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Neuinfektion, Zellzahlanstieg und neue Mastitis und bestimmenden Variablen Zitzenkondition und Erregernachweis in der

Longitudinalstudie

5.4.1 Zusammenhänge zwischen den abhängigen Variablen Neuinfektion, Zellzahlanstieg und neue Mastitis und der bestimmenden Variable

Zitzenkondition

Ziel der vorgelegten Longitudinalstudie war die Untersuchung möglicher Zusammenhänge zwischen Störungen der Zitzenkondition, insbesondere von Hyperkeratosen, und dem Auftreten von Neuinfektionen. Die in der univariaten Regression gefundenen Assoziationen zwischen Zitzenkonditionsbefunden und Neuinfektionen, Zellzahlanstiegen und dem Ereignis neue Mastitis gingen in die abschließenden Modelle ein, wenn sie auf einem Niveau von 90% signifikant waren.

In den endgültigen Modellen ließ sich ein mehr als 20mal erhöhtes Risiko für Zitzen feststellen, die nach dem Melken blass, im Vergleich zu rosa sind, sich im Verlauf des nächsten Monats mit KNS neu zu infizieren. Diesem Zusammenhang liegt eine sehr kleine Fallzahl zugrunde (2 Fälle), was Ursache für die hoch erscheinende Risk-Ratio sein kann. Daneben konnten keine Zusammenhänge zwischen Parametern der Eutergesundheit und Zitzenkonditionsstörungen dargestellt werden, die signifikant waren. Eine blasse Farbe der Zitzenhaut kann als Hinweis auf eine unzureichende Durchblutung des Gewebes nach dem Melken gedeutet werden. Durch eine mangelhafte Durchblutung sinkt die Sauerstoffspannung im Gewebe, was wiederum

den Zitzenkanalverschluss (HAMANN u. MEIN 1996) und die Reaktion der Abwehrzellen negativ beeinflussen kann.

5.4.2 Zusammenhänge zwischen den abhängigen Variablen Neuinfektion, Zellzahlanstieg und neue Mastitis und der bestimmenden Variable

Erregernachweis

Weitere Zusammenhänge, die das festgelegte Signifikanzniveau von 95% erfüllen, beschreiben Zusammenhänge zwischen Mastitiserregern. Der Nachweis von E. coli erhöht für ein Euterviertel deutlich das Risiko, im Laufe des nächsten Monats eine Neuinfektion mit Coryneformen zu erleiden im Vergleich zu einem Euterviertel ohne diesen Nachweis. Nachweise von S. aureus und Sc. agalactiae erhöhen das Risiko einer Neuinfektion mit Enterokokken, sowie der Nachweis von Sc. agalactiae auch das Risiko einer Neuinfektion aus der Kategorie umweltassoziierter Erreger erhöht.

Die häufigsten nachgewiesenen umweltassoziierten Erreger wiederum waren Enterokokken. Dies gilt stets für den Vergleich mit Zitzen, die diese Nachweise in der Viertelgemelksprobe nicht hatten. Die ermittelten Risk Ratios erscheinen teilweise sehr hoch, was möglicherweise darauf zurückzuführen ist, dass von einigen abhängigen Variablen nur wenige Fälle beobachtet wurden. In der Literatur finden sich keine Beschreibungen derartiger Zusammenhänge. Es ist davon auszugehen, dass ein vorgeschädigtes Euterviertel leichter erneut von Pathogenen besiedelt wird bzw. dass die gleichen Faktoren, die einen Nachweis von S. aureus oder Sc.

agalactiae begünstigten auch die Neuinfektion mit anderen Erregern fördern.

Denkbar wäre auch eine Verschleppung von Enterokokken, die Resistenzen gegen verschiedene antibiotische Stoffe aufweisen können (ROSSITTO et al. 2002), oder von umweltassoziierten gramnegativen Pathogenen als Folge einer unsauber durchgeführten antibiotischen Behandlung, die zuvor als Reaktion auf eine Mastitis oder eine Zellzahlerhöhung durch S. aureus oder Sc. agalactiae durchgeführt wurde.

