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Transition bezeichnet also den Übergang beziehungsweise Wechsel von einem be-stehenden Systems in ein neues System. Erfasst wird nur die politisch-institutionelle Ebene. Die Transformation ist im 20. Jahrhundert zu einem beherrschenden Thema in der politischen Landschaft vieler Länder geworden. Um eine Transformation unter-suchen zu können, muss man folgende Fragen, die untereinander verschränkt sind, berücksichtigen und versuchen zu klären:

Was wird transformiert?

Welche Akteure sind beteiligt?

Wie schnell vollzieht sich der Systemwechsel?

Wolfgang Merkel ist ein bedeutender Transformationsforscher. Er spricht dann von einer Transformation, wenn substantiell neue Kriterien zur Regelung des Zugangs

199Boris, Dieter und Tittor, Anne: Der Fall Argentinien. Krise, soziale Bewegungen und Alternativen. Hamburg 2006. S. 118-119

und des Verlusts von politischen Herrschaftspositionen institutionalisiert werden.

Seiner Meinung nach gibt es gibt keine Theorie, die die Komplexität einer Transfor-mation fassen kann. Es ergibt sich ein Plädoyer für einen interdisziplinären theoreti-schen Pluralismus.

Drei Ebenen der Transformationsforschung werden unterschieden: Makro-, Meso- und Mikroebene. Es gibt in erster Linie drei Hauptphasen, die während eines Sys-temwechsels durchgemacht werden:

Die Phase der Liberalisierung

Liberalisierung bezieht sich in erster Linie auf die Zurücknahme der Repression und modifiziert dadurch das autoritäre System. Die Eliten versuchen durch die Erweite-rung der persönlichen Freiheitsrechte eine breitere Unterstützung der BevölkeErweite-rung zu erlangen.

Die Phase der Demokratisierung

Diese Phase bezeichnet die Einführung politischer Institutionen. In weiterer Folge werden freie, geheime und allgemeine Wahlen eingeführt und vor allem auch gedul-det.

Die Phase der Konsolidierung

Hier ist der Zustand eines stabilen politischen Systems erreicht und eine demokra-tisch gewählte Regierung ist bereits eingesetzt.

Zu beachten bei den Phasen einer Transformation ist vor allem, dass die drei Pha-sen nicht immer in exakt dieser Reihenfolge stattfinden können oder müsPha-sen. Der Erfolg und die Dauer der einzelnen Schritte sind stark von den jeweiligen Akteuren und konkreten Kontextbedingungen abhängig. Es gibt viele Akteure, die einen Ein-fluss auf einen Systemwechsel haben können. Die Theorie bezeichnet vor allem die Eliten, sowohl die Herrschenden als auch die Oppositionellen, als bedeutendste trei-bende Kraft. Diese Akteure haben in den einzelnen Phasen unterschiedliche

Hand-Struktur und Akteur sind die beiden großen Paradigmen der sozialwissenschaftlichen Theoriebildung. Diese beiden Begriffe prägten die Transformationsforschung der letzten Jahrzehnte. Die frühe Forschung folgte einem makrosoziologisch- funktiona-listischen oder makrosoziologisch-strukturafunktiona-listischen Theoriekonzept. Danach wurde die Forschung eher durch mikropolitologisch-akteurstheoretische Überlegungen ge-prägt. In den 1990er-Jahren kam es zu einem Gleichgewicht der beiden For-schungsansätze. Wolfgang Merkels Ziel war es, eine Theorie der Transformation zu bilden, die ein ausreichend generalisiertes Konzept entwickelt, welches politische Systemwechselprozesse zeit- und kontextunabhängig erklären kann. Er sieht in wei-terer Folge eine theoretische Brückenfunktion zwischen der Systemtheorie und der Akteurstheorie. Äußere Umwelteinflüsse können für politische Akteure und Systeme restriktive oder optionssteigernde Qualität besitzen.

