eit Jahren bemüht sich die Kassenärztliche Bundesverei- nigung um eine tragfähige, dauerhafte Vergütungssystematik für Laborleistungen. Bislang jedoch oh- ne durchschlagenden Erfolg: Von al- len Eingriffen unbeeindruckt, ist die Leistungsmenge von O III im Spezi- allabor von 1988 bis 1996 jährlich um
12,5 Prozent gewachsen. Alle ande- ren ärztlichen Leistungen blieben in ihrer Wachstumsdynamik deutlich dahinter zurück.
Zusätzliche Brisanz gewinnt die Diskussion um die Laborleistungen durch offenkundige Mißstände, die das „Labor“ als ärztliche Leistung in- nerhalb der vertragsärztlichen Ver- sorgung insgesamt gefährden. Es droht die Abwanderung in den ge- werblichen Bereich, wie Dr. Winfried Schorre vor der Vertreterversamm- lung unmißverständlich erklärte. Der Laborarzt, so der KBV-Vorsitzende
weiter, solle auch in Zukunft Teil der vertragsärztlichen Versorgung sein –
„allerdings nicht in der Ausprägung, wie diese sich in industrieabhängigen Großlabors entwickelt hat“.
Konkret will die KBV insbeson- dere den Auswüchsen begegnen, die in jüngster Zeit offen kolportiert wer- den. Das sind einerseits sogenannte
Koppelungsgeschäfte, bei denen La- borärzte im Austausch gegen teure O-III-Leistungen die Erbringung von O- I- und O-II-Leistungen „subventio- nieren“. Andererseits habe sich ein bundesweiter „Probentourismus“ eta- bliert, in dessen Folge Laborleistungen bei den Kassenärztlichen Vereinigun- gen abgerechnet werden, die den höch- sten Punktwert zahlen. Schorre wies im Zusammenhang mit diesen Miß- ständen auf die steigende Zahl staats- anwaltschaftlicher Ermittlungen hin.
Der Vertreterversammlung prä- sentierte der KBV-Vorsitzende nun
ein in sich schlüssiges Konzept zur Neugestaltung des Laborbereichs, das mit Hilfe der Unternehmungsbera- tung McKinsey zustande gekommen ist. Eine erneute „Honorarumvertei- lung zugunsten bestimmter Arztgrup- pen“ sei damit nicht verbunden, be- tonte Schorre vorweg.
Mehr Transparenz und Mengenbegrenzung
Die Kernelemente der ange- strebten Neugestaltung sind die Schlüsselbegriffe Vergütung, Men- genbegrenzung und Transparenz. Das Konzept sieht bei der künftigen Ho- norierung der Laborleistungen fol- gendes vor:
c die Trennung der Vergütung in einen ärztlichen Vergütungsanteil sowie einen Kostenanteil;
c die bundeseinheitliche Neu- bewertung der Kosten für O-III-Para- meter auf DM-Basis anhand betriebs- wirtschaftlicher Er- hebungen;
c die Vergü- tung der ärztlichen Leistungen über arzt- gruppenspezifische Zuschläge zur Ordi- nationsgebühr und
c die Einfüh- rung einer fallzahl- abhängig abgestaf- felten „Konsiliar- pauschale“ für den Laborarzt als Vergü- tung seiner ärztli- chen Leistung.
Die Menge der erbrachten Leistun- gen soll nach Auffas- sung des KBV-Vorstandes mit Rege- lungen eingedämmt werden, die
„Richtgrößencharakter“ für die Ver- anlassung und Eigenerbringung von Laborleistungen haben. Insgesamt soll die Menge der Laborleistungen auf den Stand von 1994 zurückgeführt wer- den. Richtgrößen für Laborleistungen hätten aus Sicht des KBV-Vorstandes den Vorteil, daß Praxisbesonderheiten wie spezifische Krankheitsfälle be- rücksichtigt werden könnten. Darüber hinaus sollen indikationsbezogene Lei- stungskomplexe für häufige klinische Fragestellungen eingeführt werden.
