• Keine Ergebnisse gefunden

5.2 Prävalenz von morphologischen Merkmalen und Hyperkeratosen

5.2.3. Zitzenkonditionsstörungen in der Prävalenz- und der Longitudinalstudie

5.2.3.1 Zitzenkonditionsstörungen in der Prävalenzstudie

Mehr als 75% der Vorder- und mehr als 80% der Hinterzitzen wiesen ein Ödem der gesamten Zitze oder der Zitzenspitze auf. Mehr als 20% der Vorder- und mehr als 30% der Hinterzitzen zeigten teigige Schwellungen im Bereich der Zitzenbasis (Ringbildung) und mehr als 40% aller Zitzen zeigten Farbabweichungen der Zitzenhaut, die als Kongestion gedeutet werden können. MEIN et al. (2001) empfehlen, dass nicht mehr als 20% der untersuchten Zitzen Symptome akuter Zitzenkonditionsstörungen aufweisen. Dieser Richtwert wurde in der untersuchten Population überschritten.

Der Anteil untersuchter Zitzen mit nicht-physiologischen Hyperkeratosen war ebenfalls deutlich zu hoch. Im Durchschnitt lag bei mehr als 50% der Vorderzitzen und bei mehr als 45% der Hinterzitzen eine Hyperkeratose vor, die einen schmalen, glatten Ring überschritt. Mehr als 20% der Vorderzitzen und mehr als 15% der Hinterzitzen wiesen eine sehr schwere Hyperkeratose in Form eines rauen Rings mit fransigen Ausstülpungen auf. MEIN et al. (2001) fordern, dass der Anteil der Tiere mit schweren und sehr schweren Hyperkeratosen unter 20% liegt und der Anteil der Tiere mit sehr schweren Hyperkeratosen unter 10%. Bei Überschreitung sollte den Autoren zufolge eine Ursachenermittlung durchgeführt werden. Vorderzitzen weisen häufiger schwere und sehr schwere Hyperkeratosen auf als Hinterzitzen (NEIJENHUIS et al. 2000). Die vorderen Drüsenviertel produzieren etwa 40% der Milchleistung (GRABOWSKI 2000) und sind in der Regel früher ausgemolken als die hinteren Drüsenviertel. Die Vorderzitzen werden daher länger blindgemolken, nach TANČIN et al. (2006) fast doppelt so lange wie Hinterzitzen und sind dadurch einer stärkeren mechanischen Belastung ausgesetzt.

Die Auswertung der Einzelbetriebsdaten zeigt, dass es große Unterschiede in der Prävalenz schwerer Hyperkeratosen zwischen den Betrieben gibt. Der Betrieb mit den meisten schweren und sehr schweren Hyperkeratosen war mit 82,13% Betrieb G. Dieser Betrieb melkte seine Tiere zum Untersuchungszeitpunkt dreimal täglich, wodurch die Melkzeughaftzeit pro Tag für die dortige Herde vermutlich länger war als im Durchschnitt der untersuchten Tiere. In der Literatur wird ein Milchmengenanstieg zwischen 10 und 20% für die Umstellung von zweimaligem auf dreimaliges Melken beschrieben (KLEI et al. 1997; STELWAGEN et al. 2001), der zu längeren Melkzeughaftzeiten führt. Betrieb P hatte den geringsten Anteil Zitzen mit Hyperkeratosen, die als schwer oder sehr schwer eingestuft wurden (21,61% der Vorderzitzen und 18,09% der Hinterzitzen). Die statistische Analyse der Daten ergab für Hinterzitzen eine signifikante Assoziation zwischen Betrieb und Hyperkeratoseausprägung.

Im Mittel der untersuchten Betriebe wiesen 6,27 bzw. 7,27% der Vorder- bzw.

Hinterzitzen eine glatte Zitzenkuppe auf. Im Durchschnitt über alle Laktationsstadien fanden NEIJENHUIS et al. (2000) bei 16,4% der untersuchten Tiere eine glatte und unversehrte Zitzenkanalöffnung vor. Der Anteil unversehrter Zitzen war in der hier untersuchten Population also deutlich geringer. Die Hyperkeratosegrade 1 und 2 waren in der vorliegenden Studie jeweils am häufigsten vertreten. Zusammen 73,7%

