Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 13⏐⏐30. März 2007 A857
M E D I E N
KLINISCHE ETHIK
Inhaltlich und formal überzeugend
Die 8. Novelle der Approbations- ordnung für Ärztinnen und Ärzte (2002) hat historische, theoretische und ethische Aspekte als festen Bestandteil des medizinischen Cur- riculums festgeschrieben. Hierfür wurde ein Querschnittsbereich 2
„Geschichte, Theorie, Ethik der Me- dizin“ (GTE) definiert. Hicks „Kli- nische Ethik“ reagiert auf diese neue Pflichtlehre, indem in diesem Lehrbuch auf einen Bereich der me- dizinischen Ethik fokussiert wird.
Mit einem interdisziplinären Team hat Hick ein Lehrbuch vorge- legt, das weit über die Pflichtlehre von GTE hinaus eingesetzt werden kann. Zu Recht heißt es im Vorwort:
„Ethische Fragen stellen sich nicht nur in intensivmedizinischen Ex- tremsituationen, sondern vor allem im klinischen Alltag.“ Das Autoren- team, darunter ein Medizinrechtler, erarbeitet die zentralen klinisch- ethischen Konfliktfelder didaktisch ansprechend, da praxisnah und an Fallgeschichten orientiert. Der Ver- lag hat das Buch durch ein anspre- chendes Layout zu einem modernen Lehrbuch gestaltet.
Inhaltlich spannt das Autoren- team den Bogen von den Themen wie Patientenaufklärung, Schweige- pflicht, Entscheidungen am Lebens- ende, Patientenverfügungen, Ent- scheidungen am Beginn des Lebens, Zwangsunterbringung und Zwangs- behandlung, ärztliche Behandlungs- fehler, interkulturelle Konflikte, kli- nische Forschungsethik, Mittelver- teilung im Gesundheitswesen und – spannend zu lesen – bis hin zu ethi- schen Konflikten in der medizini- schen Ausbildung. Es werden Be- griffserklärungen gegeben, gegebe- nenfalls – und das ist sehr positiv hervorzuheben – wird der histori- sche Kontext skizziert, um dann kli- nische wie ethische Perspektiven aufzuzeigen und zu diskutieren;
schließlich wird am Ende der recht- liche Rahmen abgesteckt.
Nicht immer wird der aktuelle Stand referiert, so zum Beispiel, wenn es um den rechtlichen Rah- men des Suizids geht. Hier hätte
man sich einen Hinweis auf die Empfehlungen des Nationalen Ethik- rats 2006 sowie den Deutschen Ju- ristentag 2006 gewünscht, der sich explizit mit dem Suizid auseinan- dergesetzt hat. Kritik ist auch anzu- merken an den Ausführungen zur Schweigepflicht bei sexuell über- tragbaren Erkrankungen. Der Hin- weis auf den rechtfertigenden Not- stand ist problematisch. Dass der behandelnde Arzt, bei dem sich auch die Frau eines an HIV-erkrank- ten Mannes in Behandlung befindet, verpflichtet sei, die Frau über die HIV-Erkrankung ihres Mannes auf- zuklären, ist nicht haltbar.
In einem methodisch zentralen Kapitel erläutert Hick die Grundla- gen medizinethischen Argumentie- rens. Gerade dieses Kapitel ist je- dem zu empfehlen, der am Beginn seiner Auseinandersetzung mit me- dizinischer Ethik steht. Abschlie-
ßend haben die Autoren zehn Pati- entengeschichten zusammengestellt, aus denen typische klinisch-ethi- sche Konflikte hervorgehen und an- hand derer – unterstützt von weni- gen Leitfragen – ethisches Analy- sieren und Argumentieren eingeübt werden können. Im Anhang findet man ein Verzeichnis der verwen- deten Literatur und ein nützliches Sachverzeichnis.
Hick ist mit seinem Autorenteam ein inhaltlich wie formal überzeu- gendes Lehrbuch der Klinischen Ethik gelungen, dem zahlreiche Le- ser zu wünschen sind. Es ist ein Buch, das sowohl Studierenden der Medizin als auch allen zu empfehlen ist, die im Gesundheitswesen tätig sind. Im Grunde gehört der Hick in jede Kitteltasche. Florian Steger Christian Hick (Hrsg.): Klinische Ethik.Springer, Heidelberg, 2007, 352 Seiten, kartoniert, 19,95 A