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Archiv "Arztrechtliche Fragen und Probleme in der Psychotherapie" (25.09.1980)

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Aufsätze · Notizen FORUM

Arztrechtliche Fragen und Probleme in der Psychotherapie

Otto Pribilla

Fortsetzung von Heft 38, Seite 2250, und Schluß

II. Rechtsentwicklung hinsichtlich

der ärztlichen Unterlagen und Krankengeschichten Ein weiteres Gebiet, in dem die jüng- ste Rechtsprechung zu außerordent- lich bedauerlichen Konsequenzen geführt hat, ist das Zugriffsrecht des Patienten auf die ärztlichen Unterla- gen. Im Rahmen der durch die zahl- reichen sogenannten Kunstfehler- prozesse entwickelten Grundsätze über die Beweislastverteilung und der von Franzki (Oberlandesge- richtspräsident Gelle) stammenden Forderung der "Waffengleichheit zwischen Patient und Arzt" im Arzt- Haftpflicht-Prozeß, hat die Recht- sprechung nunmehr auch neue Grundsätze über die ärztlichen Krankenpapiere entwickelt.

Noch im Jahre 1977 ist das Oberlan- desgericht Gelle der bisher im we- sentlichen einheitlichen Rechtspre- chung gefolgt, daß "Krankenblatt und Krankenkarteiunterlagen dazu dienen, einen Ablauf der ärztlichen Behandlung schriftlich festzuhalten. Sie enthalten persönliche Aufzeich- nungen des Arztes, die Anamnese, Diagnose, Befundergebnis, Medika- mentierung u. dgl.

Es handelt sich bei solchen Auf- zeichnungen um die schriftliche Nie- derlegung von Tatsachen, nicht aber um die Beurkundung rechtsge- schäftlicher Erklärungen oder von Rechtsverhältnissen. Sie dienen dem Arzt als Erinnerungsstütze und nur mittelbar auch dem Interesse des Patienten an jederzeitiger sach- gerechter und vollständiger Aus- kunft und Aufklärung. Rechtsbezie-

hungen werden dadurch nicht doku- mentiert". Es bestünde auch keine Rechtspflicht zur Führung von Kran- kenunterlagen; dies sei lediglich in der ärztlichen Berufsordnung als Standespflicht festgelegt. Die Kran- kenunterlagen seien auch nicht Ur- kunden im Sinne des§ 810 BGB.

Völlig veränderte Rechtslage Durch die neueste Rechtsprechung des Jahres 1979 ist hier ein grundle- gender Wandel eingetreten. Bisher war stets ein Rechtsanspruch auf Einsicht und Herausgabe der Kran- kenpapiere, eben weil diese persön- liche Aufzeichnungen des Arztes waren und auch nicht aus dem Be- handlungsvertrag ein solches Her- ausgaberecht anerkannt wurde, ver- neint worden. Jetzt haben Urteile aus Göttingen und Limburg und au- ßerdem ein noch gravierenderes Ur- teil des Bundesverfassungsgerichts zu einer völlig veränderten Rechtsla- ge geführt.

..,. Im Falle des Landgerichts Göttin- gen vom 16. November 1978 (NJW 1979, 601) hatte eine Patient in nach einer Schilddrüsenoperation nach durchgeführtem Schlichtungsver- fahren bei der Schlichtungsstelle in Hannover, die keine Sorgfaltspflicht- verletzung feststellen konnte, Ein- sicht in die Krankenunterlagen und Auskunft über den Inhalt sämtlicher Krankenaufzeichnungen verlangt.

Das Urteil hat erstmalig einen An- spruch auf Auskunft und Einsicht- nahme aus§ 810 BGB und einen ne- benvertraglichen Anspruch aus dem Arztvertrag als gegeben angesehen.

Es heißt wörtlich: "Krankenunterla-

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gen sind schriftliche Gedankener- klärung, also Urkunden im Sinne von§ 810 BGB. Sie sind im Interesse des Patienten errichtet, da eine Pflicht zur Aufzeichnung besteht" . ..,. Auch das Urteil des Bundesge- richtshofes (NJW 1978, 2373) hat un- ter ausdrücklicher Aufgabe der Auf- fassung, daß die Krankenunterlagen nur interne Gedächtnisstützen für den Arzt darstellen, eine völlig neue Rechtslage geschaffen. Dabei läßt sich aus den angeführten Urteilen erkennen, daß juristischerseits - wohl auch als Folge der auf dem 52.

Deutschen Juristentag in Wiesbaden 1978 aufgestellten Forderungen - behauptet wird, daß der Anspruch auf umfassende Aufklärung des Pa- tienten ausgehöhlt werde, wenn dem Arzt bei bloßer Auskunftsertei- lunQ die Möglichkeit eingeräumt würde, die Einsicht zu verweigern und so den Auskunftsanspruch auf bestimmte Tatsachen seiner Wahl zu beschränken. Außerdem wird in dem Göttinger Urteil ausgeführt, daß nach Meinung des Gerichtes sich der Anspruch auf die Einsichtnahme nicht nur auf schriftliche Bekundun- gen, sondern auch auf Einsicht in technische Aufzeichnungen er- streckt.

