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Archiv "Die Struktur der kassenärztlichen Versorgung in Nordwürttemberg" (15.08.1974)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

THEMEN DER ZEIT:

Die Struktur der kassenärztlichen Versorgung in Nordwürttemberg

FORUM

Thesen zur Verwirklichung des klinischen

Ausbildungsteiles

der Approbationsordnung für Ärzte

PERSONALIA

PREISE:

Ausschreibung der Stiftung Hufeland-Preis für Arbeiten über „vorbeugende

Gesundheitspflege"

BEKANNTMACHUNGEN

REISE

WIRTSCHAFT:

Flaute ist nicht überall

PRAXIS UND HAUS

AUTO:

BMW 1602:

sparsam und komfortabel

Obwohl in der Bundesrepublik Deutschland wie in kaum einem anderen Staat relativ viel Ärzte für die ambulante und die stationäre ärztliche Versorgung zur Verfü- gung stehen, reißen die Äußerun- gen der Politiker, die Meldungen und Berichte aus einzelnen Teilge- bieten der Bundesrepublik über eine angeblich nicht ausreichende, ja geradezu unzureichende ärztli- che Versorgung nicht ab.

Die Berichte kranken alle an ihrer Subjektivität. Die Politiker, die örtli- chen Gemeindevertreter, die Jour- nalisten, die Bürger machen sich ihre eigenen Normen von einer

„ausreichenden ärztlichen Versor- gung" und so wird es — überspitzt ausgedrückt — immer Klagen ge- ben, solange nicht jeder Bürger seinen eigenen Arzt hat.

Klammert man offensichtlich unbe- rechtigte Forderungen aus, wie beispielsweise den Wunsch eines Bürgermeisters einer kaum tau- send Seelen beherbergenden Ge- meinde nach dem eigenen „Dorf- arzt" ohne Rücksicht auf dessen Existenzfähigkeit und trotz guter Verkehrsbedingungen in die etwa 5 km entfernte Stadt, so bleiben doch immer eine Anzahl Hinweise und Meldungen übrig, die anderer- seits eine gewisse Benachteiligung bestimmter Bevölkerungskreise — vor allem auf dem flachen Land — wiederum eindeutig erkennen las- sen.

So wie alle anderen Kassenärztli- chen Vereinigungen bemüht sich auch die Kassenärztliche Vereini- gung Nordwürttemberg (KV NW) seit Jahren mit Erfolg, diese Lük- ken zu schließen. Doch handelt es sich hier um eine Daueraufgabe, denn durch Tod, Praxisaufgabe in- folge Alter oder Krankheit und aus anderen Gründen entstehen immer wieder zum Teil sehr plötzlich neue Lücken, die schnellstens ge- schlossen werden müssen. Bei der KV NW, die in einem Gebiet von etwa 3,5 Millionen Einwohnern die ärztliche Versorgung und damit bei über 90 Prozent versicherter Bevöl- kerung im Grunde die gesamte am- bulante ärztliche Versorgung si- cherzustellen hat, sind jährlich etwa 60 solcher neu auftretenden Lücken wieder zu füllen (bei 158 Neuzulassungen und Neubeteili- gungen im Jahre 1973).

Für diese Bemühungen, akute Lük- ken zu füllen, benötigt man heute keine grundlegenden Überlegun- gen, dargelegt in großen Analysen, da es nicht darauf ankommt, einen Überfluß an Ärzten zu verteilen, sondern sozusagen von der Hand in den Mund die jeweils plötzlich eintretenden Mängel zu beseitigen.

Pläne, Analysen usw. können hier auch wenig helfen, da sich Tod und Krankheit meist nicht voraus- sehen und einplanen läßt. Hier reißt ein Infarkt oder ein Unfall ei- nen Arzt aus seinem Schaffen, der noch für 20 Jahre „verplant" war,

Die Struktur

der kassenärztlichen Versorgung in Nordwürttemberg

Rolf Liebold

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 33 vom 15. August 1974 2431

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dort arbeitet ein gemäß Plan "ab- geschriebener" Arzt, Gott sei Dank!, munter und intensiv mit 75 Jahren weiter. Hier sind Menschen im Ein- satz und keine Maschinen mit pro- grammierbarer Einsatzdauer.