Für Zitzen mit einem Nachweis von Coryneformen wurde ein um 1,6mal höheres Risiko für einen Zellzahlanstieg von unter 200.000 somatischen Zellen/ml nach über

200.000 somatischen Zellen/ml festgestellt. Coryneforme werden den minorpathogenen Mastitiserregern zugeordnet. Ihre Pathogenität wird unterschiedlich eingestuft. Sie werden mehrheitlich mit milden Zellzahlerhöhungen in Verbindung gebracht (LAM et al. 1997; REYHER et al. 2012). Die Beobachtung einer Assoziation zwischen einem Nachweis mit Coryneformen und einem Zellzahlanstieg im darauffolgenden Monat ist daher erklärbar. Es wurden 34 Beobachtungen zum Auftreten eines Zellzahlanstieges nach vorhergehendem Nachweis von Coryneformen gemacht. Dieser Assoziation liegt damit die höchste Fallzahl zugrunde.

Zitzenkonditionsstörungen, insbesondere Hyperkeratosen stehen häufig im Verdacht, einen Einfluss auf Neuinfektionsrate, Zellzahl oder die Entstehung klinischer Mastitiden zu haben. In verschiedenen Studien wurde versucht, diesen Zusammenhang darzustellen. Die meisten dieser Studien sind einfache Prävalenzstudien, denen es teilweise gelang, Assoziationen zwischen extremen Hyperkeratosen und bereits bestehenden intramämmaren Infektionen oder erhöhter somatischer Zellzahl darzustellen. Die einmalige Erhebung von Daten zu einem Zeitpunkt ermöglicht es jedoch nicht sicher auszusagen, ob die bestehende Zitzenkonditionsstörung die Infektion des Drüsenviertels mit bedingt hat, oder ob diese bereits längere Zeit bestand. Die Prävalenz intramammärer Infektionen war in einer Studie von SIEBER und FARNSWORTH (1981) bei Zitzen mit chronischen Läsionen der Zitze nicht signifikant verschieden von der normaler Zitzen. SHEARN und HILLERTON (1996) konnten ebenso wie CHRYSTAL et al. (1999) keinen signifikanten Effekt von Hyperkeratosen auf die somatische Zellzahl feststellen.

GLEESON et al. (2004) stuften Hyperkeratosen in fünf Schweregrade (0 bis 4) ein.

Sie stellten eine signifikante Korrelation zwischen Zitzen mit Hyperkeratoseklasse 2 oder 3 und der somatischen Zellzahl fest (P<0,01), allerdings nur, wenn die Zitzen nach dem Melken nicht mit desinfizierendem Dippmittel behandelt wurden.

POTRAFKI (2005) konnte zeigen, dass Tiere, die im geometrischen Mittel der monatlichen Milchleistungsprüfung mehr als 100.000 somatische Zellen/ ml Gemelk haben, signifikant seltener gute Zitzenscorewerte aufweisen, als Tiere mit weniger als 100.000 somatischen Zellen/ ml Gemelk. Weiterhin konnte die Autorin zeigen,

dass sich im Sekret von Eutervierteln mit Zitzen, die einen schlechteren Scorewert haben, signifikant häufiger euterpathogene Erreger nachweisen lassen.

Der Vorteil einer Longitudinalstudie mit mehreren Beobachtungen in regelmäßigen Abständen liegt darin, dem Auftreten einer Neuinfektion, eines Zellzahlanstieges oder einer Mastitis, einen aktuellen Befund der Zitzenkondition zuordnen zu können.