Wenn auch primär diese Entschei- dung des Landgerichts Göttingen sich auf das Vorfeld eines Arzt-Haft- pflicht-Prozesses erstreckte, so wur- de das bisherige sogenannte thera- peutische Privileg - das heißt, daß der Arzt dem Patienten dann be- stimmte Dinge aus der Krankenge- schichte verschweigen konnte und durfte, wenn die Mitteilung für den Patienten schädlich war - deutlich eingeschränkt. Es heißt in einem Kommentar zu oem genannten Ur- teil, daß das therapeutische Prinzip nicht dazu führen dürfe, daß etwa eine Prozeßvorbereitung behindert werde. Sorgfaltsverstöße des Arztes ergäben sich unter Umständen erst bei genauer Kenntnis von Details, wie etwa der Reihenfolge von Eintra- gungen oder des Datums, eines La- borbefundes, eventuell sogar gera- de aus dem Vorhandensein einer Rückschlüsse zulassenden Ver- dachtsdiagnose usw. [>

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.... Das Urteil des LG Limburg (NJW 1979, 607) vom 17. Januar 1979 (3 S 244/78) hat die Tendenz noch ver- schärft, indem es das Einsichtsrecht des Patienten nicht nur aus dem Be- handlungsvertrag in vollem Umfan- ge bejaht hat, sondern die Kranken- papiere auch als Verpflichtung aus der Dokumentationsforderung ab- geleitet hat. Es heißt wörtlich: "Da- mit wäre es kaum zu vereinbaren, in den Aufzeichnungen des Arztes nur

eine persönliche Notiz und interne

Gedächtnisstütze zu sehen. Die An- fertigung der Krankenunterlagen

dient nicht nur dem behandelnden

Arzt, sie liegt vielmehr in erster Linie im Interesse des Patienten, um den es geht". Es heißt weiter: "Dem Pa- tienten ist jedoch mit der Dokumen- tation allein nicht gedient. Zur lük- kenlosen Dokumentation gehört die lückenlose Aufklärung über das schriftlich Niedergelegte, damit der Patient seine eigene Krankenge- schichte voll erkennen und daraus selbst Folgerungen ziehen kann".

Auch der seinerzeit erfolgte deutli- che Hinweis der beklagten Ärzte über mögliche Mißdeutungen und Fehlbeurteilungen von Einzelheiten durch den Laien wurde für die recht- liche Beurteilung des Einsichtsrech- tes als nicht entscheidend angese- hen. Es heißt hier wörtlich: "Die Rechtsordnung ist von Ausnahme- fällen abgesehen nicht berufen, den mündigen Bürger, hier den Patien- ten, vor sich selbst zu schützen. Die Fürsorgepflicht des Arztes findet im Regelfall dort ihre Grenze, wo sie die Selbstbestimmung des Patienten beeinträchtigt''.

..,.. Auch das Bundesverfassungsge- richt hat in seinem Urteil vom 25. Juli 1979 (BVG 2 BVR 878/74) im Rahmen eines Arzthaftungs Prozesses die verfassungsrechtlichen Probleme hinsichtlich der Aufklärung und der Einsicht in ärztliche Unterlagen ge- prüft und diese Tendenz der absolu- ten Einsichtnahme in die Kranken- papiere aus dem Grundgesetz her- geleitet und weiter unterstützt.

ln dem konkret entschiedenen Fall war bei einer Tumoroperation im Operationsbericht die zustandege-

Aufsätze · Notizen Psychotherapie: Arztrechtliche Fragen

kommene Nervverletzung nicht auf- gezeichnet worden. Es wurde dar- aus im Grundsatzstreit die Zubilli- gung der Beweislastumkehr auf den Arzt gefordert und wieder auf die

"Waffengleichheit" im Prozeß zwi-

schen Patient und Arzt unter Bezug- nahme auf Art. 3 Abs. 1 GG abgeho- ben. Dabei stellte die Erörterung der Rechtsnatur der ärztlichen Aufzeich- nungen - hier Operationsbericht - nur ein Randproblem dar, da es in erster Linie um die Frage der Um- kehr der Beweislast in einem soge- nannten Kunstfehlerverfahren und die Aufklärung ging. Interessant ist, daß dieses Urteil mit einer abwei- chenden Meinung der Bundesrich- ter Hirsch, Nebler und Steinberger versehen ist. Diese stellen sehr stark das absolute Selbstbestimmungs- recht des Patienten als zuvörderst Freiheitsschutz im Bereich der "leib- lich-seelischen Integrität", nicht aber beschränkt auf den speziellen Gesundheitsschutz, in den Vorder- grund. Das Urteil beschäftigt sich im übrigen sehr weitgehend mit den verfassungsrechtlichen Grundlagen hinsichtlich der ärztlichen Aufklä- rung.