Regelmäßige Analysen notwendig Trotz dieser pragmatischen Erfah- rungen erschien es auch der KV NW sinnvoll, in regelmäßigen Ab- ständen gewisse Analysen über die kassenärztliche Versorgung. anzu- stellen. Die Gründe hierfür waren vor allem:

..,. Es strömen mehr Ärzte nach Nordwürttemberg, als zur Füllung der gröbsten Lücken erforderlich sind. Dieses Mehr soll möglichst sinnvoll verteilt werden.

..,. Die Ärzte, die ja nicht zwangs- eingewiesen werden können und sollen, müssen ausreichend bera- ten und somit sinnvoll gelenkt wer- den (Ort, Fachgruppe).

..,. Neben dem plötzlichen Bedarf zur Schließung akuter Lücken ent- steht ständig und entwickelt sich allmählich immer stärker ein Be- darf auf Grund struktureller Wand- lungen (Bevölkerungswanderung, Bedarfszuwachs, Altersstruktur usw.).

..,. Finanzielle Förderungsmaßnah- men der KV NW bedingen langfri-

stigere Aussagen über förderungs- würdige Orte.

..,. Land und Bund benötigen Mate- rial für Diskussionen über langfri- stige Maßnahmen hinsichtlich des ärztlichen Nachwuchses.

..,. Der heutige Stand des Daten- materials und der Datenverarbei- tung gibt die Möglichkeit für derar- tige Analysen.

Die vier Kassenärztlichen Vereini- gungen in Baden-Württemberg ha- ben deshalb ein einheitliches Sy- stem für eine Strukturanalyse aus- gearbeitet, um wenigstens in be- nachbarten Räumen Vergleiche über die KV-Grenzen hinaus an- stellen zu können und um die Lan- desregierung mit einheitlichem Ma- terial zu versorgen. Ein bundesein- heitlicher Mindeststandard für der- artige Strukturanalysen wird ange- strebt.

Die vier KVen in Baden-Württem- berg zumindest beabsichtigen ihre einheitlichen Analysen auszubauen und jährlich zu ergänzen, da Mo- mentaufnahmen wenig, Verlaufs- analysen über Jahre aber wesent- lich mehr Aussagen für die nähere Zukunft abgeben.

Hohe Arztdichte

Die Strukturanalyse 1973 der KV NW untersucht im ersten Teil einen

Tabelle 1: An der kassenärztlichen Versorgung insgesamt teilneh- mende Ärzte

Gebiet Einwohner*) Ärzte*) Einwohner je Arzt

Nordwürttemberg 3 484 060 3033 1148

Südwürttemberg 1 477 784 1219 1212

Nordbaden 2 394 459 2256 1061

Südbaden 1 854 544 1686 1100

Baden-Württemberg 9 210 847 8194 Zum Vergleich:

Bayern**) 10 778 661 8904

*} Stand 30. Juni 1973

**} Stand 1972

=

Ulbrich, DÄ 14/1974, S. 1019 ff.

2432 Heft 33 vom 15.August 1974 DEUTSCHES ARZTEBLATT

augenblicklichen Stand von 3033 Ärzten nach

[> Fachgruppen,

[> Alter,

[> politischen Kreisen,

[> Gemeindegrößenklassen,

[> Einzel-, Doppel-, Mehrfacharzt-

sitzen .

Hieraus ergibt sich eine Fülle von Tabellen, die Aussagen für Nord- württemberg und für die einzelnen 13 Kreise innerhalb Nordwürttem- bergs geben sollen. Der reine Zah- lenvergleich, der zum Teil erhebli- che Unterschiede erkennen läßt, ohne Kenntnis der jeweiligen örtli- chen Verhältnisse würde jedoch zu erheb I ichen Fehleinschätzungen führen. Die Strukturanalyse ist so- mit nur in der Hand des Sachkun- digen von tatsächlicher Aussage- kraft. Hierfür ein Beispiel: Bei 3033 Ärzten ergibt sich für Nordwürttem- berg ein Gesamtdurchschnitt von 1148 Einwohnern je Arzt, der im Vergleich zu den drei anderen KV- Gebieten in Baden-Württemberg oder beispielsweise zu Bayerns durchaus im Rahmen liegt (s. Ta- belle 1). Diese Zahlen für die fünf in der Tabelle 1 aufgeführten Kas- senärztlichen Vereinigungen lassen eine insgesamt ausreichende am- bulante ärztliche Versorgung nach den bisheringen, nicht standardi- sierten Erfahrungen erkennen.

