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ANREGUNGEN ZUM ABENDMAHL

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Academic year: 2022

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vor den jeweiligen Traditionen auf eine gemeinsame Feier des Heiligen Abend- mahls. Dies bildete die Grundlage zum Zusammenschluss beider Kirchen. Leider gibt es über die ersten gemeinsamen Abendmahlsfeiern von Reformierten und Lutheranern nur wenige Überlieferungen. Aber aus heutiger Perspektive hat diese Entscheidung die badische Landeskirche bewegt, versöhnt und geeint.

Gegenwärtig gehen wir auf das 200-jährige Jubiläum dieser badischen Union im Jahr 2021 zu. Zugleich haben wir 2021 die Weltchristenheit mit der Vollversamm- lung des Ökumenischen Rates der Kirchen zu Gast. Das Motto dieser Versamm- lung lautet: „Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt.“ Im Abendmahl wird diese Liebe Christi erfahrbar. Das Abendmahl gehört zum Schatz der Kirche.

Dieses Werkbuch soll allen dienen, die Verantwortung für Abendmahlsfeiern tragen und sich um ihre Gestaltung bemühen: Pfarrer*innen, Gemeinde dia kon*innen, Prä- dikant*innen wie auch Älteste und Kirchendiener*innen. Als Werk buch will es keine verbindlichen Regelungen formulieren, sondern es regt dazu an, die bisherige Abend- mahlspraxis zu bedenken, eröffnet neue Perspektiven und bietet Gestaltungsideen.

Das Werkbuch hat vier Teile:

Ein erster Teil bietet mit dem Beitrag von Wolfgang Vögele eine grundsätzliche Perspektive auf die Bedeutung des Abendmahls und damit bereits auf die Hintergründe verschiedener Gestaltungsperspektiven.

Ein zweiter Teil bietet didaktisches Material, um sich in Ältestenkreisen und anderen Gruppen mit dem Abendmahl und den damit verbundenen Gestaltungs- fragen zu beschäftigen. Hier geht es einerseits um einen persönlichen Zugang und andererseits um den praktischen Vollzug.

Ein dritter Teil versammelt eine Reihe von ausgearbeiteten Gestaltungsentwür- fen für Abendmahlsfeiern mit unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten für verschiedene Zielgruppen und in verschiedenen Zeiten im Kirchenjahr.

In einem vierten Teil erläutert Kord Michaelis Liedfunde für die Abendmahls- feier aus Gesangbuch und Gesangbuchanhang im Hinblick auf ihre musikalischen

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Pandemie“) sind in der Passions- und Osterzeit 2020 im Rahmen einer behördlich verordneten Kontaktminderung alle öffentlichen Gottesdienste ausgesetzt. Gerade die Gemeinschaft des Abendmahls könnte noch auf längere Zeit von dieser Vor- sichtsmaßnahme betroffen sein. Dies hat sehr schnell zu einer breiten theologischen Diskussion über die Möglichkeiten von Feier und Empfang des Abendmahls unter den Bedingungen der Kontaktsperre geführt. Lösungsideen reichen von „eucharis- tischem Fasten“ über nichtöffentliche Abendmahls- oder auch Agapefeiern unter Anleitung von nicht ordinierten, aber durch die Taufe zum allgemeinen Priestertum berufenen Christinnen und Christen bis hin zur raumzeitlichen „Trennung“ von Feier und Empfang des Abendmahls durch online-Übertragungen, die am Bildschirm mit- verfolgt werden - inklusive des Essens und Trinkens von Brot und Wein (Saft).

Was diese Erfahrung für die Zukunft der Gemeinschaft am Tisch Jesu Christi bedeutet, konnte in diesem Werkbuch noch nicht aufgegriffen werden; dazu sind gründliche ökumenische theologische Gespräche nötig. Dabei darf weder die „makrokosmische“

noch die „mikrokosmische“ Perspektive entfallen: Der Tisch des Herrn verbindet die konfessionelle und weltweiten Ökumene der christlichen Kirchen ebenso wie allein lebende Menschen in ihrer häuslichen oder stationären Lebenssituation.

Dieses Werkbuch kann dazu helfen, solche Gespräche durch eine vielfältige lebendige Praxis der Tischgemeinschaft mit Jesus Christus und untereinander zu begleiten und mit praktischen Erfahrungen zu unterfüttern. Möge es so dazu beitragen, uns das Abendmahl als großen Schatz der Kirche nach dieser Zeit des unfreiwilligen “Fastens“ besonders lieb und wert zu machen.

November 2019

(Gottesdienst und Gemein- dearbeit) unter www.gug.

ekiba.de.

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Abendmahl – Glauben für die Welt öffnen.

Chancen der gegenwärtigen Veränderungen in Theologie

und Praxis des Abendmahls (Wolfgang Vögele) ...S. 8

2. DIDAKTISCHE ANREGUNGEN

2.1 „Unter der Verantwortung und Beteiligung der ganzen Gemeinde“

Warum Ältestenkreise sich mit dem Abendmahl befassen sollten ... S. 15 2.2 „Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist!“

Verständigung über die Tischsitten ... S. 18 2.3 „Zu meinem Gedächtnis“

Übung zum Erinnerungsaspekt des Abendmahls ... S. 31 2.4 Vom Wirken der Union im Dorf

Erkundung zur Geschichte von Abendmahlsgeräten ... S. 34 2.5 „Zu Tisch!“

Experiment zum Abendmahl im Rahmen eines gemeinsamen Essens ... S. 37

3. LITURGISCHE ANREGUNGEN

3.1 Erinnerung an einen Aufbruch: Tischabendmahl mit

Elementen der jüdischen Sederfeier am Gründonnerstag ... S. 40 3.2 Stärkung auf dem Weg:

Abendmahl am Vorabend der Konfirmation ... S. 45 3.3 Schmecken und riechen, hören und sehen, fühlen und verstehen:

So wirkt Gottes Geist.

Ein inklusiver Abendmahls-Gottesdienst an Pfingsten ... S. 48

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4. MUSIKALISCHE ANREGUNGEN

Gesänge in der Abendmahlsliturgie

Liedfunde im Gesangbuch und im Gesangbuchanhang

(Kord Michaelis) ... S. 77

AUTORINNEN UND AUTOREN, BILDNACHWEIS, IMPRESSUM

... S. 78

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1. Theologische Anregungen

Wolfgang Vögele

Abendmahl – Glauben für die Welt öffnen

Chancen der gegenwärtigen Veränderungen in Theologie und Praxis des Abendmahls

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Gott und Wirklichkeit

Das Abendmahl, betrachtet aus der Perspektive dogmatischer Theologie, gilt als ein unübersichtliches Feld, auf dem seit Jahrhunderten wenige, zu Schlagworten verdichtete Positionen miteinander konkurrieren, ohne dass die theologische Diskussion vorankäme und ohne dass sich die Theorie auf die Feier des Mahls auswirken würde. Ein zweiter, tieferer Blick zeigt jedoch, dass sich das evangelische Verständnis des Abendmahls seit dem beginnenden 19. Jahr- hundert sehr stark verändert hat. Die Badische Landeskirche hat, spätestens seit der Unionsurkunde von 1821, diese Diskussionen wesentlich vorangebracht.

Das Abendmahl hat deswegen so heftige theologische Diskussionen hervorge- rufen, weil sich an ihm das Wirklichkeitsverständnis des christlichen Glaubens entscheidet. Das geht weit über die Option für eine bestimmte Metaphysik hinaus, die Diskussion war stets – nicht immer zu ihrem Vorteil – davon be- stimmt, Spekulationen über die wie immer geartete Wandlung von Brot und Wein anzustellen. Aber es gilt, im Abendmahl als einem liturgischen Ganzen, das nicht auf den bloßen Empfang von Brot und Wein reduziert werden darf, immer wieder neu die Gegenwart Gottes zu entdecken. Das ist nicht Sache einer philosophischen Metaphysik, sondern einer Pneumatologie und Christologie.

Freilich darf sich solch eine Theologie der Gegenwart Gottes nicht in die Binnen- räume der Kirchen zurückziehen, um im abgeschlossenen Kämmerlein einen

1 Anmerkung der Herausgeberin: Der folgende Text basiert auf einem Vortrag des Autors in der Liturgischen Kommission. Er wurde dort kontrovers diskutiert, weil er die bislang ökumenisch konsensfähige Überzeugung von der Zusammengehörigkeit von Taufe und Abendmahl berührt, die die Abendmahlsordnung unserer Landeskirche bestimmt. Der Autor fordert dazu heraus, diese Zusammengehörigkeit neu zu denken und die Perspektive auf das Abendmahl von der Frage der Zulassung auf die der Einladung weiterzuentwickeln.

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Glauben zu praktizieren, den größere Teile der modernen, durch Digitalisierung und Naturwissenschaften bestimmten Welt als weltfremd und abwegig emp- finden. Abendmahl ist die liturgische Feier der Gegenwart Gottes in Essen und Trinken, in Gebet und Lied. Solch eine Feier soll gleichermaßen glaub-würdig und weltoffen gestaltet sein. Auch der Altarraum kann zum theologischen Elfenbein turm werden, in den sich die Glaubenden vor den kritischen Fragen der Welt und der Öffentlichkeit in Sicherheit wähnen. Doch die theologische Diskussion um das Abendmahl seit der Unionsurkunde von 1821 zeigt, dass nur die Öffnung des Abendmahls in die Welt und die Befreiung von engem, recht haberischem Positionsdenken dem zu entsprechen vermag, was Jesus von Nazareth mit dem Taufbefehl (Mt 28) missionarisch im Sinn hatte.

