MASTER NEGATIVE
NO. 93-81607-
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MICROFILMED 1 993
COLUMBIA UNIVERSITY LIBRARIES/NEW YORK
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A UTHOR:
KATZER, ERNST
TITLE:
DER MORALISCHE
GOTTESBEWEIS NACH
PLACE:
LEIPZIG
DATE:
1877
COLUMBIA UNIVERSITY LIBRARIES PRESERVATION DEPARTMENT
'
Master Negative #
BIBLIOHRAPHir JMGEI
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-Existing Bibliographie Record
1
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••)
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r Katzer, Ernst,
Der moralisohe Gottesbewels nach
JCantund Her- bart; inaugural-dissertation.
..von Ernst Katzor.
Leipzig, Brookhaus, 1877.
vi, 106 p.
26?Tom.
Blblioßraphy,
p.|;1073.Thesis, Leipzig.
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DER
MORALISCHE CxOTTESBI^WEIS
NACH
I \KANT UND IIEUBAKT.
mAUliURAL-DlSSERTATION
ZUJ{
ERLANGUNG DER PHILOSOPHISCHEN DOCTORWÜRDE
BEIDEK IMVERSITAT LKH^ZK;
VON
ERNST KATZER,
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AR('HIDIA(!ONIIS AN DER HATTPTKIRCHE ZU PIRNA.
LEIPZIG
DRUCK VON
F. A.BROCKHAUS.
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1877.
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Einfach
und im
Ganzen wenig von der gewöhnlichenOrdnung
der Dinge abweichend ist die Lebensgeschichte, die ich von mir zu erzählen habe. In einem Stadtchen des sächsischen Erzgebirges, genannt Lauenstein, bin ich den 19. Mai 1839 indem
alten dort erbauten, damalsgräflich hohenthalischen Schlosse geboren, das mein Vater
alsGerichtsdirector bewohnte.
Wie
alleKinder hörte auch ich,nachdem
mein Verständniss so weit herangereift war, gernMährchen
erzählen, lauschtedenGeschichten, die der Vater von den alten Rittern zu sagen wusste, die ehemals indervon unsnun
friedüchbewohntenBurg
gehausthatten,und
betrachtete mit Ernst die altenDenkmale und
Erinne- rungszeichen, die daund
dort aus jenen Zeiten noch zu sehen waren.Doch
haben diese ersten Eindrückeund
Anregungennichtdazubeitragenkönnen, michzum Roman-
tiker zu machen, da ich bis heute dasKritische
und
Realeimmer
vorziehe. , , _. v i*Nachdem
ich fast das siebenteJahr zurückgelegt hatte, siedelte mein Vater nach Pirna über,wo
er leider schonim
Anfang des Jahres 1849 durch ein tückisches Fieber den Seinen entrissen ward. Ich wurde noch in demselben Jahre, aufWunsch
der Grossältern, zu einem entfernten Verwandten, der Pastor aufdem Lande
war, in Pension gegebenund
musstenun
fleissig hinter den Büchernsitzen.So gut es der Herr Pastor meinte
und
so gewissenhaft er uns unterrichtete, namentlich auchbildend auf dasGemuth
104517
-V
IV
zu wirken
bemüht
war, lernten wir Pensionäre dochMan-
cherlei indenWissenschaften,wasbesser erstspäter tractirt worden wäre, wie ich nachmals eingesehen habe.
Doch
soll mit dieser
Bemerkung
derDank,
den ichdem
treuenManne
schulde, der namentlichmirmit besondererSorgfalt sich widmete, auch nicht im Mindesten geschmälert sein.Durch
seinen strenggläubigen Einfluss reifte der Entschluss inmir, Theologie zustudiren. MitBegeisterung ergriff ich Alles, was mir mit dieserWissenschaft zusammenzuhängen schien,
und
ging mit meinen Empfindungen fast ganzund
gar indem
Religiösen auf.Als ich schon bald das fünfzehnte Lebensjahr erreicht hatte, wurde ich
vom
Grossvater auf dasGymnasium
zu Bautzengebracht,wo
ich, inOberquartaaufgenommen
, biszum
Jahre 1859 in regelmässigemGange
die verschiedenen Classenbis Primadurchlief,um
danndie UniversitätLeipzig zu besuchen. Viel Anregung verdanke ich in Bezug auf meine Gymnasialbildungdem
verstorbenen Rector Professor Hoffmann unddem
jetzt an der Fürstenschule zuGrimma
angestelltenProfessor Dr.Rössler, sowie
dem
Mathematikus Professor Koch, deren Zuneigung zu erwerben ich das Glück hatte.Waren nun
auch meine bisherigenLehrereinigerMassenerstaunt, als ich ihnen auf ihr Befragen mittheilte, dass ichTheologiestudirenwerde, so bliebdoch meinEntschluss fest,
wenn
schon meine religiösen Anschauungen in Ver- gleich zudem
strengen Glauben, den ich ausdem
Hause des Pastors mitnahm, sich wesentlich zu ändern begannen.In Leipzig trat ich in dieLausitzerPredigergesellschaft ein
und
gehörteihr nichtnurbiszum Ende
meinesStudiums mit voller Liebe an, sondern denke auch heute noch gern an den frischen Verkehrund
die gegenseitige Anregung, die in diesem Verein von jungen Studenten für alleihm
zugehörendenMitglieder zu finden war.Was
aber speciellmein theologischesStudium angeht, so muss ich allerdings bekennen, dass ich
mehr
mit der schönen Literaturund
deren Geschichte und mit Philosophie mich beschäftigte,als mit den Fächern, die mir näher gelegen hätten.
