• Keine Ergebnisse gefunden

Im Fokus dieser Arbeit stehen die nationalen Verbandsklagen des deutschen und öster-reichischen UWG und jene nach dem UKlaG sowie dem KSchG.

Die Existenz des Institutes der Verbandsklage ist im Allgemeinen dem Umstand geschul-det, dass die von der rechtswidrigen Handlung unmittelbar betroffenen Personen im Zuge des rationalen Desinteresses auf die Geltendmachung ihrer Rechte verzichten. In keinem ande-ren Rechtsgebiet trifft die Aussage: Wo kein Kläger, da kein Richter besser zu als auf die Unterlassung inkriminierter AGB oder unlauterer Wettbewerbshandlungen. Die Funktion die-ses Institutes besteht in der Wahrung des objektiven Rechts. Profiteur ist letztlich die Gesamt-heit der Verbraucher sowie der Mitbewerber; es geht insofern um überindividuelle Interes-sen. Man kann auch von der Förderung öffentlicher oder Allgemeininteressen in personeller Hinsicht sprechen. Aus sachlicher Perspektive geht es um den Schutz bestimmter Institute oder Institutionen, vorliegend des Wettbewerbes und der Vertragsfreiheit. Die Eingliederung der Verbandsklage in die bestehenden Rechtsordnungen erweist sich ob der Wahrnehmung dieser Interessen als schwierig. Insgesamt kommen drei unterschiedliche Modelle infrage: Die Gläubigerschaft der Verbände, die Prozessstandschaft sowie ein rein zivilprozessuales Instru-ment. Grundsätzlich sind in beiden Rechtsordnungen alle drei Varianten denkbar. Letztendlich ist es eine Frage der angewendeten Methodik, welche den Vorzug erhält.

Für die deutsche Rechtsordnung ist zu konstatieren, dass die Wortsinne des dUWG und des UKlaG sowie die dazugehörigen Mat. für die Gläubigerschaft sprechen. Problematisch

495 Kodek/Leupold in Wiebe/Kodek, UWG2 § 14 Rn. 69, zurückhaltend Rn. 101 f.; siehe dazu auch Kraft/Stein-mair in Kraft/SteinKraft/Stein-mair, UWG2 § 14 Rn. 54; abl. Lurger/Melcher, Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht Rn. 597 mwN.

496 BT-Drs. 15/1487, 22; Jestaedt in Ahrens, Wettbewerbsprozess8 Kap. 18 Rn. 8, 36; aA. Sack, GRUR 2011, 953, 963.

497 Micklitz/Rott in MüKo, ZPO III5 § 1 UKlaG Rn. 11; Jelinek in Krejci, Handbuch 785, 790.

498 Seite 15 ff.

erscheint jedoch, wie dies mit dem Verständnis des subjektiven Rechts iwS. und damit zusam-menhängend mit dem Anspruchsbegriff harmoniert. Nach hM. leiten sich subjektive Rechte ieS. nämlich von der entsprechenden Stammposition, in der sich die schutzwürdigen Interes-sen widerspiegeln, ab. Subjektive Rechte iwS. sind der prototypische Fall einer solchen Stammposition. Nach der hA. kommen darüber hinaus noch Schuldverhältnisse iwS. infrage.

Im Zusammenhang mit den Verbänden ist allenfalls an ein gesetzliches Schuldverhältnis zu denken. Sie, die typischerweise nicht von der inkriminierten Handlung beeinträchtigt sind, be-sitzen aber gerade kein genuines Eigeninteresse an der Unterlassung besagter Handlungen.

Es ist keine Stammposition ersichtlich.

Der Verbandsanspruch betrifft gleichsam nicht die Abwehr vor Eingriffen in der eigenen Rechtssphäre. Ein Anspruch iSd. § 194 BGB dient typischerweise der Verfolgung genuiner Eigeninteressen. Da es an solchen vorliegend – wie soeben ausgeführt – fehlt, wollen es man-che ansman-cheinend durch das vermeintliman-che Verbandsinteresse an dem Schutz fremder Rechts-sphären ersetzen. In gewisser Weise handelt es sich hierbei um eine Fiktion des genuinen Unterlassungsinteresses. Zwar wird der Verband aufgrund eines Interesses tätig, etwa um Mitglieder zu akquirieren oä.; dabei handelt es sich aber um keine genuinen Unterlassungsin-teressen. Andere wiederum wollen das Gruppeninteresse der Verbandsmitglieder unmittelbar den Verbänden als dessen Eigeninteresse zurechnen. Auch diese Variante ist meiner Ansicht nach nicht unbedingt naheliegend. Der Verbandsanspruch scheint in Wahrheit vielmehr von Anfang an – ohne genuines Eigeninteresse – dem Schutze des objektiven Rechts verschrie-ben zu sein, was freilich auch mit oa. Funktion kongruent ist. Das mag zwar prima vista be-fremdend wirken, ist aber mE. letztlich ähnlich zu sehen wie die Tätigkeit der Verwaltungsbe-hörde nach §§ 1313, 1316 BGB. Die VerwaltungsbeVerwaltungsbe-hörde kann in diesem Kontext die Aufhe-bung bestimmter Ehen beantragen, freilich ohne dabei in der eigenen Rechtssphäre betroffen zu sein. Auch diesfalls geht es nicht um Eigeninteressen, sondern um die Wahrung des ob-jektiven Rechts, dh. um den Schutz eines Institutes oder einer Institution, namentlich der Ehe.