Unionsurkunde

Die badische Unionsurkunde von 1821 wird gelegentlich so missverstanden, als würde sie die Abendmahlstheologie dem beliebigen Glauben der Empfänger von Brot und Wein überlassen. Das ist aber nicht der Fall. Die Unionsurkunde setzt keine pluralistische Abendmahlstheologie voraus, nach dem Motto: Jeder kann Brot und Wein für das halten, was er will. Die Leistung der Unionsurkun- de, wenn man sie historisch korrekt einordnet, besteht darin, dass sie versucht, einen Ausgleich zwischen lutherischer und reformierter Abendmahlstheologie herzustellen. Die Katechismussätze dieser Urkunde sind von der Einsicht ge- prägt, dass die behauptete Gegenwart Gottes im Abendmahl begrifflich nicht bis ins kleinste Detail fixiert werden kann. Es bleibt auch bei der gottesdienstlichen Feier des Mahls ein Raum des Glaubens, der die Grenze zwischen der letzten und der vorletzten Welt, der Welt des Sehens in einem Spiegel und der Welt des Sehens von Angesicht zu Angesicht (1Kor 13) nicht überschreiten kann. Das theologische Interesse, die Präsenz Gottes in Brot und Wein als verbum exter- num zu identifizieren, mag gute Gründe haben; es verdankt sich einer existen- tialistisch bestimmten lutherischen Rechtfertigungstheologie: Der Glaubende muss, konfrontiert mit Verzweiflung und Anfechtung, nach einem festen Halt jenseits der eigenen subjektiven Gewißheit suchen. Allerdings erscheint auch die umgekehrte theologische Einsicht legitim, dass sich Gottes Wirklichkeit nirgendwo fixieren lässt, auch nicht im liturgischen Genuss von Brot und Wein.

Es ist bekannt, dass zu Anfang auch die Unionsurkunde nicht die exzessiven Streitigkeiten zwischen reformierten und lutherischen Christen in Baden aufhe- ben konnte. Langfristig jedoch führten diese theologischen Überlegungen zum ekklesiologischen Erfolg.

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Arnoldshain und Leuenberg

Die theologische Diskussion nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Impulse der badischen Union in der Abendmahlstheologie aufgenommen. Das Ergebnis waren die Arnoldshainer Abendmahlsthesen und die Leuenberger Konkordie.

Die Arnoldshainer Abendmahlsthesen von 1957 brachten lutherische wie reformier- te Kirchen in der Abendmahlsfrage mit dem Programm zusammen, nach den bibli- schen Grundlagen des Abendmahls zu fragen, und es stellte sich heraus, dass auch die biblischen Schriften in ihrem Gesamtzeugnis keine einheitliche Theorie dessen bereitstellen, was man liturgisch fragte und theologisch wissen wollte. Dennoch reichte der in den Thesen dokumentierte Abendmahlskonsens sehr weit.

Jesus Christus stiftet nicht nur das Abendmahl, sondern genau darin stiftet er auch die Kirche als die Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern, die an der neuen Schöpfung Anteil haben werden. Das Abendmahl ist das eschatologische Vor-Zeichen dieser neuen Schöpfung. Es wappnet dagegen, die „Wirklichkeit dieser Welt“ als letzte Welt anzusehen. Diese Welt steht noch unter dem Zeichen der Verborgenheit des Kreuzes. Das Abendmahl wird aufgefasst als eine Stärkung in dem apokalyptischen Kampf, der gegenwärtig noch stattfindet.

Die Arnoldshainer Thesen betonen durchgängig das Handeln Christi als Stifter und Geber des Abendmahls. Dieses wird, das ist eine zweite Besonderheit, den anderen Sakramenten und der Verkündigung bzw. der Predigt gleichgeordnet.

Abendmahl ist Bestandteil einer missionarischen Gesamtbewegung, die als Zuspruch des Evangeliums charakterisiert werden kann. Noch im Sinne der lu- therischen Position machen die Thesen die Gegenwart Christi zentral in Brot und Wein fest. Sie vermeiden aber, über die Art und Weise dieser Präsenz philoso- phisch oder theologisch zu spekulieren.

Genau diese Linie setzt die Leuenberger Konkordie von 1976 fort, in der Absicht, die alten, kirchen trennenden Unterschiede im Abendmahlsverständnis, aber auch bei anderen theologischen Themen zu überwinden. Die Konkordie versteht wie die Arnoldshainer Thesen Abendmahl, Taufe und Predigt als Formen der Verkün- digung des Evangeliums. Die zentrale Passage lautet:

„Im Abendmahl schenkt sich der auferstandene Jesus Christus in seinem für alle dahingegebenen Leib und Blut durch sein verheißendes Wort mit Brot und Wein.“

Das bedeutet für die Glaubenden Sündenvergebung, neues Leben aus dem Glau- ben, Gliedsein am Leib Christi und zuletzt „Dienst an den Menschen“. Wie in den Arnoldshainer Thesen wird das Abendmahl zeitlich entfaltet in die Vergangenheit des Kreuzestodes Christi, in die geglaubte Gegenwart des Auferstandenen und eschatologisch in die Erwartung seiner Wiederkunft. Die Konkordie bekräftigt

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die Verknüpfung zwischen Brot und Leib, Wein und Blut. Aber auf eine meta- physische und eine theologische Erklärung wird ausdrücklich verzichtet:

„Ein Interesse an der Art der Gegenwart Christi im Abendmahl, das von dieser Handlung absieht, läuft Gefahr, den Sinn des Abendmahls zu verdunkeln.“

Lima

Arnoldshain und Leuenberg haben den innerprotestantischen Dialog über das Abendmahl auf deutscher und europäischer Ebene erheblich vorangebracht. In den letzten beiden Jahrzehnten nahm jedoch der ökumenische Dialog über das Abendmahl deutlich an Schwung auf, getragen von dem Interesse, die partikular- konfessionellen Mahlfeiern auch für Angehörige anderer Kirchen zu öffnen. Eines der Resultate dieser Bewegung war das sog. Lima-Dokument, das auf protestan- tischer Seite stets ein wenig stiefmütterlich behandelt wurde. Es kann kritisiert werden, dass darin, was den evange lischen Christen entscheidend wichtig ist, der Zusammenhang von Abendmahl und Sündenvergebung ein wenig in den Hintergrund gerückt wird. Auf der anderen Seite jedoch besteht m.E. die große Stärke des Lima-Dokumentes darin, dass seine Verfasser versuchen, im Abend- mahl Aspekte der Schöpfungstheologie, der Rechtfertigungstheologie und der Pneumatologie zusammen zu betrachten. Der wichtige Beitrag des Lima-Papiers zur Theologie des Abendmahls besteht in der Neubewertung der pneumatolo- gischen Dimension des Abendmahls: Die Gegenwart Christi in Brot und Wein erklärt sich durch die Gegenwart des Heiligen Geistes, der in der Liturgie im Gebet der Epiklese angerufen wird. Im Dokument heißt es an zentraler Stelle:

„Es besteht eine wesenhafte Verbindung zwischen den Einsetzungsworten, der Verheißung Christi, und der Epiklese des Heiligen Geistes, in der Liturgie.“ Genau darin sehen die Verfasser des Limapapieres einen Weg zu eucharistischer Gast- freundschaft, und die mangelnde Rezeption im protestantischen Bereich verstellt leider eine ganze Reihe von liturgischen Möglichkeiten, auf diesem theologischen Weg weiter voranzukommen.

Abendmahlspraxis

Die theologische Diskussion über das Abendmahl ruht nicht in sich selbst, sie ist gebunden an die liturgische Praxis, die sich in den letzten Jahrzehnten erheblich verändert hat. Und man wird einräumen müssen, dass das unabhän- gig von den hervorgehobenen Punkten in der theologischen Abendmahlsdis- kussion geschah. Das Abendmahl wird gegenwärtig sehr viel häufiger gefeiert als noch in den fünfziger und sechziger Jahren. Es begleitet nicht mehr nur die

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Hochfeste des Kirchen jahres, sondern ist zum regelmäßigen Bestandteil des Gottesdienstes geworden, wöchentlich, vierzehntäglich oder monatlich. Der Beichtteil vor dem Abendmahl hat sich ebenso erheblich verändert. Und das Abendmahl ist nicht mehr ein Mittel der „Kirchenzucht“, bei dem Zulassung oder Nicht-Zulassung über die Zugehörigkeit zu einer exklusiven kirchlichen Gemeinschaft entscheiden.

Vielmehr wird heute der einladende Charakter des Mahls betont, in Aufnahme der vielen Geschichten aus den Evangelien, in denen Jesus von Nazareth sich mit Armen, Kranken, sozial Verachteten zu gemeinsamem Essen und Trinken zusammensetzt. Gegenwärtige Abendmahlspraxis hat sich für (getaufte) Kinder geöffnet. Ebenso haben die evangelischen Kirchen betont, dass selbstverständ- lich Angehörige anderer Kirchen, also auch Katholiken mit zum Abendmahl eingeladen sind. Insgesamt folgt daraus, dass das Abendmahl seinen liturgischen Charakter vom Kontrollinstrument – die Teilnahme daran definiert, wer zur Kirche gehört – zur Einladung – das Abendmahl ist eine missionarische Gelegenheit – verändert hat.

Diesen positiven Entwicklungen widerspricht nicht, dass die lokale Praxis sich an manchen Orten zu Regularien versteift, deren Befolgung eigentlich der Praxis liturgischer Gestaltungsfreiheit überlassen werden sollte: Der Abendmahlswein muss nicht unbedingt von einem bestimmten Weingut kommen. Es muss nicht auf jeden Fall ein Weißwein sein. Traubensaft kann den Wein ersetzen. Und es bleibt auch frei, ob Oblaten oder Brocken von frischem Brot genutzt werden.

Als ein Problem erscheint, dass sich das Abendmahl sehr weit vom Aspekt einer gemeinsamen Mahlzeit entfernt hat. Der Schluck Wein und der Bissen Brot erscheinen vor allem aufgeladen mit theologischer Bedeutung. So wird eine Trennung von Mahlzeit und liturgischem Mahl herbeigeführt, die auch die Ein- führung einer Agende für das Agapemahl nicht wesentlich verändern konnte.

In dieser Trennung wird unterschlagen, dass Essen und Trinken als Stärkung für Gesundheit und Körper mit der Stärkung im Glauben unzertrennlich zusammen- gehören. Eine stärkere Betonung dieses Aspekts könnte der liturgischen Feier zu neuer Aufmerksamkeit im Glauben verhelfen.