Das
Brodstudiumwar
mirimmer
widerwärtig. Gern hörte ich diealttestamentlichenVorlesungenvonTuch und
diekirchen- geschichtlichenvonKahnis.Am
regelmässigsten aber fand ich mich in den philosophischen Vorlesungen ein bei Drobisch.Zwar
lernte ich die Theologie anund
für sichimmer mehr
lieben, aberkonntemicheinesunbefriedigten Gefühls nicht erwehren über die Art der Auffassung seitens der Theologen.Immer
sah ich die Religion als auf Engste verwandt an mit der Poesieund
rang nach Klarheit über die mir dunkel vorschwebendenGedanken
hierüber, die ich auchimmer mehr
durch das Studium der Kantischenund
Herbartischen Schriften gefunden zu haben glaube. Beide Philosophen haben mich mächtigangeregt, der Erstedurch die Kühnheit seiner Kritikund
seinen grossen religiösen Ernst, der Andere vor Allen durch seineHinweisungen auf das Aesthetische in seiner praktischen Philosophieund
durch seine Pädagogik.Im
Jahre 1863 bestand ich diePrüfung pro candidaturaet licentia concionandi
und
gingnun
nach Dresden, wohin inzwischen meine Mutter mit den Geschwistern gezogen war. Dort fand ich Anstellung an einem Privatinstitut,wo
mirzu meinerFreude, ausserdem
Unterrichtim
Latei- nischenund
derReligion,derindeutscher Literaturgeschichte übertragen wurde. Schonim
Herbst 1865 aber verliess ich meine Stelle, da ich noch vor Absolvirung meiner Wahlfähigkeitsprüfungzum
Hospitalprediger zu Pirnaund zum
Pfarrer zu Zehista designirt wurde.Am
erstenWeih- nachtsfeiertagedesselbengenanntenJahreswurdeich,nach-dem
ich dasExamen
pro munere abgelegt hatte, in der Hauptkirche zu Pirna durch den damaligenSuperintenden- ten,denverstorbenen OberconsistorialrathSchlurick, ordinirtund
inmeine Aemtereingewiesen. Indem
darauf folgenden Jahre verheirathete ich mich mit der einzigen Tochter des ständischen ArchivarCommissionsrath Gottwald in Dresden,VI
mit der ich mich kurz vor meinerAnstelhmgalsGeistlicher verloht hatte.
Bis
zum
Jahre 1869 blieh ich inmeinem Amte
als Hospitalprediger, wurde dann Diaconus an derHauptkirche zu Pirnaund im
Jahre 1874 Archidiaconus an derselben Kirche. Trotz meiner arbeitsreichen Aemter konnte ich vondem
Studium der Philosophie nicht lassenund
benutzeimmer
nochjedefreie Stunde,um
mit denaltenund
neuen Philosophen einen erfrischenden, belebenden Verkehr zu halten.Denn
darin scheint mir die Aufgabe eines Theo- logen zu bestehen, dasser nicht blos diebetreffenden Sätze derDogmatikund
des Bekenntnissessichaneignet, sondern für sich selbst eine systematische Weltanschauung zu ge- v^innen sucht, weil er nurdann insich selbstfestwerdenund, so auch den Gliedern seiner Gemeinde die rechten Dienste hierzu leisten kann. Doch, das sind Ansichtenund
keine Geschichte, die allein ich hier zu erzählen habe.Von
mir selbst aber wüsste ichnun
weiter nichtsmehr
zu berichten, als dass ich einige kleine Schriften verfasst habe, die erste1869 über „Charakterbildungin der Volks- schule", dann 1871 über „Die Frage der Trennung der Schule von der Kirche, nach den Principien beurtheilt"und
1874 über „denreligiösenLaienliberalismus derGegen- wart".Von
gewisser Seite hatte ich deshalb verschiedene Angriffe zu erfahren, durch die aber meine Anschauungen nicht erschüttertwerdenkonnten. Ichgedenke dieselbenzu behaltenund
redlichund
offen sienach allen Seiten zuver- treten; die Philosophie aber wirdmirLehrmeisterin bleibenund
zugleich ernste Erzieherin, da sie leuchtendeBeispiele edlerund
besonnenerMänner
Jedem, der sehenund
lernen will, vorführt.Pirna, den 28.
December
1876.Ernst Katzer.
„Auf Kant
zurückl" das ist der Ruf, der gegenwärtig in der philosophischenWelt
erklingtund
vielleicht als ein Zeichen dafür gelten kann, dass es nothwendig gewordenist, nach denverschiedenen spekulativenVerwirrungenwie- der Kritik üben zu lernen.
Niemand kann
uns allerdings besser hierin unterrichten, als Kant.Von ihm
wäre auch Mancherlei zu lernen inBezugauf die gegenwärtigenStrei- tigkeitenaufdem
Gebiete derReligion.Der
kritische Geist, der vonihm
ausgeht, würde hier nicht blos dazu dienen, dieGrenzen für die menschliche Erkenntniss scharf zu be- zeichnen, sondern zugleich zudem
Anderen: auf die festen Punkte aufmerksam zu machen, von welchen aus eine sichere religiöse Ueberzeugung zu gewinnen ist, die nicht so leicht von der Tagesmeinung erschüttert werdenkann
oder durch Neigung zu Schwärmerei sich verflüchtigen.Kant's Philosophie bietet hierzu den rechten Anhalt schon deswegen, weil sie durchaus eine religiöse ist, wie aus seinen eigenen
Worten
hervorgeht: „die Endabsicht, worauf die Spekulation der Vernunft im transcendentalen Gebrauche hinausläuft, betrifft dreiGegenstände: die Frei- heit des Willens, die Unsterblichkeit der Seeleund
das Dasein Gottes."'Das
letztere, als den Hauptgegenstand der Religion, zu begründen, hält er allein denmorali-
* III, 528.
—
Kant'8 Schriften sindnach der Gesammtausgabe von Hartenstein von 18C7 citirt.Katzer.
sehen
Beweis für zulänglich.Er
bildet den Schwerpunkt der KantischenReligionsphilosophie.Von ihm
soll indem
Folgenden ausfuhrlich gehandeltund dabei diePhilosophieHerbart's
mit zu Rathe gezogen werden einestheils, weil siebestimmt undrichtig dieMängel des moralischen Gottes- beweises bei Kant kennen lehrt,und
anderntheils, weil durch ihre eigenen Ausführungen derWeg
zur Verbesse- rung desselben gezeigt wird.Kant
undHerbart
ergän- zen sich hier gegenseitig in willkommener Weise, wie aus der weitern Betrachtung beider hervorgehen wird.I. ; , • '
'
Der moralische Gottesbeweis
nacli Kant.Ersten Ortes ist von
Kant
zu handeln.Nach ihm
ver-mag
dietheoretische
Philosophie nichteinen genügenden Gottesbeweis aufzustellen.Daher
ist zu untersuchen, ob das, wasaufdem Wege
der Spekulationnichtgelingt, durch diepraktische
Philosophie geleistet werden könne. Bei der Betrachtung des rein teleologischen Gottesbeweises er- giebt sich das Resultat, dass dieOrganismen
in Folge der Beschaffenheit unseres (menschlichen) Erkenntnissverrmögens
uns nöthigen, Zweckmässigkeit anzunehmen in der Natur. Hinsichtlich dieser Organismen aber kannman
weiter fragen:
wozu
sind sie da? Ja, es lässt sich derGedanke
hieran „schwerlich vondem
Begriffe eines orga- nisirtenWesens
trennen"; denn, da wir zu seiner Erklä- rung überhaupt der Zweckidee bedürfen, so können wir nicht anders denken, alsdass einem solchen an sichzweck- mässigen Produkt doch noch irgend ein Zweckausser ihm zum Grunde
liegenmüsse. In der ganzenNatur aber finden wir nichts, was von uns alsEndzweck
angesehen werden könnte, d. h. als ein Ding, das denZweck
seiner Existenz allein in sich selbst hätteund
„in derOrdnung
der Zwecke von keiner anderweitigen Bedingung, als blos seinerIdeeabhängigist."'Nur
von einem letzten Zwecke* V, 439. 448.
