februar 2008

E

ine erfreuliche Entwicklung für Amerikas Ärzte haben die Vorwahlen in den USA bereits mit sich gebracht: John Edwards wird nicht Präsident. Der ehemalige Se- nator von North Carolina und Vize- präsidentschaftskandidat der Demo- kraten von 2004 gerierte sich bis zu seinem Ausscheiden aus dem Ren- nen als Anwalt der ärmsten Ameri- kaner und stellte bei seinen Auftrit- ten, wie schon vor vier Jahren, seine eigene Herkunft aus drückenden so- zialen Verhältnissen in den Vorder- grund. Darüber, wie er sein Millio- nenvermögen erworben hat, sprach Edwards kaum.

Der stets lächelnde Anwalt hat während seiner juristischen Karriere Ärzte und andere Leistungsanbieter im Gesundheitswesen oft erfolg- reich auf Summen verklagt, die dem europäischen Beobachter astrono- misch erscheinen. Edwards hat, wie andere auf medizinische Schadens- ersatzprozesse spezialisierte Anwäl- te, seinen Teil zu den horrenden Ver- sicherungsprämien beigetragen, die US-amerikanische Ärzte aufbringen müssen, und damit indirekt auch zu den hohen Kosten des US-Gesund-

heitssystems. Prämien von bis zu 150 000 Dollar jährlich, wie in Illi- nois, haben in manchen Regionen zu einem Fachärztemangel geführt.

Vor allem Geburtshelfer mussten ihre Praxen schließen, weil sie ihre Haftpflichtversicherung nicht mehr bezahlen konnten.

Nationale Schande

Diese Art der Versicherung wird im US-amerikanischen Wahlkampf al- lerdings derzeit nicht diskutiert. Al- le verbliebenen Kandidaten reden dagegen von der Krankenversiche- rung – die Demokraten deutlich häufiger und lauter als die Republi- kaner. Denn rund 45 Millionen US- Amerikaner sind nicht krankenver- sichert. Umfragen zufolge ist die Gesundheitsversorgung – vielmehr deren Mängel – für die US-Wähler das drittwichtigste Thema in diesem Vorwahlkampf, nach der wirtschaft- lichen Lage des Landes (die nicht gut ist) und dem Krieg im Irak (für den das Gleiche gilt).

Vor allem die demokratische Sena- torin Hillary Clinton hat sich das The- ma „Health Care Reform“ auf die Fahnen geschrieben. Allerdings kann

sie in diesem Punkt keine reine Er- folgsgeschichte vorweisen. Ihr Ver- such, während der ersten Amtszeit ih- res Gatten Bill gleichsam im Allein- gang das System zu reformieren, scheiterte schnell. Jetzt verspricht sie eine „Krankenversicherung für alle Amerikaner“. Allerdings bleibt sie bei den Einzelheiten zur Finanzier- barkeit vage. Wahrscheinlich sollen alle Menschen, die nicht über den Arbeitgeber oder einen öffentlichen Gesundheitsplan abgesichert sind, in den Genuss einer staatlichen Versi- cherung kommen.

Die Kosten einer solchen Min- destabsicherung liegen nach Schät- zungen von Experten zwischen 65 und 100 Milliarden US-Dollar jähr- lich. Auf die Frage, woher sie in ei- nem defizitären Haushalt die Mittel für ein solches Vorhaben nehmen will, antwortet Clinton, wie viele andere demokratische Politiker, mit der Ankündigung, die von Präsident George W. Bush durchgesetzten Steuererleichterungen „für die Rei- chen“ rückgängig zu machen.

Auch ihr innerparteilicher Riva- le, Senator Barack Obama aus Illi- nois, prangert die Tatsache, dass 45 Millionen US-Amerikaner keine Krankenversicherung haben, als na- tionale Schande an und will bis zum Ende seiner ersten Amtszeit – dies wäre Anfang 2013 – Abhilfe schaf- fen. Mit diesem zeitlich gestreckten und realistischeren Ansatz setzt sich Obama bewusst in Gegensatz zu Clinton, deren Wahlkampfslogan

„From Day One !“ – „Vom ersten Tag an!“ lautet, womit die Senatorin andeuten will, dass sie die Probleme schnellstmöglich in den Griff zu be- kommen gedenkt.

Obama geht schrittweise vor:

Zunächst sollen alle Kinder eine Krankenversicherung erhalten, wenn nicht über die Familie oder deren Ar- beitgeber, dann über ein staatliches Programm. Alle US-Amerikaner un- ter 25 Jahren sollen von den Gesund- heitsplänen ihrer Eltern mit erfasst werden. Obama will ferner die Wahl- möglichkeiten unter den angebote- nen Versicherungsplänen erweitern und kleine sowie mittelständische Arbeitgeber entlasten, wenn diese von Gesundheitsausgaben überfor- dert werden. Wie Clinton will auch

P O L I T I K

GESUNDHEITSPOLITIK IM US-WAHLKAMPF

Die Versprechen reichen von

mehr Staat bis mehr Freiheit

Die Kandidaten der Demokraten wollen eine

Krankenversicherung für alle. Die der Republikaner

setzen auf Eigenverantwortung. Die US-Wähler

halten das Thema Gesundheitsversorgung für das

drittwichtigste im Vorwahlkampf.