Rechtsprechung für die Psychiatrie ganz und gar untragbar

Diese völlig neuartige Rechtspre- chung hat zu einer großen Beunru- higung in der Ärzteschaft geführt. ln unserer Arbeitsgruppe Ärzte und Ju- risten der Arbeitsgemeinschaft Wis- senschaftlich Medizinischer Fach- gesellschaften, in der u. a. Professor Ehrhardt, Marburg, mitarbeitet, ha- ben wir auch die besonderen Pro- bleme gerade hinsichtlich der psychiatrischen und psychothera- peutischen Krankenunterlagen erör- tert. Nach Meinung Ehrhardts ist es völlig ausgeschlossen, derartige Krankenpapiere in vollem Umfange zur Einsicht dem Patienten oder sei- nem Rechtsanwalt herauszugeben, insbesonders bei Depressiven, aber auch bei vielen anderen Psychosen, ferner auch bei schwersten Kern- neurosen usw. Da sehr häufig aus den Niederschriften der Exploratio- nen usw. auch Rechte Dritter betrof- fen sind, könnte gegebenenfalls die

Einsicht in die im akuten Schub ge- machten Äußerungen den Heilerfolg zunichte machen. Das gleiche gilt für die teilweise sehr ausführlichen Aufzeichnungen im Rahmen psy- choanalytischer Verfahren, bei de- nen ja auch weitgehend die persön- lichen Emotionen und Gefühle des Therapeuten bis hinein in die Intim- sphäre Eingang finden.

ln einer Resolution der Arbeitsgrup- pe vom 30. November 1979 wird u. a.

gesagt, daß ein Einsichtsrecht durch den Patienten lediglich nach Been- digung des Behandlungsverhältnis- ses geltend gemacht werden könne.

Es gibt zweifellos ärztliche Aufzeich- nungen, die vom Einsichtsrecht aus- geschlossen sein müssen. Hierbei kann es sich um therapeutische Rücksichten gegenüber dem Patien- ten selbst oder aber um schutzwür- dige Interessen Dritter handeln. Wei- terhin seien die aus dem Daten- schutzrecht sich ergebenden Ein- schränkungen zu beachten.

Es heißt dann wörtlich: "Bei der Auswertung von Krankenunterlagen dürfen die realen Gegebenheiten ih- res Zustandekommens nicht überse- hen werden. Hier bedarf es vor allem des Hinweises, daß die steigenden Anforderungen der Rechtsprechung an die Dokumentation die Ärzte zu- nehmend ihrer eigentlichen Aufgabe entziehen. Die Krankengeschichte mit allen Untersuchungsbefunden, diagnostischen und Behandlungs- angaben ist für die Tätigkeit derbe- handelnden und nachbehandelnden Ärzte unentbehrliche Grundlage. Sie enthält differentialdiagnostische Er- wägungen, vorläufige Diagnosen mit ihren lrrtumsmöglichkeiten, Zu- satz- und Nebenbefunde sowie pro- gnostische Überlegungen mit allen

ihren Unsicherheiten. Der Arzt

braucht die Möglichkeit, in der Kran- kengeschichte auch in Form von Ab- kürzungen, die für den Außenste- henden nicht ohne weiteres ver- ständlich sind, Anmerkungen und Überlegungen festzuhalten. Inso- weit kann die Krankengeschichte nicht die Funktion haben, Untersu- chungs- und Behandlungsergebnis- se für forensische Zwecke zu doku- mentieren, obwohl sie im Prozeß als

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Aufsätze - Notizen

Psychotherapie: Arztrechtliche Fragen

Beweismittel zur Verfügung stehen und auch unter diesem Gesichts- punkt mit der erforderlichen Sorg- falt geführt werden sollte".

Wenn wir auch führende juristische Vertreter des Arztrechtes bei dieser Resolution auf unserer Seite wissen, so ist die Tendenz der oben zitierten Urteile eine gegenteilige. Dabei wird der aus Juristenkreisen gemachte Vorschlag einer doppelten Kranken- geschichte das Problem ebensowe- nig lösen können wie der Verzicht auf alle Eintragungen der genannten Art. Man kann dann umgekehrt bei der Einsicht in die Krankenpapiere im Rechtsstreit unter Umständen aus nicht vorhandenen Unterlagen Schlüsse gegen den Arzt ziehen.

Auch der von Schimmelpennig zi- tierte, aus den USA stammende Vor- schlag, persönliche Notizen usw. auf andersfarbigem Papier zu kenn- zeichnen und vom herausgebbaren Teil der Krankengeschichte zu tren- nen, ist praktisch keine Lösung.

Gerade für den ärztlichen Psycho- therapeuten ist hier eine Lage ent- standen, die in ihrer Konsequenz überhaupt noch nicht abzusehen ist.

Uns erscheint dringend notwendig, darüber nachzudenken, in welcher Weise überhaupt noch eine sachge- rechte psychotherapeutische Kran- kengeschichte geführt werden kann, um derartigen, wie wir glauben übersteigerten und letztlich für den Patienten schädlichen Forderungen der Rechtsprechung Genüge zu tun.

III. Kunstfehler in der Psychotherapie

Die aus dem allgemeinen Schuld- recht abgeleiteten Grundlagen der Arzthaftpflicht gelten auch für den psychotherapeutisch tätigen Arzt.

