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Archiv "Mehr Staat im Gesundheitswesen" (02.07.1982)

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Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen S PD-Bu ndesparte itag

hen Niveau an sozialer Sicherheit und auf der Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Arbeitsleben be- ruht. Die Fähigkeit zum sozialen Frieden ist Grundbedingung für eine positive wirtschaftliche Ent- wicklung. Sie erfordert die Auf- rechterhaltung unseres sozialen Netzes und die Weiterentwicklung der Mitbestimmung."

Allerdings heißt es - eine bemer- kenswerte Variante - in der am Ende des Parteitags veröffentlich- ten "Münchener Erklärung" des Parteivorstandes: "Zur Konsoli- dierung der sozialen Sicherungs- systeme sind wir unter Bedingun- gen bereit, die das Prinzip Gerech- tigkeit wahren". Damit sind Ein- schränkungen des sozialen Netzes zweifellos möglich.

Wie weit die SPD sich mit ihren steuerpolitischen Beschlüssen des Parteitages selbst von einem Teil ihrer bisherigen Wählerschaft, nämlich dem (so die "Münchener Erklärung") "sozialen Bündnis von Arbeitnehmerschaft und fort- schrittlichem Bürgertum" ent- fernt, wird sich künftig zeigen. Zur Finanzierung des Beschäftigungs- programms und des sozialen Net- zes wurden jedenfalls fast aus- schließlich Maßnahmen beschlos- sen, die den Mittelstand belasten, unter anderem

1. Eine Arbeitsmarktabgabe, auch für Selbständige und Beamte, 2. Weitere Einschränkungen der Steuervorteile für Abschreibungs- gesellschaften,

3. Einschränkungen des Ehe- gatten-Splittings,

4. Verschärfung der Bodenge- wi n n-Versteueru ng,

5. Aufstockung des Steuerfahn- dungs-und Betriebsprüfungsdien- stes,

6. Wegfall der Abzugsfähigkeit von Bewirtungskosten und Ge- schenken,

7. Einführung einer zeitlich befri- steten Ergänzungsabgabe für hö- here Einkommen und Gewinne,

8. Anhebung der Vermögensteuer, 9. "Gewerbesteuerähnliche Abga- ben auf alle Gewinneinkünfte (z. B. freie Berufe)",

10. Erhöhung des Spitzensteuer- satzes bei der Einkommen- und Körperschaftssteuer.

Die SPD hat auf dem Münchener Parteitag wirtschaftlich und so- zialpolitisch fast alle Kräfte auf die Beschäftigungspolitik konzen- triert, ohne jedoch eindrucksvolle oder gar mit dem Koalitionspart- ner durchsetzbare Maßnahmen zu erarbeiten. Hinzu kommt eine in den Konturen noch nicht recht er- kennbare Initiative in der Woh- nungsbaupolitik und die Absichts- erklärung, die Partei werde sich wieder stärker im Bereich der Ver- mögensbildung engagieren.

ln der Wirtschafts- und Sozialpoli- tik sind auf dem Münchener Par- teitag die Prioritäten des aktuellen Parteiwillens deutlich geworden. Die Forderung nach mehr Staat, mehr Lenkung ergänzt sich mit dem Angriff auf den "Neokonser- vativismus", wobei diese Vokabel gegen die Befürworter marktwirt- schaftlicher Lösungen in der Wirt- schaftspolitik und gegen die Prot- agonisten von mehr Bürgerbeteili- gung im Bereich der Sozialen Si- cherung eingesetzt wird.

Die Sozial- und Wirtschaftspolitik der Regierung Schmidt/Genscher wird durch die Ergebnisse des Münchener Parteitags wohl wenig beeinflußt werden. Der neue Bun- desarbeitsminister Heinz West- phal und die Antje Huber-Nachfol- gerin Anke Fuchs stehen nicht für diesen neuen Aufbruch der SPD, sondern für eine Fortsetzung der bisherigen Linie. Viel mehr als die Verwirklichung von Willy Brandts Wort von der "Konsolidierung der sozialen Sicherungssysteme unter der Bedingung des Prinzips der Gerechtigkeit" wird die Regie- rungskoalition im Bereich der So- zialpolitik trotz der markigen Re- den und Beschlüsse des Münche- ner SPD-Parteitags wohl nicht bringen.