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A444 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 929. Februar 2008 Obama die Möglichkeiten der Versi-

cherungen drastisch beschneiden, Patienten wegen bereits bestehender Leiden abzulehnen.

Obama und Clinton haben eine weitere Gemeinsamkeit im Umgang mit einem in den USA seit Jahren umstrittenen Thema. Beide wollen die Stammzellforschung mit Bun- desmitteln fördern. Präsident Bush hatte das in einer Grundsatzent- scheidung im August 2001 abge- lehnt. Darin stimmen die beiden De- mokraten auch mit dem Spitzenrei- ter der Republikaner überein, Sena- tor John McCain aus Arizona. Er pflegt seit Langem das Image eines

„Maverick“, eines Außenseiters in der eigenen Partei, der gelegentlich in Widerspruch zu deren Mehrheits- meinung steht. In der Frage der Stammzellforschung ist dies offen- sichtlich: Viele Republikaner leh- nen sie grundsätzlich ab, je religiö- ser, umso entschiedener. Nicht zu- letzt diese und vergleichbare Kon- zessionen McCains an einen mo- derneren „Zeitgeist“, als ihn die derzeitige Regierung unter Bush und Cheney verkörpert, erklären die aufsehenerregenden Ergebnis- se, die der Baptistenprediger Mike Huckabee in einzelnen Bundesstaa- ten erzielt hat. Der Kandidat der re- ligiösen Fundamentalisten und der Erzkonservativen lehnt auch eine grundsätzliche Pflicht der Arbeit- geber ab, ihre Mitarbeiter zu versi- chern und will, wie McCain, keine allumfassende Krankenversiche- rung für alle US-Amerikaner.

Von den vier verbliebenen Kandida- ten ist Huckabee übrigens derjenige, der über umfassende Erfahrungen als chronisch kranker Patient verfügt.

Einst massiv übergewichtig, erkrank- te der langjährige Gouverneur von Arkansas an einem Typ-II-Diabetes.

Huckabee unterzog sich einer Diät.

Ergänzend hierzu begann er, Mara- thon zu laufen. Seine Erfahrungen schrieb er in einem Buch nieder, das als Mahnung und als Anleitung für Millionen Adipöse gelten kann: „Quit Digging Your Grave With a Knife and Fork.“ – „Hör auf, mit Messer und Gabel dein Grab zu schaufeln.“

System ist nicht reformierbar Einer der wenigen Politiker mit Pro- fil, der über eigene medizinische Er- fahrung verfügt, hält er das System indes für nicht reformierbar. „Die Präsidentschaftskandidaten verbrin- gen nicht annähernd genug Zeit da- mit, über chronische Erkrankungen zu sprechen“, kritisiert der ehemali- ge Senator Bill Frist, Republikaner

und Kardiochirurg aus Tennessee.

Zusammen mit Dan Crippen, dem ehemaligen Direktor des Congres- sional Budget Office, hat Frist jetzt in einem Essay darauf verwiesen, dass chronische Erkrankungen 70 Prozent des US-amerikanischen Ge- sundheitsetats verschlingen. Die Prä- vention derartiger Leiden spiele we- der in der politischen Diskussion noch in der Realität der Versicherun- gen oder der Honorarzuteilungen die Rolle, die dem Problem gerecht wer- de. In erster Linie haben Frist und Crippen dabei jene Folgeerkrankun- gen wie Diabetes mellitus und kar- diovaskuläre Leiden im Sinn, die sich aus Amerikas epidemiologi- schem Problem Nummer eins erge- ben, der Adipositas. Daneben bezie- hen sie sich jedoch auch auf die chro- nischen Schäden des Tabakkonsums.

Nach ihrer Serie von Niederlagen konzentriert Hillary Clinton ihren Wahlkampf jetzt auf den Bundesstaat Texas, wo es am 4. März an die Wahl- urne beziehungsweise an den Wahl- computer geht. Texas bringt auf- grund seines demografischen Ge- wichts nicht nur viele Delegierten- stimmen ein. Seine auffällige Positi- on in der Statistik dürfte die Wähle- rinnen und Wähler besonders emp- fänglich für Clintons Versprechen einer alle US-Amerikaner umfassen- den Krankenversicherung machen, sollte sie Präsidentin werden. Texas, dessen Gouverneur sechs Jahre lang George W. Bush war, ist mit 24,1 Pro- zent nicht krankenversicherter Bür- ger die unbestrittene Nummer eins in der wenig schmeichelhaften Rang- liste mit dem Namen „People with- out health insurance“ – „Menschen ohne Krankenversicherung“. I Ronald D. Gerste

P O L I T I K

Die demokrati- schen Konkurren- ten Barack Obama und Hillary Clinton haben auch Ge- meinsamkeiten:

Beide wollen die Stammzellfor- schung mit Bundes- mitteln fördern.

Der erzkonserva- tive Baptistenpre- diger Mike Hucka- bee (l.) verdankt ei- nige seiner spekta- kulären Wahlsiege der Unangepasst- heit seines republi- kanischen Konkur- renten John McCain.

Dieser will, wie Obama und Clinton, die Stammzellfor- schung fördern.

Foto:dpa

Foto:AP

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