*
Ili
der Natur kann
man
reden^ der aberimmer
in der Reihe der Zwecke von den vorhergehenden abhängt,und
als solcher kann derMensch
gelten, da in seinem Verstände die "Welt überhaupt erst zu einer zweckmässigen sich ge- staltetund
so durch ihn gewissermassen einen Alles zu- sammenfassenden Abschluss gewinnt.Der
letzteZweck
indess, dendieNaturmitdem
Menschenverfolgt, kann nicht, wie
man
glauben möchte, dieGlück-
seligkeit sein,, da er (der Mensch), so gut wiedie andern Geschöpfe,denmannigfaltigstenverderblichenEinwirkungen seitens detNatur unterworfen ist,und
ausserdem er selbst noch dazu beiträgt, seine Lage durch Plagenund
Sorgen zu verschlimmern.Er
istund
bleibt in diesem Betrachtimmer
nur ein Glied in der Kette der Naturzweckeund
dient zugleich wieder als Mittel,
um
die Zweckmässigkeitim
Mechanismus der übrigen Glieder zu erhalten.* Herr der Natur, ihr letzter Zweck, ist er nur unter der Be- dingung, dass er es verstehtund
den Willen hat, ihrund
sich selbst einen
Endzweck
zu setzen,und
nur soweit als die Natur denZweck
hat, ihn hierzu vorzubereiten,kann
er als ihr letzter
Zweck
bezeichnet werden. Solche Vor- bereitung aber ist die Cultur, durch welche der Mensch tauglich gemacht wird, von der Herrschaft der Begierden freiund
für höhere Zwecke empfänglich zu werden. Dies wird bewirkt, indem die Menschen durch die unter ihnen bestehenden Ungleichheiten, durch Uebelund
Widerwärtig- keiten zur Arbeitund
zurGründung
eines Gemeinwesens gebrachtund
durchallmälige Disciplinirung der Naturtriebe zur Verfeinerung des Geschmacks, zu Kunst und Wissen- schaft geführt werden.Mehr
vermag die Natur nicht zu leisten; einenEnd- zweck
zu bewirken ist sie nichtim
Stande.„Denn
es ist nichts in der Natur (als einem Sinnenwesen),wozu
der in ihr selbst befindliche Bestimmungsgrund nicht wiederum bedingt wäre,und
dieses gilt nicht blos von der Naturausser uns (der materiellen), sondern auch in uns (der denkenden); wohl zu verstehen, dass ich in mir nur das betrachte, was Natur ist."*
Nur
derMensch
alsmora-
lisches
Wesen
ist Endzweck, der Mensch, sofern er sich selbstZwecke setzen kann, also Freiheit besitzt. AlsPhae-nomenon kann
er nichtEndzweck
sein, sondern nur alsNoumenon,
„Nur im
Menschen, alsdem Subjecte der Morali-
tät, ist die unbedingte Gesetzgebung inAnsehung
der Zweckeanzutreffen, welche ihnallein fähig macht, einEnd-
zweck zu sein,dem
die ganze Natur teleologisch unter- geordnet ist."* Die moralischen Gesetze allein schreiben etwas alsZweck ohne Bedingung
vor, sowiees für einenEndzweck
erforderlich ist.Der Endzweck
aber, der uns durch das moralische Gesetz, welches ein nicht weiter zu erklärendesFaktum
der Vernunft in uns ist, gesetzt wird, ist das„höchste Gut".' Auf
die Lehre von demselben stütztKant
seinenmoralischenBeweisfürdasDaseinGottes.Deswegen ist dieselbe hier genauer in Betracht zu ziehen, namentlich auch, da
Kant wegen
seiner Auffassung des„höchsten Guts"
und
Einführung desselben in die Moralund
Religion theils verdienten, theils unverdienten Tadel erfahrenhat. Bei dieserBetrachtungist allerdings abervon vornherein zu bemerken, dass Kant's Darstellung, ähnlich wie die übar den Zweckbegriffim
teleologischen Beweise, nichtimmer
die wünschenswerthe Deutlichkeit besitztund
daund
dortSchwankungen
zeigt, die einer genauen Fest- stellung seiner Ansicht nicht unerhebliche Schwierigkeiten entgegensetzen.Das
„höchste Gut"
besteht nachKant
aus zwei Thei- len: 1) ausTugend und
2) aus Glückseligkeit.Das ganze
höchsteGut
ist dashonum consummatum
oder per- fedissimum, d.i. das Vollendete, dasjenige, „das kein Theil eines noch grössernGanzen
von derselben Art ist".* Die* V, 444.
» V, 448. Vgl. Harms, Die Philosophie seit Kant, S. 26T.
«V, 449. » V, 463. 464. * V, 116.
Tugend,
als Theil dieses Ganzen, ist dashonum
supre-mum,
das oberste Gut, welches unbedingt keinem Andern untergeordnet ist.Zu
ihrem vollen Verständnissund
be- hufs richtiger Auffassung derselben, ist Folgendes zu be- merken:Der
Mensch trägt in sich das unleugbare, unmittelbar gegebene Bewusstsein der Verbindlichkeitzum
Guten, eines Gesetzes, das unbedingt gebietet, ohne Rücksicht auf Nei- gung, das den Willen bestimmt nicht durch die Materie, sondern alleindurch dieForm.i DiesesGrundgesetzlautet:„Handle so, dass die
Maximen
deines Willens jederzeit als Princip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten können."*Durch
dieses Gesetz erkennt sich derMensch
als zugehörig zu einer „intelligibeln Welt"und
fühlt sich dadurch in seinemWerth
unendlichüber dieSinnenwelt erhaben, fähig, sich selbst einen (nämlich moralischen)Zweck
zu setzen.Eine Doppelwelt offenbart sich damit in uns: der Mensch
als
Noumenon
(angehörig der inteligibeln Welt) giebtdem
Menschen alsPhaenomenon
(angehörig der Welt der Er- scheinung) Gesetze.^Durch
das moralische Gesetz aber wird sich derMensch
zugleichauch derFreiheit
bewusst;denn,
wenn
er soll, muss er auchkönnen.
