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Archiv "Neuer Gesetzentwurf zum Paragraphen 218: Fristenlösung mit Beratungspflicht" (22.05.1992)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Neuer Gesetzentwurf zum Paragraphen 218

In der Diskussion über die Re- form des Paragraphen 218 StGB sind die Bonner Abgeordneten offenbar einen entscheidenden Schritt weiter- gekommen. In einem Gruppenan- trag haben sich Parlamentarier der SPD und FDP auf einen Entwurf für eine Abtreibungsregelung geeinigt, der eine Fristenlösung mit Bera- tungspflicht vorsieht. Voraussicht- lich werden auch Abgeordnete der Unionsfraktion und der Gruppe Bündnis 90/Grüne dem Vorschlag zustimmen. Damit könnte dem Ent- wurf eine Mehrheit im Bundestag beschieden sein.

In weiten Teilen entspricht diese Initiative dem bereits vor einem Jahr auf dem 94. Deutschen Ärztetag in Hamburg verabschiedeten Beschluß, der ebenfalls weitgehende Straffrei- heit und Pflichtberatung — allerdings im Rahmen einer Indikationenlö- sung! — vorsieht (Deutsches Ärzte- blatt, Heft 20/1991). Der Mehrheits- entwurf der CDU/CSU-Fraktion sieht eine Indikationsregelung vor.

Vor jeder Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch muß eine ärztliche Beratung stattgefunden ha- ben — ein Entwurf, der bei den Ärz- ten auf entschiedenen Widerstand stößt. Es könne nicht Aufgabe der ärztlichen Tätigkeit sein, Notlagen zu definieren, die nicht objektivier- bar sind. Die Frau soll nach Vorstel- lung der Ärzte eigenverantwortlich die Entscheidung treffen, nachdem sie umfassend beraten wurde. Au- ßerdem halten es die Ärzte — so auch der letztjährige Ärztetag — für un- zumutbar, daß nach Vorstellungen der Union der beratende Arzt den Schwangerschaftsabbruch auch selbst vornehmen soll.

„Lebensschutz durch Rat und Hilfe für

die Schwangere"

Auch dieser Kritik trägt der neue Gesetzentwurf Rechnung. Dort heißt es: „Die Beratung hat durch ei- ne aufgrund Gesetzes anerkannte

Beratungsstelle zu erfolgen. Der Arzt, der den Schwangerschaftsab- bruch vornimmt, ist als Berater aus- geschlossen." Dr. Ingeborg Retzlaff, Präsidentin des Deutschen Ärztin- nenbundes, begrüßte im Kölner „Ex- press" den Reformvorschlag. Außer der Betonung der Eigenverantwort- lichkeit der Frau sei wichtig, „daß der betreffende Arzt neben der übli- chen Dokumentation in den Patien- tenakten keine zweite Dokumentati- on über eine Schwangerschaftsbera- tung und den Abbruch anlegen muß." Eine solche Dokumentation hätte das Vertrauensverhältnis zwi- schen Arzt und Patient zerstört.

Dagegen, daß nach dem Ent- wurf auch ambulante Schwanger- schaftsabbrüche zugelassen werden, hat Ingeborg Retzlaff nichts einzu- wenden. Voraussetzung sei jedoch, daß die notwendigen Einrichtungen und das notwendige Fachpersonal vorhanden seien.

Der Präsident der Bundesärzte- kammer erklärte jedoch gegenüber der Tageszeitung „Die Welt": „Eine reine Fristenlösung können wir nicht verantworten. Wir haben uns auf dem letzten Ärztetag für ein Indika- tionsmodell ausgesprochen."

Die Liberalen und die Sozialde- mokraten sind in diesem Antrag ei- nen entscheidenden Schritt aufein- ander zugegangen. So gab die SPD ihre Forderung auf, wonach die Be- ratung lediglich freiwillig sein sollte.

Die Sozialdemokraten haben offen- sichtlich erkannt, daß eine andere Lösung in jedem Fall zum Scheitern durch das Verfassungsgericht verur- teilt gewesen wäre.

Die Frau solle medizinisch, sozi- al und juristisch informiert werden.

„Die Beratung dient dem Lebens- schutz durch Rat und Hilfe für die Schwangere unter Anerkennung des hohen Wertes des vorgeburtlichen Lebens und der Eigenverantwortung der Frau. Sie soll die Schwangere in die Lage versetzen, eine verantwor- tungsbewußte eigene Gewissensent- scheidung zu treffen."

Der Anspruch auf Beratung um- faßt unter anderem Informationen über Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung; Vorsorgeun- tersuchungen bei Schwangerschaft, die Kosten der Entbindung; sozia- le und wirtschaftliche Hilfen für Schwangere sowie die rechtlichen und psychologischen Gesichtspunkte im Zusammenhang mit einer Adop- tion.

Die Schwangere ist darüber hin- aus bei der Wohnungssuche, bei der Suche für Betreuungsmöglichkeiten für das Kind und bei der Fortsetzung ihrer Ausbildung zu unterstützen.

Zur Beratung gehört auch die Nach- betreuung nach einer Abtreibung oder nach Austragen der Schwanger- schaft. Die Länder sollten ein ausrei- chendes Angebot an Beratungsstel- len zur Verfügung stellen. „Versi- cherte bis zum vollendeten 20. Le- bensjahr haben Anspruch auf Ver- sorgung mit empfängnisverhütenden Mitteln, soweit sie ärztlich verordnet werden."

Entscheidung der Abgeordneten ohne Fraktionszwang

Eine Abtreibung bleibe grund- sätzlich dann strafbar, wenn gegen den Willen der Schwangeren gehan- delt oder wenn leichtfertig der Tod oder eine schwere Gesundheitsschä- digung der Schwangeren verursacht werde. Die Fristenregelung gilt bis zur zwölften Woche. Allerdings han- dele die Frau auch dann nicht straf- bar, wenn die Abtreibung von einem Arzt vorgenommen wurde und seit der Empfängnis nicht mehr als 22 Wochen verstrichen sind.

Laut Einigungsvertrag muß bis Ende dieses Jahres die Neuregelung des Paragraphen 218 abgeschlossen sein. Bisher gilt in den neuen Bun- desländern die Fristenlösung und in der alten Bundesrepublik die Indika- tionenregelung. Ob sich der Gesetz- entwurf durchsetzt, hängt davon ab, wieviel Unionsabgeordnete ihm zu- stimmen werden. Einen Fraktions- zwang gibt es zwar nicht, doch haben einige CSU-Parlamentarier ihren Unmut darüber geäußert, daß be- reits jetzt Abgeordnete der CDU den Gruppenantrag unterstützen. Kli

Fristenlösung mit Beratungspflicht

A1-1946 (44) Dt. Ärztebl. 89, Heft 21, 22. Mai 1992

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