Die von der Rechtslehre und Judika- tur entwickelten Grundsätze zur Sorgfaltspflichtverletzung und zu dem sogenannten ärztlichen Kunst- fehler finden ebenso wie die berufs- rechtlichen Vorschriften für den ärztlichen Psychotherapeuten ohne Einschränkung Anwendung. Im Vor- dergrund steht hierbei die gesetzli- che Haftung, das heißt die Haftung

aus unerlaubter Handlung im Sinne des BGB § 823 ff. Dies bedeutet, es wird in jedem einzelnen Fall bei der Behauptung eines Gesundheits- schadens geprüft, ob der Arzt die vorauszusetzende ärztliche Sorgfalt außer acht gelassen hat (BGB 226,1). Neben dieser gesetzlichen Haftung steht außerdem die Haftung aus Vertrag, die insbesondere auch Bedeutung bei der Haftung des Psy- chotherapeuten für die Auswahl ei- nes nichtärztlichen Erfüllungsgehil- fen, wie zum Beispiel im Delega- tionsverfahren auf einen Psycholo- gen, Soziologen, Familientherapeu- ten oder anderen Bedeutung gewin- nen könnte.

Aus den oben erwähnten Vertrags- beziehungen ergibt sich in allgemei- ner Form auch die Verpflichtung des Psychotherapeuten, nach bestem Können alles zu tun, was nach den Regeln der ärztlichen Wissenschaft und Kunst zur Heilung des Kranken getan werden muß. Allem voran steht hierbei die Sorgfaltspflicht, woraus — wie schon erwähnt — auch die Verpflichtung hinsichtlich der Aufklärung über Diagnose und Ver- lauf resultiert. Der Psychotherapeut haftet für Fehler wegen sogenannter positiver Vertragsverletzung und fahrlässiger Körperverletzung auf Schadenersatz und bei Haftung aus Delikt auch auf Schmerzensgeld.

Der Patient hat einen Anspruch ge- gen den Therapeuten wegen Be- handlungsfehlers oder unterbliebe- ner Aufklärung. Dabei wird der Be- handlungsfehler generell häufig auch als Kunstfehler bezeichnet. Er ist als das nach dem Stand der Medi- zin unsachgemäße und schädigende Verhalten des Arztes, also auch des Psychotherapeuten definierbar.

Bei Außenseitermethoden erhöhte Anforderung an die Sorgfaltspflicht Bei einem behaupteten körperlichen oder seelischen Schaden wird auf die Kenntnisse eines gewissenhaf- ten Durchschnittstherapeuten abge- stellt und unter Zuziehung von Sachverständigen geprüft, ob die Lex artis im konkreten Fall Anwen-

dung gefunden hat. P. Janssen hat darauf hingewiesen, daß es auch im Bereich der ärztlichen Psychothera- pie „generell geübte und nicht im Streit befindliche Erkenntnisformen und Behandlungsschritte" gibt. Die Vielfalt der Methoden steht der An- wendung des Begriffes „Kunstfeh- ler" in der oben genannten Defi- nition nicht im Wege. Ähnlich der Sorgfaltspflicht des Arztes gilt auch für den Psychotherapeuten, daß im- mer dann, wenn er von den üblichen der Lex artis entsprechenden Me- thoden zu Außenseitermethoden übergehen will, eine erhöhte Anfor- derung an die Sorgfaltspflicht ent- steht. Dies heißt praktisch, daß in jedem Einzelfall, wenn von bewähr- ten Methoden abgegangen wird, auch für einen objektiven Gutachter die Gründe für die Wahl gerade die- ser Methode einsehbar bleiben müs- sen. Besonderheiten ergeben sich in der Psychotherapie insofern, als ei- ne große Methodenvielfalt besteht und damit eher als in anderen Berei- chen der ärztlichen Heilkunde ein Nebeneinander von verschiedenen Behandlungsmethoden existiert.

Nach Kallinke, Schumacher-Merz ist der Kunstfehler jedoch nicht in der Verwendung der einen oder anderen Methode zu sehen, sondern in einer Kombination beliebiger psychologi- scher Elemente unter der Bezeich- nung Psychotherapie. Dies gilt be- sonders, wenn unkritisch psycho- therapeutische Verfahren miteinan- der kombiniert werden, die eigent- lich inkompatibel sind. So kann beim Psychotherapeuten in der Re- gel kein Schuldvorwurf darauf ba- sieren, daß er statt Psychoanalyse die Verhaltenstherapie oder Ge- sprächstherapie bevorzugt. Er hat die Freiheit zu entscheiden, nach welcher dieser weitgehend aner- kannten psychotherapeutischen Verfahren er vorgehen will. Meines Erachtens besteht aber die Pflicht, den Patienten ausführlich über die Möglichkeiten und Grenzen der ein- zelnen Methoden und in den eige- nen Kenntnissen liegenden Ein- schränkungen aufzuklären. Schon daraus können nach Schmidt, wenn etwa ohne vorherige diagnostische oder auch somatische Abklärung

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Aufsätze • Notizen Psychotherapie: Arztrechtliche Fragen

psychotherapeutische Methoden bei unklarer Indikation, aber auch bei nachgewiesener Ineffizienz für be- stimmte Fragestellungen angewen- det werden, Sorgfaltspflichtverlet- zungen resultieren.