Ökumenisches Abendmahl?

Viele Christen erleben es als Beschwernis, dass evangelische Christen nicht an einer katholischen Eucharistiefeier teilnehmen können und dass es nicht mög- lich ist, dass evangelische und katholische Pfarrer gemeinsam das Abendmahl feiern und sich gegenseitig dazu einladen. Die evangelischen Kirchen haben

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– wie erwähnt – auf diesen unguten Zustand damit reagiert, dass sie betont ha- ben, dass Christen anderer Kirchen auf jeden Fall zu evangelischen Abendmahls- gottesdiensten eingeladen sind. Sie sind eingeladen, Brot und Wein miteinander zu teilen. Leider fehlt auf der katholischen Seite eine entsprechende Einladung bis heute.

Ein neues Papier des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katho- lischer Theologen aus dem Jahr 2019 argumentiert nun, dass die gegenseitige Einladung evangelischer und katholischer Christen zum Abendmahl theologisch gut begründet und ökumenisch längst geboten sei: „Der Ökumenische Arbeitskreis (…) betrachtet die Praxis der wechselseitigen Teilnahme an den Feiern von Abend- mahl/Eucharistie in Achtung der je anderen liturgischen Traditionen als theologisch begründet. Sie ist insbesondere in der Situation konfessionsverbindender Familien pastoral geboten. Sowohl im Blick auf den Einzelfall als auch auf die allgemeine Normgebung darf sich niemand mit den bisherigen Lösungen zufriedengeben.“

Das entspricht der gegenwärtigen evangelischen Einladungspraxis. Die Vorschläge des Arbeitskreises sehen eine Konzelebration evangelischer und katholischer Geistlicher nicht vor. Es bleibt abzuwarten, ob und inwiefern diese Vorschläge im katholischen Raum eine Mehrheit finden, die dann auch zur praktischen Umsetzung dieser Forderung führt. Es bleibt ein theologisches Gebot, auch die ökumenischen Anstrengungen realistisch zu sehen und sich nicht auf eine „Öku- mene der Hoffnungen“ zu kaprizieren, die ein Wunschdenken zur Grundlage der theologischen Argumentation macht.

Auf der evangelischen Seite scheint mir im Moment noch wichtiger als die Einla- dung anderer Glaubender zum Abendmahl die Einladung an diejenigen, die au- ßerhalb der Kirchen und Gemeinden stehen. Das Abendmahl ist kein liturgisches Bestätigungsritual, in dem sich die Glaubenden ihrer Zughörigkeit zur Gemeinde versichern. Als solches besäße der Abendmahlsgottesdienst abschließenden und exklusiven Charakter. Viel mehr auf der Linie des Evangeliums von der Rechtfer- tigung der Sünder liegt es, zum Abendmahl alle einzuladen, die sich von diesem Wort der Gnade und Barmherzigkeit angesprochen fühlen und sie in den Zeichen von Brot und Wein spüren und erfahren wollen.

Brot und Wein für Zöllner und Sünder

In der Diskussion über das Abendmahl scheint im Moment vieles im Fluss. Vor- mals für sicher und fest gehaltene theologische Positionen geraten ins Wanken und verlieren ihren normativen Charakter. Die alten metaphysischen Modelle der

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Welterklärung, auf die sich die Theologie stützte, sind verloren gegangen. Das muss man aber nicht als theologische Gefahr betrachten, denn in der unübersichtlichen und vielstimmigen Diskussion zeichnen sich Perspektiven ab, die Mut und Hoff- nung machen. In diesem Essay habe ich den ökumenischen Einladungscharakter der Mahlfeier betont. Ein zweiter Aspekt ist der Charakter des Abendmahls als einer stärkenden Mahlzeit für Körper und Seele. Im Grunde besteht die Aufgabe nur darin, der Botschaft desjenigen zu entsprechen, der nie auch nur einen kleinen Moment zögerte, sich mit „Zöllnern und Sündern“ (Mk 2,15 u.ö.) zu Tisch zu setzen.

Kommentiertes Literaturverzeichnis

Dieser Essay kann nur schlagwortartig die breite theologische Diskussion über das Abendmahl aus den letzten Jahrzehnten wiedergeben. Ausführlich habe ich mich mit diesem Thema auseinandergesetzt in der Studie Wolfgang Vögele, Brot und Wein. Gegenwärtige Abendmahlspraxis und ihre theologische Deutung, tà katoptri- zómena, Heft 109, Oktober 2017, https://theomag.de/109/wv036.htm.

Die genannten Bekenntnisschriften (Unionsurkunde, Leuenberger Konkordie) sind leicht zugänglich bei Wolfgang Vögele (Hg.), Die Bekenntnisschriften der Evangelischen Landeskirche in Baden, Bd.1 Textsammlung, Karlsruhe 2014 (10.Aufl.), https://www.ekiba.de/html/media/dl.html?i=60626 sowie ders. (Hg.), Die Bekenntnis- schriften der Evangelischen Landeskirche in Baden, Bd.2 Kommentar, Karlsruhe 2014, https://www.ekiba.de/html/

media/dl.html?i=60627. Im Kommentarband sind weitere Reflexionen zum Thema Abendmahl vorhanden.

Über die Leuenberger Konkordie informiert ausführlicher: ders., Übereinstimmung im Evangelium und Kirchengemeinschaft. Die Leuenberger Konkordie von 1973, Karlsruhe 2013,

https://wolfgangvoegele.files.wordpress.com/2016/02/die-leuenberger-konkordie-von-1973.pdf.

Abendmahl und Kirchentheorie hängen eng zusammen. Beiträge dazu finden sich in ders., Kirchenkritik.

Beiträge zu Kirchentheorie, praktischer und ökumenischer Theologie, KirchenZukunft konkret 12, Münster u.a.

2019 sowie in dem Aufsatz ders., Das Abendmahl der Aktenordner, tà katoptrizómena, H.90, 2014, http://www.theomag.de/90/wv12.htm

Die Arnoldshainer Abendmahlsthesen und das Lima-Dokument sind unter folgenden Adressen herunterzuladen:

Arnoldshainer Abendmahlsthesen, 1957,

http://www.uek-online.de/download/Arnoldshai ner_Abend mahlsthesen_1957_1962.pdf.

Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen, Taufe, Eucharistie und Amt (Lima -Papier), 1982, http://www.theologische-links.de/down loads/oeku me ne/Lima-Papier.pdf.

Für Ideen zur gegenwärtigen Abendmahlspraxis fand ich hilfreich: Natalie Ende, Sabine Bäuerle (Hg.), Gestärkt werden. Abendmahl feiern und verstehen, Materialbücher des Zentrums Verkündigung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau 114, Frankfurt 2012.

Andere Akzente als dieser Essay setzt der Heidelberger Theologe Michael Welker in seinem

nach wie vor lesenswerten Abendmahlsbuch: Michael Welker, Was geht vor beim Abendmahl?, Stuttgart 1999.

Das erwähnte ökumenische Dokument der Theologenkommission findet sich hier zum Download:

Ökumenischer Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen (Hg.), Gemeinsam am Tisch des Herrn.

Ein Votum des Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen, o.O. 2019,

https://www.uni-muenster.de/imperia/md/content/fb2/zentrale seiten/aktuelles/gemein sam_am_tisch_des_herrn._ein_

vo tum_des___kumenischen_arbeitskreises_evangelischer_und_ka tholi scher_theologen.pdf.

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2. Didaktische Anregungen

2.1 „Unter der Verantwortung und Beteiligung der ganzen Gemeinden“

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Warum Ältestenkreise sich mit dem Abendmahl befassen sollen

Zum Wesen unserer Landeskirche gehört es, dass Fragen des Gottesdienstes Teil des Leitungsauftrags der Ältestenkreise sind. Dazu gehört auch Frage, wie das Abendmahl in der Gemeinde gefeiert werden soll.

Theoretische Aspekte – in Gegenwart und Vergangenheit

Die Grundordnung der Badischen Landeskirche legt in Artikel 16, Absatz 1 fest:

„Die Kirchen ältesten bilden mit der Gemeindepfarrerin bzw. dem Gemeinde- pfarrer sowie den nach gesetzlicher Regelung mit der Leitung einer Gemeinde beauftragten Personen den Ältestenkreis.“ Dieser leitet die Gemeinde und trägt die Verantwortung dafür, „dass der Gemeinde Gottes Wort rein und lauter gepredigt wird, die Sakramente in ihr recht verwaltet werden und der Dienst der Liebe getan wird.“ Im Absatz 2 wird die „Mitwirkung (des Ältestenkreises) im Gottesdienst“ genannt und Absatz 6 betont „die Wahrnehmung der Mit verant- wortung für die Vorbereitung, Gestaltung und Leitung der Gottesdienste im Rahmen der agendarischen Ordnungen“.

Im Evangelischen Gottesdienstbuch heißt es:

„Der Gottesdienst wird unter der Verantwortung und Beteiligung der ganzen Gemeinde gefeiert.“ (Einführung, maßgebliche Kriterien 1)

„Die ganze Gemeinde ist für den Gottesdienst verantwortlich“ (ebenda). Diese

„Verantwortung der ganzen Gemeinde“ wird in der Badischen Landeskirche stell- vertretend von den gewählten oder berufenen Leitungskreisen wahrgenommen.

Es ist also gut begründete protestantische Tradition und in der Gegenwart mehr denn je notwendig, dass die Leitungsgremien der Gemeinden sich mit dem Gottes dienst, insbesondere mit dem Abendmahl befassen. Denn in welcher Weise

2 Evangelisches Gottesdienstbuch. Agende für die Evangelische Kirche der Union und für die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands, Berlin 1999, S. 15

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das Abendmahl ausgeteilt wird, kann ganz entscheidend dazu beitragen, dass sich Gottesdienstteilnehmende willkommen und wohl fühlen und gestärkt nach Hause gehen.