„Der Willekann
nur unter der Idee der Freiheit ein eigener Wille sein."*Nachdem
durch die theoretischePhilosophie(Kritik der reinen Vernunft) die Freiheit durch Unterscheidung einer intelligibelnund
sinnlichen Welt alsdenkbar
auf- gezeigt worden ist, wird sie durch die praktische Philo- sophiealswirklich
(nothwendig) erwiesen, dadas morali- sche Gesetz unsnichtnurberechtigt,sondernsogar nöthigt, Freiheitanzunehmen; denn ohne sie wäreSittlichkeit über- haupt nicht zu denken.*Von Kant
werden nun zweiArten vonFreiheit
unter- schieden: dietranscendentale
oderkosmologische
> III, 533. V, 33. 46. 47. 50. 65. 167. VI, 281. « V, 32.
"^ IV, 301. V, 168. VI, 305. * IV, 296. V, 483. » III, 385.
388. V, 1)8.
^m^
\\
und
diemoralische
oder praktische. Die Erstere ist dasVermögen
einenZustand von selbst anzufangen", oder wie an einer andern Stelle gesagt wird: „die Unabhängig- keit der Vernunft selbst von allen bestimmenden Ursachen der Sinnenwelt."*Im
weitesten Sinne wird sie vonKant
gefasst als die freie
Ursache der Welt überhaupt,
als die „reine Spontaneität", aus der
und
durch die allesAndere seinenUrsprung hat. DieseUrsache istdurch sich selbst
und
nicht durch irgend etwas Anderes bestimmtund
ist ganz ausserhalb der Reihe der Bedingungen, d. i.ausser der Sinnenwelt. Die Freiheit als diese reine Causalität ist
„eine transcendentale Idee", die gar nichts aus der Erfah- rung Entlehntes enthält, weil sie sonst
immer
wieder eine Ursache haben müsste; sie ist „die Idee von einer Spon- taneität, dievonselbstanheben kannzu handeln, ohne dass eine andere Ursache vorausgeschickt werden dürfe, siewiederum nach
dem
Gesetze der Causalverknüpfung zur Handlung zubestimmen."* Als solche (imweitesten Sinne) ist sie gleichbedeutend mit der des der Welt zu Grunde liegenden unbedingt nothwendigen höchsten Wesens.Von
dieser Freiheit, als kosmologischem Princip, istzu unterscheiden die transcendentale Freiheit,sofern
siedem Menschen
(alsNoumenon) zukommt. Er
besitzt transcendentale Freiheit alsVernunftwesen, sofern er einer intelligibeln, nicht sinnlichen, Welt angehört. Die reine Vernunftin ihmhandelt frei, „ohneinderKette derNatur- ursachen durch äussere oder innere, aber der Zeit nach vorhergehende.Gründe
dynamisch bestimmt zu sein",und
*istso positiv einVermögen, eineReihevonBegebenheiten von selbst anzufangen, so dassin ihr selbst nichtsanfängt, sondern sie, „als unbedingteBedingung jeder willkürlichen Handlung, über sich keine der Zeit nach vorhergehende Bedingung verstattet."' Sie gehört
zum
intelligibeln Cha- rakter desMenschen, sofern dieserNoumenon
ist; ihreWir- kungen gehören zwar in dieReihe derBedingungen in der> 111, 371. 531. « in, 371. 386. 387. « III, 383.
8
Erfahrungs- oder Erscheinungswelt, aber sie selbst nicht;
sie ist „intelligible Causalität".i Die empirischeCausalität, die wir wahrnehmen, die zur Erfahrungswelt gehört, ist se die
Wirkung
einer nicht empirischenCausalität.Auf
diese Weise hat derMensch
als Erscheinung einen empirischen Charakter, dervollständig inder Reihe derNaturwirkungen stehtund
alsNoumenon
einen intelligibeln Charakter, der die Ursache des erstem bildet. „JedeHandlung
desMen-
schen ist die unmittelbareWirkung
des intelligibeln Cha- rakters der reinen Vernunft."^ Aber, wie das möglich ist,wie das Empirische durch dasIntelligible bestimmt werden kann, bleibt für
immer
unerklärbar, weil eine solche Er- klärung dasVermögen
der (auf dieErfahrung beschränkten) menschhchen Erkenntniss übersteigt. „Die (transcenden- tale) Freiheit ist eine blosse Idee, deren objective Realität aufkeine Weise nach Naturgesetzen, mithin auch nicht in u-gend einer möglichen Erfahrung dargethan werden kann, die also darum, weil ihr selbst niemals nach irgend einer Analogie ein Beispiel untergelegt werden mag, niemals be- giuffen oder auch nur eingesehen werden kann."•Gleichwohlistes
noth wendig
transcendentale Freiheit anzunehmen wegen derMoral.