der Vorderzitzen und 77,0% der Hinterzitzen wurden entsprechend eingestuft. Die Grade 1 und 2 entsprechen den Einstufungen 1A, 1B, 2A, 2B und 2C, die von NEIJENHUIS et al. (2000) beschrieben werden. NEIJENHUIS et al. (2000) ermittelten für diese Einstufungen einen mit den hier vorliegenden Daten vergleichbaren Anteil von 70-80% der untersuchten Zitzen. Schwere und sehr schwere Hyperkeratosen wurden von NEIJENHUIS et al. (2000) bei weniger als 10%

der Zitzen festgestellt. In der hier untersuchten Population lag der Anteil extremer Hyperkeratosen (rauer Ring mit Fransen, Grad 3) mit 20,06% der Vorder- und 15,71% der Hinterzitzen deutlich über dem von MEIN et al. (2001) festgelegten Richtwert von 10%. Danach wäre die chronische Zitzenkondition in der untersuchten Population mangelhaft. Als Hauptrisikofaktoren für die Entwicklung von Hyperkeratosen wurden Melkzeughaftzeit und Blindmelken beschrieben. Diese

beiden Parameter hängen von der technischen Einstellung der Melkanlage (Vakuum und Pulsation) und von der Einstellung der Abnahmeschwelle, aber auch von der Stimulation der Tiere vor dem Melken ab. Die Melkgeschwindigkeit und die Blindmelkzeiten auf den Versuchsbetrieben sollten, wo im Rahmen der Studie nicht bereits durchgeführt, überprüft und verbessert werden.

5.2.3.2 Zitzenkonditionsstörungen in der Longitudinalstudie

Die in der Longitudinalstudie erfassten Parameter der akuten Zitzenkondition umfassten die Zitzenfarbe, die Ausbildung eines Zitzenödems und die Ausbildung eines ödematösen Ringes im Bereich des Fürstenbergschen Venenringes, also an der Zitzenbasis. Die Erfassung erfolgte durch visuelle und palpatorische Untersuchung etwa 1 Minute nach der Melkzeugabnahme. Eine rosablaue und blaue Farbe der Zitzenhaut ist ein Indikator für die Anschoppung von Blut und Lymphflüssigkeit mit beginnender Zyanose im Gewebe. Veränderungen der Zitzenfarbe, die von der optimalen Ausprägung „rosa“ abweichen, wurden zu jedem Untersuchungszeitpunkt bei mehr als 50% der Zitzen gefunden. An neun von zehn Untersuchungsterminen lag ihr Anteil bei mehr als 70%. MEIN et al. (2001) schlagen für die Beurteilung der Zitzenhautfarbe vor, dass nicht mehr als 20% der untersuchten Zitzen Symptome einer beeinträchtigten Blut- oder Lymphversorgung, also einer Kongestion aufweisen sollen. Symptome eines Ödems der Zitzenspitze oder der gesamten Zitze wurden zusammengefasst zu allen Untersuchungszeitpunkten sowohl an den Vorder- als auch an den Hinterzitzen bei mehr als 50% der Tiere gefunden. Zur Beurteilung der Häufigkeit von ödematösen Veränderungen der Zitze geben MEIN et al. (2001) einen Richtzwert von 20% an. Ein deutliches Überschreiten dieses Wertes werten sie als Zeichen für eine unzureichend arbeitende Melktechnik oder eine mangelhafte Melkarbeit, die lange Blindmelkzeiten bewirken. Ringe im Bereich der Zitzenbasis waren bei den Vorderzitzen geringfügig häufiger als bei den Hinterzitzen. Ihre relative Häufigkeit lag zwischen 58 und 81%

für vorne und zwischen 44 und 80% für hinten und damit wiederum deutlich über dem geforderten Richtwert von 20% (MEIN et al. 2001).

Akute Störungen der Zitzenkondition entstehen innerhalb einer Melkzeit.

