56
theilung".*
Das
Böse liegt auf psychologischem Gebiete, esisteineSchwäche, „einMangel anbesonnenerReflexion",wodurch
Irrthum beim sittlichen Urtheile entsteht, ein falscher Geschmack; es hat seinen Ursprung entweder „in der Rohheit, die der Bildung vorangeht, oder in der Ver-wilderung, die ihr nachfolgt".« Die Sittlichkeit entsteht nicht in einem Gusse, sondern allmälig.Darum
ist auch dieFreiheit
als einewachsende
zubetrachten. Die moralische Unfreiheit besteht darin, dass trotz der Anerkennung desGuten, dennoch Trägheit, Vor-urtheil
und
andere Untugenden die bessernGedanken
gefangen halten.^ Jemehr
derMensch
diesenHindernissen zu widerstehen vermagund
seinen WilleninUebereinstim-mung
bringt mit der(sittlichen)Einsicht, desto freier ist er.„DieFreiheit des Willens wird
erworben,
wie dieVernunft,und
istbeschränkt,
gleich dieser."*Kant kam
zuseiner transcendentalen Freiheit nur,um
die Zurechnung zuer-klären.*
Doch
auf der einenSeitewidersprichtdieabsolute Freiheit („einen Zustand von selbst anzufangen") der Er-fahrung», auf der andern Seite führt die Kantische Frei-heitslehrezum
Fatalismus, derjedesStrebennach Besserung vergeblichseinlässt.^Dazu kommt
noch, dass dann,wenn
dieeinzelnen Entschliessungen des Menschen als frei gelten sollten,
dem
Menschenkein Charakter zugesprochen werden könnte; denn alle seine Entschliessungen, alle seine Hand-lungenwären zusammenhangslos.* Charakter bestehtdarin, dassJemand
gelernt hat, „sichnach Motivenzubestimmen".• Kein Wille bestimmt sich selbst, keiner ist motivlos; der freie Wille aber ist der mit der Sittlichkeit überein-stimmende.^® Sonach istpraktische
Freiheit beiKant
dieselbe, wie die
innere
Freiheit bei Herbartund
nur wegen der transcendentalenwird ervonihm
angegriffenund
zwar, wie sichunten zeigen wird,mitvollkommenem
Rechte.» VI, 371. VIII, 117. • IX, 114. VI, 372. IX, 359. »IX, 276. * I, 306. • Vgl. hierzu Kant, Kritik der reinen Vernunft, lU, 383. 384. • VIII, 307. ' I, 59. • I, 211. ' IX, 120.
»» VIII, 123.
57
In
dem
Punkte allein istKant
gegen Herbartin Schutz zu nehmen, dassihm
von diesem entgegen gehalten wirdund zum
Vorwurf gemacht, dass „ervom
Sollen aufsKönnen
schliesst, als ob mitdem
Beweise, dassman
nicht könne, auch der Beweis geführt wäre, dassman
nicht solle".Denn „wenn man
sich in einemBeweise auf einen Satz beruft, so muss nicht gerade auch dieUmkehr
dieses Satzes erwiesen sein, sondern nur dann erst,wenn
die Richtigkeit dieses Satzes durch die seinerUmkehr
erwiesen wird".*Kant
abersagt nicht, dassdeshalb ausdem
Sollen in der Moral dasKönnen
folge, weil da,wo man
nicht könne, auch das Sollen unmöglich sei, sondern deshalb, weil das Sollen, das Moralgesetz überhaupt, bedeutungslos wäre, wenn, abgesehen von den einzelnen Fällenund
von der Schwäche des Menschen,im Allgemeinen
eine Er-füllung desselben als unmöglich erkannt würde. Herbart gehtbeiseinem Vorwurfe gegenKant
ausvon den einzelnen Fällenund
von den Grenzen der menschlichenKraft,Kant
aber redet von der Thatsache des Moralgesetzes an sichund
setzt, wobei er übrigens in vollkommener Ueberein-stimmung mit Herbart sich befindet, aufGrund
dieser Thatsache die Erfüllbarkeit des Moralgesetzes überhaupt voraus. Es handelt sich für ihn nichtum
daspsycho-logische
Können, sondernum
die ganze Möglichkeit der Moralund
die Ausführbarkeit ihrer Gesetze. Ein Gesetz, das nicht erfüllt werden kann, ist sinnlos.Wären
die praktischen Ideen nur hohe Ideale, die zu keiner Zeit er-reicht,auch nur annähernd erreichtwerdenkönnten, welche Bedeutungwürden
sie dann haben?Zwar
würden sieimmer
für sich gefallen; aber zusammengedacht mit der Welt, als in ihr vorhanden, ohne je erfüllt werden zu können, riefen sie den grössten Widerspruch, das höchste Misfallen hervor, beidem man
doch unmöglich stehen bleiben könnte. Oder wollteman
dies annehmen, sollten*
D
robisch, Religionsphilosophie, S. 108. 109.T
58 59 die Ideen in gar keinen
Zusammenhange
mitdem Können
stehen, dann hörten sie auf praktische zu sein.