Aber der Durchschnitt von 1148 Einwohnern je Arzt in Nordwürt- temberg enthält einerseits einen Durchschnitt von 718 Einwohnern je Arzt in Stuttgart oder 726 im Stadtkreis Heilbronn, aber auch einen Durchschnitt von 1767 Ein- wohnern je Arzt im Hohenlohe- Kreis oder sogar 1827 Einwohnern je Arzt im Landkreis Heilbronn.

Es wäre einfach Unsinn, hieraus schon auf eine Unterversorgung des Landes schließen zu wollen.

Fachärzte können sich nur an zen- tralen, allgemein von den Patienten erreichbaren Punkten niederlas- sen, auch für Allgemeinärzte gilt dies in eingeschränktem Umfang.

Forderungen nach Gemeinschafts- praxen oder Praxisgemeinschaften würden eine Konzentrierung der

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Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen Strukturanalyse Nordwürttemberg

Ärzte auf Städte, wie sie die vorge- nannten Zahlen widerspiegeln, nur noch fördern.

Betrachtet man die Allgemeinärzte allein, werden die Unterschiede zwischen den Städten und den Landkreisen wesentlich geringer, so daß man keineswegs von einer

„Entblößung des flachen Landes"

sprechen kann, insbesondere dann nicht, wenn man berücksichtigt, daß die praktischen Ärzte, die am Rande der Städte sitzen, die näch- sten Orte im Landkreis mit versor- gen. Hier ergeben sich folgende durchschnittliche Einwohnerzahlen je praktischen Arzt/Allgemeinarzt:

Nordwürttemberg 2481 Stadt Heilbronn 2525

Stuttgart 2141

Hohenlohe-Kreis 2650 Landkreis Heilbronn 2661 Diese Abweichungen zueinander sind nicht besorgniserregend. Man wird sich jedoch bemühen, sie möglichst noch abzubauen, z. B.

durch finanzielle Anreize, sich in den Landkreisen niederzulassen, doch werden — und man sollte da gar nicht drum herumreden — im- mer zahlenmäßige Unterschiede auf Grund struktureller Verschie- denheiten verbleiben. Wie nicht je- des Dorf eine Schule, einen Super- markt haben kann, so wird auch nicht jedes Dorf einen Arzt erhal- ten können!

Mangel an Allgemeinärzten

Der Vergleich mit den drei anderen Kassenärztlichen Vereinigungen in Baden-Württemberg zeigt für Nord-

württemberg eine ungünstigere Si- tuation hinsichtlich der Versorgung mit praktischen Ärzten / Ärzten für Allgemeinmedizin (s. Tabelle 2).

Die Gründe liegen wohl darin, daß Nordwürttemberg das am stärksten industrialisierte Gebiet Baden- Württembergs ist; die damit ver- bundene Verstädterung führt dazu, daß Ärzte, die unbedingt in dieser Gegend praktizieren wollen, auch eine Existenzmöglichkeit als Fach- arzt finden, während Ärzte, die bei- spielsweise in anderen Gebieten ihrer Heimat verbleiben wollen, schon aus diesen Gründen mehr zum praktischen Arzt tendieren müssen.

Vielfältige Förderungsmaßnahmen sollen die Situation hinsichtlich der Versorgung durch praktische Ärzte verbessern. Hierzu gehören u. a.:

1. Kredite bis zu insgesamt 220 000 DM, die über die KV NW bei der Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte und bei

der Landeskreditbank zu günstigen Zins- und Tilgungsbedingungen und mit Bürgschaft der KV NW für förderungswürdige Allgemeinpra- xen auf dem Lande beschafft wer- den können,

2. Umsatzgarantien für derartige förderungswürdige Allgemeinpra- xen;

3. Anlaufkredite bis zu weiteren 100 000 DM der KV NW, eben- falls für solche förderungswürdige Praxen.

Die Strukturanalysen für 1974 und 1975 werden aufzeigen, ob es da- mit gelingt, die Durchschnittszah- len in einzelnen Kreisen zu verbes- sern und den allgemeinen Trend zuungunsten der praktischen Ärzte zu brechen, zumindest aber abzu- mindern. Nach § 15 Abs. 2 der Zu- lassungsordnung für Ärzte sollte die Zahl der Fachärzte im allge- meinen ein Drittel der Gesamtzahl der Kassenärzte betragen. Von ei- nem derartigen Verhältnis spricht heute niemand mehr, alle sind zu- frieden, wenn eine Norm von 50 Prozent zu 50 Prozent langfristig gehalten werden kann, was für Nordwürttemberg bereits nicht mehr zutrifft (s. Tabelle 3).