Diese ist unmöglich ohne Freiheit.Das
moralische Gesetzund
„dieMöglichkeit der Freiheit einer wirkenden Ursache" sind unzertrennlich mit einander verbunden; denn dieMoral setzt voraus, dass derMensch
sich, unabhängig von denGesetzen der Sinnenwelt, selbst bestimme. So gründet sich diepraktische Frei-
heit aufdie transcendentale. Sie bestehtnegativ:
inder Unabhängigkeit von der Sinnenwelt, ist die Freiheit des Willens „von jedem andern ausser alleindem
moralischen Gesetz", die „Eigenschaft in uns, durch keine sinnlichen Bestimmungsgründezum
Handeln genöthigt zu werden".*Positiv kann
sie „eine Causalität der Vernunft inBestim-mung
des Willens" heissen,und
ist so unzertrennlich ver- bundenmitdem
Begriff der„Autonomie",d. i. „der Eigen- schaft des Willens sich selbst ein Gesetz zu sein". Voll-kommen
gesetzloskann
Freiheit überhauptnicht sein, weilsonst „freierWille ein Unding wäre", mit der blossen Zu-
fälligkeit zusammenfallen würde; sondernsie isteine „Cau-
salität nach unwandelbaren Gesetzen"
und
also alsmora-
lische oder praktische Freiheit eine Causalität nachdem
Moralgesetz.^ „Ein freier Wille
und
ein W^ille unter sitt- lichenGesetzen ist einerlei." Dass aber eine solche prak- tische Freiheit,und
damit zugleich die transcendentale (als die Bedingung der praktischen) nicht nur denkbar, sondern auch wirklich ist, folgt nun ausdem
alsFaktum
im
Menschen vorhandenen Moralgesetz, ausdem
Bewusst- sein der Verbindlichkeit zu demselben.* „DieRealität der Freiheit lässtsich durchpraktische Gesetze der reinenVer- nunftd.arthun, und diesengemässinwirklichenHandlungen, mithin in der Erfahrung",und
somit ist die Freiheit „die einzigeunterallenIdeen der reinen Vernunft, deren Gegen- stand Thatsache istund
unter die Scibilia mitgerechnet werden muss".*Wäre
nun derMensch
blosNoumenon,
ein blosses Glied der Verstandeswelt,dann würden
seine Handlungen mitdem
Sittengesetzimmer
übereinstimmen; dann wäre seinWille durchaus autonom.* W^eil er aberzwei
Welten angehörtund
dieNeigungen der Sinnlichkeit der Erfüllung des Moralgesetzes widerstreben, wird dieses Gesetz für ihn zu einem Imperativ.Während
ein heiliges Wesen, wie Gott, dasGesetz, dasinjedem
vernünftigenWesen*
(nicht blosim
Menschen) sich geltend macht, ohne Widerstrebenerfüllt, in seinem ganzen W^oUen vollkommen mit diesem Gesetze übereinstimmt, wird es
dem
Menschen wegen derUnvoUkommenheit
seinesWoUens
zu einem „Soll".*V. rr'r
^
Vgl.Kuno
Fischcr, Geschichte derneuern Philo-17^1^'
^P'^^^'^^'^^^' ^*^*> "I' 3^7. = III,382. 383. 'IV, 306. 307. V, 49. *III, 371. V, 98, 123. VII, 23.* IV, 294. 295. » V, 49. » V, 483. * IV, 301. *IV, 273. 275. 276. 277. 279. « Kantführt in seiner „Grundlegung zur Methaphysik der Sitten" für dieses Soll, für den „kategorischen Im- perativ" die dreiFormeln an: 1) „Handle so, als ob die Maximeder
II
10
Das Gesetz wirkt so auf seinen Willen durch das Ge- fühl der Achtung. „Die sittliche Stufe, worauf der
Mensch
steht, ist Achtung für das moralische Gesetz."*
Er kann
nicht „heilig" sein, sondern nur „tugendhaft".
Er
muss kämpfen wider die Neigungenund
Leidenschaften; sein moralischer Zustand ist„moralische Gesinnung im Kampfe",
die Stärkeund
Kraft aber, die er in diesemKampfe
beweist, istTugend.
Sie ist „dasVermögen und
der überlegte Vorsatzdem
Gegnerder sittlichenGesinnung in uns (denNeigungenund
Begierden)Widerstand zu thun, virtuSjfortitudo moralis.''^ Kant definirt sie nochals „die Stärke derMaximen
des Menschen in Befolgung seiner Pflicht", als „Selbstzwang, einZwang
nach einem Princip der innernFreiheitdurch die blosseVorstellung derPflicht", oder ganz allgemein als „moralische Stärke des Willens".*Mehr, als diese Tapferkeit, als diesen Widerstand gegen die Sinnlichkeit vermag der Mensch nicht zu erreichen.
Die „Heiligkeit" ist nur das Urbild,
dem
er nachstreben sollund dem
er nur in stetem Progressus sich zu nähern vermag.*Nur
das Bewustsein kann er haben von der„Beharrlichkeit im moralischen Progressus".*
Dieser erste Bestandtheil des höchsten Gutes, die
Tu- gend,
ist aber deswegen das obersteGut
(honum supre- mum), weil sie dieBedingung ist, ohne welche das höchsteGut
überhauptnichtgedachtwerdenkann.Nur
durchdas, wasman
thut (nicht durch daswasman
geniesst) hat dasLeben
einenWerth. Alles Anderemag
einenPreis haben, dergute Wille
allein,und
durch ihn der Mensch, hatWürde",
d. h. innern Werth.*Ohne
ihn sind auch die%
Handlung durch deinen Wülen zum allgemeinen Naturgesetze werden sollte." 2) „Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden Andern zugleich als Zweck, niemals blos als Mittel brauchst." 3) „Handle so, als ob deine Maxime zugleich zum allgemeinen Gesetze aller vernünfti- gen
Wesen
dienensollte." IV, 269. 277. 286.» V, 89. 280. ^ VII, 183. » VH, 198. 209. * V, 34. 35.
»V, 129. • V, 283.
I
11
grössten Güter, die wohl geeignet wären, uns glücklich zu
machen und
Segen zu stiften, schädlichund
böse. Selbst das, wasman
sonst wohlTugend
nennenmöchte, wie Mässi- gung, Besonnenheit, die zur Ausführung des Guten beson- dere Dienste leisten können, sind,wenn
der gute Wille dabei fehlt, gefährlichund
können, alsEigenschaften eines Bösewichts gedacht, diesen nur desto geschickter machen, seine schlechten Absichten auszuführen. Ihn, den guten Willen, zu haben ist die höchsteBestimmung
der prakti- schen Vernunft.Gut
aber ist nur der Wille, welcher das Gutethutnicht ausnatürlicherNeigung, sondernausreiner Liebezum
Guten; welcher handelt aus Achtung vordem
Gesetz, oder der die Pflicht erfüllt
um
derPflicht willen.*„Der gute Wille ist nicht durch das, was er bewirkt, oder ausrichtet, nicht durch Tauglichkeit zur Erreichung irgend einesvorgesetzten Zweckes, sondernalleindurchdas Wollen, d.i. an sichgut, und, für sich selbst betrachtet, ohneVer- gleich weit höher zu schätzen, als Alles, was durch ihn zuGunsten irgend einerNeigung nur
immer
zuStande ge- bracht werden könnte."*Der
andere Bestandtheil des höchsten Gutes ist die Glückseligkeit.Genau
ihren Begriff festzustellen, wäre unbedingt nothwendig gewesen,um
das Verständniss des höchstenGutes, auf dessen Möglichkeit derBeweis für das Dasein Gottes ruht, zur vollen Klarheit zu bringen.Doch
das ist vonKant
nicht geschehen.„Glückseligkeit" kann
verschieden verstanden wer- den: sofern sie nur anund
für sich betrachtet wird, nurvom
Standpunkte des Sinnlichen aus, oder in ihrem Ver- hältniss zur Moral;und
auch dakann
sie jedesmal wieder einesubjective
oder eineobjective
sein. Siehtman
die Glückseligkeit nur für sich an, ohne Rücksicht auf Sittlichkeit, nur als Etwas, was
dem
Menschen allein alssinnlichem Wesen
zugesprochen werden soll, so ist sie,subjectiv genommen,
der Zustand des ungestörten Wohl-t
%-
>IV, 241, 244. V, 116, 125. ' IV, 242.
