• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Blutprodukte: Ärzteorganisationen:" (19.11.1993)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Blutprodukte: Ärzteorganisationen:" (19.11.1993)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

POLITIK LEITARTIKEL / KURZBERICHTE

JA zu Anti- körper- tests

In Sachsen-Anhalt hat das Sozi- alministerium inzwischen einen Ver- gleich mit der Firma Pharma Dessau vor dem Verwaltungsgericht ge- schlossen. Das Unternehmen darf nun wieder produzieren. Die Pharma Dessau GmbH hatte, wie andere Hersteller auch, Plasma der Firma UB Plasma bezogen. Ihre Herstel- lungserlaubnis war Ende Oktober aufgehoben worden, weil die zustän- dige Behörde fehlende Zertifikate beanstandet hatte. Deswegen wur- den sogar seit November 1990 herge- stellte Arzneimittelchargen zurück- gerufen. Inzwischen seien jedoch bis- her fehlende Zertifikate nachge- reicht worden, teilte das Ministerium mit. Die Anordnung zum Rückruf der Arzneimittelchargen, für die Ma- terial der Firma UB Plasma verwen- det wurde, sei vom Verwaltungsge- richt jedoch bestätigt worden.

Modellprojekt in Niedersachsen

Auch andere Landesbehörden sind nach wie vor mit der Aufarbei- tung des HIV-Skandals beschäftigt.

So einigten sich Vertreter des nieder- sächsischen Sozialministeriums und der dortigen Krankenhausgesell- schaft auf ein Modellprojekt: In zu-

NEIN zur

Sichtung aller

Akten

nächst drei Krankenhäusern sollen die Patientenunterlagen von be- stimmten Krankenstationen aus den Jahren 1982 bis 1993 ausgewertet werden. Ziel ist es, mögliche Fälle von HIV-Infektionen durch Blutprä- parate oder Bluttransfusionen her- auszufinden. Patienten, denen diese Präparate verabreicht wurden, sollen angeschrieben werden. Als „nicht praktikabel" hat es nach Darstellung des Sozialministeriums eine Exper- tenrunde bezeichnet, entsprechende Krankenunterlagen aller Patienten in den über 200 niedersächsischen Krankenhäusern durchzusehen.

Die Kassenärztliche Bundesver- einigung (KBV) befaßt sich in einem Informationsschreiben an die Kas- senärztlichen Vereinigungen eben- falls mit dem Thema. Zur Beantwor- tung der Frage, bei welchen Blutprä- paraten zukünftig auch Chargen- nummern aufzulisten seien, verweist die KBV auf die Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes (vgl. hierzu auch Heft 42). Nach Paragraph 4 sind Blutzubereitungen „Arzneimit- tel, die aus Blut gewonnene Blut-, Plasma oder Serumkonserven, Blut- bestandteile oder Zubereitungen aus Blutbestandteilen enthalten". Nach Angaben des Bundesgesundheitsam- tes (BGA) umfaßt diese Gruppe et- wa 4 000 Arzneimittel.

thoden einzusetzen, „wenn er den Patienten sachgerecht aufklärt. Da- bei muß die Abwägung von Nutzen und Risiko für den Laien eindeutig nachvollziehbar sein", erklärte Prof.

H.-J. Wagner von der Universität Homburg/Saar. Derartige Erklärun- gen sind erforderlich, damit der be- handelnde Arzt nicht mit dem Ge- setz in Konflikt gerät.

Erstaunlicherweise sind die Er- wartungen der Patienten nicht hoch gespannt. „Die Patienten berichten mehrheitlich über positive Wirkun- gen auf das Allgemeinbefinden", er- klärte Prof. H. Friebel (Heidelberg).

Somit stehe dem Fehlen von Nach- weisen, daß nicht-konventionelle Be- handlungsmethoden Krebs heilen, Metastasen verhindern oder Remis- sionen einleiten können, lediglich die Erfahrung gegenüber, daß diese vom Patienten subjektiv positiv bewertet werden.

Da der Wunsch nach alternati- ven Verfahren in Zukunft eher zu- als abnehmen wird, rät die BÄK den Ärzten, ihre Präsenz als Gegeben- heit akzeptieren und sich im Ge- spräch mit den Patienten als Kenner nicht-konventioneller Therapien zu erweisen — letztlich auch, um die

„Fäden" der Behandlung in der Hand zu behalten. Das Angebot diesbezüglicher (tendenzfreier) In- formationsveranstaltungen für Medi- zinstudenten und Ärzte soll in Zu- kunft verbessert werden. Auch die Honorierung der zeitaufwendigen Pflege des partnerschaftlichen Pa- tient-Arzt-Verhältnisses, welches die Betroffenen vor therapeutischen Al- leingängen bewahren kann, müsse überdacht werden.

