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5.3.1 Assoziationen zwischen tierindividuellen Faktoren und Hyperkeratosen in der Prävalenzstudie

Signifikante Tiervariablen mit Assoziation zu Hyperkeratosen waren bei den Vorderzitzen Zitzenlänge und -durchmesser, Euterödem, Zitzenkuppenform,

Laktationsnummer und Tage in Milch. Für die Hinterzitzen waren signifikante Tiervariablen Zitzenlänge und -durchmesser, Euterödem, Zitzenkuppenform, Laktationsnummer und der Betrieb.

Die statistische Auswertung der vorliegenden Daten ergab eine Assoziation zwischen Zitzenmaßen (Länge und Durchmesser) und Hyperkeratose. Für längere Zitzen besteht ein schwach höheres Risiko für die Entwicklung schwererer Hyperkeratosen.

Tabelle 17 zeigt kontinuierlich steigende durchschnittliche Zitzenlängen für die einzelnen Hyperkeratoseklassen. Zitzen mit sehr schweren Hyperkeratosen (Klasse 3) sind im Durchschnitt etwa 4 mm länger als Zitzen, denen die physiologische Ausprägung eines glatten weißen Ringes zugeordnet wurde. Längeren Zitzen können nach HUBAL (2010) signifikant häufiger nicht physiologische Hyperkeratosen zugeordnet werden (P < 0,001). WENDT et al. (2007) vermuten, dass sehr kurze, aber auch sehr lange Zitzen während des maschinellen Milchentzugs nur unzureichend massiert werden, weil ihre Zitzenkuppe außerhalb der Massagezone des Zitzengummis liegt und dass sie einem Dauervakuum ausgesetzt sind. In der vorliegenden Studie entsprachen die durchschnittlichen Längen der Zitzen, deren Hyperkeratosen als sehr schwer eingestuft wurden, den Anforderungen von WENDT et al. (2007) an eine optimale Zitzenlänge von 50 bis 60 mm. Diese Empfehlung ist nach Auswertung der hier vorliegenden Daten als fraglich anzusehen. Die mittlere Zitzenlänge schwankt zwischen den einzelnen Betrieben für Vorder- und Hinterzitzen um mehr als 4 mm. Die gezielte Auswahl eines Zitzengummis nach vorhergehender Vermessung einer adäquaten Anzahl von Zitzen erscheint sinnvoll. So kann für den Betrieb ein Zitzengummi ausgewählt werden, dass für die Mehrheit der dort gemolkenen Tiere passend ist. Die Entlastung des Zitzengewebes in der Massagephase des Pulszyklus lässt sich so optimieren. Nach REINEMANN et al.

(2008) sollten 20% der Herde, in kleineren Herden mindestens 80 Tiere, untersucht werden, um einen glaubhaften Eindruck von der Zitzenkondition zu bekommen.

Für den Zitzendurchmesser besteht eine Assoziation zu Hyperkeratosen. Zitzen mit unversehrten Zitzenkuppen hatten im Mittel den größten Durchmesser. Der mittlere Durchmesser der Zitzen fällt mit dem Schweregrad der Hyperkeratose. Das

bedeutet, schmalere Zitzen scheinen nach den Ergebnissen der vorliegenden Studie anfälliger für die Entwicklung von Hyperkeratosen zu sein. In der Literatur wurde eine solche Assoziation bisher nicht beschrieben. Mögliche Ursachen könnten auch hier in einer unzureichenden Massage der Zitzenspitze und damit einer stärkeren Reizung des Gewebes liegen. Für eine genauere Abklärung der Ursachen hätte die Anpassung der Zitzengummis der Einzelbetriebe an die Zitzen mittels Vermessung der Zitzen überprüft werden müssen. HAMANN et al. (1994) vermuten, dass ein weiteres Zitzengummi zu einer größeren radialen Dehnung des Zitzengewebes führt.