Theologische Aspekte – Gemeinde in Bewegung

Das Abendmahl ist neben der Predigt ein zweiter Höhepunkt in der Liturgie. Die Gebete und Gesänge werden feierlicher, vom dreimal Heilig bis zum „Christe, du Lamm Gottes“. Mit dem Beginn der Austeilung fängt die hörende und feiernde Gemeinde an, sich zu verwandeln:

Bisher saßen oder standen die Gottesdienstteilnehmenden. Nun aber, für den Empfang des Abendmahls, verlassen sie ihren Platz und fangen an zu gehen.

Aus der sitzenden wird die gehende Gemeinde. Dahinter steht ein Entschluss jedes Einzelnen: „Ja, ich gehe heute, hier und jetzt zum Abendmahl.“ Als einzelne Person tritt jede/jeder am Abendmahl Teilnehmende heraus aus der hörenden Gemeinde, um sich zu einer „neuen“, am Altar stehenden Gemeinde zusammen- zuschließen. Aus der hörenden ist für alle sichtbar über die gehende nun die bekennende Gemeinde geworden.

Zudem wandelt sich beim Empfang der Einzelne noch einmal, denn nun ist er/

sie nicht mehr einfach nur Teil einer Gruppe, sondern ist als leiblich einzelner Mensch gemeint und gefragt. Waren bisher Singen, Beten, Hören und Sprechen allen gemeinsam und fanden gleichzeitig statt, geschieht der Empfang von Brot und Wein (Saft) nacheinander und der einzelne Mensch wird in dem je eigenen, einzigartigen Sein gewürdigt und, da es um Essen und Trinken geht, geht es auch um die jeweilige Körperlichkeit:

„Für DICH gegeben“.

Praktische Aspekte – Leitungskreise in Verantwortung

Erwarten dürfen die Teilnehmer*innen einen auch äußerlich in sich stimmigen, geord neten Ablauf der Feier. Sie müssen wissen, wohin sie sich bewegen sollen, wenn sie nach ihrem Entschluss, heute am Abendmahl teilzunehmen, aufstehen und losgehen. Sie müssen wissen, wo sie am Altar zu stehen kommen können.

Auch gehbehinderte Personen, oder solche, die schlecht eine längere Zeit stehen können, müssen sich willkommen fühlen und auf entsprechende Hilfsangebote zurückgreifen können.

Die Teilnehmenden müssen gehört haben, ob Wein oder Saft ausgeschenkt wird und wann oder auf welcher Seite des Altars dies der Fall ist, ob Gemeinschafts- oder Einzelkelche aus geteilt werden und ob es glutenfreies Brot gibt.

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Sie müssen sich auch darauf verlassen können, dass Brot und Wein (auch der Saft) von einer Qualität sind, die das Wort: „Schmecket und sehet, wie freund- lich der HERR ist“ (Psalm 34,9) beim Essen und Trinken nicht Lügen straft.

Die Leitungskreise sollten sich die Zeit nehmen, gemeinsam Brot, Wein und Saft von unterschiedlicher Qualität auszuprobieren, bevor sie sich auf ein bestimmtes Produkt einigen – das kann dann auch ein fröhliches und gemeinschaftsstärken- des Element einer Sitzung sein.

Zusammen mit den Liturgen*innen tragen Leitungskreise die Verantwortung dafür, dass die gottesdienstliche Abendmahlsfeier so gestaltet ist, dass sich die Teilnehmenden willkommen und sicher fühlen können – in der Hoffnung, dass Jesus Christus selbst gegenwärtig ist.

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2.2 „Schmecket und sehet, wie freundlich der HERR ist!“ –

Verständigung über die Tischsitten

Es war im Konfirmationsgottesdienst meines Patenkindes in einer benachbarten Landeskirche. Nach einer spannenden Predigt und der anrührenden Einsegnung der Konfirmandinnen und Konfirmanden hörte ich die biblischen Worte über das letzte Mahl Jesu und stimmte mit der Gemeinde in den Lobgesang der Engel ein.

Ich hörte die bekannten Worte aus Psalm 34 und fühlte mich zum Abendmahl eingeladen. Schon wollte ich zum Altar gehen, um Brot und Wein zu empfangen und die Freundlichkeit des Herrn zu erfahren. Aber ich wurde unsicher:

Zielgruppe: Ältestenkreis, Gottesdienst-Team

Ziel: über Austeilungsformen und Abendmahlselemente für unterschiedli- che Gottesdienste Entscheidungen treffen und die Abendmahlsfeiern umsichtig vorbereiten können

Zeitbedarf: ein halber Tag oder ein Tag

Setting: bei einem Ältesten-Tag oder Team-Wochenende Raum: - Besprechungsraum

- Tische für die Aufstellung der Austeilungsformen und der Abend- mahlselemente

- Stuhlkreis zum Gruppengespräch

- Kirchenraum der Gemeinde (wenn die Veranstaltung außerhalb der Gemeinde stattfindet, ist es gut, den eigenen Kirchenraum vorher gemeinsam genau anzuschauen)

Material: - verschiedene Abendmahlsgeräte, insbesondere die der Gemeinde - Holzfiguren (im Spielwarenhandel und Bastelbedarf erhältlich) - große Papierbogen

- verschiedene Varianten der Abendmahlselemente

(verschiedene Brotsorten, Oblaten, Wein, Saft, „Juice and Wafer“) - Flipchart und Stifte

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In meiner Kirchenbank machte niemand Anstalten aufzustehen. Manche zogen verschämt ihr Handy aus der Tasche. Vor dem Altar fanden sich auf der einen Seite allmählich zwei Konfi-Elternpaare ein. Vor ihnen hantierten der Kirchen- diener und eine Kirchenälteste mit Kelchen und Kannen. Auf der anderen Altar- seite bildete sich eine unübersehbare Menschentraube. Die Pfarrerin vor ihnen war mit dem Füllen von kleinen Kelchen beschäftigt und nahm nicht wahr, dass die Menschen vor ihr unsicher waren, was sie tun sollten.

Offenbar war noch lange nicht alles bereit…

Als sich später eine gewisse Überschaubarkeit ergab, ging ich auf die weniger belagerte Altarseite mit den alten Silberkelchen zu. Ich erwartete, dort Brot und Wein zu bekommen. Etwas enttäuscht stellte ich fest, dass es Oblaten und Trauben saft waren. Ob die Menschen, auf die die Gemeinde damit offenbar Rücksicht nehmen möchte, wissen, dass sie hier ein alkoholfreies Abendmahl erwarten können? Für meine an Zöliakie erkrankte Freundin neben mir in der Kirchenbank hoffte ich, dass die Oblaten glutenfrei sind. Als ich sie im Mund hatte, fiel mir der Spruch meiner früheren Lehrvikarin ein: „Schmecket und sehet, wie trocken der Herr ist.“

Solche und ähnliche Erfahrungen stellen sich sicher nicht selten bei Abendmahls- gästen ein. Die „Tischsitten“ sind vielfältig und oft nur den „Insidern“ der Ge- meinde bekannt. Und nicht selten fehlen Absprachen und klare Ansagen, sodass selbst die Mitwirkenden unsicher sind, wie die Austeilung von Brot und Wein vor sich gehen soll. Denn heute gibt es viele Varianten, wie Abendmahlsgemeinden sich am Altar versammeln und was sie dort in welcher Form zu sehen und zu schmecken bekommen.

Deshalb ist es eine wichtige Aufgabe der Gemeindeleitung, sich zu verständigen, welche Form des Abendmahls zu welcher Gottesdienstform passt, klare Abspra- chen über die Art der Abendmahlsfeiern in den einzelnen Gottesdiensten zu treffen und diese auf geeignete Weise in die Gemeinde hinein zu kommunizieren.

Dies betrifft einerseits die „Sozialformen“ am Tisch des Herrn, andererseits die gereichten Abendmahlselemente.

Dazu dienen die nachfolgenden Beispiele. Weil sich am besten einprägt, was man nicht nur gesehen, sondern auch in den Händen gehabt hat, ist es hilf- reich, die Sozialformen am Altar konkret nachzustellen. Dies kann mit einer Gruppe im Kirchenraum geschehen, aber z.B. auch mithilfe von Bauklötzchen und Figuren (siehe unten) in der Gestalt, die der jeweiligen Kirche entspricht.

Im Gespräch kann danach ermittelt werden, welche Form sich für welchen

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inhaltlichen Schwerpunkt des Abendmahls und welchen gottesdienstlichen Anlass besonders eignet und was dabei beachtet werden muss. Die Liste der Stichworte zu jedem Bild kann so von der Gruppe selbst erarbeitet und ggf. aus unseren Anregungen ergänzt werden.

Die Bilder der Abendmahlselemente können einen Austausch über die Wahl der Abendmahlselemente in der Gemeinde anregen. Noch besser als die Bilder eig- nen sich dazu die leiblichen Dinge (Brot, Oblaten, Wein, Saft, Gefäße…), die ange- fasst und gekostet werden können. Der Austausch darüber kann mündlich, aber - z.B. in größeren Gruppen - auch schriftlich in Form eines Schreib-Gesprächs stattfinden. (siehe unten „Abendmahlselemente“)

AUSTEILUNGSFORMEN DES ABENDMAHLS

Die folgenden Beispiele für Austeilungsformen des Abendmahls wurden von unter- schiedlichen Arbeitsgruppen der Liturgischen Kommission auf ihre theologischen und praktischen Implikationen hin bedacht und erläutert. Die Darstellung folgt keiner einheitlichen Systematik.

Bei den beigefügten Bildern wurden folgende Symbol-Gegenstände benutzt:

Liturg*in Abendmahls- Gemeinde- Abendmahls- Altar (oben)

helfer*in glied gerät Kirchenbank (unten)

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Abendmahlsfeier im Kreis um den Altar

Hervorgehoben wird der Abendmahlsaspekt „mit Jesus Christus und untereinander verbunden“.

Vorüberlegungen:

Wieviel Personen passen etwa in einen Kreis um den Altar?