Das gleiche gilt bei der Anwendung von Psychopharmaka ohne genaue Kenntnis des ja inzwischen sehr breit gewordenen Anwendungs- und Wirkungsspektrums. In diesem Zu- sammenhang neigt Strotzka dazu, in Fällen, in denen ohne große Gefähr- dung durch Gabe kleiner Dosen' ei- nes Antidepressivums schnell Hilfe geleistet werden kann, dann von ei- nem Kunstfehler zu sprechen, wenn nur ein reines Psychotherapieange- bot erfolgt.

Vorbereitung des Arztes auch für Kleine Psychotherapie

Dies gilt auch, wenn Leistungen aus dem Bereich der sogenannten Klei- nen Psychotherapie, die von jedem Kassenarzt im Rahmen der kassen- ärztlichen Versorgung erbracht wer- den können, soweit damit Krankhei- ten im Sinne der RVO-Rechtspre- chung behandelt werden (Weidner), ausgeführt werden, ohne daß eine entsprechende Aus- bzw. Weiterbil- dung in der Psychotherapie vorhan- den ist. Das im Rahmen der neuen Approbationsordnung vermittelte Basiswissen in Psychotherapie und psychosomatischer Medizin reicht sicherlich nicht aus, Psychotherapie auch tatsächlich auszuüben. Zu mei- nen, daß Psychotherapie ein fester Bestandteil des Könnens jedes Arz- tes sei (so etwa Lippross) und daß hier sozusagen gesunder Men- schenverstand und Einfühlungsver- mögen und Erfahrungen ausreich- ten, bezeichnete bereits Balint als den „Glauben an die apostolische Funktion" des Arztes. Es wird also regelmäßig auch für die sogenannte Kleine Psychotherapie eine Vorbe- reitung des Arites als erforderlich anzusehen sein, damit nicht schon hier eine Sorgfaltspflichtverletzung entsteht. Nach Schmidt sind thera- peutische Grundhaltung, solide Aus- bildung und ausreichende Zeit Mini- malvoraussetzungen für jede psy-

chotherapeutische Maßnahme, ganz gleich, von welchem Berufsstand und in welcher Institution sie durch- geführt wird.

Hier liegen die arztrechtlichen Pro- bleme ebenso wie bei der Pflicht zur Fallabgabe, die jeder Arzt hat, wenn seine speziellen Kenntnisse und Er- fahrungen in concreto nicht ausrei- chen.

Wer tiefenpsychologisch fundierte und analytische Psychotherapie ausüben will, benötigt für eine ord- nungsgemäße Behandlung eine gründliche, zusätzliche Aus- bzw.

Weiterbildung. Wer psychoanaly- tisch tätig wird, muß mit den für alle Formen verbal durchgeführter, auf- deckender Psychotherapie wesentli- chen Elementen des Widerstandes, der Übertragung und der Deutung umgehen können. Der Therapeut sollte die Analyse von Widerständen ebenso beherrschen wie das Erken- nen der Übertragung, und er muß nicht zuletzt gelernt haben, sei- ne Gegenübertragungstendenzen in Kontrolle zu halten, etwa in Form einer Selbst- oder Kontrollanalyse (hierzu auch Schulte-Tölle). Wer auf- grund mangelnder Ausbildung dazu nicht in der Lage ist, der verletzt die erforderliche Sorgfalt.

Nachweis

iatrogener Schädigungen in der Psychiatrie schwierig

Bei der grundsätzlich bestehenden Methodenfreiheit ist jedoch fraglich, was zu gelten hat, wenn es sich um Verfahren handelt, deren Effizienz bislang noch nicht in dem Maße er- wiesen ist wie bei den klassischen, oben-erwähnten Verfahren. Hier sei beispielhaft auf die neueren Verfah- ren, etwa die Primärtherapie (Ur- schrei-Therapie), Transaktionsana- lyse, Gestalttherapie, Realitätsthera- pie, katathymes Bilderleben, Bio- energetik, Körpertherapie und sexu- elle Therapie und auch das Psycho- drama verwiesen (Schmidt). Für alle diese Verfahren wird der Therapeut die erhöhten Sorgfaltsanforderun- gen hinnehmen müssen, wenn es zu einem Zwischenfall etwa bei der

Durchbrechung der Abwehr mit ei- ner darauf zurückzuführenden Schädigung, wie einem Suizid o. ä., gekommen ist. Hierbei wird — und daraus resultiert sicherlich ihre bis- herige Seltenheit — im Kunstfehler- verfahren in der Psychotherapie es für den Gutachter außerordentlich schwierig sein, Grundsätze, was im konkreten Fall der lex artis entspro- chen hat, zu entwickeln. Strotzka betont, daß aufgrund der Vertrau- lichkeit und Intimität von psychothe- rapeutischen Vorgängen und dem Fehlen fast jeder sozialen Kontrolle es der Natur der Sache nach sehr schwierig ist, iatrogene Schädigun- gen in der Psychotherapie nachzu- weisen. Fälle der Art, daß ein Patient im Verlauf einer psychotherapeuti- schen Übung erstickt, weil er bei ei- nem „Enthemmungstraining" zu fest in zwei Matratzen eingewickelt wurde, werden die große Ausnahme bleiben. Ebenso dürften nur gele- gentlich Fälle von Beeinflussung durch den Psychotherapeuten bei der Abgabe von Willenserklärungen rechtlich relevant werden.