Dle Therapie

an der Wurzel ansetzen!

Durch noch so großzügige finan- zielle Förderungsmaßnahmen sei- tens der Kassenärztlichen Vereini- Tabelle 3: Verhältnis Praktische Ärzte und Ärzte für Allgemeinmedi- zin : Fachärzte

Gebiet Prakt. Ärzte Fachärzte Anteil an der

Allgemein- Gesamtzahl

ärzte Praktiker : Fachärzte

Nordwürttemberg 1404 1629 46 : 54

Südwürttemberg 653 566 54 : 46

Nordbaden 1062 1194 47 : 53

Südbaden 889 797 53 : 47

Baden-Württemberg 4008 4186 49 : 51

Tabelle 2: An der kassenärztlichen Versorgung teilnehmende prak- tische Ärzte/Ärzte für Allgemeinmedizin

Gebiet Ärzte Einwohner je Arzt

Nordwürttemberg 1404 2481

Südwürttemberg 653 2263

Nordbaden 1062 2255

Südbaden 889 2086

Baden-Württemberg 4008 2298

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 33 vom 15. August 1974 2433

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gungen ist hier ohnehin nichts zu gewinnen, weil mit solchen Maß- nahmen nur ein Mangel anders verteilt werden kann, d. h. weil hierdurch nur eine KV der anderen die praktischen Ärzte abwirbt. Al- lein durch einen grundlegenden Anschauungswandel bei den Medi- zinstudenten und den in der Wei- terbildung befindlichen Assistenz- ärzten könnte hier eine merkbare Besserung eintreten, die sich im Augenblick trotz aller entsprechen- der Bemühungen im Kreise der Kassenärztlichen Vereinigungen noch nicht absehen läßt.

Den bereits vorgenannten 158 Neu- zulassungen und Neubeteiligungen im Jahr 1973 in Nordwürttemberg standen 76 Abgänge gegenüber.

Der „Gewinn" von insgesamt 82 Ärzten setzt sich aber aus 75 Fach- ärzten und nur sieben praktischen Ärzten/Ärzten für Allgemeinmedizin zusammen. Dies ist eine unbefrie- digende Zahl.

Bei einem Einführungslehrgang im März 1974 haben sich von 110 Teil- nehmern nur 32 für eine Niederlas- sung als praktischer Arzt interes- siert. Dagegen wollen allein 35 die- ser Ärzte Internisten werden. Aus diesen Gründen untersuchen die Strukturanalysen in Baden-Würt- temberg auch die sogenannte „Pri- märversorgung" oder „Basisver- sorgung", indem zu den prakti- schen Ärzten/Ärzten für Allgemein- medizin noch die Internisten, die Kinderärzte und Frauenärzte hinzu- gezogen werden (s. Tabelle 4).

Die Tabelle 4 zeigt die Zahl der Einwohner je Primärarzt und läßt keine wesentlichen Unterschiede zwischen den vier Kassenärztli- chen Vereinigungen in Baden- Württemberg erkennen. Innerhalb Nordwürttembergs ergeben sich aber auch hier gravierende Unter- schiede, da auch die zur primär- ärztlichen Versorgung hinzuge- rechneten Internisten, Frauen- und Kinderärzte sich nicht in kleineren Gemeinden niederlassen und es auch äußerst fraglich ist, ob sie dort bei den allgemeinen Verkehrs- strömen zur nächsten Stadt eine wirkliche Existenz in einer moder- nen, gut ausgestatteten Praxis hät- ten!

Stadt Heilbronn: 1165 Einwohner je

„Primärarzt"

Stuttgart: 1108 Einwohner je „Pri- märarzt"

Hohenlohe-Kreis: 2069 Einwohner je „Primärarzt"

Landkreis Heilbronn: 2111 Einwoh- ner je „Primärarzt"

Die Tatsache, daß relativ viel Inter- nisten und auch Frauenärzte in die kassenärztliche Versorgung strö- men, hilft also kaum, das Problem einer intensiven ärztlichen Versor- gung ausgesprochener Landgebie- te zu lösen.