Der Transitionsansatz von Juan Linz und Alfred Stepan gliedert sich ebenfalls in drei Phasen:

1. Liberalisierung: Rücknahme der Medienzensur, Schutz individueller Rechte 2. Entlassung politischer Gefangener, Rückkehr von Exilanten, Tolerierung der

Op-position, Förderung einer breiteren Einkommensverteilung, politische Aktivitäten der Arbeiterschaft und der Gewerkschaften, Abnahme des Gefühls der Bedro-hung

3. Systemwechsel (Demokratisierung): Opposition kommt durch allgemeine, freie Wahlen an die Regierung, die neue Politik wird durch die Souveränität und Autori-tät der demokratischen Regierung durchgesetzt, Exekutive, Legislative und Judi-kative werden demokratisch gewählt und geteilt, alte und neue Regierung kommt demokratisch überein

In der zweiten Phase gilt es in weiterer Folge zu unterscheiden zwischen:

1. Reforma Pactada: es wird ein gemeinsamer, vor allem friedlicher Weg gesucht, um Konflikte zu lösen

durch militärische Niederlagen: am Beispiel Argentinien: Niederlage im Falk-landkrieg

durch Massenaufstände: am Beispiel Portugal: Nelkenrevolution 1974 durch Militärputsch: am Beispiel Portugal: Nelkenrevolution 1974

3. Konsolidierung: es besteht nicht mehr die unmittelbare Gefahr eines Umsturzes, die Elite wird überzeugt, dass die Probleme durch friedliche Konfliktregelung ge-löst werden können, Anerkennung der Opposition, Anerkennung der Zivilgesell-schaft, demokratische Einstellungen dominieren: Wahlen, Gesetze, legale Oppo-sition

Argentinien durchlebte in seiner jüngeren Geschichte zwei Transformationen, die in den 1980er-Jahren durch den Falklandkrieg und in den frühen 2000er-Jahren durch eine Wirtschaftskrise ausgelöst wurden. In den 1980er-Jahren wurde das Gefühl der Bedrohung durch die Militärjunta im argentinischen Volk immer geringer. Es formierte sich sogar eine politische Opposition, welche durch die Regierung geduldet wurde und auch am politischen Dialog teilnehmen durfte. Am 2. April 1982 startete die Mili-tärjunta einen Angriff auf die Falklandinseln, um von ihren innenpolitischen Proble-men abzulenken. Großbritannien gewann den Konflikt jedoch bereits am 20. Juni desselben Jahres. Der Versuch sich zu profilieren schlug fehl. Die Militärjunta erhielt eine neue Führung, welche erstmals seit 1930 demokratische Wahlen abhielt. Raúl Alfonsin wurde zum ersten Präsidenten gewählt. Die erste Transformation in Argenti-nien wurde also durch eine Reforma Ruptura ausgelöst.

Der rasante und tiefe Absturz der argentinischen Wirtschaft in den frühen 2000er-Jahren und der daraus resultierende Systemwechsel sind mit Sicherheit auf den ext-remen Neoliberalismus zurückzuführen, der von den Regierungen Argentiniens in den 1990er-Jahren perfektioniert wurde. Hier wurde die Transformation im Gegen-satz zu der der 1980er-Jahre aber vor allem durch die sozialen Bewegungen ausge-löst, deren Akteure am Hungertuch nagten und genug von der neoliberalen Wirt-schaftspolitik ihres Landes hatten.

Durch eine Hyperinflation einerseits und eine enorm schwache Wirtschaftsleistung andererseits kam es im Jahr 2002 zur Krise, die in weiterer Folge einen politischen

kehr vom Neoliberalismus. Besondere Bedeutung kommt hier vor allem der sozialen Bewegung zu. Es formierten sich viele Gruppen, die ihren Verdruss mithilfe unter-schiedlichster Methoden zum Ausdruck brachten und dadurch mit Sicherheit einen bedeutenden Anteil am Wechsel des Systems hatten. Waren die Proteste zu Beginn äußerst punktuell und kaum organisiert, koordinierten sie sich mit der Zeit immer mehr und wurden zu einem mächtigen politischen Akteur.

