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Jüngere Geschichte Argentiniens ab 1816 bis zur ersten Transformation in den 1980er-

5 Argentinien

5.1 G ESCHICHTE A RGENTINIENS

5.1.2 Jüngere Geschichte Argentiniens ab 1816 bis zur ersten Transformation in den 1980er-

Am 9. Juli 1816 erklärten die Vereinigten Provinzen von Rio de la Plata in Tucumán ihre Unabhängigkeit von Spanien. Die Andenfeldzüge von San Martín, welche unter anderem zur Befreiung von Chile 1816 und Peru 1821 führten, sicherten die Unab-hängigkeit.90In weiterer Folge kam es zu Bürgerkriegen zwischen den Unitariern, welche vor allem Kaufleute aus der Provinz um Buenos Aires waren, und Föderalis-ten, bei denen es sich überwiegend um Handwerker und Viehzüchter des Binnenlan-des von Argentinien handelte.

89 Vgl. Gaede, Peter-Matthias: Geo Themenlexikon. Unsere Erde. Länder, Völker, Kulturen. 1 A-Irak. 1. Auflage Mannheim 2006. S. 108-109

Diese Kriege erschwerten aufs Neue die Konsolidierung des autonomen Staates Ar-gentinien. Auch nach dieser schweren Zeit flammten bis zu den Jahren 1825 bezie-hungsweise 1826 immer wieder Unruhen auf.91 Als 1829 der föderalistische Präsi-dent und spätere Diktator Juan Manuel de Rosas an die Macht kam, wurde jede Op-position im Land unterdrückt. Es bildete sich erstmals eine autoritäre Regierungs-form, welche die Grundlage für den späteren argentinischen Einheitsstaat war.92 1833 annektierten die Briten die Falklandinseln, da sich Rosas in die uruguayischen Bürgerkriege eingemischt hatte und dadurch eine französisch-britische Intervention den Rückzug der argentinischen Truppen im Jahre 1845 forderte. Unter anderem kam es durch die französische Flotte zu einer Blockade des Hafens von Buenos Aires. Im Jahr 1852 verbündete sich der Gouverneur von Entre Ríos, Justo José de Urquiza, mit Brasilien, Paraguay, Uruguay und mit Corrientes und besiegte Rosas entscheidend bei Caseros. Daraufhin wurde Buenos Aires von den übrigen Provin-zen getrennt und es bildete sich eine neue argentinische Konföderation, welche so-gar eine neue Verfassung annahm. Neue Bundeshauptstadt wurde Paraná.93

Von 1854 bis 1860 schlugen viele Versuche von Präsident Urquiza fehl, sich mit Bu-enos Aires wieder zu verbinden, bis es 1861 General Bartolomé Mitre, der als Gou-verneur von Buenos Aires das Heer der argentinischen Konföderation besiegt hatte, gelang die Länder wieder zu vereinigen.

Bartolomé Mitre wurde nun zum ersten verfassungsmäßigen Präsidenten des verei-nigten Argentiniens gewählt.94 1868 wurde Domingo Faustino Sarmiento zum

91 Vgl. Kahle, Günther: Lateinamerika. Die Geschichte der lateinamerikanischen Länder zum Nachschlagen. 2.

Auflage, Würzburg 1993. S. 112

92 Vgl. Kahle, Günther: Lateinamerika. Die Geschichte der lateinamerikanischen Länder zum Nachschlagen. 2.

Auflage, Würzburg 1993. S. 112

93 Vgl. Kahle, Günther. Lateinamerika. Die Geschichte der lateinamerikanischen Länder zum Nachschlagen. 2.

Auflage, Würzburg 1993. S. 113

94 Vgl. Kahle, Günther. Lateinamerika. Die Geschichte der lateinamerikanischen Länder zum Nachschlagen. 2.

ten Präsidenten bestellt. Er erzielte erhebliche Erfolge in der Bildungspolitik. Vor al-lem der Analphabetismus wurde sehr stark bekämpft und in weiterer Folge auch größtenteils besiegt.

Unter der Präsidentschaft von Nicolás Avellaneda, emigrierten immer mehr Europäer nach Argentinien. Die Einwohnerzahl wuchs zwischen 1869 und 1895 auf über vier Millionen. Im Jahr 1880 wurde Buenos Aires endgültig zur Hauptstadt Argentiniens benannt. Von 1877 bis 1883 wurde unter Präsident Julio Argentino Roca Patagonien unterworfen und das Eisenbahnnetz bedeutend ausgebaut.95 Ein Durchbruch in der jüngeren Geschichte Argentiniens gelang 1916, in diesem Jahr fanden zum ersten Mal wirklich freie Präsidentschaftswahlen statt.