Damit kann die Kernfrage, ob eine Verschlechterung der Zitzenkondition eine Verschlechterung Eutergesundheit nach sich zieht, direkt für das Einzeltier überprüft werden. NEIJENHUIS et al. (2001a und 2004) gelang es in Langzeitversuchen, Belege für einen Zusammenhang zwischen Hyperkeratosen und dem Auftreten einer klinischen Mastitis zu finden. NEIJENHUIS et al. (2001a) klassifizierten über einen Zeitraum von 18 Monaten in monatlichem Abstand die Hyperkeratoseausprägung der Einzeltiere auf 15 Betrieben. In dieser Zeit wurden parallel alle Mastitisfälle von den Landwirten dokumentiert. Anschließend wurde zum einen die Hyperkeratoseausprägung von an Mastitis erkrankten Vierteln mit der Zitzenkondition des gesunden Nachbarviertels desselben Tieres verglichen. Die Unterschiede waren gering, aber signifikant für die drei Monate vor der, den Monat während der und die zwei Monate nach der Mastitis. Zum anderen wurden Paare gebildet, in denen die Zitzenkondition von Tieren mit Mastitis mit der von Tieren ohne Mastitis verglichen wurde. Die Paare wurden so ausgewählt, dass die Parameter Laktationsstadium, Laktationsnummer und Herde vergleichbar waren. Tiere mit einer klinischen Mastitis hatten schwerere Hyperkeratosen als die Vergleichstiere ohne klinische Mastitis. Es konnte eine Assoziation zwischen diesen Parametern festgestellt werden. Diese Assoziation war besonders deutlich für den Zeitraum zwischen dem zweiten und fünften Monat der Laktation (NEIJENHUIS et al. 2001a). BREEN et al. (2009a) zeigten zum einen, dass milde Hyperkeratosen mit niedrigeren Zellgehalten (<199.000 somatischen Zellen) assoziiert sind. Damit bestätigten sie eine Beobachtung, die schon NEIJENHUIS et al. (2001 b) zu einem positiven Effekt schwach ausgeprägter Hyperkeratosen auf die Eutergesundheit gemacht haben. Auf der anderen Seite waren sehr schwere Hyperkeratosen in ihren Untersuchungen nicht mit einem signifikanten Zellzahlanstieg assoziiert (BREEN et al. 2009a). In einer weiteren Studie (BREEN et al. 2009b) stellten sie zudem ein signifikant

erhöhtes Risiko für Mastitiden mit E. coli für Zitzen mit sehr schweren Hyperkeratosen fest und eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Sc.-uberis-Mastitis.

Damit widersprechen sie ZADOKS et al. (2001), die eine erhöhte Rate von S.-aureus-Infektionen für Zitzen mit extremen Hyperkeratosen feststellten, diese aber nicht als Risikofaktor für Sc.-uberis-Infektionen bestätigen konnten. BREEN et al.

(2009 a und b) führten ihre Untersuchungen in monatlichen Abständen über ein Jahr, also als Langzeitstudie, auf acht Betrieben durch. Sie verwendeten den von NEIJENHUIS et al. (2000) entworfenen Scoring-Schlüssel für Hyperkeratosen für wissenschaftliche Erhebungen (siehe Tabelle 3). Die Kuh und das Viertel wurden, wie in der hier vorgelegten Studie, als zufällige Effekte in die Datenanalyse einbezogen. Die erfassten tierindividuellen Faktoren, zu denen auch Hyperkeratosen gezählt wurden, wurden in Bezug zu den Zellzahlergebnissen der auf die Untersuchung folgenden Milchkontrolle gesetzt.