Als Beispiel sei hier kurz die Piquetero-Bewegung genannt, die vor allem durch Stra-ßensperren Aufmerksamkeit erregte. Präsident Kirchner verfolgte die Strategie, den Dialog mit den Gruppen und sozialen Bewegungen zu suchen und war damit auch erfolgreich.

6.1 Conclusio

Betrachtet man nun die Ergebnisse der Analyse, so sieht man deutlich, dass die Transitionstheorie nach Juan Linz und Alfred Stepan sämtliche sozialen Rahmenbe-dingungen außer Acht lässt. Wolfgang Merkel erwähnt zwar die Masse der Gesell-schaft als mögliche treibende Kraft einer Transition, schätzt ihre Bedeutung jedoch eher als gering ein. Für den tatsächlichen Übergang eines politischen Systems in ein neues, anderes, sieht Merkel die Hauptbedeutung in den Eliten.

Ein weiterer wichtiger Punkt, wie im letzten Teil der Analyse beschrieben, waren vermutlich aber auch die systematischen Ermordungen zum Teil unschuldiger Oppo-sitioneller oder Gegnern des Regimes. Diese Taten waren ein Mitauslöser, dass Ar-gentinien in den 1980er-Jahren demokratisiert wurde. Auf diese Einflussfaktoren ge-hen Linz und Stepan nicht näher ein. Auf die zu Beginn gestellte Frage, welche wich-tigen Punkte und möglichen Einflussfaktoren bei der Theorie von Alfred Stepan und Juan Linz beziehungsweise der von Wolfgang Merkel am Beispiel von Argentinien in den 1980er- beziehungsweise 2000er-Jahren nicht behandelt, beziehungsweise wel-che Einflussfaktoren nicht erwähnt oder berücksichtigt werden, kann man, wenn man die vorliegende Analyse betrachtet, folgende Antwort geben:

Die Transition hätte womöglich in Argentinien nicht so schnell stattgefunden, wenn nicht der Druck durch die Menschenrechtsorganisationen gestiegen wäre.

In weiterer Folge fehlt meiner Meinung nach der Bezug zur Wirtschaft. Wie man am Beispiel von Argentinien in den 1980er-Jahren sieht, ging das Militärregime zugrun-de, weil Inflation und Arbeitslosigkeit immer mehr anstiegen. Wolfgang Merkel er-wähnt zwar die Wirtschaft, die Rolle der Akteure und externe Einflussfaktoren als mögliche Mitauslöser einer Transformation, er sieht aber den Akteur der Eliten der herrschenden und oppositionellen Politiker als die treibende Kraft im Systemwechsel.

Vor allem in der Transformation in den frühen 2000er-Jahren spielte die Zivilgesell-schaft jedoch eine bedeutende und gewichtige Rolle. Die Theorie sollte also um die äußeren Einflussfaktoren und die Rolle der Zivilgesellschaft erweitert werden.

6.2 Ausblick

Die Transformation beziehungsweise Transition ist immer ein brisantes und aktuelles Thema. Durchlebte Europa in den 1940er- und 1950er-Jahren, Lateinamerika in den 1980er- und 1990er-Jahren politische Wechsel, so geschieht dies heute in Afrika und Asien. Schlägt man die Zeitungen auf, so kann man fast täglich lesen, dass es ir-gendwo auf der Erde zu Transformationsprozessen kommt. Die derzeitigen System-wechsel werden meiner Meinung nach vor allem durch die Masse der Zivilgesell-schaft ausgelöst, die für Freiheit und ein besseres Leben kämpft. Systemwechsel werden immer aktuell bleiben und die Geschichte der Menschheit mitbeeinflussen.