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KASSENÄRZTLICHE BUNDESVEREINIGUNG
(28) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 22, 29. Mai 1998
Neugestaltung des „Labors“
Die KBV will Mißstände offensiv angehen
Das „Labor“ soll in ärztlicher Hand bleiben. Die Vertreterversammlung billigte im Grundsatz
ein Konzept des KBV-Vorstandes zur Mengenbegrenzung und Transparenz bei Laborleistungen.
S
Offener Meinungsaustausch hinter verschlossenen Türen: Der KBV-Vorstand und die Delegierten beraten die Laborproblematik.
Die Transparenz des Leistungs- geschehens will die KBV über eine zentrale Datenerfassungsstelle her- stellen. Damit verbunden ist eine mo- natliche Berichtspflicht des Lei- stungserbringers – sowohl an den ver- anlassenden Arzt als auch an die Kas- senärztliche Vereinigung.
Besondere Sorgfalt haben der KBV-Vorstand und McKinsey auf die Kalkulation der Kosten verwandt. So wurden sechs repräsentative Labor- gemeinschaften und insgesamt 20 Laborarztpraxen für die Erhebung herangezogen. Die „kostengünstigere Hälfte“ der untersuchten Praxen diente schließlich als Basis für die Kal- kulation der Normherstellungskosten je Parameter. Das heißt: Wirtschaft- lich arbeitende Praxen und Laborge- meinschaften können ihre Leistungen ohne weiteres zu den neuen Ko- stensätzen anbieten, unwirtschaftlich arbeitende Leistungserbringer müs- sen hingegen effizienter werden.
Wie schon beim EBM-Konzept zuvor gab es kontroverse Diskussio- nen – allerdings mit deutlicher Ten- denz zugunsten der Vorstandsvorlage.
Lediglich an der Frage, welche Instru- mente beim Veranlasser von Laborlei- stungen für eine Mengenbegrenzung geeigneter sind, schieden sich die Gei- ster. Angesichts des erheblichen Ver- waltungsaufwandes, der für die Kas- senärztlichen Vereinigungen mit der Überprüfung von Richtgrößen ver- bunden ist, votierte die Mehrheit der Delegierten für ein Budget anstelle der Richtgröße. Der KBV-Vorstand, signalisierte Dr. Winfried Schorre so- gleich, könne damit gut leben.
Das Konzept soll
weiterentwickelt werden
Zu entscheiden hatte die Vertre- terversammlung – neben einer Viel- zahl von Detailanträgen – schließlich zwischen dem vom Vorstand einge- brachten Laborkonzept und dem An- trag des niedersächsischen Delegier- ten Dr. med. Dieter Heidbreder, das Konzept ersatzlos abzulehnen. Ein weiterer Antrag von Dr. med. Wil- helm-Peter Winkler, KV Nordrhein, zielte ebenfalls auf die Ablehnung der Vorstandsvorlage und warb für eine alternative Lösung, die zur „Beseiti-
gung der üblen Machenschaften eini- ger weniger führt, ohne die gesamte Ärzteschaft abzustrafen“.