Als Sieger ging der erste demokratisch gewählte Präsident Hipólito Irigoyen hervor, mit dessen radikaler Partei nun auch der Mittelstand politischen Einfluss erlangte. Als es Irigoyen in den 1930er-Jahren nicht gelang, die Weltwirtschaftskrise aufzufangen und sein Land zu stabilisieren, wurde er von den Militärs gestürzt. Daraufhin begann die Herrschaft der Generäle, die letztlich im Peronismus mündete. Im Machtkampf, der zwischen den Generälen entbrannte, setzte sich Oberst Domingo Perón durch.96 Der Aufstieg Peróns gelang am 4. Juni 1943 mit Hilfe des Militärputsches der Grupo de Oficiales Unidos (GOU), die das neu geschaffene Arbeits- und Sozialministerium erhielt. Perón machte sich durch Lohnerhöhungen, Rentenvermehrungen und andere Sozialleistungen in der Bevölkerung sehr beliebt. 1945 wurde Perón vom Militär fest-genommen.

Seine spätere Gattin Eva Duarte, besser bekannt als Evita, organisierte den soge-nannten Marsch der „Descamisados“, was wörtlich übersetzt die Hemdlosen bedeu-tet, und erzwang dadurch die Freilassung ihres Mannes. Trotz zahlreicher Gegner,

95 Vgl. Kahle, Günther: Lateinamerika. Die Geschichte der lateinamerikanischen Länder zum Nachschlagen. 2.

Auflage, Würzburg 1993. S. 113-114

vor allem Studenten, Industrielle, Liberale und die Vereinigten Staaten von Amerika, erhielt Perón in den Wahlen von 1946 eine deutliche Mehrheit.97

1949 reformierte er die Verfassung, deren Veränderung nicht nur die Sozialpolitik verankerte, sondern auch eine Wiederwahl möglich machte. Argentinien entwickelte sich in dieser Zeit zwar wirtschaftlich stark, eine unangenehme Begleiterscheinung war jedoch die galoppierende Inflation. Den konstanten Erhöhungen der Löhne stand eine geringere Produktivitätserhöhung gegenüber. Erst im zweiten Fünfjahresplan schenkte die Regierung aufgrund von Missernten und der drastischen Reduktion von Anbauflächen, den landwirtschaftlichen Exporten, dem Auslandskapital und der Ein-kommenspolitik mehr Beachtung.

Perón verlor jedoch an Sympathien, da durch den Einzug amerikanischer Unterneh-men eine Abkehr von der nationalistischen Wirtschaftspolitik folgte. Ebenfalls zum Feind machte er sich die Kirche, als er 1955 durch eine Verfassungsreform Staat und Kirche trennte und die Steuerfreiheit für Kirchen und religiöse Körperschaften auf-ließ.98 Am 19. September des Jahres 1955 musste Perón nach Auseinandersetzun-gen mit der Armee sein Amt verlassen und ins Ausland fliehen.

Seine Hinterlassenschaft beschäftigte alle Regierungen nach ihm. Vor allem der Ein-fluss der ihm treuen Gewerkschaft und der EinEin-fluss durch ihn selbst musste stets gering gehalten werden, um den sozialen Frieden zu wahren und den wirtschaftli-chen Aufschwung nicht einzudämmen. Im Militär, welches einen starken Einfluss be-hielt, standen sich der liberale (azules) und der konservative (colorados) Flügel ge-genüber.99 Nach zwei kurzen Übergangsregierungen zwischen 1955 und 1958 ge-wann Arturo Frondizi 1958 die Präsidentenwahl. Dieser erlaubte bei der kommenden

97 Vgl. Kahle, Günther: Lateinamerika. Die Geschichte der lateinamerikanischen Länder zum Nachschlagen. 2.

Auflage, Würzburg 1993. S. 230-231

98 Vgl. Kahle, Günther: Lateinamerika. Die Geschichte der lateinamerikanischen Länder zum Nachschlagen. 2.

Auflage, Würzburg 1993. S. 232-233

99 Vgl. Kahle, Günther: Lateinamerika. Die Geschichte der lateinamerikanischen Länder zum Nachschlagen. 2.

Parlamentswahl den Peronisten die Aufstellung eigener Kandidaten und ebnete ihnen damit den Weg zum Sieg. Frondizi wurde dadurch zum Rücktritt gezwun-gen.100 Es folgte die Minderheiten-Präsidentschaft von Arturo Umberto Illía, deren Periode von Misswirtschaft, Arbeitslosigkeit, steigender Inflation und vom Verfall des Lebensstandards geprägt war.

