G
enußscheine werden immer beliebter: Wur- den Anfang 1991 an deutschen Börsen gerade eben zwei Dutzend Genuß- scheine notiert, so ist die Zahl inzwischen auf mehr als 50 gestiegen. Für Anleger stellen Genußscheine eine interes- sante Alternative zu Renten- werten oder Aktien dar. Ganz risikofrei sind sie jedoch nicht.Mit Schrecken denkt man- cher Genußschein-Anleger an das Jahr 1988 zurück: Auf- grund der massiven Verluste im Terminhandel wurde in der außerordentlichen Haupt- versammlung der Firma Klöckner eine Auflösung al- ler Gewinnrücklagen sowie die Herabsetzung des Grund- kapitals auf 100 Millionen DM mit anschließender Er- höhung auf 250 Millionen DM beschlossen. Genuß- scheininhaber wurden davon besonders getroffen: Nach den Ausgabebedingungen wurde nämlich auch das Ge- nußscheinkapital entspre- chend heruntergestuft Auch wenn in diesem Fall letztlich eine Abfindung gezahlt wur- de, zeigt dies: Inhaber von Genußscheinen können oft- mals in einer schwächeren Position sein als andere Gläu- biger eines Unternehmens.
Grundlegende Bedeutung haben mithin die Bedingun- gen, die einen Genußschein kennzeichnen. Dabei gilt: Ei- ne rechtliche Definition des Begriffs "Genußschein" gibt es nicht, so daß jedes Unter- nehmen weitgehend frei in der Gestaltung seiner Bedin- gungen ist. Vor jedem Kauf sollten deshalb die Bedingun- gen und hier insbesondere die Art der Zinszahlung und der Gewinn-/Verlustbeteiligung, der Rückzahlungstermin und der Rückzahlungskurs genau geprüft werden. Attraktiv sind sicher die Renditen:
Meist bringen sie einen bis zwei Punkte mehr als her- kömmliche Rentenwerte.
Grundsätzlich unterschei- det man heute vier Gruppen von Scheinen:
... Genußscheine mit fe- ster Verzinsung: Diese Form
Genußscheine: Genuß ohne Reue?
ist insbesondere für konserva- tive Anleger interessant, rich- tet sich doch die Rendite-er- rechnet aus dem aktuellen Börsenkurs und der festen Ausschüttung - nach der ak- tuellen Lage am Kapital- markt. Der Kurs dieser Ge- nußscheine wird sich daher ebenfalls weitgehend an den Notierungen von Anleihen mit festem Zins orientieren.
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Charaktersache
"Vielleicht ver-
dirbt Geld den Charak- ter. Auf keinen Fall aber macht Mangel an Geld ihn besser."
John Steinbeck, 1902- 1968, amerikanischer Lite- ratur-Nobelpreisträger
Zu dieser Gruppe zählen et- wa die Genußscheine von Sixt, von der Westdeutschen Landesbank oder der Kreis- sparkasse Pinneberg.
... Genußscheine mit er-
tragsabhängiger Ausschüt- tung: Über diese Variante wird der Anleger verstärkt am Unternehmenserfolg betei- ligt. Die jährliche Ausschüt- tung orientiert sich dabei meist an der Dividendenaus- schüttung für Aktionäre der Gesellschaft. Oftmals wird auch eine feste Mindestaus- schüttung vorgesehen. Der Kurs wird sich daher entspre- chend der Ertragslage des Unternehmens bewegen, ge- gen Ende der Laufzeit jedoch den Rückzahlungswert wie- der erreichen. Zu dieser Gruppe zählen etwa die Ge- nußscheine von Bertelsmann oder der Südwestbank.
... Genußscheine mit
Wandelrecht: Bei dieser spe- kulativeren Form der Genuß- scheine kann der Anleger wählen, ob er während der Laufzeit das Papier-eventu- ell mit einer Kapital-Zuzah- lung - in eine Aktie des Un- ternehmens wandelt oder aber das Papier bis zum Fäl-
ligkeitstermin in seinem De- pot behält. Ein solches Wan- delrecht ist etwa bei dem älte- ren Commerzbank-Genuß- schein vorgesehen, der unter Zuzahlung von 50 DM in eine Commerzbank-Aktie gewan- delt werden kann. Im Falle eines Wandelrechts orientiert sich der aktuelle Börsenkurs also verstärkt am Kurs der Aktie, aber auch am Rück- zahlungsbetrag zum Fällig- keitstermin.