Interessant sind auch die Untersu- chungen über die Verteilung der Kassenärzte auf Einzel-, Doppel- oder Mehrfacharztsitze. Diese Un- tersuchungen erfolgten, da selbst-

verständlich die ärztliche Versor- gung besonders in Einzelarztsitzen gefährdet ist, wenn dieser Arzt aus- fällt oder infolge zunehmenden Al- ters oder Krankheit seine Lei- stungsfähigkeit nachläßt. Dies gilt auch für die meisten Doppelarztsit- ze, da hier ebenfalls eine sehr star- ke Inanspruchnahme festzustellen ist. Insgesamt 198 praktische Ärz- te/Ärzte für Allgemeinmedizin sind in Einzelarztsitzen und weitere 160 in Doppelarztsitzen niedergelas- sen. Hinzu kommen vier Internisten und zwei Kinderärzte in solchen Arztsitzen (insgesamt 364 Primär- ärzte in Einzel- oder Doppelarzt- sitzen).

Jeden Ausfall kann man nicht vor- aussehen, aber bei Ärzten, die vor 1910 geboren sind, ist die Gefahr relativ groß. Die Strukturanalyse für Nordwürttemberg zeigt, daß 14 praktische Ärzte in Einzelarztsitzen und 17 in Doppelarztsitzen nieder- gelassen und vor 1910 geboren sind. Hier muß die Planung der nächsten Zeit ganz besonders be- rücksichtigen, daß bald eine Er- leichterung oder ein Ersatz folgen kann.

In einer Sonderaktion hat die KV NW alle Ärzte in Einzel- und Dop- pelarztsitzen angeschrieben und im Rahmen eines ausführlichen Fragebogens erkundet, welche Ab- sichten hinsichtlich Praxisaufgabe, Übergabe an einen bereits vorhan- denen Nachfolger bestehen und wie diese Ärzte selbst die Wieder- besetzung ihres Arztsitzes ein- schätzen. Zusammen mit den bei der KV NW vorhandenen Abrech- nungsunterlagen ergeben sich hieraus wichtige Indizien, wo dem- nächst ein Neubedarf entstehen kann. Zuzüglich einiger Orte, die unbedingt neu einen Arztsitz be- kommen sollten, und weiterer Orte, in denen ein jüngerer Arzt plötzlich ausgefallen ist, ergaben sich 46 Gemeinden, in denen ein Arztsitz als besonders förderungswürdig — weil dringlich zu besetzen — vom Vorstand der KV NW festgestellt wurde. Infolge der mit dieser Aner- kennung verbundenen günstigen fi- nanziellen Möglichkeiten gelang es Tabelle 4: An der kassenärztlichen Versorgung teilnehmende „Pri-

märärzte" (Praktische Ärzte/Ärzte für Allgemeinmedizin, Internisten, Frauenärzte, Kinderärzte)

Gebiet „Primärärzte" Einwohner je Primärarzt

Nordwürttemberg 2200 1584

Südwürttemberg 924 1599

Nordbaden 1638 1462

Südbaden 1291 1437

Baden-Württemberg 6053 1522

2434 Heft 33 vom 15. August 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze Notizen

Strukturanalyse Nordwürttemberg

in relativ kurzer Zeit (innerhalb von fünf Monaten!), 26 wieder zu beset- zen.

Die Strukturanalysen der vier Kas- senärztlichen Vereinigungen Ba- den-Württembergs geben auch Auskunft über die Verteilung der Ärzte der verschiedenen Fachge- biete auf die Gemeinden, unterglie- dert nach Gemeindegrößenklassen.

Eine kurze Zusammenfassung für Nordwürttemberg in der Tabelle 5 zeigt, daß die meisten Ärzte sich in Orten zwischen 10 000 und 100 000 Einwohnern niedergelassen haben.

Durch die Kreisreform in Baden- Württemberg ist es zur Bildung von künstlichen politischen Großge- meinden gekommen, die in Wirk- lichkeit aus einer Anzahl kleinerer, örtlich völlig getrennter Orte beste- hen. Für die Zukunft wird man also nicht mehr von diesen neuen politi- schen Gemeinden ausgehen kön- nen, sondern wird eigene Wege be- schreiten müssen, um die realen Verhältnisse im Lande berücksich- tigen zu können (Tabelle 5).

Mehr junge

Allgemeinmediziner gewinnen!

