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Neben den in 2.4.1 und 2.4.2 ausführlicher besprochenen Faktoren der Melktechnik und tierindividuellen Faktoren sind immer auch Einflüsse wie saisonale Gegebenheiten, die Haltungsumwelt und die Herdenleistung, letztere bestimmt vor allem die Melkdauer, von Bedeutung für die Entstehung von Hyperkeratosen (MEIN et al. 2003). GOSSEN et al. (2007) vermuten zudem, dass eine unzureichende Eutergesundheit durch die daraus resultierende beeinträchtigte Melkbarkeit verlängerte Melkzeiten bewirkt und so einen Einfluss auf die Ausprägung von Hyperkeratosen nimmt. Eine kalte Witterung, insbesondere in Verbindung mit Wind, kann die Zitzenhaut austrocknen (OHNSTAD et al. 2007). Saure oder alkalische Konditionierer für die Einstreuaufbereitung, oder auch Zitzendesinfektionsmittel zur Vor- und Nachbereitung der Zitzen beim Melken haben ebenfalls Einfluss auf die Kondition der Zitzenhaut (OHNSTAD et al. 2007). Je nach Konzentration und Zusammensetzung können solche Zitzentauchmittel pflegend oder belastend auf die Haut wirken (BURMEISTER et al. 1998; HEMLING et al. 2002).

2.4.1 Melktechnische Faktoren

Die Entstehung von Zitzenkonditionsstörungen wird vor allem durch melktechnische Faktoren beeinflusst. Die drei wichtigsten Parameter sind die Melkdauer (Melkzeughaftzeit), Blindmelkzeiten und die Vakuumhöhe (MEIN et al. 2001).

Daneben gibt es weitere Faktoren, wie die Pulsationsverhältnisse oder den Zitzengummityp, die insbesondere die Entstehung akuter Zitzenkonditionsstörungen beeinflussen (HAMANN u. MEIN 1996; REINEMANN et al. 2008).

2.4.1.1 Melkzeughaftzeit

Längere Melkzeughaftzeiten („machine-on-times“) fördern die Ausbildung von Hyperkeratosen. REINEMANN et al. (2008) konnten zeigen, dass Tiere mit einer Melkdauer von 4,3 Minuten weniger anfällig für die Entwicklung von Hyperkeratosen waren als Tiere mit einer durchschnittlichen Melkdauer von 5,3 Minuten.

RASMUSSEN (1993) konnte nach Anheben der Abnahmeschwelle einer automatischen Melkzeugabnahme um 200 g, was eine durchschnittliche Verkürzung der Melkdauer um etwa 50 Sekunden bedeutete, bereits nach wenigen Wochen signifikante Unterschiede in der Ausprägung der Hyperkeratosen feststellen. Für die Beziehung zwischen Melkzeughaftzeit und Rauheit von Hyperkeratosen ermittelten NEIJENHUIS et al. (2000) einen Korrelationskoeffizienten von r=0,22 (P=0,08). Die Anzahl der auf die Zitze wirkenden Pulsationszyklen sollte möglichst niedrig gehalten werden, um Hyperkeratosen zu vermeiden (MEIN et al. 2003). Eine der Milchmenge angemessene Melkdauer berechnet sich nach MEIN und HAMANN (1995), indem für die ersten 10 kg eines Gemelks fünf Minuten und für weitere 5 kg jeweils eine weitere Minute veranschlagt werden. Der Zeitraum etwa eine halbe Minute vor der Melkzeugabnahme, wenn der Milchfluss nachlässt, scheint nach RASMUSSEN (1993) für die Entstehung von Hyperkeratosen besonders wichtig zu sein.

2.4.1.2 Blindmelken

Das sogenannte Blindmelken, bei dem der Milchfluss während des maschinellen Milchentzugs unter 1 kg/min liegt, beansprucht das Zitzengewebe besonders stark, da das anliegende Melkvakuum nicht durch den Milchfluss abgesenkt wird (HUBAL 2010). Es liegt somit eine Dauerbelastung des Gewebes vor. Der Einfluss auf die Ausbildung von Kongestionen, Ödemen, Ringbildungen und auch Hyperkeratosen konnte eindeutig belegt werden. So untersuchten HILLERTON et al. (2002) den Effekt des Blindmelkens auf die Zitzenkondition bei einer Abnahmeschwelle von 200 g/min. Sie ließen Tiere ohne und mit Blindmelkzeiten von zwei und fünf Minuten

melken. Der Anteil verfärbter und ödematös veränderter Zitzen stieg dabei mit längerem Blindmelken ebenso wie die Zahl palpierbarer Ringe an der Zitzenbasis.