Diplom-Volkswirt Hartmut Friel

Mehr Staat im Gesundheitswesen

Aus den Anträgen an den Bundesparteitag der SPD Die SPD hat auf ihrem Münchener Parteitag das gesamte Antragspa- ket zur Gesundheitspolitik sQwie eine große Anzahl von Anträgen zur sozialen Sicherung nicht mehr behandelt und auf Parteitagsbe- schluß an den Parteivorstand zur Bearbeitung überwiesen. Da die Empfehlungen der Antragskom- mission - in der 8 vom Parteivor- stand benannte Mitglieder neben je einem Delegierten der Bezirks- bzw. Landesverbände (22) vertre- ten sind- bei Abstimmungen des Parteitages überwiegend berück- sichtigt werden, lassen sich aus den zustimmenden Voten der An- tragskommission aber doch Rück- schlüsse auf den gegenwärtigen Standort der Sozialdemokrati- schen Partei und die Schwerpunk- te innerparteilicher Reformdiskus- sionen ziehen.

Vom Parteitag behandelt und an den Parteivorstand überwiesen wurden Anträge zur sozialen Si- cherung, die u. a. Kostendämp- fungsmaßnahmen sowie die Ren- tenreform betreffen. Plädiert wird darin etwa für

~ eine dauerhafte Bindung der Arzt- und Zahnarzthonorare an die Entwicklung des Beitragsaufkom- mens bei den gesetzlichen Kran- kenkassen; die volle Einbeziehung des Arzneimittelmarktes und der Entwicklung der Krankenhaus- pflegesätze in die Kostendämp- fungsbemühungen; die Abrech- nung von Gesundheitsleistungen mit den Kassen nur nach Quittung durch den Versicherten; die Ab- lehnung der Wiedereinführung von Karenztagen im Krankheitsfall sowie aller Versuche, über die bis- herige Kostenbeteiligung hinaus di·e Versicherten zusätzlich zu be- lasten; einen die Kassenarten übergreifenden Finanzausgleich; eine weitere Einschränkung der

62 Heft 26 vom 2. Juli 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe B

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Ärztewerbung für Arzneimittel;

den Aufbau eines einheitlichen so- zialärztlichen Dienstes sowie den Ausbau und die Überprüfung der Vorsorgemaßnahmen; den Aus- bau des Betriebsärztewesens; ei- ne erhöhte Anzahl von Lehrstüh- len für Arbeitsmedizin.

..,. eine baldige Realisierung der Rentenreform mit den Eckdaten:

Teilhaberente in Höhe von 70 Pro- zent der Gesamtversorgung von

Mann und Frau bei Garantie der eigenen Rente; Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten bei Finanzierung über einen Bundes- zuschuß.

..,. die Harmonisierung der Altars- versorgungssysteme sowie die Herabsetzung der flexiblen Alters- grenze auf 60 Jahre.

Gesundheitspolitisch fordert die SPD in den von der Antragskom- mission dem Parteitag zur Annah- me empfohlenen Anträgen: ..,. Steuerungsmöglichkeiten für die Wirtschaftlichkeit des Lei- stungsangebots sowie für die Ein- nahmesituationbei den Anbietern.

..,. Die Ablehnung einer zusätzli- chen Selbstbeteiligung der Versi- cherten. Statt dessen wird dafür plädiert, die Versicherungspflicht- und Beitragsbemessungsgrenzen im Zusammenhang mit einem Fi- nanzausgleich unter den Kranken- kassen kurzfristig deutlich an- und langfristig aufzuheben.

..,. Einen Ausbau und die Verbes- serung von Vorsorgemaßnahmen. ..,. Mehr Zeit für Arzt-/Patientenge- spräche.

..,. Die Förderung des Arztes für Allgemeinmedizin und einen Aus- bau des Hausarztsystems.

..,. Verschärfte Arzneimittelgeset- ze auf nationaler bzw. entspre- chende Regelungen auf EG- Ebene.

..,. Die Einführung einer Melde- pflicht für Leukämie.

