A 1748 Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 109|
Heft 35–36|
3. September 2012DEUTSCHSPRACHIGE ÄRZTEORGANISATIONEN
Gebündelte Ärztepower für die EU
Auf Europa sind seit der Finanzkrise viele nicht gut zu sprechen. Bei der
58. Konsultativtagung zeigte sich aber: Der Ständige Ausschuss europäischer Ärzte kann Einfluss nehmen. Er könnte jedoch noch größer sein.
W
enn sich einmal im Jahr die Repräsentanten deutsch- sprachiger Ärzteorganisationen tref- fen, geht es nie nur darum, was die Kolleginnen und Kollegen in der Schweiz, in Österreich, in Südtirol, Luxemburg und Liechtenstein zu- letzt gesundheits- und standespo - litisch intensiver beschäftigt hat.Immer wird auch diskutiert, wel- che Neuerungen in Brüssel und Straßburg auf der Agenda stehen und inwiefern „Europa“ die ärztli- che Berufsausübung in den einzel- nen Ländern tangieren könnte. Die 58. Konsultativtagung im Juli im mecklenburgischen Seebad Küh- lungsborn war da keine Ausnahme.
„Uns fehlen die Monitore in Brüssel und Straßburg“
Der Ständige Ausschuss europä - ischer Ärzte (CPME) habe ein gut aufgestelltes Büro in Brüssel mit ei- ner sehr engagierten Geschäftsfüh- rerin, lobte Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bun- desärztekammer (BÄK). Das Team sei gleichwohl angesichts der zahl- reichen Initiativen der Europä - ischen Union (EU) längst zu klein.
„Uns fehlen die Monitore in Brüs- sel und Straßburg“, sagte Montgo- mery. „Wir haben einfach nicht die Manpower, um proaktiv tätig zu werden.“ Das wäre aus Sicht des BÄK-Präsidenten notwendig und zudem erfolgversprechend. Denn das CPME sei die einzige ärztliche Organisation, die bei globaleren Fragen ernst genommen werde.
Gezeigt habe sich dies bei den Beratungen anlässlich der Moder- nisierung der europäischen Berufs - anerkennungs-Richtlinie. Hierzu hatte die Bundesärztekammer eine ausführliche Stellungnahme für das CPME vorbereitet, die offen- bar Eindruck auf die Abgeordneten
machte. Das CPME beobachtet den Gesetzgebungsprozess genau, weil vorgesehen ist, der Kommis- sion im Rahmen delegierbarer Rechtsakte Kompetenzen zu über- tragen, die auch die Aus- und Wei- terbildung betreffen. Hier fürchten die Ärztekammern Eingriffe in ih- re Aufgaben.
Geplant ist zudem ein Berufsaus- weis, der zügig ausgestellt werden soll. So soll das jeweilige Her- kunftsland eines Europäers nur zwei Wochen Prüfzeit bis zur Aus- weisausstellung eingeräumt be- kommen, falls der geplante Ar - beitsaufenthalt in einem anderen europäischen Land bis zu sechs Monate dauert. Für eine dauerhafte Niederlassung im Ausland müsste der Berufsausweis in maximal vier Wochen ausgestellt werden. Mont- gomery hält diese Fristen für zu kurz und das Verfahren für fehler- anfällig: „Was man heute fälschen kann, ist unbeschreiblich.“
Nicht alle Ärzteverbände in Europa teilen aber die Auffassung, dass man mit Hilfe eines gut ausge- statteten CPME nachdrücklich auf diese und andere Prozesse einwir- ken solle. Frankreich, Spanien, Ita- lien und Portugal sind ausgetreten aus dem Dachverband, wenngleich man noch gute Kontakte pflegt.
Montgomery hält eine enge interne Abstimmung aller europäischen Ärztevertreter im CPME und eine eindeutige Außenpositionierung je- doch für unerlässlich: Einzelkämp- fer seien im europäischen Politik - betrieb „hoffnungslos unterlegen“.
Neben europäischen Themen standen vielfältige Beiträge aus den einzelnen deutschsprachigen Ländern zur Diskussion. So refe- rierte Präsidialreferent Dr. med.
Reiner Brettenthaler, Österreich, über „Wirtschaftssprache im Ge-
sundheitswesen“ und appellierte an seine Kollegen, sich „niemals die Sprache der Ökonomie zu eigen zu machen“. Verhindern solle man im Übrigen nicht Eingriffe der Ökono- mie, sondern vielmehr Übergriffe.
Die Haltung der Österreichi - schen Ärztekammer zur geplan- ten elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) verdeutlichte Kammer- amtsdirektor Dr. Lukas Stärker. Die Kammer kritisiert ELGA wegen ei- ner Vielzahl von Details. Dazu zählte Stärker eine Speicherung von Daten ohne ausreichende Ver- schlüsselung und eine unzureichen- de Benutzerfreundlichkeit. Es fehle der geplanten Akte eine gute Such- funktion, so dass Ärzte möglicher- weise zeitaufwendig in größeren Datenmengen recherchieren müss- ten. Die Kammer befürchtet zudem, dass nicht alle Zugriffsberechtigten von Dokumentenkorrekturen erfah- ren und die Medikationslisten zu wenig aussagekräftig ausfallen, weil Patienten Angaben auslassen.
ELGA soll Ärzten nutzen und sie nicht behindern
Diskutiert wird zudem über die kor- rekte Aufklärung beim Einsatz von ELGA: Muss ein behandelnder Arzt sich erkundigen, ob Informationen ausgelassen wurden? Sollte er Pa- tienten darüber aufklären, dass sie bestimmte Angaben besser vermei- den? Auch die Bürger seien skep- tisch, betonte Stärker: Einer Um - frage zufolge wollen circa 85 Pro- zent nicht zur Teilnahme an ELGA gezwungen werden. Die österrei- chische Kammer fordert, nur die freiwillige Nutzung vorzusehen und die Akte Schritt für Schritt auf- zubauen. Für die Ärzte und ELGA gelte: „Sie muss ihnen etwas brin- gen und sie nicht behindern.“
▄
Sabine Rieser