12
befindens, die Befriedigung aller gehegten
Wünsche,
die aber natürlich bei den verschiedenen Menschen sehr ver- schieden sein werden, so dass hier weder derInhalt dieses Begriffs klarund
fest bestimmt noch sichere Regeln zur Erlangung der Glückseligkeit aufgestellt werden können.Wollte
man
sagen: Sie besteht indem
Besitz aller sinn- liehen Güter, von den materiellsten bis zu den feinstenund am
meisten vergeistigten, so bliebeimmer
noch un- entschieden, obnichtdem
Einen irgend Etwas alsGut
gilt,was der Andere schon nicht
mehr
dafür ansieht, oder gar als unangenehm, alsüebel betrachtet.Dazu kommt
noch, dass auch einund
derselbeMensch
nicht zu allen Zeiten die gleichenWünsche
hat, sondern das, was zu einer Zeitihm
einGutzusein scheint, zueinerandernals dasGegen-theil bezeichnet.
Nur
der jedesmalige subjective Zustand des Einzelnen bildet hier den Massstab,und
so ist in die-sem
Sinne die Glückseligkeit etwas sehr Veränderlichesund
Schwankendes.Die Glückseligkeit für die Menschen, als blos sinn- liche Wesen, in
objectiver
Bedeutung wäre ein System des allgemeinen Wohlbefindens, ein goldenes Zeitalter, ein Paradies, eine menschliche Gesellschaft, in welcher die Glücksgüter auf eine ganz gleichmässige Weise vertheilt sind unter Allen; in welcher Jeder, indem er an seinem W^ohle baut, zugleich für das derAndern sorgt undumge-
kehrt.
Doch
der Inhalt auch dieses allgemeinen Begriffs von Glückseligkeit ist ein schwankender, da Glückseligkeit als das gleichmässig unterAlle vertheilteWohl
nochimmer
vondersubjectivenEmpfindungund
AnschauungdesEinzel- nen abhängig ist,und
dann erst ein solchesSystemfestge- stelltwerden könnte,wenn
Alle über das, was Güter sind, einverstanden wären, was nichtalsmöglichanzunehmen
ist!Wird
aber die Glückseligkeit zurMoral
in Beziehung gesetzt und der Mensch als ein sinnlich -geistiges, oder natürlich-moralischesWesen genommen,
fürwelches äusseres Glückund
innere Güte als gleichnothwendiggelten, so er- scheint sie als äusserer (sinnlicher)Lohn der Tugend.
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13
Sie besteht dann in
dem
der jedesmaligenmoralischen Würdigkeit
angemessenen Wohle.Subjectiv
ist sie die Erfüllung derWünsche
dessen, der sich moralisch zeigt.Alssolchetrifftsie
zusammen
mitder populären Vorstellung vondem
„Gotteslohn" für dieFrommen und
Guten, gemäss welcherdiejenigen, welchedieGebotederSittlichkeitfleissig beobachten, erwartendürfen, dass es ihnen auch äusserlich gut gehe.Objectiv
ist diese Art von Glückseligkeit die gleichmässige Vertheilung des äussernWohls
je nach Mass- gabe der Moralität des Einzelnen wie der Gesammtheit, eineAnordnung
der menschlichenGesellschaft,durchwelche denen, diedem
Gesetze derMoralgehorchen, Gutes; denen aber, welche dieses Gesetz nicht befolgen, üebles (Strafe) zugetheilt wird. Die Vollkommenheit dieser Gemeinschaft würdedarin bestehen, dass zuletztNiemand mehr
das Moral-gesetz übertritt
und
daher Alle der Glückseligkeit theil- haftig werden sowohl als Einzelne als in ihrer Zugehörig- keit zudem
Ganzen. Diese nach sittlichen Grundsätzen organisirte GesellschaftistangestrebtimStaate, dessenIdeal sie bildet.Doch
leidet derselbe andem
Mangel, dass erimmer
nur derLegalität
angemessenes W^ohlund Wehe
auszutheilen vermag, da die
Moralität,
alsGesinnung, ihm
unerkennbar ist.Vollkommen
verwirklicht wäre die so geordnete Gemeinschaft ein Reich, nicht desRechtes,
sondern derGerechtigkeit
auf Erden. Aber auch hier sind, obgleich der Massstab, nachwelchem
dasGlück aus-getheiltwerdensoll, ein festerist: die Moral,
Schwankungen und
Unsicherheiten unvermeidlich, da mit diesemMassstab nochimmer
nicht bestimmt ist, worinnun
das nachdem-
selben zu Bemessende: das äussere, sinnliche Glück, be- stehen sollund
Jeder hierinimmer
wieder von denAndern
abweichende Anschauungen haben wird.Doch
ein noch andererBegriff vonGlückseligkeit
istmöglich,
wenn
derMensch
allein oder wenigstens haupt- sächlich alsmoralisches Wesen
angesehen wird.Dann
besteht sie
subjectiv
indem
befriedigenden Gefühle, die sinnlichen Neigungen unterdrückt, die Versuchungenzum
T7~ir
14
Bösen überwunden
und
dasGuteausgeführt, dieedelnVor- Sätzeund Gedanken
zur Verwirklichunggebracht, dieNatur inuns
in denDienst derMoral gestellt zu haben. Sie ist dann gleichbedeutend mitdem
Glück eines ruhigen, reinen Gewissensund
mit derFreude über deneigenen Fortschrittim
Guten.Objectiv
ist sie ein Reich derMoralität, eine Durchdringung der gesammten Natur mit der Moral, eine Verbindung von Menschen, die Alledem
Gebot derSittlich- keit genügenund
dadurch nicht nur das Bewusstsein einer tugendhaften, reinenGesinnung haben, sondernzugleich die Freudegeniessenan
derimmer
weitergehendenEntwickelung des Guten,oder,wenn
das Idealalserreichtgedachtwird,an der Vollendung der sittlichen Aufgabe; eine Gemeinschaft edler Geister entweder in einervonihnen beherrschtenund
nach moralischen Grundsätzen gestalteten sichtbaren, oder in einerunsichtbaren, übersinnlichen Welt. IndieserGlück- seligkeitistnichtsSchwankendesmehr, sondern,dadieGesin- nungund
diedamit vonselbstverbundenenFolgen, morali- scher Art sind, ein bestimmterInhalt, ein festesSystemge- geben, unter der Voraussetzung,dass Einstimmigkeitüberdie Gebote der Sittlichkeit vorhanden ist, oder doch herbei- geführt werden kann,wovon
unten dieRede
sein wird.Dass
Kant
beiderFeststellungdesBegriffsvom
höchstenGut
von der Glückseligkeit nichtnur
in Bezug auf die Sinnlichkeit reden konnte, ist selbstverständlich.Denn
er zieht dieselbe inBetracht alleininsofernsiedem
Menschen,als
moralischem
Wesen,zukommen
soll. Dabei schwankt er aber zwischen Glückseligkeit als sinnlichem, äussermLohn
derTugend
undGlückseligkeit als reinem innernZu- stand. Einmal verlangt er, dass sichtbares Glückdem
Tugendhaften zu Theil werde, das andere Mal, dass die Sinnlichkeit ganzund
gar von der moralischen Gesinnung besiegt werde; hier sieht er den Menschen zugleich alsein sinnlich-bedürftigesWesen
an, dort vneder nur als Träger der Moral. Jedenfalls ist ihm diese Unsicherheit daraus entstanden, dass er nicht genau das Verhältniss bestimmt zvnschendem
MenschenalsPhaenomenon
unddem
Menschenf
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15
ah Noumenon,
indem nachihm
beide Gelten-die der Er-
ZrZ und
die intelligible,im
Menschen bald vereinbar,STunversöhnlich
getrenntsich zeigen. Es fehUdxedur^-
eänßig consequente Auseinandersetzung darüber, ob die Lnlichkeit die Ursache des Abfallsvom
Gesetz oder dergZa
dieses Abfalls ein anderer ist sof-
d.eGluct- seügkeit entweder in der Ueberwindung der Sinnlichkeit durcb die Moral besteht, oder jede
-ben
der Andernsem kann und
die Glückseligkeit dann nur indem harmo- nischen
Verhältniss beider zu suchen ist. Beide AutLsungen
finden sich beiKant
(vgl. hierüber auchDorner,Ueber die Principien der Kantischen Ethik", Halle 1875).