Nach EDWARDS et al. (2013) nimmt der Anteil an Zitzen mit sehr schweren Hyperkeratosen bei Blindmelkzeiten von mehr als zwei Minuten signifikant zu (P<0,05). Um die Entstehung von Hyperkeratosen zu vermeiden, empfehlen MEIN et al. (2003), das Melken bei niedrigen Milchflüssen unter 1 kg/min und bei einem Sammelstückvakuum von mehr als 42–45 kPa zu vermeiden. Vorderzitzen, die an der Milchleistung des Euters einen Anteil von nur etwa 40 % haben (GRABOWSKI 2000; REDETZKY 2000), werden im Durchschnitt länger blind gemolken als Hinterzitzen (NEIJENHUIS et al. 2000), nach TANČIN et al. (2006) im Durchschnitt sogar doppelt so lange. Sie weisen daher häufiger schwere Hyperkeratosen auf als Hinterzitzen (NEIJENHUIS et al. 2000; GOSSEN et al. 2007).

2.4.1.3 Melkvakuum

Mit steigendem Melkvakuum erhöhen sich die Entleerungsgeschwindigkeit des Euters und die Massagewirkung des Zitzengummis. Parallel steigt aber auch die Belastung des Gewebes an (HUBAL 2010). In verschiedenen Studien konnte eine Zunahme der von akuten oder chronischen Zitzenkonditionsstörungen betroffenen Zitzen bei steigendem Vakuum festgestellt werden. Mit einer höheren Vakuumeinstellung steigt der Anteil von Zitzen mit adspektorisch und palpatorisch auffälligen Befunden oder größerer Zitzendicke, also Symptomen einer Kongestion oder eines Ödems, signifikant (HAMANN u. MEIN 1988; EBENDORFF u. ZIESACK 1991). RASMUSSEN und MADSEN (2000) beobachteten vergleichbare, wenn auch nicht signifikante Effekte. LANGLOIS et al. (1981) teilten in ihren Versuchen chronische Störungen der Zitzenkondition in vier Schweregrade ein. Mit steigendem Vakuumlevel, stiegen auch die Werte der Zitzenkondition, das bedeutet, sie fanden durchschnittlich mehr raue oder rissige Zitzenkuppen. Eine signifikante Korrelation zwischen hohem Vakuum und Hyperkeratoseausprägung wiesen RYŠÁNEK et al.

(2001) nach.

2.4.2 Tierindividuelle Faktoren

Neben den dargestellten melktechnischen Einflüssen auf die Entstehung von Zitzenkonditionsstörungen gibt es auch Untersuchungen zu tierindividuellen Risikofaktoren für eine mangelhafte Zitzenkondition. Diese befassen sich zum einen mit der Morphologie der Zitze (Zitzenmaße, Zitzenform, Zitzenkuppenform), zum anderen mit der Laktationsnummer und dem Laktationsstadium (Tage in Milch).

2.4.2.1 Länge und Durchmesser der Zitze

Die Größe und der Durchmesser einer Zitze sind als angemessen zu betrachten, wenn sie eine gute Melkbarkeit des Tieres gewährleisten. WENDT et al. (2007) vermuten, dass die optimale Länge einer Zitze zwischen 50 und 60 mm liegt. Sie stellen weiterhin die Hypothese auf, dass sowohl extrem kurze als auch extrem lange Zitzen während des Melkens nur unzureichend entlastet werden. Zum Zusammenhang zwischen Zitzenmaßen und Zitzenkondition gibt es nur wenig datenbasierte Literatur. HUBAL (2010) fand bei längeren Zitzen signifikant häufiger nicht physiologische Hyperkeratosen, die das Ausmaß eines schmalen, glatten Ringes um den Zitzenkanal überschreiten (P < 0,001). Das Zitzengummi überträgt die Kräfte, die durch die Druckdifferenzen während der Pulsation entstehen auf die Zitze. HAMANN et al. (1994) konnten zeigen, dass Zitzengummis mit weiterer Öffnung einen nachteiligen Effekt auf die Ausbildung von Ödemen haben. Eine weitere Zitzengummiöffnung bewirkt eine stärkere radiale Dehnung des Zitzengewebes. WEHOWSKY und TRÖGER (1994) sehen Probleme, wenn die Zitze mehr als 4 bis 5 mm kleiner ist, als der Zitzengummidurchmesser. Dann entsteht ihrer Meinung nach kein Abschluss zwischen Zitzengummi und Zitze. Zum anderen sollte der Zitzendurchmesser auch nicht größer sein als der des

Zitzengummis, weil es dann zu einer radialen Kompression der Zitze und einer damit verbundenen erzwungenen Verlängerung kommt (BOAST et al. 2005). Solche radialen Scherkräfte im Bereich der Zitzenspitze werden als wesentlicher auslösender Reiz für die Bildung von Hyperkeratosen gesehen (BOAST et al. 2005).