Der Werth
der praktischen Ideen hängt nicht ab vondem Können im einzelnen
Falle, aber doch ganz gewiss vondem Können überhaupt, und
nur dieses istvon
Kant
behauptet; denn ohne dasKönnen
wären die sittlichenIdeenallerdings nur „Hirngespinste".—
Herbart sagt auch, dass wir beidem
„blossen ästhetischen Urtheil über uns selbst" nicht stehen bleiben können, wie schon oben erwähnt wurde.*Können
wir dies aber nicht,und
muss das Wollen zu den praktischen Ideen hinzutreten, so ist es auch nothwendig, für dieses Wollen auf dasKönnen
zu schliessen, weil das Wollen sonst kraftlos sein würde. Die Principien der Metaphysikund
Ethik werden dadurch nicht vermengt. Dass dies auch nicht geschehen dürfeund
trotz der etwaigen (im einzelnen Falle sich zeigenden) Unausführbarkeit doch die sittlichen Ideen in ihrem Werthe stehen bleiben, drückt Kant, mit Herbart übereinstimmend, in denWorten
aus:„Ohne
einen Gottund
eine für uns jetzt nicht sichtbare aber gehoffte Welt sind dieherrlichen Ideen der
Sittlichkeit zwarGegenstände des
Beifallsund
derBewunderung,
aber etc."*
Wenn
beidem
Sollen der Ethik dasKönnen
gar nicht in Betrachtkommen
dürfte,würden
allerdings, wieHarms
sagt^, nur „Optative" übrigbleiben, aufweiche keine Ethik sich gründen lässt. Hier zeigt sich in der Herbartischen Ethik entschieden ein Mangel, der darin besteht, dass das Bewusstsein derVerbindlichkeit zum Guten
w^ohl angedeutetist inderStelle,wo
erdavonredet, dass die ästhetischenUrtheile zu Triebfedern werden, aber nichtbestimmt genug hervorgehobenwird. Herbart'sganze Polemik gegenKant
hat ihren Hauptgrund darin, dass er das ästhetische Urtheil beeinträchtigt glaubt durch die scharfe Forderung des Thuns (und darin eingeschlossen:> II, 80. 81. « Kant, III,536. > Friedrich
Harms,
DiePhilosophie seitKant, S.560.
i I
des Könnens); aber im
Grunde
bleibt doch dieWirkung
dersittlichenIdeen dieselbe, ob wirsie
nun
ableiten vonder„sanften Führung", die von ihnen ausgeht oder von der
„gewaltsamen Nöthigung" durchsie.