Oder muss es aus räumlichen Gründen einen Halbkreis geben? Sind mehrere Abendmahlsgrup- pen nacheinander zu erwarten? Entsprechend müssen die Hinweise vor dem Abendmahlsemp- fang gestaltet sein. Was ist mit Menschen, die nicht oder nicht mehr so lange stehen können?

Einige Stühle bereithalten? Wie können und kön- nen überhaupt Rollstuhlfahrer*innen integriert werden? (Gibt es Stufen vor dem Altar? Reicht der Bewegungsraum?) Z.B. singen: Lieder müssen mit der/dem Kirchenmusiker*in abgesprochen und mit der Gemeinde kommuniziert sein (Liedtafel/

Liedblatt).

 Soll Intinctio möglich sein? Dann muss die Praxis geklärt und angesagt werden.

Wenn Wein im Gemeinschaftskelch gereicht wird, sollte darauf hingewiesen werden, dass auch vollgültig am Abendmahl teilnimmt, wer keinen Wein zu sich nehmen möchte! Wenn Einzelkelche zum Einsatz kommen, muss die Praxis detailliert abgesprochen und eingeübt werden. (Wann werden die Einzelkelche gefüllt? Wann und wie werden sie ausgeteilt? Wann trinken die Teilnehmenden? Wann und wie werden die Kelche wieder eingesammelt?

Müssen sie während der Feier gereinigt werden? Von wem? …)

 Wie viele Austeilende sollen mitwirken?

Was teilt der/die Liturg*in aus?

Wo im Kreis soll die Austeilung beginnen?

Wo steht die Person, die die Kelche reinigt? Wie oft erfolgt die Kelchreinigung?

Wie erfolgen Übergabe und Übernahme? Wieviel zeitlicher Abstand zwischen Brot und Wein/Saft ist beim Austeilen sinnvoll?

 Wann nehmen Liturg*in und Abendmahlshelfer*innen am Abendmahl teil?

Besser als eine eigene Gruppe zu Beginn oder nach der letzten Gruppe (als wären sie etwas Besonderes!) wäre ein Eingliedern in eine der Abendmahlsgruppen.

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 Die Spendeworte sollten gemeinsam gewählt und verbindlich abgesprochen werden.

 Wer spricht das Sendungswort am Ende? Reichen wir dazu einander die Hände?

Abendmahl mit Wandelkommunion

Der inhaltliche Akzent liegt auf dem wanderndem Gottesvolk und Stärkung auf dem Weg.

Vorüberlegungen:

 Diese Form ist geeignet für große Teilneh- mendenzahlen: Damit der Abendmahls- empfang flüssig und geordnet vor sich geht, müssen alle wissen, wie der Ablauf ist.

 Eine Differenzierung bzgl. der Elemente und Austeilungs formen an verschiedenen Stationen (Gemeinschafts- und Einzelkelche; Wein und Saft, Intinctio und Trinken) ist möglich, sollte aber auf ein sinnvolles Maß beschränkt sein und muss gut kommuniziert werden! Auch die Möglichkeit der Kommunion nur mit einem Element sollte dabei benannt werden.

Wege müssen bedacht werden und deutlich erkennbar sein (nicht nur zu den Austeilungsorten, sondern auch zurück zu den Sitzplätzen!). Dafür sind bauli- che Gegebenheiten zu beachten

(z.B. bei Altarumgang der Abstand zur Wand; Barrierefreiheit).Der Abstand zu den Stationen muss groß genug sein; bei mehreren Wegen müssen diese gleichwertig sein, um keinen Stau zu erzeugen. Dafür muss auch die zu erwar- tete Personenzahl antizipiert werden.

 Für die Mitwirkenden ist es hilfreich vorher zu klären, wie damit umgegangen werden kann, dass die „Schlangen“ vor den Stationen unterschiedlich lang sein können. (Wer weniger Gäste hat, sollte das nicht persönlich nehmen, sondern gelassen bleiben; kann selbst am Abendmahl teilnehmen, sollte aber nicht mit dem Aufräumen beginnen.)

 Bedacht werden muss, wie die Kommunion der Austeilenden geschehen soll.

Der Eindruck einer „Klerikalisierung“ durch zwei „Klassen“ von Austeilung (Mit- wirkende im Kreis; Gemeinde in Wandelkommunion) sollte vermieden werden!

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Singen während der Austeilung ist nur mit Liedern möglich, die auswendig funktionieren (Taizé-Lieder) und mit einer Gemeinde, die das Auswendigsin- gen gewohnt ist.

Tischabendmahl

Diese Form des Abendmahls hebt den Aspekt der Nähe zu der Ursprungssitua- tion des Abendmahls Jesu mit seinen Jüngern und den Gemeinschaftsaspekt hervor. Sie legt sich für den Gründonnerstag nahe, aber auch für alle Gottesdiens- te, die mit einem Essen verbunden werden.

Vorüberlegungen:

 Die Anzahl der Teilnehmenden muss zuvor abgeschätzt und ent- schieden werden, ob ein Tisch oder mehrere Tische benötigt werden.

Für eine größere Gruppe muss die Art der Aufstellung bedacht werden (ein langer Tisch, Tisch in Kreuzform, mehrere Einzeltische).

 Die/Der Liturg*in sollte in der Mitte einer Tischreihe (nicht am Kopfende) Platz finden, um nicht einen Eindruck von „Vorsitz“ zu erwecken.

(Vgl. Leonardos Bild, doch können beide Seiten des Tisches besetzt sein).

Brot und Wein stehen vor der/dem Liturg*in in der Mitte des Tisches. Nach evangelischem Verständnis ist es nicht notwendig, dass an allen einzelnen Tischen über den Elementen die Einsetzung vollzogen wird. Dies kann für alle sicht- und hörbar an einem Tisch geschehen.

 Wird Fladenbrot verwendet, sollte es vorgeschnitten sein. Alternativ können Brot- scheiben verwendet werden, die dann unter den Teilnehmenden geteilt werden.

 Für diese Art des Abendmahls eignet sich die Verbindung von Einsetzung und Vollzug des Abendmahls in eine knappe liturgische Form, z.B.:

- Begrüßung - Lied

- Tischgebet (z. B. „Komm, Herr Jesu, sei du unser Gast …") - Einsetzungsworte Brot

- Zwei Brot-Teller werden rechts und links mit den Worten

„Brot des Lebens“ weitergegeben.

Reichen Teilnehmende einander gleichzeitig Brotstück und Teller,

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entsteht ein Problem. Dies kann dadurch gelöst werden, dass jede*r Teilnehmende nicht der/dem jeweils Nachfolgenden, sondern der/dem Davorstehenden das Brot vom Teller reicht.

- Nach den Einsetzungsworten zum Kelch wird der Kelch weitergereicht.

- Dankgebet (Falls es danach mit einem Abendessen weitergeht, bezieht sich der Dank auch auf das anschließende Essen.)

- Beim Segen können sich die „Tischgenossen“ die Hände reichen.

 Wenn danach ein Essen folgen soll, ist zu überlegen:

Wird der Tisch vor oder nach dem Abendmahl gedeckt? Wie ist der Übergang zu gestalten, damit erkennbar wird, dass auch hier nicht „formlos“ gegessen wird?

 Um den Teilnehmenden Handlungssicherheit zu geben, ist die detaillierte An- sage des Ablaufs wichtig.

Abendmahl mit Austeilung in den Bänken

Diese Form eignet sich, wenn viele Teilnehmende erwartet werden, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind oder wenn für eine Wandelkommunion nicht genug Platz zur Verfügung steht. Inhaltlich steht die Gemeinschaft der Teilneh- menden im Vordergrund.

Vorüberlegungen:

 Wie viele Austeilende werden benötigt?

 Wer beginnt an welcher Reihe?

 Wann kommunizieren die Austeilenden?

 Gemeinschaftskelch

(Einzelkelch nicht praktizierbar)

 Saft oder Wein?

Im Gottesdienst sind genaue Ansagen wichtig:

 wie der Ablauf funktioniert (Brot erst weitergeben, dann selbst essen)

 welche Spendeworte gesprochen werden (kürzestmögliche Variante)

 wie der Kelch zwischendurch gereinigt werden kann

 wie sich diejenigen verhalten, die nicht am Abendmahl teilnehmen möchten Problemanzeigen:

 Durch lange Laufstrecken für die Austeilenden entsteht Unruhe.

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 Wer nicht am Abendmahl teilnehmen möchte, gerät in die Situation, mindestens die Elemente weitergeben und die Spendeworte sprechen zu müssen.

Wenn Gottesdienstteilnehmende erwartet werden, die nicht am Abendmahl teil- nehmen, ist diese Form daher wenig geeignet.

Abendmahl im großen Kreis im ganzen Kirchenraum

Betont wird durch diese Art der Feier die Gemeinschaft der ganzen Gemeinde. Vorüberlegungen:

 Bedacht werden müssen die örtlichen Gegeben heiten:

Wo genau soll der Kreis verlaufen?

Ist genug Platz an der Seite?

Wenn der Altar nicht mit einbezogen werden kann oder die Kirche sehr groß ist, ist genug Platz in der Mitte für einen oder mehrere Tische? Wie sind diese Tische gestaltet?

 Wie viele Austeilende werden benötigt?

Genaue Absprache über ihre Aufgaben sind wichtig.

Wieviele Kelche und Patenen werden gebraucht?

Wie werden die Kelche gereinigt? Tuch mitgeben oder anders?

 Wird die Liturgie vom Altar oder von einem Tisch aus gefeiert?

Wenn vom Altar aus, sollte dort die/der Liturg*in mit Patene und Kelch (Krug) agieren, während Austeilende die Elemente an den Tischen aufdecken und austeilen. Auch die Elemente vom Altar sollten bei der Austeilung mit ein- bezogen werden.

 Klare Ansagen für die Abendmahlsgäste sind wichtig; ebenso freundliche Worte für die, die nicht teilnehmen möchten und sitzenbleiben.

Wenn viele Gottesdienstteilnehmende erwartet werden, die nicht am Abendmahl teilnehmen, ist diese Form wenig geeignet.

Wie kommunizieren die Austeilenden?