Veränderungen im Melkprozess, wie etwa der Wechsel des Zitzengummis oder veränderte Einstellungen der Pulsation oder des Vakuums können die Befunde, die an den einzelnen Untersuchungszeitpunkten erhoben wurden, erheblich beeinflussen (HAMANN 1988). Bei einem Untersuchungszeitraum von zehn Monaten sind mehrere Zitzengummiwechsel innerhalb des laufenden Versuchs nötig gewesen. Es besteht also die Möglichkeit, dass die Materialbeschaffenheit des Zitzengummis zwischen den Untersuchungszeitpunkten schwankte, je nachdem, ob die Zitzengummis gerade ausgewechselt wurden oder ob der nächste Wechsel unmittelbar bevorstand. HILLERTON et al. (2003) beschreiben, dass der Anteil Zitzen, die nach dem Melken gerötet oder blau sind, steigt, wenn das Zitzengummi deutlich gealtert ist. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Versuchspopulation, die sich zum ersten Untersuchungszeitpunkt im Mittel etwa an Tag 44 der Laktation befand, in ihrem Laktationsstadium voranschritt. Damit geht auch eine Veränderung der Milchmenge, der Melkbereitschaft bzw. der Milchflüsse und damit der Melkzeughaftzeit einher (SANDRUCCI et al. 2007). Schwankungen in den Ergebnissen der Zitzenkonditionsbeurteilung zwischen den Untersuchungszeitpunkten wären demnach zu erwarten gewesen. Eine Verschlechterung einzelner Parameter der akuten Zitzenkondition im Versuchsverlauf, also mit fortschreitender Laktation, konnte allerdings nicht beobachtet werden. Insgesamt war die akute Zitzenkondition deutlich schlechter als in der Literatur gefordert und weist somit auf eine mangelhafte Melkarbeit oder eine unzureichend arbeitende Melktechnik hin, die zu verlängerten Melkzeughaft- und Blindmelkzeiten führen. Ein dadurch bedingtes höheres Risiko für die Entstehung von Neuinfektionen ist zu erwarten (ZECCONI et al. 1996; NEIJENHUIS et al. 2004).

Für die Beurteilung der Ausprägung von Hyperkeratosen empfehlen MEIN et al.

(2001), dass nicht mehr als 20% der Tiere schwere oder sehr schwere Hyperkeratosen ausfweisen (entspricht Hyperkeratoseklasse 2 und 3). Der Anteil an

Vorder- und Hinterzitzen mit schweren und sehr schweren Hyperkeratosen lag in der für die Studie ausgewählten Tiergruppezu jedem Untersuchungszeitpunkt bei einem Anteil von mehr als 40%. Sehr schwere Hyperkeratosen wurden je nach Untersuchungszeitpunkt bei 8 bis 28% der Vorder- und bei 5 bis 21% der Hinterzitzen gefunden. Die Vorderzitzen hatten zu jedem Untersuchungszeitpunkt einen höheren Anteil an sehr schweren Hyperkeratosen (Hyperkeratoseklasse 3) als die Hinterzitzen (Tabelle 22 und Tabelle 23 sowie Abbildung 10 und Abbildung 11).

Dies kann durch die Kapitel 2.4.1.2 beschriebene niedrigere Milchleistung und die dadurch verlängerten Blindmelkzeiten der Vorderzitzen erklärt werden. Die chronische Zitzenkondition ist innerhalb der Versuchsgruppe unzureichend und kann ein Hinweis auf eine zu lange Melkdauer, unerwünscht lange Blindmelkzeiten oder ein zu hohes Vakuum sein, da dies die Hauptrisikofaktoren für die Entstehung von Hyperkeratosen sind (THOMPSON u. SIEBER 1980; LANGLOIS et al.1981;

RASMUSSEN 1993; RYŠANEK et al. 2001; REINEMANN et al. 2008). Es ist mit einer Beeinträchtigung des Zitzenkanalverschlusses (MICHEL et al. 1974;

NEIJENHUIS et al. 2004), einer verstärkten Besiedlung des Zitzenkanals (PADUCH et al. 2012) und nach NEIJENHUIS et al. (2001a, 2004) mit einem erhöhten Mastitisrisiko für solche Zitzen zu rechnen. Eine fortschreitende Entwicklung der Hyperkeratosen in Richtung stärkerer Ausprägungen mit der Laktationsdauer konnte entgegen der Beobachtungen der Prävalenzstudie und den Aussagen in der Literatur (SHEARN u. HILLERTON 1996; NEIJENHUIS et al. 2001a; POTRAFKI et al. 2005) nicht beobachtet werden.

5.2.4 Ergebnisse der Zytobakteriologischen Untersuchung der Viertelgemelksproben in der Longitudinalstudie

Die Viertelgemelksproben wurden von den Tieren der Versuchsgruppe nach der Vorbereitung durch den Melker und vor dem Ansetzen des Melkzeuges entnommen.

Trotz Einhaltung der Vorgaben der DVG-Leitlinien zur Milchprobenentnahme (DVG 2009) waren anteilig viele Proben kontaminiert. Dies hängt vermutlich mit den eher

ungünstigen Bedingungen der Milchprobenentnahme zusammen. Zum einen wiesen viele Tiere beim Betreten des Melkstandes einen starken Verschmutzungsgrad auf.