Der
Unterschied liegt hiermehr
indem
Ausdruckund
inder„zufälligenAnsicht", als in der Sache,und
die Ideenanund
für sichbleiben un-angetastet.Herbart selbst macht, wie auch die spätereAusführung noch bestimmter zeigen wird, den Schluss
vom
Sollen aufs Können, oder hält ihn doch für nothwendig, indem er ausdrücklich hervorhebt, dass der religiöseGlaube wurzelt indem
moralischen Bedürfniss.^ Die Abhängigkeit in welcher derMensch
sichund
Andere sieht, die gegenseitige Theilnahme, welche dadurch geweckt wird, führt ihn zur Religion,und
genauer gesehen, haben Glaubenund
Moral einegemeinschaftlicheQuelle: dasästhetische Urtheil.* In der nothwendigen Verbindung beider aber empfängt die Moral durch die Religion Verstärkungund
tritt durch sie in's Licht,und
umgekehrt findet der Glaube in den prak-tischen Ideen seine rechteBestimmung und
seineGrenzen, ohne in das Gebiet derMetaphysik hinüberzutreten.^Das
erinnert wieder unwillkürlich an Sätze Kant's gleich
dem:
„Moral führt unumgänglich zur Religion"*,
und
stimmt vor Allen darin mitihm
überein, dass mit derVerweisung desGottesbegriffsandiepraktischenIdeen jedetheoretische Erkenntniss des höchstenWesens
abgewiesen wird. Ueber dieBedeutung derMoral für dieReligion sind beide Philo-sophendemnach
ganz derselbenAnsicht,wenn
sie auchdaund
dort abweichen in der Artund
Weise, wie sie Mora-lischesund
Religiöses in gegenseitige Beziehung setzen.Ein strenger
Beweis
aus der Moral für das Dasein Gottes ist bei Herbart, da ermehr
aphoristisch über die Religion sich ausgesprochenhat, leicht erklärlicherWeise, nicht zu finden.Doch
die Materialien des Beweises sind' II, 297. » I, 157. X,56. 57. XII, 100. III, 354. » IV,
60
vorhanden und ohneSchwierigkeit lässt sich aus denselben ein solcher in HerbartischemSinneaufstellen.
Von
Anfang an aber zeigt sich diesermoralischeBeweisvondem
Kant's dadurch verschieden, dass Herbart zwar auch von einem„höchsten
Gut"
redet, aber dieses ausschliesslich in der zweiten (oben angegebenen Kantischen) Bedeutung fasst:als die Verwirklichung der Moral oder des Guten in der Welt, die beiKant wohl auchhindurchleuchtet, jedochnicht
zum
alleinigen, festen Ausdruckgekommen
ist, da vonihm
die Glückseligkeitimmer
wieder herbeigezogen wird.Für Herbart ist diese nur von untergeordneter Bedeutung.
Ueberhauptmuss, wievonihm bemerktwird, beiderFrage nach
dem
höchstenGutunterschiedenwerden zwischendem besten und dem ganzen.
Alles umfassenden, Gut.Das
höchste oder beste ist die Tugend; sie soll von den Menschen verwirklicht werden,und
so ist „das höchste Gut die Vortrefflichkeit der Gattungund
das damit ver-bundene Wohlsein", ein „Cultursystem", ist die sittlich organisirte (beseelte) Gesellschaft. Erweitert, in der all-gemeinsten Bedeutunggenommen,
ist es „diegesammte
Vernunftwelt", die nicht blos in den Grenzen der Mensch-heit liegt, „eine societashominum
atqtie deorum''''^ die Herbart selbstdem
Kantischen „Reich derZwecke"
ver-gleicht,und
die er sich denkt als eine Gemeinschaft der lebenden Menschen mit den Seelen der Verstorbenen, die durchGott zur Einheit zusammengefasst ist.*Das
höchsteGut
ist ihm das Ideal der sittlichenVollkommenheit
der menschlichen Gattung und,
im
weitesten Sinne, der Herrschaft des Sittlichen in der Welt überhaupt*, kurz:die „ideale Welt", die uns als Vorbild, als Muster
und
Ziel dient bei unserm sittlichen Streben', doch nicht zu verstehen im Sinne des Kantischen
mundus
intelligibilis,der Welt, welche den realen Hintergrund bildet zu der Welt der Erscheinungen, sondern im Sinne eines Reiches der Gedanken, inwelchem die sittlichenIdeen als
verwirk-» IX, 430. « III, 132.
i,
Vra, 187.