Bei dem Verbandsanspruch dürfte es sich in letzter Konsequenz um eine privatrechtliche Be-rechtigung handeln, die zwar einer Entität (dem Verband) zusteht, nicht aber auf die Wahrung von Eigeninteressen abzielt. Es liegt daher ein Anspruch ohne genuines Unterlassungsinte-resse vor.

Für das österreichische Recht ist mE. etwas anderes angezeigt: Die Verbände sind Pro-zessstandschafter. Vor allem der Wortsinn des § 29 KSchG (mitsamt seiner Überschrift) legt das nahe. Die Mat. tendieren hingegen eher in Richtung Verbandsanspruch. Aufgrund dieses Widerspruches zwischen geschriebenem Recht und der Gesetzesbegründung kann man bei Argumentation für eine Prozessstandschaft mE. jedenfalls nicht von einer Ansicht contra le-gem sprechen. Im Übrigen spricht das Ideal eines kohärenten Systems dafür, alle Anwen-dungsfelder der Verbandsklage – sofern möglich – dogmatisch einheitlich zu beurteilen. Daher

handelt es sich mE. auch bei § 14 öUWG um eine gesetzliche Prozessstandschaft.

In diesem Kontext bedeutet Prozessstandschaft, dass ein Verband im eigenen Namen einen fremden Anspruch geltend macht. Fraglich ist sodann wessen. Die Verbände verfolgen mE. keine Ansprüche einzelner unmittelbar betroffener Personen, wie etwa Verbraucher oder Mitbewerber; denn wegen der Abstraktheit der Verbandsklage bedarf es keiner konkreten Per-son, die unmittelbar von der inkriminierten Handlung betroffen ist. Selbst wenn Betroffenheit vorläge, wäre wegen der iaR. großen Anzahl an beeinträchtigten Personen nicht ersichtlich, um wessen Anspruch es schlussendlich ginge. Ebenso wenig geht es hier mE. um die pro-zessstandschaftliche Verfolgung öffentlicher Interessen, ohne dass ein – wie bei der deut-schen Musterfeststellungsklage – materiell-rechtlicher Anspruch Gegenstand des Prozesses wäre. Im Ergebnis wird man von einem staatlichen Anspruch ausgehen müssen. Die wahre Interessenträgerin an der Unterlassung der gegenständlichen Handlungen ist nämlich die Sozietät. Mangels eigener Rechtsfähigkeit benötigt diese aber eine Rechtsperson, die die Verfolgung der idS. öffentlichen Interessen wahrnimmt. Eine solche, die typischerweise Re-präsentant dieser Interessen ist, ist der „Staat“. Daher ist es mE. naheliegend, hier von einem staatlichen Anspruch auszugehen, den die Verbände als Prozessstandschafter geltend ma-chen. Es dürfte sich dabei letztlich um eine staatliche privatrechtliche Berechtigung sui generis handeln, situiert im Zivil- und Zivilprozessrecht. Dass nur selten eine Behörde, iaR. juristische Personen des öffentlichen Rechts und mitunter sogar privatrechtliche Entitäten von Gesetzes wegen mit der Wahrnehmung dieser öffentlichen Interessen betraut sind, dürfte letztlich prag-matische und historische Gründe haben.

Der Inhalt dieses staatlichen Anspruches ähnelt hingegen dem Verbandsanspruch, wie er vorliegend für die deutsche Rechtsordnung angenommen wird. Er zielt auf die Wahrung des objektiven Rechts ab. Dass eine solche materiell-rechtliche Berechtigung zwar selten, nicht aber ausgeschlossen ist, zeigt sich mE. an §§ 23, 28 öEheG. Man kann die diesbezügliche Tätigkeit des Staatsanwaltes als Ausübung einer staatlichen materiellen Berechtigung deuten.

Jedenfalls geht es dem Staatsanwalt dabei nicht um seine genuinen Eigeninteressen, sondern er stellt – ohne in seiner eigenen Rechtssphäre betroffen sein zu können – die Einhaltung des objektiven Rechts sicher. Damit dient diese Kompetenz letztlich der Wahrung des Institutes der Ehe. Im Ergebnis kann man den Staatsanwalt – es handelt sich hierbei um die Wahrneh-mung des staatlichen Ordnungsinteresses und weniger um „echte“ Interessen im personellen Sinne der Sozietät – als gesetzlichen Vertreter ansehen. Dafür spricht auch, dass der Staat die Kostenlast im Falle des prozessualen Unterliegens trägt. Die Verbandsklage nach öUWG und KSchG – hier geht es um tatsächliche Interessen der Sozietät – ist meiner Ansicht nach hingegen ein Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft.

III. Kapitel: Die Kategorisierung der Verbandsklagevoraussetzungen Im Folgenden soll auf die Kläger der Verbandsklageverfahren eingegangen und die Ver-bandsklagevoraussetzungen kategorisiert werden. Zunächst soll abstrakt erörtert werden, auf welche Art und Weise Entitäten im deutschen und österreichischen Verbandsklagerecht zu berechtigten Stellen werden – es soll schließlich gerade nicht jede beliebige Stelle berechtigt sein.499 Der Fokus liegt dabei auf den nationalen Regimen nach dem dUWG, dem UKlaG, dem öUWG sowie dem KSchG. Daran anschließend soll erörtert werden, wie die jeweiligen natio-nalen Systeme in concreto ausgestaltet sind. So viel sei verraten: Der potentielle Parteistatus als klagender Verband hängt letztlich jeweils von bestimmten Verbandsklagevoraussetzungen (Kriterien) ab. An gebotener Stelle wird daher in einem weiteren Schritt elaboriert, wie diese Voraussetzungen rechtlich zu qualifizieren sind.