'iuch ist eine Erörterung darüber zu vermissen: ob die Sinnlichkeit ein charakteristisches
Merkmal
desMenschen
als solchen ist, oder nur für sein
Leben
auf der Erde, welche Frage namentlich bei der Lehre von der Unsterb- lichkeit inBetrachtkommt,
aber auch vonEinflussist aufdie Gestaltung des Beweises für das DaseinGottes. Diese Mängel werden durch die weitern eingehenden
Erwägungen
der Kantischen Aufstellungenvom
höchstenGut
klar zu^^^Kant Tezeichnet im Allgemeinen die Glückseligkeit als dieBefriedigung aller unsrerNeigungen sowohl extensive, der Mannigfaltigkeit derselben, als intensive
dem
Grade,und
auch protensive, der Dauer nach".» Sieist, wieeran einerandernStelle sagt: „DasBewusstseineinesvernunftigenWesens
von der Annehmlichkeit des Lebens, die ununter- brochen sein ganzes Dasein begleitet.-^ Als Glückseligkeit aufErden begreift sie in sich alle „durch dieNatur ausserund
indem
Menschen möglichen Zwecke desselben '; sieist als
physische, im
Unterschied von der morahschen, die „Zufriedenheit (des Menschen) mit seinem physischen Zustande,Befreiung von Uebeln und G^^«* ™;
wachsendervergnügen.«* Das rem
SubjectivediesesBe-sitzes allermöglichen Annehmlichkeitenhebt
Kant
selbstda->III, 532. 'V,22. «V, 444. « VI, 162. Vü, 191.
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16
durch hervor, dass er aufmerksam macht darauf, wie jeder
Mensch
durch seine Einbildungskraft ein Bild des Glücks sich entwirft: „WoreinJeder seine Glückseligkeit zu setzen habe,kommt
auf Jedes sein besonderes Gefühl der Lustund
Unlust an,und
selbst ineinemund
demselbenSubjecte auf die Verschiedenheit der Bedürfnisse."^Der Mensch
ändert seinen Begriff von Glückseligkeit oft, und so ist es unmöglich ein festes Gesetz ausfindig zu machen, nach welchem das Wohlbefinden des Einzelnen und auch der Gesammtheit herbeigeführtund
erhalten werden könnte.*Diese so unbestimmte Glückseligkeit soll
nun
in Ver- bindung treten mit der Moral,um
mit ihr das höchsteGut
auszumachen. Sie bildet nicht denLohn
der Tugend, sondern nur dieFolge
derselben. Nicht derBeweg- grund
zurMoral darf sie sein, sondern nur dasZiel, das,was
durch die Moral bewirkt wird. Denn, erstwenn
derMensch
durchUmkehr vom
Bösen abgewendetund
sein (intelligibler) Charakter ein anderer geworden ist, ist er auchwürdig,
glücklich zu sein.^ Die Glückseligkeit istnurein
bedingter
Zweck, weil,wenn
sieden Bestimmungs- grund des Willens ausmachte*, dieReinheit derMoral da- durchgetrübt,ja,dieMoralitätüberhaupt aufgehobenwürde.Nur
insoweit kann das Streben nach Glückseligkeit als ge- rechtfertigt oder erlaubt angesehenwerden, als es entweder auf das Glück Aller gerichtet ist, wobei das selbstsüchtige Streben durch die Rücksicht auf dasWohl
derAndern be- schränktwird (Kant, V,36.37), oder insoweitalsdie Glück- seligkeit angesehen wird nur als ein Mittel zur Erfüllung der Pflicht, da unglückliche Verhältnisse leicht von derBahn
des Rechtes ablenken (V, 98. VII, 192).Im
engstenZusammenhang
mit der Sittlichkeit aber, als der Würdig- keit glückselig zu sein, bildet die Glückseligkeit die har-monische Welt*,
inwelcherAlle denihnen, gemässihrer Moralität, gebührenden Theil an Glück empfangen.Der
vollständige Einklang solcher Seligkeit mit der Heiligkeit
» V, 26. 2 V, 443. » Vj 123. * V, 449. »V,465. lU. 534.
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vernünftiger
Wesen
ist das Reich Gottes, wie es von der christlichen Sittenlehre dargestellt wird.^ Dasselbekann
aber aufdieserErde nicht vollendet werden, sondernweist uns hinaus auf ein anderes Dasein, ist mit seiner Seligkeit lediglich ein Gegenstand der Hoffnung.*Diesessind die Ausführungen Kant'sinKürze
zusammen-
gefasst.
