Landärzte
Zu der mangelnden Solidarität unter Ärzten:
Viel Gleichgültigkeit
Man sollte meinen, dass ein besonderes Engagement zu- mindest von Kollegen gewür- digt wird, aber wie mir be- reits früher aufiel, ist die Schar der Mediziner nur zu einer sehr begrenzten Solida- rität fähig, und es entwickelt sich eher Einzelkämpfertum in Zeiten der Einkommens- einbußen, Budgets und Dif- famierungen des Berufsstan- des insgesamt.
Ein Beispiel hierfür ist der Stand der Hausärzte in länd- lichen Gebieten, die von je- her Nachwuchsprobleme hat- ten und haben, und dies aus gutem Grund. Als ich mich vor drei Jahren entschieden habe, von Frankfurt nach Kleinschmalkalden am Thüringer Rennsteig zu zie- hen, um dort eine Landarzt- praxis zu übernehmen – selbstverständlich mit dem Wissen, dass meine Klientel drastisch überaltert ist (kom- biniert mit einer generell höheren Morbidität in Thüringen im Vergleich zum Bundesgebiet), meine Ar- beitszeiten nicht in irgendei- nem Tarifvertrag zu finden sind und ich mich auf den ewigen Eiertanz zwischen wirtschaftlicher Versorgung und meinen eigenen An- sprüchen an mich als Haus- arzt einlasse – da hoffte ich zumindest auf eine Art freundschaftliche Aufnahme in den Kreis meiner umlie- genden Kollegen. Weit ge- fehlt. Von Skepsis und Di- stanziertheit über altkluge und ungeschickte Belehrun- gen bis hin zu offener Ableh- nung und Feindseligkeit reicht das Repertoire der Verhaltensweisen meiner Mitstreiter. Ob hierfür die Angst vor Konkurrenz, die Abneigung gegen alles Neue und Veränderungen jeder Art oder Vorurteile verant- wortlich sind, bleibt offen.
Die Geister schieden sich endgültig, als es um die Orga-
nisation des ärztlichen Not- falldienstes in unserem Ge- biet ging. Seit zehn Jahren decken vier Ärzte ein Gebiet mit acht Dörfern ab, was eine monatliche Belastung von mindestens einer Woche Be- reitschaftsdienst am Stück bedeutet. Diese Belastung erweitert sich noch, da es in Schulferienzeiten, durch Fortbildung oder andere freie Tage zur wesentlich höheren Anzahl von Dien- sten kommt. Nun ist die Si- tuation im benachbarten Städtchen, das durchaus noch im Einzugsgebiet liegt, we- sentlich entspannter, da hier selbstverständlich Ärzte an- derer Fachgruppen mitbetei- ligt sind. Unser Antrag auf Integration in diesen Not- dienstbezirk wurde harsch zurückgewiesen, mit dem (in- offiziellen) Argument, dass die Facharztkollegen sowieso schon lange nicht mehr einse- hen, Notdienste zu machen, da sie die Betreuung der Pa- tienten am Wochenende seit der Facharzt-Hausarzt-Tren- nung nicht mehr als ihre Auf- gabe ansehen. Außerdem will man mit den infrastrukturel- len Problemen (enge Straßen mit schlechter Beleuchtung, Schnee und Glatteis auf Sei- tenstraßen, abgelegene Häu- ser etc.) der ländlichen Ge- biete nichts zu tun haben. Ich musste lernen, dass man als Landarzt nicht nur durch ei- ne erheblich höhere Arbeits- belastung benachteiligt ist, sondern dass die Kollegen nach dem Motto „bist ja selbst schuld, wenn du aufs Land gehst“ keinerlei Solida- rität, sondern im Gegenteil eher Ablehnung entgegen- bringen. Durch die Schwan- gerschaft einer Kollegin sind wir so in Bedrängnis geraten, dass die KV eine übergangs- weise Mitbeteiligung der Stadtärzte an unseren Not- diensten beschließen musste.
Aber auch dort ist die Inte- gration unseres Gebietes ab- gelehnt worden, obwohl die Sinnhaftigkeit dieser Kleinst- notdienstgruppe längerfristig angezweifelt werden muss.
