Zur Fortbildung Aktuelle Medizin KONGRESSBERICHT
Aktuelle Probleme des Klimakteriums
Bericht vom I. Internationalen Kongreß über Fragen der Menopause*)
Führende Experten aus aller Welt waren auf Einladung auf dem I. In- ternationalen Kongreß über die Menopause im Juni dieses Jahres in La Grande Motte, Frankreich, zusammengekommen, um aktuelle Probleme des Klimakteriums in ei- ner Reihe von Arbeitssitzungen und ausgewählten Vorträgen zu er- örtern. Aus der großen Anzahl neu- er Ergebnisse sollen nur die prak- tisch wichtigsten mitgeteilt werden:
..,.. Östrogenbehandlung verbessert bei alten Frauen Gedächtnis, Kon- zentrationsvermögen und soziale Kontaktfähigkeit
..,.. Für die günstige Beeinflussung von Aussehen und Funktion der Haut unter oraler Östrogenbehand- lung wurden neue Beweise vorge- legt.
..,.. Das Ektropium der weiblichen Urethra und die Harnkontinenz (so- wohl Belastungs- als auch Drang- inkontinenz) werden in über 90 Prozent aller Fälle durch Östrogen- behandlung gebessert.
Es kann heute kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß die Osteo- porose bei Frauen in der Postme- nopause ganz wesentlich durch
Östrogenmangel mitverursacht wird:
..,.. ln ersten prospektiven kontrol- lierten Untersuchungen konnte ge- zeigt werden, daß eine prophylakti- sche Östrogentherapie den Verlust an Knochensubstanz und das Auf- treten von Knochenbrüchen (Wir- belsäule, Radius, Schenkelhals) weitgehend verhindern kann.
*) Unter der Schirmherrschaft der Amerika- nischen Geriatrischen Gesellschaft und der Medizinischen Fakultät der Univer- sität von Montpelier
Natürliche Östrogene ohne signifikante Nachteile
Während die in der Pille enthalte- nen Östrogene Äthinylöstradiol und Mestranol durch Steigerung der Triglyceride einen unerwünschten Einfluß auf die Zusammensetzung der Plasmalipide ausüben, gilt das nicht für die natürlichen Östrogene östron, östradiol und östriol. Die- se Östrogene haben teilweise so- gar einen günstigen Einfluß auf die Blutlipide, indem sie Triglyceride und Cholesterin senken. Natürliche Östrogene haben auch in den für die Behandlung üblichen Dosen keine signifikanten nachteiligen Wirkungen auf die Blutgerinnung.
in den bisherigen epidemiologi- schen Untersuchungen konnte im Gegensatz zu den Verhältnissen bei der Pille eine Erhöhung der Thromboembolierate durch natürli- che Östrogene in der Postmeno- pause nicht nachgewiesen werden.
Östrogentherapie und Karzinombildung
Die kürzlich erschienenen Arbeiten über eine vermutete Risikoerhö- hung für die Entstehung von Kor- pus- und Mammakarzinomen durch Östrogentherapie wurden aus me- thodisch-wissenschaftlichen Grün- den heftig kritisiert und im einzel- nen widerlegt. Die von verschiede- nen Untersuchern vorgelegten Sta- tistiken zeigen erneut keinen Zu- sammenhang zwischen einer Östrogentherapie und dem Auftre- ten von Brust- oder Gebärmutter- krebs. Die weltweit in den letzten Jahren zu erkennende Zunahme des Korpuskarzinoms, auch in Län- dern ohne jegliche östrogenthera-
2876 Heft 45 vom 4. November 1976 DEUTSCHES ARZTEBLATT
pie, muß auf andere Gründe zu- rückzuführen sein. Hier sind insbe- sondere die Oligoparität und die Spätparität im Gespräch, also die Tatsache, daß die Frauen im Durchschnitt weniger Kinder gebä- ren und daß die erste Geburt mei- stens in relativ höherem Alter stattfindet.
Empfehlungen zur Östrogentherapie
in den Empfehlungen zur Östro- gentherapie gab der Kongreß fol- gende Ratschläge:
..,.. Eine Behandlung mit Östroge- nen soll stets individualisiert wer- den.
..,.. Die niedrigste wirksamste Dosis gegen die Hauptbeschwerden ist zu ermitteln.
..,.. Die Substitution soll zyklisch er- folgen, das heißt mit einer 7tägigen Behandlungspause in der 4. Wo- che.
..,.. Wenn möglich, sollte ein Gesta- gen in der 2. Behandlungshälfte hinzugegeben werden.
..,.. Auf jeden Fall muß eine übersti- mulierung der Zielorgane vermie- den werden .
..,.. Verschreibung und Vorsorgeun- tersuchung sollen alle 6 Monate er- folgen.
..,.. Auf Zeichen von Überdosierung, insbesondere Ziehen in den Brü- sten, ist zu achten.
..,.. Bei atypischen Blutungen ist eine Abrasio erforderlich.
Die Experten waren sich darin ei- nig, daß die Vorteile einer Östro- gentherapie mögliche Nachteile bei weitem überwiegen.
Anschrift des Verfassers:
Professor Dr. med.
Christian Lauritzen Universitäts-Frauen kl i ni k Prittwitzstraße 43 7900 Ulm/Donau