Sie glauben, dass sich dadurch Blut- und Lymphflüssigkeit stärker im Gewebe des Zitzenschaftes stauen. Durch die stärkere Ausbildung von Ödemen, könnte die Öffnung des Zitzenkanals eingeschränkt und die Melkgeschwindigkeit reduziert werden, was wiederum längere Melkzeughaftzeiten bewirkt. Zudem entsteht durch die Dehnung ein mechanischer Reiz auf das Epithel des Zitzenkanals, der die Proliferation von Keratinozyten anregen kann.

Zu den Tiervariablen mit Assoziation zu Hyperkeratosen zählt die Zitzenkuppenform.

Der Anteil der verschiedenen Zitzenkuppenformen verschiebt sich mit steigendem Hyperkeratosescore. Zitzenkuppen mit sehr schweren Hyperkeratosen sind häufiger spitz als Zitzen mit unversehrten Zitzenkuppen (0,41% spitze Zitzenkuppen in Hyperkeratoseklasse 1, 7,85% spitze Zitzenkuppen in Hyperkeratoseklasse 3).

Ebenso steigt der Anteil runder Vorderzitzen von 73,66% auf 85,84% für Zitzen mit leichter im Vergleich zu Zitzen mit sehr schwerer Hyperkeratose. Das bedeutet, dass spitze und runde Zitzenkuppen häufiger schwerere Hyperkeratosen entwickeln. Für die Hinterzitzen, ist dieser Trend ebenfalls deutlich zu erkennen. Der Anteil tellerförmiger und trichterförmiger Zitzen nimmt bei schweren und sehr schweren Hyperkeratosen ab. Diese Beobachtungen entsprechen den Ergebnissen anderer Studien. Die Daten von NEIJENHUIS et al. (2000) zeigen ebenfalls ein höheres Risiko für runde Zitzen, schwere und raue Hyperkeratosen zu entwickeln als für flache oder trichterförmige Zitzen. Auch spitze Zitzen haben ein höheres Risiko für schwere oder raue Hyperkeratosen als flache oder trichterförmige Zitzen (NEIJENHUIS et al. 2001a). Die von NEIJENHUIS et al. (2000, 2001a) gemachten Beobachtungen bestätigen die Ergebnisse anderer Studien, wie die von BAKKEN

(1981), BINDE und BAKKE (1984) oder WENDT und LÜDER (1991). Ursachen für die höhere Anfälligkeit runder und spitzer Zitzenkuppen schwere und raue Hyperkeratosen zu entwickeln sind wenig beschrieben. Der Druck des Zitzengummis verteilt sich auf eine kleinere Oberfläche als bei anderen Zitzenkuppenformen (OHNSTAD et al. 2003). Der Zitzenkanal spitzer Zitzenkuppen ist mechanischen Reizen durch das Melken vermutlich unmittelbarer ausgesetzt, als zum Beispiel der Zitzenkanal trichterförmiger Zitzen, weil er kaum von Bindegewebe umgeben ist.

Auch ist es möglich, dass das Zitzengummi an der spitzen Zitzenkuppe nicht vollständig abschließt und so die Entlastung in der Massagephase nur mangelhaft ist.

Laktationsstadium und Laktationsnummer sind ebenfalls mit Hyperkeratosen assoziiert. Tiere mit Zitzen, deren Hyperkeratosen als sehr schwer bewertet wurden, hatten im Mittel die höchste Laktationsnummer. Sowohl NEIJENHUIS et al. (2001a) als auch POTRAFKI (2005) fanden die meisten physiologischen Hyperkeratosen in der ersten Laktation. Der Anteil schwerer und sehr schwerer Hyperkeratosen stieg bei Tieren mit höheren Laktationsnummern an. Hyperkeratosen stellen in erster Linie eine physiologische Anpassungsreaktion an die mechanische Belastung während des Melkens dar. In vielen Studien wird beschrieben, dass Ausprägung (nach NEIJENHUIS et al. 2001a die Ringdicke) und Rauheit von Hyperkeratosen zu Beginn der Laktation mit Milchmenge und Melkdauer ansteigen (NEIJENHUIS et al. 2000;

GRAFF 2005). Das Maximum wird zwischen dem 3. und 4. Laktationsmonat erreicht.