Ich bin enttäuscht darüber, dass man auch vonseiten der
Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 31–325. August 2002 AA2103
B R I E F E
Kassenärztlichen Vereini- gung das Problem der Land- ärzte verleugnet, obwohl man weiß, dass diese Gruppe der Hausärzte besonders be- lastet und in vielerlei Hin- sicht benachteiligt ist. Die Tätigkeit wird umso unat- traktiver, je weniger Aner- kennung und Unterstützung gewährt wird. Darüber, dass die (wohnortnahe) Versor- gung der Landbevölkerung in Zukunft gefährdet ist, braucht man sich nicht zu wundern, wenn es unter den Ärzten selbst so viel Gleich- gültigkeit gibt.
Petra E. Sieber,Hauptstraße 8, 98593 Kleinschmalkalden
Ärzte ohne Grenzen
Zu der Meldung „Mitarbeiter gesucht“ in Heft 26/2002:
Schlechte Erfahrung
Ich möchte Ihnen dazu mit- teilen, dass ich mich – ich bin emeritierter Chefarzt für Chirurgie und 66 Jahre alt, gesund – Anfang dieses Jah- res bei der Hilfsorganisation
„Ärzte ohne Grenzen“ für ei- nen Einsatz in Afghanistan bewarb, weil ich die russische Sprache beherrsche, die we- gen der Dostum-Truppen, wie ich weiß, gefragt ist. Ich erhielt die Aufforderung, ei- nen sechsseitigen Fragebo- gen auszufüllen, einen Le- benslauf zu schreiben, eine
Begründung meines Anlie- gens und Kopien sämtlicher Qualifikationen zu senden.
Ich erklärte, dass meine Eng- lischkenntnisse ausreichend für das „Überleben“ seien.
Schon nach wenigen Tagen erhielt ich ein Schreiben, in dem man mir lakonisch mit- teilte, dass man „mit Bedau- ern“ meinen Einsatz ablehne, da die Englischkenntnisse nicht ausreichend seien!
Meine sonstigen Qualifika- tionen wurde mit keinem Wort erwähnt. Im Übrigen bestünde kein Bedarf an Russischkenntnissen.
Meine Frage, ob man es wirk- lich für wahrscheinlich hielte, dass sich dahinsiechende Kinder, Frauen und Greise als Erstes danach erkundig- ten, ob der aus Europa ange- reiste Spezialist auch die eng- lische Sprache beherrschte, und ob es nicht das Wichtig- ste sei, die Bereitschaft über- haupt für ein solches Aben- teuer aufzubringen und natürlich über medizinische Fähigkeiten zu verfügen, wurde nicht mehr beantwor- tet.
Das Büro Rupert Neudeck teilte mir auf Anfrage mit, dass ich mich mit diesem Pro- blem vertrauensvoll an „Ärz- te ohne Grenzen“ wenden müsse.
Meine Freunde sagten mir:
„Nimm’s als Zeichen von oben!“ Was ich auch tat.
Dr. med. Clemens Weiss, Weinbrennerstraße 20, 04320 Leipzig
Krebsregister
Zu dem Interview mit Prof. Dr. med.
Rolf Kreienberg „Wie eine Fahrt im Nebel ohne Radar“ in Heft 18/2002:
Machbar
„ . . . Es geht nicht ohne, wenn es auch schwer fällt.“
Und ich darf versichern: Es fällt schwer! Ich spreche aus Erfahrung, denn in der früheren DDR wurde genau das praktiziert, was Prof.
Kreienberg, als Präsident der Deutschen Krebsgesell- schaft, für das gesamte Bun- desgebiet fordert, nämlich
ein Krebsregister für alle Krebsarten. Es wurde prakti- ziert, wenn oft auch unter Stöhnen und mithilfe ange- leiteter Sekretärinnen. Es ist also machbar. Insofern war es für die Kollegen aus dem Land Brandenburg etwas nicht ganz Neues.
Ob diese wünschenwerte Einrichtung allerdings bei dem heutigen Arbeitsauf- wand an nichtärztlichen Lei- stungen noch zumutbar ist, kann ich, als nicht mehr be- rufstätiger Kollege, nicht ent- scheiden.
Dr. med. Ludwig Wolff, Schützenhofstraße 92, 01129 Dresden