Die Untersuchungen in den Struk- turanalysen zur Altersschichtung der Ärzte zeigt für Nordwürttem- berg, daß sich die größte Gruppie- rung bei den praktischen Ärzten/

Allgemeinärzten in der Altersgrup- pe 1910 bis 1914 befindet (26 Pro- zent), während dies bei den Fach- ärzten in der Altersgruppe 1920 bis 1924 (25,2 Prozent) der Fall ist. 45,5 Prozent der praktischen Ärzte/Ärz- te für Allgemeinmedizin, aber nur 21,8 Prozent der Fachärzte sind

1914 oder früher geboren. Der un- terproportionale Zufluß an jungen praktischen Ärzten zusammen mit dem zu erwartenden überpropor- tionalen Abgang in dieser Fach- gruppe wird die Situation in den nächsten Jahren mit Sicherheit nicht günstiger gestalten. Schuld hieran sind aber nicht die Kassenärztlichen Vereinigungen, helfen kann hier die Bildung von Gemeinschaftspraxen oder gar die

„Sozialisierung" der ambulanten Medizin mit Sicherheit nicht.

Der Ersatz der individuellen Ver- pflichtung des Arztes, die Einwoh- ner seiner Dörfer zu versorgen, durch ein mehr beamtenmäßiges Denken in einem Ambulatorium oder ähnlichem, der dann zu reali- sierende Anspruch auf geregelte Arbeitszeit, würde im Gegenteil eher zu einer Katastrophe führen.

Es gibt nur eine einzige vernünftige Lösung: Es müssen mehr Ärzte für die Allgemeinmedizin interessiert und ausgebildet werden! Sosehr sich die KVen im allgemeinen und gerade der Vorsitzende der Kas- senärztlichen Vereinigung Nord- Württemberg, Prof. Dr. med. Sieg- fried Häußler, hierum bemühen, es bleibt in erster Linie eine Aufgabe der Kultusministerien, der Universi- täten und der Krankenhäuser.

Die KV NW versucht von sich aus, hier zu helfen durch

> Zuschüsse für die Beschäfti- gung von Famuli in Allgemeinpra xen,

> Unterstützung für die Beschäfti- gung von Weiterbildungsassisten- ten in Allgemeinpraxen,

> Finanzierung zusätzlicher Assi- stenzarztstellen in Krankenhäusern zur Weiterbildung zum Allgemein- arzt.

Selbstverständlich mag der größe- re Zustrom an jüngeren Ärzten zur freien Praxis, der etwa ab 1975 all- gemein erwartet wird, im Zusam- menhang mit der intensiven Nie- derlassungsberatung durch die KVen und den finanziellen Förde- rungsmaßnahmen mehr Ärzte be- wegen, sich trotz vorhandener Facharztanerkennungen als Allge- meinärzte niederzulassen. Bis sich aber tatsächlich derartige Auswir- kungen zeigen, geht der Kampf um jeden praktischen Arzt weiter, ein Kampf, der mit Erfolg und Sachver- stand praktisch nur durch die Kas- senärztlichen Vereinigungen ge- führt werden kann.

Der Vollständigkeit halber sei noch bemerkt, daß die Strukturanalysen sich auch mit der apparativen Aus- stattung der Arztpraxen ausführlich befassen. So verfügen beispiels- weise unter den 3033 Kassenärzten in Nordwürttemberg 1006 über ein EKG, 709 Ärzte haben ein kleines und 1396 Ärzte ein mittleres oder großes Laboratorium. 969 Ärzte führen Röntgenleistungen aus, 531 Endoskopien und 1982 physikali- sche Leistungen. Das apparative Angebot ist breit gefächert und geht heute bis zur Trainings-Dialy- se in der freien Praxis. Die Kassen- ärzte sind mit Sicherheit allen An- forderungen, die tatsächlich an die ambulante ärztliche Versorgung ge- stellt werden, gewachsen.

Auf die Verlaufsstatistiken aus den Jahren 1971, 1972 und 1973 näher einzugehen wäre hier sehr schwie- rig, da sich infolge der Kreisreform in Baden-Württemberg erhebliche Verschiebungen ergeben haben, die zum Teil bis zu 25 Prozent der Bevölkerung eines Regierungsbe- zirks umfaßten.

Anschrift des Verfassers:

Diplom-Betriebswirt Rolf Liebold 7 Stuttgart 70 Jahnstraße 30 Tabelle 5: Niederlassungsorte der Ärzte nach Ortsgrößenklassen

jeweils in Prozent der Gesamtzahl

Einwohner je Ort Praktische Ärzte Primärärzte alle Ärzte

über 100 000 23,9 29,1 34,4

10 001 —100 000 38,6 45,3 46,0

bis 10 000 37,5 25,6 19,6

100,0 100,0 100,0

2436 Heft 33 vom 15. August 1974 DEUTSCHES ARZTEBLATT

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