„Nachdem ein prospektiver, kontrollierter Langzeitversuch nach- gewiesen hat, daß die Zufriedenheit schwerkranker Krebspatienten auch ohne Einsatz nicht-konventioneller Behandlungsverfahren sichergestellt werden kann, verdient die Qualitäts- sicherung einer hochwertigen Stan- dardtherapie Vorrang vor alternati- ven Methoden", so Friebel. Daraus resultiere die Notwendigkeit, Defizi- te der medizinischen, pflegerischen und psychischen Betreuung im klini- schen und hausärztlichen Bereich aufzuspüren und auszuschließen.

Dr. med. Vera Zylka-Menhorn

Blutprodukte

Ärzteorganisationen:

Die HIV-Verseuchung von Blut und Blutprodukten sowie der Umgang mit diesem Thema in Politik und Medien liefern weiterhin Diskussionsstoff. Inzwischen liegen die ersten Aus- wertungen der Rückstellproben von Blutspenden vor. Danach waren mindestens zwei

von 4 000 bis 5 000 Spendern der Koblenzer Firma UB Plas- ma HIV-positiv. Das Unterneh- men Pharma Dessau in Sach- sen-Anhalt hat mit Erfolg vor Gericht erstritten, weiter pro- duzieren zu dürfen. Ärztliche Organisationen äußern sich vermehrt dazu, was Ärzte und Ärztinnen derzeit für besorgte Patienten tun können.

A1-3040 (16) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 46, 19. November 1993

(2)

Das Foto zeigt eine Mitarbeiterin des Bayerischen Roten Kreuzes in Mün- chen im Lagerraum für Blutkonserven. Foto: amw

POLITIK

Nicht betroffen seien hingegen diejenigen Arzneimittel, bei denen Blutbestandteile lediglich als Hilfs- stoffe verwendet werden. Auch Sera, wozu im wesentlichen Impfstoffe und Immunglobuline zählen, seien keine Blutzubereitungen im Sinne des Pa- ragraphen 4.

„Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß insbesondere in der Zeit vor 1985 HIV-kontaminiertes Materi- al zur Herstellung von Sera verwendet worden ist", schreibt die KBV. Aller- dings sei nach Auskunft des Paul-Ehr- lich-Instituts für Sera und Impfstoffe bei mehr als 100 000 000facher An- wendung kein einziger Fall dokumen- tiert, bei dem eine HIV-Infektion kau- sal auf die Verwendung solcher Pro- dukte zurückgeführt werden konnte.

Hieraus könne gefolgert werden, daß ein HIV-Risiko so gut wie ausge- schlossen sei.

Ein weiterer Punkt im Informa- tionsbrief der KBV betrifft die Lei- stungspflicht der gesetzlichen Kran- kenkassen im Fall von HIV-Antikör- pertests bei Patienten. Zahlreiche Bundes- und Landespolitiker hatten besorgten Bürgern geraten, sich um- gehend einem Test zu unterziehen, um sich Klarheit zu verschaffen. Un- klar war jedoch, ob die Krankenkas- sen die Kosten der Tests außer der Reihe übernehmen würden oder ob sie aus dem gedeckelten Honorar- budget der Ärzte beglichen werden sollten. Inzwischen ist vorherrschen- de Meinung, daß die Tests gesondert honoriert werden. Nach Auffassung der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung ist aber dann, wenn die vom Pa- tienten gemachten Angaben keinen Zusammenhang mit einer HIV-Ge- fährdung erkennen lassen, der ge- wünschte „Sicherheitstest" nicht zu Lasten der Kassen durchführbar.

Um das Ausmaß der entspre- chenden ärztlichen Leistungen erfas- sen zu können, sollten die KVen ab dem 4. Quartal 1993 die Frequenz- steigerungen bei den Leistungen nach den Nummern 135 und 4339 BMÄ/E-GO gesondert erfassen.

Hier erübrige sich eine gesonderte Kennzeichnung durch den Arzt, da sich die Leistungen ausschließlich auf den HIV-Antikörpertest bezö- gen. Für Ärzte und Ärztinnen sei hingegen eine Kennzeichnung sinn-

KURZBERICHTE

voll bei den Nummern 4204, 4376 und 4502 BMÄ/E-GO, sofern diese Leistungen im Zusammenhang mit der Abklärung einer möglichen HIV- Infektion erbracht würden.

Auch auf der Hauptversamm- lung des Marburger Bundes (MB) waren HIV-verseuchte Blutprodukte ein Thema. Gesundheitsminister Horst Seehofer hatte seine Teilnah- me an der Veranstaltung abgesagt, weil ihm die Äußerungen des MB- Vorsitzenden zu diesem Thema in der Öffentlichkeit nicht gepaßt hat-

ten. Dr. Frank Ulrich Montgomery ging deshalb in Abwesenheit des Mi- nisters auf die briefliche Auseinan- dersetzung ein. Niemand wolle Herrn Seehofer seine großen Ver- dienste um die Aufarbeitung dieses Skandals streitig machen. Er müsse sich aber den Vorwurf gefallen las- sen, durch vorschnelle und nicht wis- senschaftlich überprüfte Stellung- nahmen zur Verunsicherung der Pa- tienten beigetragen zu haben.