Zum anderen waren die Tiere des Versuchsbetriebes auffallend unruhig und betraten oft nur zögerlich das Karussell. Der Anteil Tiere, die nach dem Betreten des Melkstandes Harn oder Kot absetzten, war hoch. Zählungen im Melkstand beim ersten Besuchstermin ergaben, dass im Mittel 12% der gemolkenen Tiere nach dem Betreten des Melkstandes Kot absetzten. Dadurch war der gesamte Melkbereich bereits kurz nach Beginn der Melkzeit extrem verschmutzt. Die Beprobung erfolgte in der laufenden Melkzeit im rotierenden Melkkarussell und musste daher innerhalb eines vorgegebenen engen Zeitrahmens zwischen Vorreinigung und Ansetzen vorgenommen werden. Bei der ersten Beprobung (Untersuchungsmonat 1) wurden im Sekret von 86 Vordervierteln und von 90 Hintervierteln nicht näher differenzierte äskulinpositive Streptokokken nachgewiesen. Diese hohe Anzahl an Befunden mit demselben Erreger legt eine systematische Kontamination der Proben am ersten Untersuchungstermin nahe.

Das Probenmaterial wurde nach der Entnahme gekühlt und innerhalb von 24 h in das mikrobiologische Labor der Hochschule Hannover gebracht und dort umgehend für die zytobakteriologische Untersuchung aufbereitet. Eine nachträgliche Kontamination kann aufgrund der sterilen Arbeitsbedingungen und dem geschulten Personal im Labor fast ausgeschlossen werden.

Für die somatische Zellzahl wurden im Zuge der deskriptiven Analyse des Datenmaterials die Anteile an Proben mit mehr als 100.000 und mehr als 200.000 somatischen Zellen pro Milliliter Gemelk in jedem Untersuchungsmonat ermittelt. Die graphische Darstellung dieser Anteile (Abbildung 12) zeigt einige Spitzen im Verlauf der Untersuchung. An Untersuchungszeitpunkt 5 zeigten die Anteile der Proben mit mehr als 100.000 bzw. 200.000 somatischen Zellen/ml einen deutlichen Anstieg. Der Anteil Proben mit mehr als 100.000 somatischen Zellen/ ml betrug 54,40% für die Vorder- und 52,80% für die Hinterzitzen. Der Anteil Proben mit mehr als 200.000 somatischen Zellen/ ml lag bei 36,00% bzw. 40,00%. Untersuchungszeitpunkt 5 lag im September. OLDE RIEKERNIK et al. (2007) beschreiben einen saisonalen

Einfluss auf somatische Zellzahl und Mastitisrate. Die Tankmilchzellzahl von 300 untersuchten niederländischen Betrieben zeigte in vier aufeinanderfolgenden Jahren stets im August oder September Spitzen. SMITH et al. (1985) beschreiben einen Anstieg von Infektionen und auch klinischer Mastitiden mit Umweltstreptokokken und coliformen Keimen im Sommer. Die erhöhte Anzahl intramammärer Infektionen im Sommer war in ihren Untersuchungen signifikant mit steigenden Zahlen coliformer Keime in der Einstreu assoziiert (P<0,05). Vergleichbare Anstiege bei den Anteilen hochzelliger Proben sind auch im achten und neunten Untersuchungsmonat zu beobachten. Der Anteil Proben mit mehr als 100.000 somatischen Zellen/ml stieg auf 53,91% für die Vorder- und 49,57% für die Hinterzitzen. Auch zum Untersuchungszeitpunkt 9 lag der Anteil jeweils bei über 50%. Die Untersuchungszeitpunkte 8 und 9 lagen im Dezember bzw. Januar. Für diese beiden Monate beschreiben OLDE RIEKERNIK et al. (2007) die höchste Inzidenz für klinische Mastitiden, die im Allgemeinen mit einem Anstieg der somatischen Zellzahl einhergehen. De HAAS et al. (2004) beschreiben solche typischen Muster von Zellzahlanstiegen im Zusammenhang mit klinischer Mastitis. Im Vormonat wurden zudem vermehrt Zellzahlanstiege und ein sprunghafter Anstieg der Nachweise von Coryneformen festgestellt, die rückwirkend einen Anstieg der Neuinfektionsrate für die Auswertung im sechsten Untersuchungsmonat bewirken (Abbildung 15 und Abbildung 16). Coryneforme zählen zu den minorpathogenen Mastitiserregern. Ihre Rolle als Mastitiserreger ist nicht vollständig geklärt. Sie scheinen jedoch milde Zellzahlanstiege bewirken zu können (LAM et al. 1997; REYHER et al. 2012).

5.3 Assoziation zwischen tierindividuellen Faktoren, der Melkdauer