Heidbreder und Winkler konnten sich nicht gegenüber dem Vorstands- konzept durchsetzen. Die Delegierten
beschlossen mit großer Mehrheit, den KBV-Vorstand mit der Weiterent- wicklung des Konzepts zu beauftra- gen. Dabei sollen die in der Vertreter- versammlung diskutierten Vorschläge berücksichtigt werden. Josef Maus
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KASSENÄRZTLICHE BUNDESVEREINIGUNG
Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 22, 29. Mai 1998 (29)
Weitere Beschlüsse der Delegierten
Initiative Allgemeinmedizin, Konsens über
Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung, Wahlen zu Psychotherapie-Ausschüssen
Mit großer Mehrheit stimmten die Delegierten der KBV-Vertreterversamm- lung für das von der Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) vorge- legte „Initiativprogramm zur Sicherstellung der allgemeinmedizinischen Versor- gung“ (siehe auch Leitsatz 4). In dem auf zwei Jahre begrenzten Programm ha- ben die Krankenkassen die Anschubfinanzierung der Weiterbildungsstellen All- gemeinmedizin zugesichert. Sie wollen im Krankenhaus 4 500 Stellen über zwei Jahre mit je 2 000 DM fördern. In den Praxen niedergelassener Allgemeinärzte sollen 3 000 Stellen dem Zuschuß der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung entsprechend, jedoch mit höchstens 2 000 DM gefördert werden. Das Konzept steht im Zusammenhang mit Beschlußfassungen des Deutschen Ärztetages. Der 99. Deutsche Ärztetag 1996 in Köln hatte einen von der Inneren Medizin ge- trennten Weiterbildungsgang Allgemeinmedizin (Differenzierungsmodell) mit einer Weiterbildungszeit von fünf Jahren beschlossen. Der 100. Deutsche Ärzte- tag 1997 in Eisenach nahm eine entsprechende Novelle der (Muster-)Weiterbil- dungsordnung unter Vorbehalt an. Er forderte Politik und Krankenkassen auf, genügend Weiterbildungsstellen zu schaffen und deren Finanzierung zu sichern.
Das jetzt vorgelegte Initiativprogramm hat ein Arbeitsausschuß der GMK erar- beitet, in dem auch Vertreter von Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztlicher Bundesvereinigung, Deutscher Krankenhausgesellschaft und den Spitzenver- bänden der Krankenkassen gehört wurden. Der Vorstand der BÄK stimmte dem Programm bereits zu, der Marburger Bund hat das Konzept hingegen abgelehnt.
Befürwortet hat die KBV-Vertreterversammlung zudem das „Konsenspa- pier der Ärzteschaft zur Verzahnung von ambulanter und stationärer Versor- gung“ (siehe auch Leitsatz 8). Es wurde von den Vorständen der Bundesärzte- kammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung unter Beteiligung des Marburger Bundes erarbeitet. Ziel war es, eine gemeinsame Position aller Ärz- te gegenüber der Politik zu formulieren. Das Papier sieht eine stärkere Koope- ration zwischen Krankenhausärzten und Kassenärzten in folgenden Bereichen vor: Nutzung von Großgeräten und kostenaufwendigen Spezialeinrichtungen, Definition spezialisierter Leistungen, für die die Infrastruktur eines Kranken- hauses oder ein entsprechender intensivmedizinischer Hintergrund vorgehal- ten werden müssen, qualitätsgesicherte Behandlung chronischer oder anderer schwerwiegender Erkrankungen, Förderung des Belegarztwesens, Koordinati- on des Notfall- und Rettungseinsatzes, Einholung einer Zweitmeinung. Erhöht sich durch eine stärkere Verzahnung der Bedarf an ambulanter Versorgung, müßten Regelleistungsvolumen vereinbart werden, um die finanziellen Voraus- setzungen für die verbesserte Kooperation zu schaffen, heißt es in dem Papier.
Die ärztlichen Vertreter für den Fachausschuß für Psychotherapie und den Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen (psychotherapeutische Versor- gung) wurden erstmals gewählt. Die Delegierten stimmten den Vorschlägen des KBV-Vorstands zu:
– Fachausschuß für Psychotherapie: Vertreter: Dres. med. Schmutterer, Barth-Stopik, Clever, Menzel, Bell, Schaff. Stellvertreter: Dres. med. Stoer- mann-Gaede, Klöpper, Tröstl, Mark, Kirchner, Moik.
– Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen: Vertreter: Dres. med.
Kielhorn, Rauchfuss, Schmutterer, Bell, Schaff. 1. Stellvertreter: Dres. med.
Mark, Barth-Stopik, Rüth-Behr, Prof. Janssen, Moik. 2. Stellvertreter: Dres.
med. Menzel, Thies, Sulz, Strege, Kinze. SG