Die vorliegenden Daten zeigen die höchste mittlere Laktationsdauer für sehr schwere Hyperkeratosen (Klasse 3). Bei den Hinterzitzen steigt der Anteil schwerer und sehr schwerer Hyperkeratosen ebenfalls mit der Anzahl der durchschnittlichen Tage in Milch (Tabelle 17). Für den Trockenstand wird eine fast vollständige Rückbildung der Hyperkeratosen beschrieben (COMALLI et al. 1984). Trotzdem erscheint es plausibel, dass ältere Tiere auf die erneute mechanische Reizung des Gewebes bei Wiedereintritt in die Laktation schneller und intensiver mit Hyperkeratosebildung reagieren als Tiere in ihrer ersten Laktation.

Die Assoziation eines Euterödems zu niedrigen Hyperkeratosewerten, also weniger schweren und sehr schweren Hyperkeratosen erklärt sich ebenfalls mit dem Laktationsstadium. Die hier festgestellten Euterödeme waren peripartale Geburtsödeme. Tiere mit einem Geburtsödem sind in erst wenige Tage in Milch. Die Hyperkeratosen an der Zitzenkuppe bilden sich während des Trockenstehens zurück und erreichen ihre volle Ausprägung erst mit steigender Milchleistung (MICHEL et al.

1974; COMALLI et al. 1984).

Die Assoziation zwischen Hyperkeratosen und Herkunftsbetrieb ist vermutlich den unterschiedlichen melktechnischen Voraussetzungen der Betriebe und den damit einhergehenden Unterschieden hinsichtlich durchschnittlicher Melkdauer und Qualität der Gewebeentlastung während des Melkens geschuldet. Die Qualität der Entlastung des Zitzengewebes beim Melken wurde durch die Zitzenkondition indirekt bestimmt. Technische Daten zu Einstellungen (Vakuum, Pulsation) und Ausstattung der Melkanlage wurden in der vorliegenden Studie nicht erfasst, so dass sich keine genaueren Ursachen für die unzureichende Zitzenkondition ableiten lassen.

5.3.2 Assoziation zwischen Melkdauer und Hyperkeratosen in der Prävalenzstudie

Mehr als 70% der erfassten Melkungen waren nach der von MEIN und HAMANN (1995) entwickelten Formel zu langsam. Eine lange Melkdauer ist einer der Hauptrisikofaktoren für die Entstehung von Hyperkeratosen. Die hier festgestellte Assoziation zwischen Melkdauer und Hyperkeratose entspricht den Befunden der Literatur (THOMPSON u. SIEBER 1980; REINEMANN et al. 2008). REINEMANN et al. (2008) vermuten, dass dies mit der höheren Anzahl von Pulszyklen zusammenhängt, die auf die Zitze einwirken und die so eine mechanische Belastung für das Gewebe darstellen. Es ist zu diskutieren, ob die von MEIN und HAMANN (1995) entwickelte Formel zur Beurteilung der Melkgeschwindigkeit noch Gültigkeit besitzt oder an eine veränderte, leistungsstärkere Population angepasst werden muss. Die Richtwertüberschreitungen bei der Beurteilung akuter und chronischer

Zitzenkonditionsstörungen legen jedoch nahe, dass die Melkdauer als Hauptrisikofaktor für die Entstehung dieser Veränderungen tatsächlich in vielen Fällen zu lang ist oder, dass auch hier die Richtwerte zur Beurteilung der Zitzenkondition (MEIN et al. 2001) nicht passend gewählt wurden.