Montgomery betonte, daß für die Bevölkerung kein Grund zur Pa- nik bestehe, obwohl verabreichte Blutkonserven und -produkte offen- sichtlich nicht sicher HI-virenfrei ge- wesen seien. Die Testung aller Kran- kenhauspatienten sei nicht sinnvoll:

„Bei 14 Millionen Behandlungsfällen jährlich in den Krankenhäusern des Bundesgebiets ist auch die Durchar- beitung aller Krankenakten auf die Gabe von Blut oder Blutprodukten technisch kaum leistbar und in ihrer Auswirkung auch fragwürdig, da zu- mindest Blutprodukte — wie zum Bei- spiel PPSB — zwar mit ihrer Dosie-

rung in der Akte vermerkt wurden, jedoch genausowenig wie bei anderen, normalen Medikamenten die Char- gennummer und der Hersteller doku- mentiert wurden".

Der Marburger Bund schlägt des- halb folgendes vor: Patienten, die we- gen einer schweren Erkrankung in der Klinik waren, sollten mit ihrem Haus- arzt oder mit ihrem behandelnden Krankenhausarzt Kontakt aufneh- men. Anhand der Diagnose und der gesicherten oder wahrscheinlichen Therapie solle dann im Einzelfall ge- klärt werden, ob Blut oder Blutprodukte gegeben wurden. Wo dies erfolgt sei oder wo auch nur eine starke Angst bleibe, sei ein HIV-Antikör- pertest ein geeigne- tes Mittel, um Klar- heit zu verschaffen.

Für die Zukunft forderte Montgome- ry unter anderem eine unabhängige Verbraucherschutz- behörde, die frei von politischen und wirt- schaftlichen Interes- sen sei: „Im Klartext: Die Auflösung des BGA ist falsch, wir brauchen viel- mehr eine organisatorische und in- haltliche Stärkung des Bundesgesund- heitsamtes." Der Marburger Bund kri- tisierte in einer Entschließung aus- drücklich, daß Mitarbeiter des BGA derzeit gehindert würden, sich öffent- lich gegen Vorwürfe zu verteidigen (siehe auch Tagungsbericht in diesem Heft).

Das gilt offenbar selbst für falsche Behauptungen: Im „Deutschen Ärzte- blatt" hieß es in dem Leitartikel „Die Lawine rollt weiter" (Heft 44/1993), Prof. Albrecht Hildebrandt sei vom Dienst suspendiert. Dem ist nicht so.

Hildebrandt ist weiterhin Leiter des Instituts für Arzneimittel im BGA.

Das Bundesgesundheitsministerium hat jedoch klargestellt, daß Hilde- brandt weder suspendiert sei noch daß eine Dienstaufsichtsbeschwerde ge- gen ihn vorliege. Er habe lediglich eine sogenannte dienstrechtliche Erklä- rung zu den Vorfällen um HIV-ver- seuchte Blutprodukte abgeben müs- sen. Sabine Dauth Deutsches Ärzteblatt 90 , Heft 46, 19. November 1993 (17) A1-3041

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Es sei daran erinnert, d a ß die seinerzeitige DDR rund 80 Prozent ihres Außenhandels mit der Sowjetunion abwickelte (abwickeln m u ß - te), wesnalb auch künftig insbesondere die

• Die Überwachung und Behandlung des ge- sunden und kranken Neugeborenen Dieses Lehrbuch garantiert sowohl jedem in der Geburtshilfe tätigen Arzt als auch Ärzten in der

Nach einem Vorwort der Herausgeber Richard Toell- ner und Urban Wiesing wer- den in neun Kapiteln durch- aus unterschiedliche Themen behandelt, zum Beispiel die Frage nach Sinn

So sollten Möglichkeiten eröffnet werden, Erfahrun- gen, die mit der Vergabe von Heroin für Schwerstabhängi- ge in Großbritannien und in der Schweiz gemacht werden, auch in

BfAr = Bundesinstitut für Arz- neimittel und Medizinprodukte, PEI = Poul Ehrlich Institut, AKdÄ = Arzneimittelkommission der deutschen Ärz- teschoft, AKdA =

Das Bundesgesundheit- samt hatte ein Stufenplanverfah- ren eingeleitet, aber aus Grün- den eingestellt, die nicht einmal der Untersuchungsausschuß völ- lig aufdecken konnte.. Das

Von dieser regionalen Chemo- therapie erwarten die Kliniker nicht nur eine Verlängerung der Überle- benszeit, sondern auch ein Mehr an Lebensqualität.. Unabhängig von dieser

Bitt- ner (Fahrwangen/Schweiz) Glauben als gestaltete Nachfolge Gottes. Zu dieser Nachfolge gehöre Heilung aus dem Gebet sowohl in der Geschichte des Alten als auch des Neuen