Die vorliegende Studie wurde so angelegt, dass die Untersuchungen an einer Tiergruppe auf einem Betrieb durchgeführt wurden. Die Tiere sind dadurch alle denselben Umweltbedingungen (Witterung, Aufstallung), derselben Melkroutine und –technik und derselben Fütterung ausgesetzt. Der Einfluss der Umweltbedingungen auf die Eutergesundheit ist damit bei allen Versuchstieren gleich. Dennoch ließen sich, trotz der unbefriedigenden Zitzenkondition des Betriebes, in den weiterführenden statistischen Modellen keine Zusammenhänge zwischen Hyperkeratosen und Zellzahlanstiegen, Neuinfektionen oder dem Ereignis „Neue Mastitis“ feststellen. Dass Hyperkeratosen einen Einfluss auf Parameter der Eutergesundheit haben, wurde insbesondere in den oben vorgestellten Langzeitstudien, an deren Aufbau die hier vorgelegte Untersuchung angelehnt wurde, bereits gezeigt. Es ist möglich, dass die Fallzahlen für die untersuchten abhängigen Variablen Zellzahlanstieg, Neuinfektion und des Ereignisses „Neue Mastitis“ zu niedrig waren, um einen Zusammenhang darzustellen oder, dass durch eine Überkorrektur des linearen gemischten Modells die Effekte nicht mehr dargestellt werden konnten. Weiterhin hätte auch eine andere Auswahl der abhängigen Variablen, die die Eutergesundheit bestimmen sollten, z.B. die Erfassung der vom Betrieb behandelten klinischen Mastitiden, zu anderen

Ergebnissen führen können. Diese Variable wurde zum Beispiel von NEIJENHUIS et al. (2001a) oder BREEN et al. (2009b) genutzt. Es ist zudem wahrscheinlich, dass andere Einflüsse die Effekte der Zitzenkondition überlagert haben. Dies könnten tierindividuelle Faktoren wie das Laktationsstadium oder die Laktationsnummer sein, melktechnische Einflüsse oder die Umweltbedingungen. ZADOKS et al. (2001) fanden für Tiere in der ersten und zweiten Laktation eine niedrigere Infektionsrate für Sc. uberis als für ältere Tiere. Der Laktationsmonat und die Laktationsnummer wurden auch von BREEN et al. (2009a) mit einem höheren Risiko für eine somatische Zellzahl über 199.000 Zellen/ml in Verbindung gebracht, ebenso wie extreme Abweichungen im BCS der untersuchten Tiere, sowohl nach unten (<1,5) als auch nach oben (>3,5). Die für den Versuch ausgewählten Tiere waren nicht ungewöhnlich alt, sondern entsprachen mit im Mittel 2 Laktationen dem deutschen Durchschnitt (ADR 2012). BARKEMA et al. (1999) identifizierten stallbauliche Gegebenheiten und den maschinellen Milchentzug als Variablen mit Einfluss auf die Entstehung von E.-coli- und Sc.-uberis-Mastitiden. Auch die allgemeine Hygiene kann Einfluss auf die Entstehung von E. coli bedingten Euterentzündungen haben (BARKEMA et al. 1999). SMITH et al. (1985) konnten zeigen, dass es eine Assoziation zwischen der Anzahl coliformer Erreger im Einstreumaterial und der Umgebung der Tiere und Infektionen des Drüsengewebes gibt (P<0,05). Im Versuchsbetrieb wurde eine starke Verschmutzung der Tiere beim Betreten des Melkstandes festgestellt. Daraus könnte auf eine mangelhafte Hygiene im Bereich der Liegeflächen und Laufwege der Tiere geschlossen werden. Zusätzlich war die mangelhafte Hygiene im Melkstand auffällig, die vor allem durch den hohen Anteil abkotender Tiere entstand. Auch wenn durch die Untersuchung einer Tiergruppe auf demselben Betrieb Bedingungen wie die Umwelt und der maschinelle Milchentzug für alle Versuchstiere gleich sind, muss doch davon ausgegangen werden, dass eine hohe Dynamik im Infektionsgeschehen und einige dieser dominant beeinflussenden Variablen wie z.B. eine schlechte allgemeine Betriebshygiene den Effekt der Zitzenkonditionsstörungen überdecken können. Der hohe Anteil kontaminierter und damit nicht verwertbarer Proben erklärt sich ebenfalls aus den mangelhaften hygienischen Bedingungen. Der Anteil, der für die Auswertung verwendbaren

bakteriologischen Ergebnisse hätte erhöht werden können, wenn die Definition für eine kontaminierte Probe an die Gegebenheiten angepasst und damit weniger streng gefasst worden wäre.