61
licht vorgestelltwerden, während wir mitten im
Leben um
diese Verwirklichung noch
bemüht
sindund
mit derselben sich entgegenstellenden Hindernissen zu kämpfen haben.Von
dieserAuffassung des höchstenGutes auslässtsich dermoralische Gottesbeweis
nach Herbart in der Weiseführen,dassman
sagt,dieMoralselbstnöthigeuns, die Möglichkeit einer solchen Verwirklichung des Gutenund
den einstigen Eintritt dieserVerwirklichung auf Erden an-zunehmen. Soll derMensch moralisch
handeln, so muss ervoraussetzen, dass dieses seinHandelnihm
gelingenwird, dass dieWelt überhaupt von Gesetzenregiertwerde, welche derTugend
nicht entgegen sind, sondern ihre Ausführungund
Ausbreitung möglich machen. „DerMuth
derTugend
vnirde zuBoden
gedrückt werden,wenn
sie an eineWahr-scheinlichkeit stiesse, derWeltplan sei ihrentgegen."i Es wäre unmöglich zu
dem
Entschlüsse zu gelangen, das Gute auszuführen,wenn man
nicht an seine Ausführbarkeit glaubte.„Der
moralischeMensch
setzt mitKant
voraus, dass inderWeltdasGutedieOberhand habe."*Er
muss an-nehmen, dass die Menschheit überhauptzuimmer
grösserer sittlicherVollkommenheitsichfortbewege,um
dadurchrechte ErmunterungzurTugend
zuempfangen. „Die Ueberzeugung wenigstens von derMöglichkeit
des Fortschreitens istnicht blos eine gutmüthige Voraussetzung, die
man
habenund
entbehren kann nach Belieben: sondern,wenn
von praktischen Postulaten dieRede
ist,an
dieman glauben muss, um
sittlichhandeln zu können,
so ist für dasLeben
gerade dieses Fortschreiten,und
zwar inder
Sitt-lichkeitnach ihrem allerstrengsten
Begriffe, der wahreund
eigentliche Glaubenspunkt, welcher allein fähigist, den
Muth
des Lebens zu halten und zu vermehren."»
Darum
istdieLehre Kant'svondem
„radikalenBösen" nur mittiefem Bedauern zu betrachten, da durch dasselbe der Glaube an diesen Fortschritt unmöglich gemacht wird.Doch, indem
man
durch den Hinblick auf das Ideal einer' VIII, 395. 2 ni^ 132. 3 VI, 371.
11
3-'
1:»^. --CLriJA
62
*
moralischen Welt sich zur
Tugend
ermuthigen lässt, mussman
sich hüten „diese Erde mit Füssen zu treten",und
etwa nur von der „Gemeinheit dieserErde" zureden. Die Moral, „die praktischen Ideen" hätten keinen Sinn mehr,wenn man
sie ohneBoden
lässt; wozu könnten sie dienen,wenn
nichts nach ihnen zu behandeln ist? „DieserBoden
ist vielmehr in ihnen inbegriifen
und
vorausgesetzt; allen Ideen ist sehr viel Irdisches nothwendig."Der
sittliche Fortschritt, die allmäligeVerwirklichung desIdealsist dem-nach nicht hauptsächlich in eine andere Welt zu verlegen, sondern schon für diesesLeben
zu hoffenund
zuerstreben.Dem
ist schondarum
ohne Weiteres beizustimmen, weil sonst immerhin das sittliche Streben erlahmen müssteund
sich der
Mensch
leicht mitdem
Dasein in einer anderen Welt trösten könnte,wo
daserfülltwerden sollte, was hier auf derErde doch als unerreichbar gedachtwerdenmüsste.Deshalb braucht der
Mensch
mitseinenGedanken
sich nicht innerhalb der Grenzen der Gegenwart zu halten, vielmehrmuss