Bei der starken Gewichtung der Gemeinschaft in diesem Modell wäre es gut, sie könnten sich mit in den Kreis stellen.

 Genaue Absprache hinsichtlich der Musik: Wenn Lieder gesungen werden sollen, können es nur solche sein, die die Gemeinde auswendig kann.

Abdecken der Elemente durch die Austeilenden beim Schlusslied.

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ABENDMAHLSELEMENTE

Die folgenden Bilder können einen Austausch über die sinnlichen Ein- drücke der Abendmahlselemente anregen und damit eine Grundlage für Entscheidungen über die Abendmahlsgestaltung bieten.

Noch besser als Bilder eignen sich dazu die leiblichen Dinge (Brot, Oblaten, Wein, Saft, Gefäße…), die angefasst und gekostet werden können.

Der Austausch über die sinnlichen Eindrücke kann mündlich, aber (z.B.

in größeren Gruppen) auch schriftlich in Form eines Schreib-Gesprächs stattfinden.

Dafür werden die Elemente in verschiedenen Gestalten (siehe unten) auf mehreren Tischen im Raum aufgestellt und jeweils ein Plakat mit Stiften dazu gelegt. Die Teilnehmenden nehmen die unterschiedlichen Gestalten der Abendmahlselemente wahr (betrachten, fühlen, riechen, kosten) und halten ihre Eindrücke auf den Plakaten fest. Die Niederschriften dienen später als Gesprächsgrundlage. Bei diesem Gespräch können auch prak- tische Vollzüge im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Gestal- tungsformen (z.B. zum Austeilen und Einsammeln von Einzelkelchen) und Aufgaben, die sich bei allen Gestaltungsformen stellen (z.B. zum Auf- und Abdecken der Elemente) thematisiert und anschließend praktisch erprobt werden.

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„Klassisch badisch“:

Silber-Kelch mit Wein und Silber-Patene mit in längliche Stücke geschnittenem Weißbrot

Für Intinctio geeignet:

Kelch mit Saft und Patene mit Brotoblaten (hier: quadratische glutenfrei)

„Rustikal“:

Keramik-Kelch mit Wein und Keramik-Patene mit Brot in Scheiben zum Brechen

„Für Individualisten“:

Einzelkelch und Brot

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SCHLUSSBEMERKUNGEN: HYGIENE, ÄSTHETIK UND DIÄTETIK

Es scheint ein Phänomen unserer Zeit zu sein, dass die Bedeutung ästhetischer Gesichtspunkte in allen Lebensfragen zugenommen hat, während Fragen der (Be-) Deutung in den Hintergrund getreten sind. So werden auch im Hinblick auf das Abendmahl heute weniger Fragen nach der Gegenwart Jesu Christi oder der Wirkung des Abendmahls gestellt als Fragen nach Einzel- oder Gemeinschafts- kelch, Saft oder Wein, Lebensmittelunverträglichkeiten und Hygiene.

Diese Entwicklung betrifft nicht nur das Abendmahl. In unserer Gesellschaft differieren Einstellungen und Praktiken der Ernährung so weit, dass familiäre Tischgemeinschaften und Einladungen zum Essen zu kommunikativen und lo- gistischen Herausforderungen werden. Davon kann auch die Abendmahlspraxis nicht unberührt bleiben. Deshalb wird es – wie bei jeder Gemeinschafts praxis – beim Abendmahl für manche Fragen keine „perfekten“ Lösungen, sondern nur Kompromisse geben, die je nach Gemeindesituation unterschiedlich aussehen können und müssen.

Eine dieser Fragen ist die nach Wein oder Traubensaft.

Im Hinblick auf die Gültigkeit des Abendmahls ist beides möglich:

der vergorene wie der unvergorene Saft des Weinstocks. Die liturgischen Formulierungen sollten allerdings der jeweiligen Praxis entsprechen. Der Wein steht eher für die Gottesgabe von Genuss und Freude; der Saft für die liebevolle Integration aller am Tisch des Herrn.

Die Rücksicht auf alkoholkranke Menschen und die Einladung von Kindern zum Abendmahl hat dazu geführt, dass in unserer Kirche heute der Abendmahlswein weitgehend durch Traubensaft verdrängt wurde. Das ist ein begrüßenswertes Zeichen der liebevollen Rücksicht auf die „Schwachen“, zu der Paulus der Gemeinde in Korinth rät (1. Korinther 12) – mehr aber auch nicht, da Menschen mit Fructose-Unverträglichkeiten auch keinen Fruchtsaft vertragen. Diese Rück- sicht kann darum nicht zur absoluten Norm werden, die eine gemeinsame Praxis verunmöglichen würde. Der Gebrauch von alkoholhaltigen Desinfektionsmitteln muss (mangels praktikabler Alternativen) weiterhin möglich sein und mutet al- koholkranken Menschen selbstverantwortete Entscheidungen zu, die sie in allen anderen Lebensbereichen auch treffen müssen.

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Eine andere Frage, für die es keine „perfekte“ Lösung gibt, ist die nach Gemeinschaftskelch oder Einzelkelchen.

Einerseits bringt nichts die Gemeinschaft am Tisch des Herrn so leibhaftig zum Ausdruck wie das Trinken aus einem Kelch. Andererseits ist solche leibhaftige Gemeinschaft mit z.T. fremden Menschen heute für viele anstößig, für manche unerträglich. Dabei geht es bei genauerer Betrachtung weniger um ein hygieni- sches als um ein ästhetisches Problem: Hygienisch ist nach Meinung von Medi- zinern das Trinken aus einem Kelch wegen der desinfizierenden Wirkung der Mundschleimhaut weniger problematisch als das Essen eines Brotstücks oder einer Oblate, die mehrere Menschen mit ihren Händen berührt haben. Dennoch verspüren weit mehr Menschen Ekelgefühle angesichts des Gemeinschaftskel- ches als angesichts des Brotstücks, das ihnen der Nachbar reicht. Dieses Phä- nomen ist mit Information und Kommunikation nur teilweise beeinflussbar;

Ekelschranken sind kaum verschiebbar. Deshalb ist bei der Frage nach Einzel- und Gemeinschaftskelch die Wahrnehmung der Stimmungslage in der Gemeinde ebenso wichtig wie eine unaufgeregte Kompromissfähigkeit. (Anders stellt sich die Frage in hygienisch angespannten Zeiten und bei Abendmahlsfeiern in Ein- richtungen für Kranke und Senioren dar, wo sich die Verwendung von Einzelkel- chen aus mehreren Gründen nahelegt.) In jedem Fall gilt: Werden Einzelkelche benutzt, so sollten diese durch einen bei den Einsetzungsworten verwendeten

„Gießkelch“ befüllt werden.

In welche Sackgasse die Hygiene-Bestrebungen führen können, zeigt die angel- sächsische Entwicklung, wo in manchen Kirchen die Abendmahlsteilnahme mit- hilfe von Einmal-Päckchen vollzogen wird. Diese sind nicht nur in ihrem Symbol- wert, sondern auch unter ökologischen (Plastikverpackungen) und praktischen Gesichtspunkten (für ältere Menschen schwer zu öffnen) zweifelhaft.

„Garantiert hygienisch“: Juice and Wafer in Einzelverpackung

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Ein letzter Hinweis gilt der wachsenden Problematik von Lebensmittelunverträg- lichkeiten.

Im Hinblick auf das Abendmahl ist die Zöliakie problematisch, die in einer schweren Form selbst bei Spuren von Gluten zu schweren allergischen Reaktio- nen führt. Für Menschen mit dieser Erkrankung ist selbst das Trinken aus einem Kelch, in den ein anderer eine glutenhaltige Oblate eingetaucht hat, gefährlich.

Auch hier gibt es nur Kompromisslösungen: Glutenfreie Oblaten sind heute erhältlich (besser geeignet als glutenfreies Brot, das stark krümelt); allerdings sollten Erkrankte zu ihrem Schutz aus dem oben genannten Grund auf Wein / Saft verzichten. Ein Hinweis dazu im Gottesdienstblatt ist hilfreich.

FAZIT:

In vielen gottesdienstlichen Situationen wird es aus den genannten Gründen sinnvoll sein, die Abendmahlselemente in unterschiedlichen Gestalten anzubie- ten. Um Überforderungen zu vermeiden und das Erleben von Gemeinschaft zu erhalten, sollte aber eine zu große Vielfalt vermieden werden.

Hilfreich könnten folgende Aspekte sein:

 Bei jeder Austeilungsform sollte mindestens eines der Elemente die Gemein- schaft zum Ausdruck bringen (also ein ganzes, vorgeschnittenes Brot bei der Verwendung von Einzelkelchen oder ein Gemeinschaftskelch bei der Verwen- dung von Oblaten).

 Die Wahl der Elemente sollte darauf zielen, dass für möglichst viele Teilneh- mende mindestens eines der Elemente genießbar ist.

 Es sollte bei der Einladung zum Abendmahl immer wieder darauf hingewiesen werden, dass auch, wer nur eines der Elemente zu sich nimmt, an der Gegen- wart Jesu Christi zum Heil vollständig teilhat.

Dies mit liebevoller Sorgfalt und heiterer Gelassenheit vorzubereiten und auszuführen, ist ein Aspekt des Gottes-Dienstes der Gemeinde!

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2.3 „Zu meinem Gedächtnis“

Übung zum Erinnerungsaspekt des Abendmahls

3

Diese Übung vermittelt eine Erfahrung davon, wie in einem Gegenstand (z.B. in Brot und Wein) ein Mensch gegenwärtig sein kann. Sie ist geeignet für Ältestenkrei- se, Erzieher*innen, Kinder, Konfirmand*innen, deren Eltern usw.. Um eine intensive Erfahrung zu ermöglichen, sollte die Gruppe nicht mehr als acht bis zehn Personen umfassen; größere Gruppen können geteilt werden. Zum Abschluss kann gemein- sam das Abendmahl in kleiner Form gefeiert werden.

Die Teilnehmenden sitzen in einem Kreis, ohne Tische und mit freier Mitte.