Argentinien kam durch die Kündigung der Erdölverträge mit Kompensationszahlun-gen erstmals in ernste finanzielle Schwierigkeiten. 1966 wurde im Zuge der „arKompensationszahlun-genti- „argenti-nischen Revolution“ Illía durch die Colorados abgesetzt und General Juan Carlos Onganía wurde zum Präsidenten bestimmt.101 In weiterer Folge wurden von der Re-volutionsjunta der Kongress, die Provinzparlamente und die politischen Parteien auf-gelöst. 1969 wurde das Ansehen der Regierung Onganía durch einen von Studenten und Gewerkschaften gemeinsam veranstalteten Streik in der Industriestadt Cordoba geschwächt. Aufgrund dieser Schwächung wurde in weiterer Folge die Regierung 1970 durch eine Militärjunta abgesetzt. Kompromisskandidat wurde General Roberto Levingston, der seine Macht jedoch 1971 an General Alejandro Lanusse abgeben musste.

Politische Parteien wurden wieder zugelassen und es wurde eine verfassungsmäßi-ge Machtübergabe an die Peronisten einverfassungsmäßi-geleitet.102

Bei den Wahlen von 1973 erhielt Hector J. Cámpora knapp 50 Prozent der Stimmen.

Die orthodoxen Peronisten entledigten sich seiner jedoch innerhalb kürzester Zeit.

Bei erneuten Wahlen im Jahr 1973 wurde der aus dem Exil zurückgekehrte Perón zum Präsidenten und seine Frau Maria Estela Martinez de Perón zur Vizepräsidentin gewählt. Nach dem Tode Peróns übernahm dessen Frau verfassungsmäßig 1974 die

100 Vgl. Kahle, Günther: Lateinamerika. Die Geschichte der lateinamerikanischen Länder zum Nachschlagen. 2.

Auflage, Würzburg 1993. S. 233

101 Vgl. Kahle, Günther: Lateinamerika. Die Geschichte der lateinamerikanischen Länder zum Nachschlagen. 2.

Auflage, Würzburg 1993. S. 234

Präsidentschaft. Zur Bekämpfung des Terrorismus beschloss das Parlament das so genannte Antisubversionsgesetz, auf dessen Grundlage der unbefristete Ausnahme-zustand über das Land verhängt wurde. Die politischen Wirren und die sozialen Spannungen wirkten sich katastrophal auf die Wirtschaft aus. Die Verbraucherpreise stiegen beispielsweise alleine im Jahr 1975 um 335 Prozent.

Aufgrund dieser Krise und weil sie die Regierung nicht abwehren konnte, wurde Perón unter Hausarrest gestellt und somit die Regierung von der Armee ge-putscht.103 An die Spitze der Regierungsjunta kam General Jorge Rafael Videla. Die-ser Putsch war von folgenden Maßnahmen gekennzeichnet: Gemeinderäte und Gouverneure wurden ihrer Ämter enthoben, das Parlament wurde aufgelöst, Ge-werkschaftsorganisationen, politische Parteien und Wirtschaftsverbände erhielten ein Betätigungsverbot. Dieser Staatsstreich ging größtenteils ohne Blutvergießen über die Bühne, da alles äußerst gut vorbereitet war.

Der zu Beginn relativ friedliche Machtwechsel wurde später aufgrund zahlreicher po-litischer Morde und vieler verschwundener Personen doch noch mit Blut befleckt.

1981 musste General Videla, weil auch er die Wirtschaft nicht verbessern konnte, zurücktreten. Er wurde von General Leopoldo Fortunato Galtieri abgelöst. Im Jahr 1982 folgte eine schwere Wirtschaftskrise, die durch Streiks und Demonstrationen gegen die Junta ihren Höhepunkt fand.104 Im April desselben Jahres wurden die Falklandinseln besetzt, in erster Linie um von den innenpolitischen Spannungen ab-zulenken. Es kam zum bewaffneten Konflikt zwischen Argentinien und Großbritanni-en. Britannien triumphiert und Argentinien musste die Falklandinseln wieder

103 Vgl. Kahle, Günther: Lateinamerika. Die Geschichte der lateinamerikanischen Länder zum Nachschlagen. 2.

Auflage, Würzburg 1993. S. 235

104 Vgl. Kahle, Günther: Lateinamerika. Die Geschichte der lateinamerikanischen Länder zum Nachschlagen. 2.

ben.105 Eine detaillierte Beschreibung des Krieges folgt im Kapitel „Transformation in den 1980er-Jahren“.

General Reynaldo Benito Bignone wurde durch die Junta zum neuen Staatspräsiden-ten ernannt. Im Jahr 1983 wurde sowohl der Peso Ley durch den Peso Argentino ersetzt als auch die Gewerkschaften wieder zugelassen. Am 30. Oktober kam es zu freien Wahlen. Als Sieger der allgemeinen Wahlen ging die radikale Bürgerunion UCR (Unión Civica Radical) unter der Führung von Raúl Alfonsín hervor. Durch sei-nen Amtsantritt am 10. Dezember wurde die Militärherrschaft beendet und der Wie-deraufbau des Rechtsstaates begann.106