gerade hiervor die grosseMenge
gewarnt werden.^Jeder hat nicht nur ein Bedürfniss, sondern auch „die Be-fugniss" hinauszuschauen in dieZukunft. „Alles ladetdazu
ein, was sich der
Mensch
als möglichenErsatz seineredeln Bestrebungen denken kann; Alles fordert dazu auf, was Andere, was der Staat, was die Menschheit Grossesund
Schönes zu Stande gebracht haben."*Niemand kann
auf das Ungewisse hin handeln; geradedarum
wird die Ke-ligion gefordert von der Moral, weil wir durch sie„im Glauben
die Ergänzung unseres höchst unvollständigen Wissensum
die Folgen unserer bestgemeintenHandlungen besitzen".^Nur
sollenund
dürfendieseHoffnungen, dieser Glaube nicht ausarten in Schwäimerei.„Es kommt
hier darauf an, dassman
festenBoden
unter sich habeund
grillenhafte Missdeutungen vermeide. Nicht klein soll der
Mensch
in seinen eigenenAugen
erscheinen, nicht bedeu-tungslos seinThun
oder Lassen.Nur
ausgrossen
Erwar-1
vm,
401. « vni, 400. » ix, 353.63
tungen erfolgen
grosse
Anstrengungen; aber auch nurbe-gründete
Erwartungen vermögenauf langeZeitundvollends beiwechselndenUmständen
denMuth
anhaltend zu tragen,und
nach jeder nöthigen Erholung zu erneuern. "*Nur
diese Ermuthigung aus
dem
Glauben an eine moralische Weltordnung, an einen Gott, der sie herbeiführt und auf-recht erhält, an eineVorsehung, die den Schwachen stützt,den Irrenden auf den rechten
Weg
führt, ist nothwendig für die Moral. Eine Einsicht in den Weltplan verlangt sie nicht und braucht sie nicht. „Der Glaube verlangt keinen Weltplan zu wissen indem
Sinne, als ob ein solcher erst müsste in bestimmten Umrissen vorgelegt werden, damitman
sich entschliesseauf ihn einzugehen."Man
weiss ohne-hin, dassman
Zeit, Ort, Gelegenheitzum
Handeln nicht wählen könnte, daher verlangtman
schon nichtmehr
be-stimmt zu wissen, wie Eins insAndereeingreife; esgenügt, nur überhauptdasZusammentreffenallermoralischen Wirk-samkeitund
eineBeschleunigung dessen, was überhaupt ge-schehen soll,annehmen
zu dürfen.* Aber wichtig ist es für denGlauben, „dieMenschheit nichtim Allgemeinen als versunken zu betrachten, sondern ihr einbeständiges Fort-schreiten von jeher, welches wenigstens die Rückschritte übertreffe, beilegen zu dürfen".Durch
solche Ueber-zeugung wird aber derMensch
nicht nur in seinen sitt-liehen Entschlüssen befestigtund
zur That ermuntert,um
den ihm drohenden Hindernissen zu widerstehen.
Er
lernt nicht nur sich selbst als einen Theil der Gemeinschaft an-sehen„und
seineTugend
als Bruchstück eines grösseren Ganzen"3, das durch die Anderen ergänzt werden muss;er lernt nicht nur, dass er als Individuum „in der Ge-sammtheit verschwinden muss"*, dass er nicht, wie die Kantische Formel lautet: „sich selbst
zum
Zweckemachen
soll", sondern hoffend
und
strebend hinschauen auf das Ganze.Durch
die Religion, durch den Glauben an ein die Weltordnung bestimmendes höheresWesen
entsteht auch» VIII, 401. «VIII,395. » IX, 430. *VIII, 378. IX, 397.