Sicherlich wird für die Mehrzahl der ärztlichen Psychotherapeuten, die sich überwiegend der klassischen Verfahren bedienen, ein Vorwurf der Sorgfaltspflichtverletzung zumeist nicht auf der Anwendung eines ob- skuren Verfahrens beruhen, son- dern auf Mängeln in der Handha- bung der anerkannten Verfahren.

Daß zweifellos Kunstfehler bei der Anwendung von Psychopharmaka im Rahmen der Psychotherapie vor- kommen können, bedarf keiner be- sonderen Erwähnung. Es sei nur darauf verwiesen, daß der Therapeut die Gefahr berücksichtigen muß, daß ein Teil der genannten Medika- mente zur Abhängigkeit führt, wie viele Tranquillizer. Im Hinblick auf mögliche kardiale Nebenwirkungen oder die Gefahr der Aktualisierung latenter Suizidimpulse muß in con- creto auch geprüft werden, ob eine ambulante Behandlung ohne den Vorwurf der Sorgfaltspflichtverlet- zung durchgeführt werden kann.

Dies gilt insbesondere auch bei der Überwachung des im Delegations- verfahren mitwirkenden Psycholo-

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Aufsätze • Notizen

Psychotherapie: Arztrechtliche Fragen

gen, da dieser die rein ärztlichen Ri- siken nicht übersehen kann.

Wie groß bei der Behauptung eines eingetretenen Schadens die Schwie- rigkeit ist, einen Kausalzusammen- hang zu beweisen, hat Kind 1976 unter Schilderung von zwei eigenen Fällen und einiger Fälle aus der amerikanischen Literatur dargelegt.

Im ersten Fall hatte eine Patientin sich darüber beschwert, daß der Psychotherapeut — hier ein Psychia- ter — sie dadurch „schockiert" habe, daß er anläßlich einer körperlichen Untersuchung, bei der sie sich völlig nackt ausziehen mußte, gefragt ha- be, ob er sie in die Arme nehmen dürfe. Der betroffene Therapeut hat den Vorfall nicht bestritten und ihn wie folgt begründet: Bei sei- ner psychiatrischen testpsychologi- schen Untersuchung habe er eine

„hysteriforme Kümmerentwicklung mit psychosexueller Retardierung"

festgestellt, ferner eine schwere ve- getative Dystonie mit Anorgasmie im sexuellen Bereich. Bei der körperli- chen Untersuchung habe er nun bei der Patientin, die seelische Proble- me negiert habe, eine psychosexuel- le Reaktion gemäß Masters und Johnson festgestellt, was ihn ange- sichts der jahrelangen Anorgasmie erstaunt habe. Durch die neuroti- sche Abwehr der Patientin etwas irri- tiert, habe er „bewaffnete Aufklä- rung" treiben wollen. Die Frage an die Patientin sei mehr auf seine ex- perimentelle Einstellung zurückzu- führen. Er habe gehofft, durch sein Vorgehen die Abwehr der Patientin möglicherweise entscheidend ge- brochen zu haben — dies in ihrem und im Interesse ihrer Krankenkas- se. Sein Vorgehen habe im wohlver- standenem Interesse der Patientin und im Rahmen heutiger gruppen- dynamischer Interventionen ge- legen.

Der zweite Fall ist hier weniger inter- essant, bei dem ein nichtärztlicher Psychotherapeut an Jugendlichen beiderlei Geschlechts im Rahmen der Behandlung von Schul- und Ver- haltensstörungen sexuelle Handlun- gen begangen hat. Von den ameri- kanischen Fällen bezieht sich der

Fall Davidoff auf die sieben Jahre lange psychotherapeutische Be- handlung einer Schizophrenen, der der Therapeut eine Heilung garan- tiert haben soll; außerdem wurde die Patientin von ihm wiederholt mit Schlägen traktiert. Kind hat u. a.

auch darauf hingewiesen, wie schwierig es ist, eine Kausalität we- niger spektakulärer Schädigungen, zum Beispiel die Chronifizierung ei- ner Neurose durch unsachgemäße Psychotherapie nachzuweisen. Man könne sich noch andere mögliche Schädigungen denken als Folge ei- ner Psychotherapie, beispielsweise eine Depression, den Ausbruch ei- ner Psychose, den Verlust einer Stel- le, eventuell auch finanzielle Nach- teile, dadurch, daß der Patient vom Therapeuten abgehalten wird, recht- zeitig irgendwelche Schritte zu un- ternehmen u. a. Hinsichtlich der Mißhandlung hat Kind darauf hinge- wiesen, daß gewaltsames Brechen neurotischer Widerstände nicht zu den anerkannten Regeln der Psy- chotherapie gehöre. Auch für den erstzitierten Fall hat Kind die Tatsa- che eines psychotherapeutischen Kunstfehlers bejaht.