Einleitung:

„Unsere Erfahrungen mit dem Abendmahl können sehr unterschiedlich sein.

Auch unser Verständnis und unsere Fragen. (ggf. Ergänzung je nach Gruppe) Wir werden es nachher in einfacher Form miteinander feiern. Vorher werden wir einander erzählen. Etwas aus unserem Leben, eine Einzelheit, eine Erinnerung an jemanden.

3 nach Thomas Hirsch-Hüffell: Gottesdienst verstehen und gestalten, Göttingen 2002

Zielgruppe: Ältestenkreis, Erzieher*innen, Kinder, KiGo-Mitarbeiter*innen, Konfirmand*innen, Konfirmandeneltern, Konfi-Team, Schüler*innen,…

Ziel: Erfahrung damit machen, wie in einer Sache ein Mensch

„gegenwärtig“ sein kann

Zeitbedarf: je nach Gruppengröße und danach, ob das Abendmahl zum Abschluss gefeiert werden soll oder nicht 60 bis 90 Minuten

Setting: Stuhlkreis

Raum: Besprechungsraum (bei Aufteilung in Gruppen mehrere Räume) Material: - Knete oder Ton

- Tuch oder niedriger Tisch

- Abendmahlsgeräte der Gemeinde - Abendmahlselemente

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Bestimmt haben Sie Dinge in Ihrer Wohnung, die Sie an etwas erinnern, an ein Erlebnis mit einem Menschen. Um solche Dinge geht es.

Ich bitte Sie jetzt, sich etwas Knete/Ton zu nehmen und in der Hand zu wärmen und geschmeidig zu machen.“

Knet-Phase

Menschen nehmen Knete/Ton und reiben das Material.

„Gehen Sie in Gedanken durch Ihre Wohnung. Suchen Sie nach etwas, das Sie einmal von einem Menschen zum Abschied geschenkt bekommen haben. Zum Abschied – das muss nicht unbedingt Tod bedeuten. Es gibt ja auch Abschiede vor dem Tod: Ortswechsel, Freundschaften, die zu Ende gehen, Reisen usw. Wenn Sie etwas sehen, dann formen Sie diesen Gegenstand so gut Sie können jetzt nach. Das muss nicht perfekt sein, es genügt die Andeutung der Form. Sie haben ein paar Minuten Zeit dazu.“

In der Stille formen alle, auch der Anleiter/die Anleiterin. Wenn die meisten fertig sind, beginnt die Erzählrunde.

Erzähl-Phase

„Wer noch nicht ganz fertig ist, kann gern weiterformen, während wir schon erzählen.

Lassen Sie uns beginnen: Sie zeigen uns Ihren Gegenstand und erzählen die Geschichte dazu. Erzählen Sie auch von dem Menschen, an den Sie dabei denken.

Wir anderen hören hin. Wem etwas unklar ist, darf gern nachfragen.“

Erste Person erzählt. Anleiter*in fragt nach, wenn die Darstellung zu kurz gerät und man keine Bilder vor Augen hat oder mäßigt, wenn die Darstellung zu lang wird.

Auch der/die Anleiter*in erzählt (ggf. am Anfang, dann sehen alle, wie es geht).

Jede*r erzählt max. 5 Min. Alle Berichte werden gleich ernst genommen.

Wer erzählt hat, stellt die geformte Figur in die Mitte auf ein Tuch oder einen flachen Tisch.

Wenn alle (aber kein Zwang) erzählt haben, nimmt die/der Anleiter*in Brot und Wein, Kelch und Schale (möglichst die, die auch im Gottesdienst verwendet

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werden), und erzählt frei, wie Jesus mit seinen Freund*innen nach Jerusalem gekommen ist, einen Raum zum Feiern gesucht und gefunden hat, was es für ein Raum war, wer dabei war, wie sie geredet und gegessen haben, was sie vielleicht dabei gefühlt haben… und wie Jesus an einer bestimmten Stelle zu ihnen gesagt hat: ‚Das bin ich – das ist mein Leib‘, als er Brot bzw. Wein nahm.

Bis zum Ende des Mahls wird erzählt. Einsetzungsworte im tradierten Wortlaut oder erzählt. Dann:

„So wie wir durch unser Erzählen Menschen in den Raum geholt haben, Men- schen, die nicht hier sind, vielleicht gar nicht mehr leben, wie wir durch einen Gegenstand an einen Menschen erinnert wurden – so ist es beim Abendmahl:

Jesus hat gehofft, seine Freunde würden ihn nach seinem Tod wiedererken- nen und ihn in ihren Herzen spüren, wenn sie das Mahl feiern. Er hat ihnen ein Abschiedsgeschenk übergeben mit den Dingen, die sie immer verwenden, mit Nahrungsmitteln sogar, und hat damit gesagt: ‚Wenn ihr das esst, dann habt ihr mich bei euch – so nah wie Essen und Trinken.‘ Und die Bibel erzählt, dass es für die Freunde nach Jesu Tod immer wieder so war, dass sie Jesus bei sich hatten, indem sie taten, was sie immer in seiner Gegenwart taten: Brot brechen, Wein trinken.

In einem Ding kann also – wie in unseren, die hier stehen – ein Mensch gegen- wärtig sein.

Wir waren nicht selbst bei Jesus dabei, aber wir sind in seine Geschichte hinein- genommen, wenn wir Abendmahl feiern.

Durch unser Erzählen haben wir etwas aus unserem Leben miteinander geteilt, waren darin den anderen Bereicherung.

Abendmahl

Lasst es uns jetzt einfach tun: Brot und Wein herumgeben mit den Worten, die Euch vertraut sind oder ohne Worte. Jesus ist mitten unter uns.“

Brot und Wein werden im Kreis herumgereicht. Abschluss mit Gebet oder Sen- dungswort.

Schale und Kelch werden dann zu den geformten Gegenständen gestellt.

Es kann ein kurzer Austausch erfolgen, in dem die Eindrücke benannt (aber nicht zerredet) werden. Das Arrangement wirkt aber auch für sich.

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2.4 Vom Wirken der Union im Dorf

Erkundung zur Geschichte von Abendmahlsgeräten

Abendmahlskelche und -kannen sowie Teller bzw. Patenen für das Abend- mahlbrot gehören zusammen mit Taufschale und -kanne zu den „vasa sacra“, den „heiligen Gefäßen“. Weil sie bei der Feier der Sakramente zum Einsatz kommen, werden diese Gefäße von jeher aus besonderen Materialien und mit besonderer Sorgfalt gestaltet. In manchen Gemeinden gibt es historische Abendmahlsgeräte, die von der Gemeinde zu einem besonderen Anlass an- geschafft oder ihr geschenkt wurden. Andere Gemeinden verwenden – inspi- riert vom Kirchentag oder von Taizé - Abendmahlsgeräte, die sich von dieser Tradition bewusst absetzen und durch Material und Gestaltung die Alltäglich- keit der Mahlgemeinschaften Jesu in Erinnerung rufen. Aus welcher Zeit auch immer: Material und Gestalt der Abendmahlsgeräte „erzählen“ etwas über das Abendmahlsverständnis der Menschen, die sie in Gebrauch genommen haben.

Das gibt Gelegenheit, die Geschichte der Abendmahlsvorstellungen der eigenen Gemeinde anhand ihrer Abendmahlsgeräte zu „erforschen“. Vielleicht tragen die Gefäße Inschriften oder Symbole, die Hinweise auf ihr Alter und ihre Ge- schichte geben; vielleicht finden sich in den Akten der Gemeinde Dokumente

Zielgruppe: Schüler*innen, Konfirmand*innen, Gemeindegruppe, Kirchenälteste Ziel: Geschichte der Abendmahlsgeräte und der Abendmahlsfrömmigkeit

der Gemeinde erforschen

Zeitbedarf: Das Projekt erfordert eine längere Recherche- und Erarbeitungsphase und ca. 90 Minuten für Präsentation und Nachgespräch.

Setting: Für die Recherche ist die Begleitung durch historisch und theologisch Kundige nötig; für die Präsentation Laptop, Beamer und Leinwand.

Raum: Für die Präsentation wird je nach Öffentlichkeit ein mehr oder weniger großer Gemeinderaum benötigt.

Material: Abendmahlsgeräte der Gemeindegruppen, evtl. Dokumente darüber Für die Präsentation bietet sich Powerpoint an.

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über ihre Herkunft oder den Anlass ihrer Anschaffung. Unterstützt von histo- risch und theologisch informierten Mentor*innen können Schüler*innen oder Konfirmand*innen, aber auch andere interessierte Gemeindeglieder solche In- formationen zusammentragen, auswerten und der Gemeinde in einer kleinen Präsentation ein Stück ihrer Geschichte vor Augen führen.

Ein Beispiel aus der Kirchengemeinde Nußbaum:

Sie gehört zur kommunalen Gemeinde Neulingen zwischen Bretten und Pforzheim und war bis 1806 eine württembergische Enklave zwischen den altbadischen Herrschaften Göbrichen und Bauschlott und dem bis 1803 kur- pfälzischen Bretten.

Die Kirchengemeinde Nußbaum besitzt eine kleine vergoldete Abendmahls- patene, die um diese Zeit in der „württembergischen“ Kirche (St. Stephan) im Gebrauch war und wohl aus Stuttgart stammt, denn auf dem dazugehörigen Kelch ist das Stuttgarter Wappen, ein „steigendes Pferd“, eingeprägt. Die Patene ist klein, kaum 13 cm im Durchmesser, im vertieften Boden nur 8 cm. Das dürfte ausgereicht haben, um aufgeschichtete („gestapelte“) Oblaten („Hostien“) in der nötigen Stückzahl aufzunehmen.

