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Archiv "Ökonomie im Krankenhaus: Die Dosis macht das Gift" (28.06.2013)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 26

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28. Juni 2013 A 1289

N

ur damit keine Missverständnisse aufkommen:

Wirtschaftliches Verhalten im Krankenhaus ist sinnvoll. So hat die Einführung des DRG-Systems dazu geführt, dass alle Abläufe in den Kliniken hinterfragt und ökonomisch optimiert wurden. Letztlich werden heute viele medizinische Leistungen kostengünstiger erbracht als zuvor. Das so eingesparte Geld kann an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt werden. Aber die Dosis macht das Gift, wie Paracelsus bereits im 16. Jahrhundert sinngemäß postulierte.

Es lasse sich eine klare Linie ziehen, bis wohin öko- nomisches Verhalten in der Medizin akzeptabel sei, sag- te Prof. Dr. med. Dr. phil. Urban Wiesing bei der 191.

Tagung der Vereinigung Nordwestdeutscher Chirurgen in Kiel: „Solange betriebswirtschaftliches Denken dazu dient, eine indizierte Maßnahme möglichst wirtschaft- lich und effektiv umzusetzen, ist es geboten“, führte der Tübinger Medizinethiker aus: „Der Rubikon ist über- schritten, wenn ökonomisches Denken zur Erlössteige- rung die medizinische Indikationsstellung beeinflusst.“

Ein Beispiel für eine Überdosis an Ökonomie im Krankenhaus sind fallzahlabhängige Boni für Leitende Ärzte. Solche Zielvereinbarungen in Chefarztverträgen setzen beim Arzt Anreize für eine besonders großzügige Indikationsstellung – zulasten der Patienten. Letztere sind längst misstrauisch geworden: So stellen sich nach einer Umfrage im Auftrag der Schwenninger Kranken- kasse 72 Prozent der Bundesbürger die Frage, „ob ich den medizinischen Empfehlungen von Krankenhäusern noch vertrauen kann“. Es ist deshalb gut, dass der Ge- setzgeber hier aktiv geworden ist: Krankenhäuser müs- sen jetzt im Qualitätsbericht über ihre leistungsbezoge- nen Zielvereinbarungen informieren. Für weiter gefasste ökonomische Vorgaben in Zielvereinbarungen gilt dies freilich nicht. Im Ergebnis muss also weiterhin jeder Arzt mit sich selbst ausmachen, ob er einen Bonusvertrag ab- schließt: „Denn wer zwingt uns denn, einen fallzahlab- hängigen Bonus mit der Geschäftsführung zu vereinba- ren?“, fragte Prof. Dr. med. Benno Stinner, Chefarzt für Chir urgie am Elbe-Klinikum Stade, bei der Tagung in Kiel. Es erfordere Mut, Beharrlichkeit und zuweilen

auch Sturheit, die Unabhängigkeit der Indikationsstel- lung zu verteidigen, ergänzte Medizinethiker Wiesing.

Grundsätzlich beeinflusst im DRG-System aber je- der Arzt durch seine Indikationsstellung den Erlös und damit die Zukunft seiner Klinik und des Krankenhau- ses. Es ist kein Zufall, dass die Kapazitäten für die Behandlung von Krankheiten, die dem Krankenhaus besonderen wirtschaftlichen Nutzen bringen (Wirbel- säulen-, Gelenk- und Herzoperationen, Herzkatheter) seit Jahren ausgebaut werden. Da das DRG-System die Krankenhäuser untereinander vergleichbarer macht und zu mehr Wirtschaftlichkeit anspornt, steht es politisch als Ganzes jedoch nicht zur Disposition. Es muss aber die Frage erlaubt sein, warum in Deutschland eine 100-prozentige Finanzierung aller Leistungen durch Fallpauschalen erfolgt. Der ökonomische Druck auf die medizinische Indikationsstellung wäre jedenfalls deut- lich geringer, wenn beispielsweise nur noch die Hälfte des Budgets auf diese Weise gesteuert würde.

Der Frankfurter Ökonom Prof. Dr. Thomas Busse hat jetzt eine Mischfinanzierung aus Fallpauschalen und einem Sockel aus Vorhaltungskosten für die Kran- kenhäuser vorgeschlagen. Eine gute Idee: Das würde den wirtschaftlichen Druck in den Kliniken mildern und der Politik neue Gestaltungsmöglichkeiten eröff- nen, beispielsweise wenn es um den Erhalt bedarfsnot- wendiger Krankenhäuser im ländlichen Raum geht.

ÖKONOMIE IM KRANKENHAUS

Die Dosis macht das Gift

Jens Flintrop

Jens Flintrop Redakteur für Gesundheits- und Sozialpolitik

S E I T E E I N S

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