Gefahr möglicher Schäden nicht tragbar für den Patienten Auch Kind weist darauf hin, daß die in jüngster Zeit in die Psychothera- pie Eingang findenden sehr unkon- ventionellen Methoden Gefahren- punkte mit sich bringen. Er sagt wörtlich: „Es sind Fälle bekannt, wo nach Encounter-Gruppensitzungen schwere depressive Reaktionen mit Suizidabsichten aufgetreten sind.

Wenn der Therapeut unkontrolliert Leute in solche Gruppen aufnimmt, kann er sich nachher nicht damit herausreden, solche Reaktionen ge- hörten zum Risiko dieser Gruppen- veranstaltungen, und das sei nicht seine Sorge. Ebensowenig kann er sich seiner Verantwortung entzie- hen, wenn in solchen Gruppen, wie es vorgekommen ist, Teilnehmer einander tätlich angreifen. Ähnliche Situationen können in der Primär- therapie entstehen. Vom Therapeu- ten wird erwartet, daß er die Risiken der von ihm verwandten Methode

kennt und sich dauernd fragt, ob die Gefahr möglicher Schäden für den Patienten tragbar ist. Man ist oft er- staunt, wie unbekümmert Psycho- therapeuten ihre Patienten in tiefe, unkontrollierte Regression gleiten lassen oder zu wilden Affektabreak- tionen ermuntern".

Daß der Psychotherapeut gegebe- nenfalls auch schadenersatzpflich- tig werden kann, wenn die Therapie aus seiner Sicht erfolgreich verlau- fen ist, zeigt folgender Fall: Eine an einer schweren Angstneurose lei- dende Ehefrau, die nicht in der Lage war, Lokale, Discotheken u. ä. zu be- suchen, erlebte während der Thera- pie eine so weitgehende Persönlich- keitsnachreifung und -veränderung, daß sie wieder zum Tanz gehen kann. Hierbei lernt sie einen anderen Partner kennen und wird, gestützt durch die Psychotherapie, ihrer ver- fehlten Partnerwahl in der Ehe be- wußt. Es kommt zur Ehescheidung, in die der Ehemann nicht einwilligt.

Hier könnte der geschädigte Dritte durchaus den Versuch machen, den Therapeuten für den ihm erwachse- nen materiellen und immateriellen Schaden haftbar zu machen. Inso- fern scheint mir die oben schon er- wähnte Praxis, zum Beispiel bei Partnertherapien auf die Möglich- keiten hinzuweisen, daß eine Ehe gestört werden kann, durchaus be- rechtigt zu sein.

Ganz ähnlich könnten Fälle im Rah- men einer Familientherapie liegen.

Zum Schluß sei noch ein Fall berich- tet, dessen Kenntnis ich Professor Ehrhardt, Marburg, verdanke. Hier kam es während einer bereits neun Wochen dauernden, aber noch nicht abgeschlossenen klinisch-stationä- ren Behandlung gleichsam unter den Augen des analytischen Thera- peuten durch einen an einer Schizo- phrenie leidenden Studenten zu ei- ner Tötungshandlung, als dieser in das Haus der Eltern seiner Freundin beurlaubt wurde, und er das Mäd- chen tötete. Es war unter der Dia- gnose einer depressiven Neurose mit schizoiden Anteilen eine aus- schließlich psychoanalytische Be-

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Aufsätze -Notizen

Kassenärztliche Bundesvereinigung

Vereinbarung

Die Kassenärztliche Bundes- vereinigung — Körperschaft des öffentlichen Rechts —, Köln, ei- nerseits und der Verband der

Angestellten-Krankenkassen e. V., Siegburg, sowie der Ver- band der Arbeiter-Ersatzkassen e. V., Siegburg, andererseits vereinbaren, den Arzt/Ersatz- kassen-Vertrag vom 20. Juli 1963 — Stand 1. Januar 1980 — wie folgt zu ändern:

„Anlage 5 a (Gültig ab 1. Oktober 1980)

Anwendung von Verhaltenstherapie

A

Allgemeines

§ 1

1. Die Verhaltenstherapie ist dann eine Leistung der gesetzlichen Krankenversi- cherung und gehört zur vertragsärztli- chen Versorgung gemäß § 1 Ziffer 4 a des Arzt/Ersatzkassen-Vertrages, wenn mit dieser Therapie allein oder neben anderen ärztlichen Maßnahmen Krank- heit im Sinne der Reichsversicherungs- ordnung behandelt werden kann. Zur Krankheit im Sinne der Reichsversiche- rungsordnung gehört auch eine körperli- che, geistige oder seelische Behinde- rung, die medizinische Rehabilitations- maßnahmen notwendig macht.