..,. Maßnahmen zur Drogenbe- kämpfung.

Zur Fortschreibung der gesund- heitspolitischen Leitsätze zählen zum Beispiel folgende Anträge: ..,. Neufassung der Gebühren- ordnung für Ärzte, Zahnärzte und andere Fachärzte.

ln Einzelanträgen spricht sich die SPD in diesem Zusammenhang u. a. aus für eine einheitliche Ge- bührenhöhe für ärztliche Leistun- gen bei allen gesetzlichen Kran- kenkassen; ein Verbot von "Hono- rarabstufungen" nach Einkom- men und Vermögen der Patienten;

eine angemessene Relation der Durchschnittseinkommen der Ärz- te zum Einkommen der Beamten/ Angestellten im höheren Dienst;

eine Orientierung der Zuwachsra- ten der Honorare der Ärzte an der allgemeinen Einkommensentwick- lung; darüber hinaus für eine lei- stungsgerechte Abstufung zwi- schen persönlich-ärztlicher und medizinisch-technischer Behand- lung und ein angemessenes Ver- hältnis der Honorare zu den ande- ren Kosten. Weitere Forderungen:

..,. Die "Beschneidung" bzw. Auf- hebung des Liquidationsrechts der Ärzte in den Krankenhäusern.

..,. Eine Kontrolle der ärztlichen Leistungen durch einen Beauf- tragten der Krankenkassen oder die Rechnungslegung gegenüber dem Patienten.

..,. Die Beschränkung der Laufzeit von Chefarztverträgen auf acht Jahre.

..,. Die Errichtung von Ambulato- rien in Gebieten mit ärztlicher Un- terversorgung; darüber hinaus die Errichtung von Ambulatorien durch Krankenkassen, Werkarzt- zentren und Gesundheitsämter . ..,. Die Erweiterung bestehender Kliniken zu Polikliniken im Be- darfsfall im Einvernehmen mit den Krankenkassen.

..,. Eine Beschränkung der Nie- derlassungsfreiheit der Ärzte bei Unterversorgung in bestimmten Regionen.

..,. Eine verbesserte Stellung der Krankenkassen gegenüber den

Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen SPD-Bundesparteitag

niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern. Insbesondere sollen die gesetzlichen Kranken- kassen die Möglichkeit einer wirt- schaftlichen Überprüfung der er- brachten Leistungen und die Mög- lichkeit der Zulassungsbeschrän- kung in von Ärzten bevorzugten Gebieten erhalten.

..,. Die Beseitigung des "Behand- lungsmonopols" der niedergelas- senen Ärzte. Auch Krankenhäu- sern, Gesundheitsämtern, Kran- kenkassen und anderen Trägern soll nach deren Wahl die ambulan- te Behandlung und Abrechnung mit den Krankenkassen möglich sein.

..,. Aufbau der integrierten medizi- nischen Versorgung. Gefordert wird die Planung des Angebots an Gesundheitsleistungen innerhalb der Versorgungsregionen.

..,. Die Aufhebung der starren Ab- grenzungen zwischen der ambu- lanten und stationären Versor- gung .

..,. Die freie Arztwahl im Kranken- haus für jeden Patienten.

..,. Die Aufhebung des Numerus clausus für das Studium der Me- dizin.

ln den Anträgen zur Krankenversi- cherung, die entsprechend der Empfehlung der Antragskommis- sion an den Parteivorstand über- wiesen werden, finden sich diese Forderungen:

..,. Verbesserter und system- übergreifender Finanzausgleich; ebenso ein Finanzausgleich zwi- schen den gesetzlichen Kranken- kassen.

..,. Ein die Arbeitnehmer gleich belastendes Beitragssystem und eine versichertennah gestaltete, einheitlich organisierte Kranken- versicherung.

..,. Einbeziehung der Selbständi- gen und Beamten in die gesetzli- che Krankenversicherung.

..,. Eine Aufhebung der Versiche- rungspflichtgrenze in der gesetzli- chen Krankenversicherung .

Dr. Hildegard Mandt

Ausgabe B DEUTSCHES ARZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 26 vom 2. Juli 1982 63

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