"S
V»
11
ii|
64
für die Sittlichkeit „eine neue
und
starke Verantwortlich-keit".Das
Sollen wird ausgestattet mit einer mächtigen AutoritätS
die auf die Entschlüsseund
Handlungen des Menschen einwirktund
die namentlich von Bedeutung ist für die grosse Masse, welche zur klaren Erkenntniss der sittlichen Ideen noch nicht sich hindurch gearheitet hat.Hiermit ist der Uehergang gezeigt zu der anderen
Wendung,
die nach Herhartdem
moralischen Gottesheweise noch gegeben werden muss, indem für die Thaten der Menschen eineVergeltung
gefordert wird.Wie
Herbart in seiner Ethik sagt: „die unvergoltene That führt den Begriff einer Störung mit sich, die durch die Vergeltung getilgt werden muss."*Das
sittlicheUrtheil desMenschen
findet nicht eher Beruhigung, dasMissfallenwirdnichteher beseitigt, als bis die Thaten alle, die guten wie die bösen, vergolten, die durch sie bewirkten Störungen aufgehoben
sind. Je
mehr
nun hingesehen wird vondem
Einzelnen auf das Ganze, desto schwieriger ist es, einen solchen Aus-gleich, wie die Ethik ihn fordert, als möglich zu denken, ohne zugleich einhöheresWesen
anzunehmen, von welchem die Vergeltung ausgeht. Einmal steht es nicht in des MenschenMacht, da,wo
sein Missfallendurch unvergoltene Thaten erregt wird, oder erregt werden würde, den noth-wendigen Einklang wieder herzustellen.Das
andereMal
fehlt es
dem
Menschen an der Schärfe des Blickes,um
den
Grad
der ausgleichendenWohl-
oder Wehethat genau abzumessen.Das
aberistunbedingterforderlich, weil sonst,wenn
zu wenig oder zu viel vergolten würde, anstatt Har-monie herbeizuführen, vonNeuem
Missverhältnisse entstän-den.Denn
die Idee der Billigkeit oder Vergeltung „weist auf denRückgang
desgleichen Quantum Wohl
oderWehe
vondem Empfänger zum
Thäter hin".Auch
könnte es leichtgeschehen, dass,wenn
von Menschenvergolten würde,UebelwoUen
sich einmischte,namentlichwenn
derBeleidigtedem
Beleidiger das Maass des Ausgleichs zumessen sollte.» II, 324. * I, 142.
65
Daher
stelltdie Moraldas Postulateines höherenVergelters,dem
der freie Blick, das umfassende Wohlwollenund
die überall hinreichende Allmacht eigen sind.Auf
dieseWeise führt die Idee der Vergeltung zudem
Glauben, ja, zu der nothwendigen Forderungeines Gottes,und
damitistzugleich die Hoffnung auf Unsterblichkeit verbunden. Diese Folge-rungen ergeben sich mit Nothwendigkeit aus der Her-bart^schen Ethik und werden vonihm
selbst vollkommen unmissverständlich ausgesprochen in den Worten:„Noch
eine andere Vorstellung
vom
Weltplan (als die eines Cultur-systems als Einheit Aller, nicht alsSumme,
sondern als System) ergiebt sich,wenn
Rechtsgesellschaftund
Lehr-system, in gewöhnlicher Verbindung, so hoch gesteigert werden, dasssiedasGanzeumfassen. Hierher wird meistens die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele gedeutet; das künftigeLeben
ist alsdann für die Individuen die Zeit der Vergeltung."»
DieIdee der Vergeltung aber giebt gleichzeitig ein Bei-spiel davon, wie die praktischen Ideen überhaupt zur Be-stimmungdesGottesbegriffs dienen.
Nur
durchsie (die prak-tischenIdeen)isteine solcheBestimmung
möglich.* EineEr-kenntniss
Gottes, einemetaphysische Bestimmung
seinesBegriffsaberistunmöglich. „Das
Wesen
Gottesgenauerzu be-stimmen vermag Niemand." Hier ergänztdieReligiondurch die Moral, was der menschlichen Erkenntnisskraftfehltund
berichtigt zugleich die falschenVorstellungen,dieetwa durch schwärmerischeMetaphysikoder sonstigeIrrthümer hervor-gerufenworden sind.3 „Zu den religiösen Vorstellungsarten tritt diepraktische Philosophietheilsbestätigend theils
be-richtigend
hinzu."* DiegöttlichenEigenschaften ergeben sich des (vonMenschenzu fassenden)Begriffesvon Gottam
würdigsten
und am
richtigsten durch die praktischenIdeen.„In den göttlichen Eigenschaften ist die ästhetische Auf-fassung unverkennbar. GottesHeiligkeit,
Grösse, Güte, richtende und vergeltende Gerechtigkeit
entspricht» VIII, 378. « IV, 615. V,200. » IV, 519. * H,^i,340.
G6
so unmittelbar den praktischen Ideen, dass sie daraus hätten gefunden werden können." Mit der gleichen Deut-lichkeit
und
Entschiedenheit sprichtHerbart denselbenso unmittelbar den praktischen Ideen, dass sie daraus hätten gefunden werden können." Mit der gleichen Deut-lichkeit