Bei der Durchführung der Verhaltensthe- rapie gelten die Grundsätze der Notwen- digkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaft- lichkeit der Behandlung auch hinsicht- lich ihres Umfanges.

2. Verhaltenstherapie ist keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung und gehört nicht zur vertragsärztlichen Versorgung, wenn sie nicht der Heilung oder Besserung einer Krankheit bzw. der medizinischen Rehabilitation dient. Das gilt insbesondere für Maßnahmen, die ausschließlich zur beruflichen oder so- zialen Anpassung oder zur beruflichen oder schulischen Förderung bestimmt sind.

BEKANNTMACHUNGEN

3. Maßnahmen, die ausschließlich der Erziehungs-, Ehe-, Lebens- und Sexual- beratung und dergleichen dienen, sind keine Leistung der Vertragskassen.

4. Wird Verhaltenstherapie im Rahmen einer die gesamten Lebensverhältnisse umfassenden psychosozialen Versor- gung erbracht, so ist diese Verhaltens- therapie nur dann und soweit eine Lei- stung der gesetzlichen Krankenversiche- rung, als sie der Behandlung von Krank- heiten im Sinne des § 2 Abs. 1 dient.

5. Verhaltenstherapie als Krankenbe- handlung geht davon aus, daß die Sym- ptombildung einer psychischen Krank- heit Ergebnis einer individuellen Lernge- schichte ist und z. B. durch Verstär- kungsbedingungen aufrechterhalten bzw. fixiert wird. Die in einer Verhaltens- analyse aufgeklärten pathogenen Bedin- gungen sollen durch Verhaltenstherapie systematisch verändert bzw. aufgehoben werden, wozu eine aktive Mithilfe des Patienten und gegebenenfalls seiner Be- ziehungspersonen erforderlich ist.

Anwendungsbereich

§ 2

1. Indikationen zur Anwendung von Ver- haltenstherapie bei Behandlung von Krankheiten können nur sein:

a) psychoreaktive seelische Störungen (z. B. Angstneurosen, Phobien);

b) Konversions-, Organneurosen;

c) vegetativ-funktionelle Störungen mit gesicherter psychischer Ätiologie;

d) seelische Störungen als Folgezustän- de schwerer chronischer Krankheitsver- läufe, sofern sie noch einen Ansatzpunkt für die Anwendung von Verhaltensthera- pie bieten;

e) Trunk-, Drogen- und Medikamenten- sucht.

2. Verhaltenstherapie ist ausgeschlos- sen bei solchen psychischen Krankhei- ten, die einen Behandlungserfolg deswe- gen nicht erwarten lassen, weil dafür beim Patienten die Voraussetzungen hin- sichtlich seiner Motivationslage oder sei- ner Umstellungsfähigkeit nicht gegeben sind oder weil die Eigenarten der neuro- tischen Persönlichkeitsstruktur des Pa- tienten (ggf. seine Lebensumstände) dem Behandlungserfolg entgegen- stehen.

Arztrecht/Psychotherapie

handlung von einem analytisch ar- beitenden Psychologen in Einzelsit- zungen und in der Gruppe durchge- führt worden. Im Krankenblatt fan- den sich keinerlei differentialdia- gnostischen Überlegungen, die die Abgrenzung des beobachteten Zu- standes gegenüber einer endoge- nen Psychose betreffen. Die gesam- te Symptomatik einschließlich mas- siver Schlaflosigkeit, halluzinatori- scher Erlebnisse, schwerster de- pressiver Verstimmung, Wahnvor- stellungen wurden im Rahmen des Konzeptes der Neurose gesehen und therapeutisch angegangen. — Gerade dieser Fall zeigt, daß auch im Rahmen der ärztlichen Psycho- therapie die Sorgfaltsanforderun- gen, die aufgrund der Rechtslage bestehen, nicht hoch genug gestellt werden können. Daß dabei in erster Linie das Wohl und die individuellen Notwendigkeiten des Patienten nicht hinter der Vorliebe und der manchmal sehr einseitigen, fast weltanschaulich fixierten Rich- tungs- und Meinungsauffassung einzelner psychotherapeutischer Schulen zurücktreten dürfen, sollte immer wieder betont werden.

Nach diesen notwendigerweise mehr kursorischen Ausblicken auf einige Schwerpunkte des Arztrech- tes unter Berücksichtigung der Psy- chotherapie hoffe ich dargelegt zu haben, daß im Vordergrund wie bei allem ärztlichen Tun die Sorgfalts- pflicht im konkreten Fall steht, denn wo Sorgfalt geherrscht hat, ist keine Schuld und damit oft auch kein Haf- tungsanspruch.

(Nach einem Vortrag vom 9. Februar 1980, Seminartagung der Norddeut- schen Gesellschaft für angewandte Tiefenpsychologie, Kiel)

Literatur beim Sonderdruck Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. Dipl. Chem.

Otto Pribilla

Direktor des Instituts für Rechtsmedizin

der Medizinischen Hochschule Lübeck

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 39 vom 25. September 1980

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