Doch
zunächstkann
die vonihm
verlangte Zu-sammenstimmung
von Glückund
Moralität in ihrerNoth- wendigkeit
nichtohneWeiteres eingesehen werden.Kant
selbst macht an verschiedenen Stellen darauf auftnerksam, wie beide: Glückseligkeit
und
Sittlichkeit, anund
für sich betrachtet, in gar keinerBeziehung zu einanderstehen, ja, sogar einander entgegengesetzt sein können. Die Gebote der Moral bleiben unbedingt stehen,wenn
auch ihre Be- folgung keine moralische Glückseligkeit begleitet.» Indem
moralischen Gesetze ist, nach Kant, nicht der mindeste
Grund
zu finden zu einem nothwendigenZusammenhange
zwischen Sittlichkeitund
der ihr proportionirten Glück-seligkeit; denn das moralische Gesetz, als ein Gesetz der Freiheit, gebietet ganz unabhängig von der Natur.* „Ob- gleich das vernünftige
Wesen
darauf nicht rechnen kann, dass,wenn
es auch gleich dieMaxime
(handle so, als ob deineMaxime zum
allgemeinen Gesetz werden sollte) selbst pünktlich befolgte,darum
jedes andereebenderselben treu sein würde, ingleichen dass das Reich der Naturund
die zweckmässigeAnordnung
derselben mit ihm, als einem schicklichen Gliede, zu einem durch ihn selbst möglichen Reiche der Zwecke, zusammenstimmen,d. i.seineErwartung der Glückseligkeit begünstigen werde, so bleibt dochjenes Gesetz .... in seiner vollen Kraft, weil es kategorisch ge- bietend ist."» Die Glückseligkeit gehört der Sinnenweltan, die Sittlichkeit der Verstandeswelt; die erstere ruht auf Selbstliebe, ist vollständig subjectiver Naturund kann
für sich, selbstwenn man
dieallgemeine
Glückseligkeitzum
Objecto macht, niemals zu einem Gesetz tauglich sein; die
» V, 135. 136. « V, 121. 3 III,535. * V, 130. » IV, 287.
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18
andere, die Sittlichkeit, gründet sich aufAchtung
und
ihr Gesetz ist ein objectiv gültiges.Durch
Vermischung mitdem
Princip des Glücks würde die Autonomie des "Willens geschädigtund
zur Heteronomie werden.^ „DieMaximen
derTugend und
die der eigenenGlückseligkeit sind inAn- sehung ihres obersten praktischen Princips ganz ungleich- artig."« Ihre Einheit ist nicht eine analytischeund kann
daher nur eine synthetische sein,wenn
beidenothw endig
mit einander verbunden sein sollen.I.
Der
Beweis dieser Nothwendigkeitkann nun
vonzweiSeiten geführt werden
und
wird auch von Kant, je nach Auffassung des Begriffs von Glückseligkeit, in doppelter Weise geführt.Das
Erste, Nächstliegende ist dieBe-
dürftigkeit des Wohlseins für den Menschen, als einen endlichenWesen.=»Er
gehört nicht blos alsNoumenon
der intelligibeln Welt an, sondern auch alsPhaenomenon
der Welt der Sinnlichkeit. Daher hat er einen „nicht abzu- lehnendenAuftrag von Seiten derSinnlichkeit, sichum
das Interessederselben zubekümmern und
sichpraktischeMaxi-men
auch inAbsicht auf die Glückseligkeitdieses,und
wo- möglich, aucheineszukünftigenLebenszumachen".*Durch
seineendlicheNaturselbstwird ihmdasProblemdesGlückes aufgedrungen.
Er
muss,daer ein sinnlichesWesen
ist, aber vonderVernunftangetriebenwird,wie für das Erkenntniss- vermögen, auch für das Begehrungsvermögen die Totalität der Bedingungen zu suchen, nothwendig auchBefriedigung anstreben für diese seine sinnliche Seite.* Zugleich wird ihm, wie schon oben erwähnt, durch dieses Streben nach Glückseligkeit auch das nach der Moralität erleichtertund kann
insofern als ein zweckmässiges angesehen werden,um
die Erreichung der Totalität des Gegenstandes der prakti- schenVernunft(das höchste Gut) zu fördern.•
Ursprünglich sind auch, da der
Mensch
ein Doppel- wesen ist, die Anti-iebe zur Befriedigung der Wünsche,1V, 22, 23 ff. 38. 65.
112. 113. • VI, 234.
* V, 118. »I. *V, 26. 65. » V,
19
welche von der Sinnlichkeit ausgehen, ganz
und
gar un- schuldige, der Moral in keiner Weise zuwiderlaufende;„sind an sich selbst betrachtet gut d. i.unvei*werflich,
und
es ist nicht allein vergeblich, sondern es wäre auchschäd- lich
und
tadelhaft, sie ausrotten zu wollen;man
muss sie vielmehr nur bezähmen, damit siesichunter einandernicht selbst aufreiben, sondern zurZusammenstimmung
in einem Ganzen',Glückseligkeitgenannt, gebrachtwerden können".*Sie können durch sich selbst auch gar keinen Einfluss auf den Menschen als
Noumenon,
auf dieMaximen
der Sittlich- keit haben^, da Sinnenweltund
intelligible Welt, in deren einer die Nothwendigkeit, in der andern aber die Freiheit herrscht, genau von einander geschieden sind. „Die Frei- heit der Willkür ist von der ganz eigenthümlichen Be- schaffenheit, dass sie durch keine Triebfeder zu einer Handlung bestimmt werden kann, alsnur insofern der Mensch
sie in seineMaxime aufgenommen
hat."*Als causa noumetion ist der
Mensch
schlechterdings unab- hängig von der Natur.Erst durch den
Menschen
selbst, durch seinen Willen werden die Neigungenund
Begierden böse gemacht,wenn
er durch eigenen freien Entschluss die
Ordnung
der Trieb- federn umkehrt, die Sinnlichkeit in seineMaximen
auf-nimmt und
das moralische Gesetz ihren Triebfedern unter- ordnet. Diese That, durch welche das geschieht, ist eine intelligible, ausserhalb jeder Zeit liegende,und
durch den durch sie gewordenen intelligibelnCharakter des Menschen wird dann auch sein empirischer bestimmt.*Wie
aber das Böse entsteht, ist unerforschlich gerade so wie auch das Wiederaufstehenvom
Bösenzum
Guten uns unbegreiflich bleibt.„Da
dieAnnehmung
vonMaximen
frei ist, derGrund
derselben(warum
ich z. B. eine böseund
nicht vielmehr eine guteMaxime angenommen
habe) inkeiner Triebfeder der Natur,
sondernimmer
wieder in einer' VI,122. 125. 129. 2 VI, 152. » V, 35. 46. 66. 76. 102. 103.
* VI, 118. » III, 374 ff. V, 59. 99 ff. VI, 125. 130.
2*