1806 nun wurde Nußbaum ba- disch. Am 23. Juli 1821 wurde in Baden die evangelische Kirchen- union durch Großherzog Ludwig genehmigt, am 28. Oktober trat sie in Kraft. Damit wurde eine die lutherische und die refor- mierte Tradition verbindende Abendmahlslehre und eine gemeinsame und verbindliche Abendmahlspraxis eingeführt. An die Stelle der lutherischen „würt- tembergischen“ Oblaten trat das

„badische“ Abendmahlsbrot der Union: weißes, in längliche Stü- cke geschnittenes Brot, das vom Pfarrer beim Austeilen in zwei Teile gebrochen wurde. Diese Praxis weist eine größere Nähe

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zu der biblischen Erzählung vom letzten Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern auf als die Verwendung von Oblaten; ihre Einführung war ein Zugeständnis an die Reformierten im Zusammenhang der Union.

Es dürfte deshalb kein Zufall sein, dass zu dem neuen Abendmahlsgerät, das die Gemeinde Nußbaum sich 1822 anschaffte, ein auffallend großer Abendmahlsteller aus Zinn gehört: Er misst 30 cm im Durchmesser, im vertieften Boden 27 cm. Wollte und sollte man das Abendmahl mit Brot- stücken feiern, dann war die alte Patene zu klein geworden. Und der Erinne- rung an die Ursprungssituation des Abendmahls entspricht das „gewöhnliche“

Zinn des Tellers besser als die üppige Vergoldung der Patene.

So erzählen die Abendmahlsgeräte von Nußbaum, wie die Gemeinde sich die neue unierte Lehre und Praxis eines „stiftungsgemäßen Abendmahls“

angeeignet hat.

(37)

2.5 „Zu Tisch“ – Experiment zum Abendmahl im Rahmen eines gemeinsamen Essens

Essen und Trinken halten nicht nur Leib und Seele zusammen, sondern auch unsere sozialen Lebensformen: Familien, Freundschaften, selbst Arbeitsgruppen.

Unser Gottesdienst kennt mit dem Abendmahl eine intensive und ritualisierte Form des gemeinschaftlichen Essens, das die Gemeinschaft mit Christus und in seiner Kirche zur Darstellung bringt.

Die folgende Übung kann die Fantasie freisetzen dafür, wie Abendmahl und Tischgemeinschaft zusammenhängen und sich gegenseitig stärken können.

Sie ist geeignet für größere Gruppen, die für einen längeren Zeitraum zu- sammen sind – etwa auf einer Gemeindefreizeit, einer Fortbildung für Konfi- Teamer*innen oder einer Ausbildungsgruppe von Prädikant*innen. Als Vorberei- tungszeit für dieses Experiment muss etwa ein Nachmittag eingeplant werden.

Am Abend findet dann ein gemeinsames Essen statt.

Zielgruppe: Gruppe mit christlichem Grund-Wissen (Konfi-Teamer, Prädikant*innen, KiGo-Team, Gemeindefreizeit…)

Ziel: den Zusammenhang von Abendmahl und Tischgemeinschaft und so den Gemeinschaftsaspekt des Abendmahls erfahren

Zeitbedarf: mindestens ein halber, besser ein ganzer Tag für Planung, Einkauf, Zubereitung der Speisen und Entwicklung liturgischer Texte und Handlungen

ca. 120 Minuten für das mehrgängige Essen

Raum: Küche, Raum für das Essen, ggf. Außengelände mit Feuerstelle Setting: Arbeit in mehreren Kleingruppen, gemeinsames Essen

Material: Küchengeräte, Essgeschirr, ggf. Feuerholz und Stöcke für Stockbrot (oder Schnitzmesser, um solche herzustellen)

Einkaufsmöglichkeit für Zutaten

Bibeln, Gesangbücher, evtl. Textvorlagen zur Erarbeitung der liturgi- schen Texte und Handlungen

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Der Hintergrund:

zwei ambivalente Beobachtungen aus der Praxis der Gottesdienstberatung 1. WennesindenGemeindenumdieAbendmahlsfeiernimLaufdesKirchenjahrsgeht,

kommt manchmal die Einschätzung zum Ausdruck: „Wenn Abendmahl gefeiert wird, bleiben die Leute weg.“ Dem steht entgegen, dass Gottesdienste, die mit irgendeiner informellen Form der Nahrungsaufnahme verbunden werden (Kirchkaffee, anschlie- ßender Umtrunk oder Eintopfessen…), sich in der Regel großer Beliebtheit erfreuen.

2. WennmannachderBedeutungdesAbendmahlsfürdieMenschenfragt,fälltoft das Stichwort „Gemeinschaft“. Zugleich werden aber die intensivsten Gemein- schafts-Elemente des Abendmahls offensichtlich ambivalent erlebt: Das Hände- reichen zum Friedensgruß oder zur Entlassung wird von manchen geschätzt, von anderen aber eher gemieden. Und der Gemeinschaftskelch berührt für nicht wenige Zeitgenossen Ekelschranken.

Das legt nahe, den Mahlcharakter des Abendmahls wieder erlebbar zu machen und positiv zu besetzen. („Wieder“: weil er mit dem „Feierabendmahl“ schon einmal im Fokus liturgischer Aufmerksamkeit stand.)

Dazu kann ein liturgisches Experiment dienen, das wir im Rahmen einer Fortbildungsgruppe von Pfarrer*innen ausprobiert haben:

Wir haben gemeinsam ein mehrgängiges Essen vorbereitet und geteilt, das zu jedem Gang einen Aspekt des Abendmahls thematisiert hat. Dazu haben fünf kleine Gruppen (jeweils 3-4 Personen) verabredet, jeweils einen Gang des Essens inklusive eines kleinen thematischen Beitrags vorzubereiten.

Der Arbeitsauftrag

 Denkt euch einen Gang für ein mehrgängiges Essen aus, der für euch einen Aspekt des Abendmahls erlebbar macht.

 Sucht euch ein Rezept, kauft die nötigen Zutaten ein und bereitet das Gericht zu.

 Denkt euch einen „liturgischen“ Beitrag zu eurem Gericht aus, der diesen As- pekt des Abendmahls thematisiert (ein Lied, ein Gebet, einen Text, ein Ritual) und bereitet dieses vor.

 Bedenkt, wie die anderen Gäste sich beteiligen sollen (betend, singend, hörend, meditierend…), auch den Ort und das setting (sitzen, stehen, gehen, am Tisch, in welchem Raum…).

 Bereitet ggf. Begleitmedien für alle Teilnehmende vor (z.B. Liederbücher, Textblätter...).

 Teilt der Gruppe, die den Raum gestaltet, rechtzeitig mit, welches Geschirr etc.

für euren Gang nötig ist.

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Erfahrungen mit diesem Abend-Mahl

In der Gruppe gab es zunächst einige Widerstände zu überwinden, weil das Ex- periment einen gewissen Aufwand mit sich bringt. Nachdem sich alle darauf ein- gelassen hatten, einen Teil ihrer Lebenszeit dem Vorbereiten und Erleben eines gemeinsamen Mahls in Erinnerung an die Mahlgemeinschaften Jesu zu widmen, setzte die Aktion viel Kreativität und ein intensives gemeinsames Erleben frei.

Die Stärke der Übung liegt in ihrer Offenheit: Da die Arbeitsaufträge für die Grup- pen sehr offen sind, können auch überraschende Erfahrungen mit Aspekten des Abendmahls gemacht werden.

Bei unserem Experiment enthielt das viergängige Mahl

 einen roten Aperitif „im Stehen“ in Verbindung mit Mk 14,12-15 (Vorbereitung des Passamahls Jesu mit seinen Jüngern), dem Lied „Herr, öffne mir die Herzenstür" (EG 197,1-3) und einem „Trinkspruch“, den jede*r zum Aperitif zugesagt bekam: „Der Herr öffnet dein Herz“ und der den gemeinsamen Gang zum festlichen Tisch eröffnete

 eine Suppe mit selbst gesammeltem Bärlauch am festlich gedeckten Tisch mit Texten aus der Schöpfungsgeschichte (Gen 1) und einem Kyrieruf mit der Bitte um Freiheit und die Bewahrung der Schöpfung

 einen schlichten „Hauptgang“ (am Lagerfeuer gemeinsam zubereitetes Stockbrot), währenddessen Erinnerungen an die Mahlgemeinschaften Jesu und an eigene Abend- mahlserlebnisse erzählt wurden: Die Gruppe erzählte kleine Episoden und gab dann die Aufforderung, eigene Abendmahls“geschichten“ zu erzählen an alle weiter – was intensiv genutzt wurde. Gegen Ende dieses „Hauptgangs“ wurden die Einsetzungs- worte gesprochen und Brot und Wein geteilt.

 ein französisches Dessert, das zweisprachig singend mit „Tochter Zion“ (EG 13) eingeleitet wurde (die Gruppe hatte einige elsässische Mitglieder).

(40)

3. Liturgische Anregungen

3.1 Erinnerung an einen Aufbruch:

Tischabendmahl mit Elementen der jüdischen Sederfeier am Gründonnerstag

Vorbemerkungen:

Dieser Abendmahlsentwurf für den Gründonnerstag lehnt sich an die Form des Sedermahls an, das bis heute in jüdischen Familien am Vorabend des Passafestes gefeiert wird und somit wahrscheinlich den Rahmen für das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern bildete.

Die Aufnahme von Elementen der Sederfeier ist als besondere Form des achtsamen Gedenkens der jüdischen Wurzeln christlicher Frömmigkeit zu verstehen.

Die Feier wird am besten von zwei Personen durchgeführt (Liturg*in, Lektor*in), sodass sich beim Entzünden der Kerzen, bei den Lobsprüchen über Licht, Brot und Wein und bei den Einsetzungsworten die Sprecher*innen abwechseln.

Soll die Feier als Tischabendmahl durchgeführt werden, finden sich Anregungen für die Vorbereitung im Kapitel „Kommt, es ist alles bereit. Schmecket und sehet, wie freundlich der HERR ist! – Anregungen zur Verständigung über die Tisch- sitten beim Abendmahl“.

Wein oder Saft und Mazzen werden auf einem Beistelltisch vorbereitet und wäh- rend der Feier zum Altar/Tisch gebracht. Ein siebenarmiger Leuchter wird auf dem Altar/Tisch aufgestellt; die Kerzen werden während der Feier entzündet.

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