2.4.2.2 Zitzenform und Zitzenkuppenform

RATHORE (1976, 1977b) konnte feststellen, dass der Melkbecher beim Melken zylindrisch geformter Zitzen häufiger klettert als bei trichterartig geformten Zitzen.

Euterviertel mit zylindrischen Zitzen wiesen eine schlechtere Eutergesundheit, die vermutlich durch einen verminderten Ausmelkgrad verursacht wird (Zuschwellen der Euter-Zitzen-Passage, Ringbildung) (RATHORE 1976, 1977b), und signifikant häufiger Ausstülpungen im Bereich der Zitzenkanalöffnung auf. 22 % der zylindrisch geformten Zitzen und 7% der trichterförmigen Zitzen wiesen Ausstülpungen auf (RATHORE 1977a).

In der Literatur wird übereinstimmend ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Hyperkeratosen für spitze Zitzenspitzen beschrieben und ein geringeres Risiko für eingestülpte bzw. trichterförmige Zitzenspitzen, bei denen die Zitzenkanalsöffnung etwas zurückgezogen in einer trichterförmigen Zitzenspitze mündet. BINDE und BAKKE (1984) stellten fest, dass sich der Schweregrad der Ausstülpungen am Zitzenkanal für spitze, runde und tellerförmige Zitzenspitzen signifikant unterscheidet (P<0,01). WENDT und LÜDER (1991) beschreiben für runde und spitze Zitzenkanäle ein gehäuftes Auftreten ausgeprägter Hyperkeratosen und fanden für flache und trichterförmige Zitzenspitzen relativ häufiger klinisch unauffällige Befunde. BAKKEN (1981) beschreibt ebenfalls die stärkere Tendenz spitzer Zitzen zu Erosionen an der Zitzenspitze. Diese Ergebnisse werden von NEIJENHUIS et al. (2001a) bestätigt.

Danach gibt es signifikante Unterschiede zwischen den Zitzenspitzenformen in Bezug auf die Ausprägung von Hyperkeratosen in Dicke und Rauheit. Insbesondere spitze, aber auch runde Zitzenspitzen sind deutlich häufiger von schweren Hyperkeratosen betroffen als eingestülpte.

2.4.2.3 Laktationstag und Laktationsnummer

Hyperkeratosen müssen zunächst als natürliche Anpassungsreaktion auf die mechanische Belastung des Gewebes während des maschinellen Milchentzugs angesehen werden. Zu Beginn der Laktation ist die Ausprägung daher in der Regel niedriger als zu späteren Zeitpunkten. NEIJENHUIS et al. (2001a) beschreiben in einer Longitudinalstudie eine kontinuierliche Steigerung in Dicke und Rauheit vom Beginn der Laktation bis etwa zum 120. Laktationstag. Danach nahmen die Werte wieder ab. Damit entsprechen ihre Ergebnisse denen von SHEARN und HILLERTON (1996), die ebenfalls die stärkste Ausprägung der Hyperkeratosen knapp vier Monate nach der Kalbung feststellten. POTRAFKI (2005) fand im mittleren Laktationsstadium den geringsten Anteil an Zitzen mit nur leicht ausgeprägter Hyperkeratose. Während der Trockenperiode bilden sich Hyperkeratosen stark zurück (MICHEL et al. 1974, COMALLI et al. 1984).

Erstlaktierende Tiere haben durchschnittlich die niedrigsten Hyperkeratoseausprägungen (Dicke und Rauheit) (NEIJENHUIS et al. 2001a;

POTRAFKI 2005). Tiere in der dritten oder vierten Laktation haben dagegen die durchschnittlich höchsten Ausprägungen, gefolgt von Tieren in der zweiten Laktation und Tieren höherer Laktationsnummern (NEIJENHUIS et al. 2001a). POTRAFKI (2005) ermittelte den geringsten Anteil unversehrter Zitzenkuppen für Tiere, die erst in der zweiten Laktation waren (P≤0,05). MICHEL et al. (1974) konnten eine Zunahme der Dicke des Zitzenkanalepithels, insbesondere des Stratum corneum, mit zunehmendem Alter der Tiere feststellen.