... Genußscheine mit Op-
tionsrecht: Hierbei ist dem Genußschein eine Option beigefügt, die den Anleger zum Bezug der Aktie der Ge- sellschaft gegen eine festge- legte Optionsprämie berech- tigt. Im Gegensatz zum Ge- nußschein mit Wandelrecht bleibt der Genußschein als solcher jedoch in vollem Um- fang bestehen. Solche Opti- onsgenußscheine gibt es etwa von der Deutschen Bank oder wiederum von der Commerz- bank. Nach Trennung des Optionsscheins vom Genuß- schein ist der Genußschein einer der ersten beiden Kate- gorien zuzuordnen.
Sehr unterschiedlich ist auch die Rückzahlung gere- gelt: Zahlreiche Genußschei- ne sehen einen festen Rück- zahlungstermin vor. Jedoch gibt es ebenso Genußscheine mit grundsätzlich unbegrenz- ter Laufzeit, die erst nach er- folgter Kündigung zurückge- zahlt werden. Oftmals findet sich auch ein vorzeitiges Kün- digungsrecht des Emittenten für den Fall, daß sich die steuerliche Einstufung des Genußscheins - wie zuletzt Anfang 1990, als Genußschei- ne von gewerblichen Unter- nehmen schlechter gestellt wurden - ändern sollte. Ge- fährlich werden kann eine vorzeitige Kündigung durch den Emittenten jedoch, wenn der Kurs des Genußscheins - etwa als Folge einer hohen Ausschüttung - deutlich über seinem Rückzahlungspreis liegt: In diesem Fall verliert der Anleger praktisch "über Nacht" einen Teil seines Ver- A1-1176 (108) Dt. Ärztebl. 89, Heft 13, 27. März 1992
mögens, ohne daß er dagegen etwas unternehmen kann.
Grund für die Ausgabeflut neuer Genußscheine ist ihre rechtliche Behandlung: Die meisten Genußscheine sind so konstruiert, daß sie beim Emittenten haftendes Eigen- kapital darstellen. Steuerlich zählt das Genußscheinkapital indes meist zu den Fremdmit- teln, so daß die Ausschüttun- gen - die beim Anleger im üb- rigen 25 Prozent Kapitaler- tragsteuer plus derzeit 7,5 Prozent Solidaritätszuschlag unterliegen- als Betriebsaus- gaben eingestuft werden.
Von festverzinslichen Wertpapieren etwa unter- scheiden sich auch Genuß- scheine mit fester Ausschüt- tung: Stückzinsen gibt es ge- nerell nicht, vielmehr sind diese stets bereits im aktuel- len Börsenkurs berücksichtigt (sogenannte "Flat-Notie- rung"). Daraus ergibt sich je- doch eine interessante steuer- liche Möglichkeit: Während bei festverzinslichen Wertpa- pieren auch erzielte Stückzin- sen der Einkommensteuer unterliegen, sind Kursgewin- ne bei Genußscheinen - die sich durch die Einbeziehung der Stückzinsen in den Kurs zumindest rechnerisch erge- ben - generell steuerfrei, wenn die Scheine über die steuerrechtliche Spekulati- onsfrist von sechs Monaten hinaus gehalten werden. Loh- nend ist es mithin, stets Ge- nußscheine mit möglichst spätem Zahltag zu wählen und diese dann rechtzeitig vor dem Ausschüttungster- min zu verkaufen. Im günstig- sten Fall bleibt damit die ge- samte Verzinsung von der Steuer verschont. Peter Jobst
Falsche Aktie
"Dreifach zweifellos Ein- maliges" empfahl Börsebius interessierten Aktienkäufern in Heft 11. Doch leider hat sich in den Text ein Fehler eingeschlichen: Börsebius' Lieblingstitel ist nicht etwa eine Aktie der "Cestra AG", sondern vielmehr der "Gestra
AG". DÄ