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A. Grundlagen

III. Aktiv- und Prozesslegitimation

Die Aktivlegitimation betrifft als Teil der Sachlegitimation im Falle von Ansprüchen die Frage, wer Gläubiger des gegenständlichen Anspruches, dh. Träger des Rechtes und damit materiell-rechtlich sachbefugt, ist.149 Es geht darum, wem der Anspruch zuzuordnen ist. Die Aktivlegitimation hängt mit der Verleihung von subjektiven Rechten zusammen. Sie ist daher Teil der Begründetheit; ihr Fehlen führt dazu, dass die Klage unbegründet ist.150 Begründet-heit einer Klage liegt nach hM. folglich nur dann vor, wenn aus materiell-rechtlicher Sicht die

„richtige“ Person berechtigt (Aktivlegitimation), die „richtige“ Person verpflichtet (Passivlegiti-mation) und der materiell-rechtliche Anspruch entstanden, nicht untergegangen sowie durch-setzbar ist.

Die Sachlegitimation ist dabei Teil des Tatbestandes und bezieht sich auf die Personen des Gläubigers und des Schuldners.151 Bei § 985 BGB und § 366 ABGB ist jeweils der konkrete nicht besitzende Eigentümer Gläubiger und daher aktivlegitimiert. Bei vertrag-lichen Ansprüchen – die ihre Grundlage freilich oftmals auch im Gesetz haben – ergibt sich die (konkrete) Sachlegitimation aus dem Vertrag selbst. Wenn etwa der Vertrags-partner von dem Stellvertreter der Gegenpartei die Erfüllung aus dem Vertrag verlangt, ist dieser Anspruch nicht entstanden und die Klage ggf. unbegründet. Zu diesem Er-gebnis kommt man, indem man die Einigung mangels übereinstimmender Vertragspar-teien verneint – der Stellvertreter handelt im fremden Namen; der „richtige“ Anspruchs-gegner ist der Vertragspartner, dh., es mangelt dem Stellvertreter an der Passivlegiti-mation.

Hingegen ist im Rahmen der Prozesslegitimation danach zu fragen, ob aus prozessualer Sicht die klagende Partei die „richtige“ ist, dh., ob es ihr zusteht, über den Anspruch zu pro-zessieren.152 Beide Begriffe betreffen daher unterschiedliche Bereiche: Während die Aktivle-gitimation klärt, wem der materiell-rechtliche Anspruch zusteht, ist im Rahmen der Prozessle-gitimation entscheidend, wem es zusteht, diesen gerichtlich geltend zu machen. Die

Prozess-149 Althammer in Zöller, ZPO33 Vorbemerkungen zu §§ 50–58 Rn. 16.

150 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht18 § 46 Rn. 3; Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht9 Rn.

346; OGH 4 Ob 23/20s (RIS-Justiz RS0122730 und RS0107961).

151 Siehe zB. Winner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 366 Rn. 6, 8; vgl. auch Hohlweck, WRP 2020, 266 Rn. 9;

siehe aber auch Berger in Jauernig, BGB18 § 985 Rn. 2 f.

152 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht18 § 46 Rn. 47; Rechberger/Klicka in Rechberger, AußStrG3

§ 2 Rn. 8; Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht9 Rn. 359; Ballon/Nunner-Krautgasser/Schneider, Einfüh-rung13 Rn. 132.

legitimation ist sozusagen das prozessuale Pendant zur materiell-rechtlichen Verfügungs-macht.153 Sie verhält sich zu dieser etwa so wie die Parteifähigkeit zur Rechtsfähigkeit. Da man dem Grundsatz nach selbst für seine rechtlichen Angelegenheiten – und zwar nicht nur etwa für die Begründung von Ansprüchen, sondern auch für deren gerichtliche Geltendma-chung – verantwortlich ist, fallen die Aktiv- (iSd. materiellen Verfügungsbefugnis154) und die Prozesslegitimation prinzipiell zusammen.155 Letztere folgt daher aus der Behauptung, man prozessiere über ein eigenes Recht.156 Das ergibt sich in der dZPO bereits aus § 51 Abs. 1.

Sowohl der deutsche als auch der österreichische Gesetzgeber haben sich gegen Popu-larklagen – dh. Klagen, bei denen unbeteiligte Dritte eigenständig und ohne Ermächtigung fremde Ansprüche geltend machen – entschieden.157 Die Rolle als Partei bestimmt sich im Rahmen der ZPO nach rein formalen Kriterien: Kläger ist, wer Klage erhebt; Beklagter ist, gegen wen sich die Klage richtet.158 Das Verhältnis zwischen Kläger und Beklagtem ist unab-hängig einer materiell-rechtlichen Beziehung. Weil es im Rahmen des formellen Parteibegrif-fes nur auf die Behauptung der materiellen Berechtigung ankommt, birgt dieser die freilich pathologische Gefahr, dass sich ein unbeteiligter Dritter in die rechtlichen Angelegenheiten anderer einmischt, indem er eigenmächtig im eigenen Namen über Ansprüche eines anderen prozessiert.

Der Gleichlauf zwischen Aktiv- und Prozesslegitimation zeigt sich zunächst in den ge-setzlichen Bestimmungen selbst: In aller Regel ergibt sich die Prozesslegitimation still-schweigend aus der Einräumung des subjektiven Rechts: Grundsätzlich ist die Prozess-legitimation von der Verleihung eines subjektiven Rechts ieS. mitumfasst.159

153 Siehe Althammer in Zöller, ZPO33 Vorbemerkungen zu §§ 50–58 Rn. 16; Nunner-Krautgasser in Fa-sching/Konecny, ZPG3 II/1 § 1 ZPO Rn. 24.

154 W. Lüke, Zivilprozessrecht I11 § 7 Rn. 2; Grunsky, ZZP 76 (1963), 49, 53 f.; Nunner-Krautgasser in Fa-sching/Konecny, ZPG3 II/1 § 1 ZPO Rn. 24; Ballon/Nunner-Krautgasser/Schneider, Einführung13 Rn. 132.

155 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht18 § 46 Rn. 5; Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht9 Rn.

359.

156 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht18 § 46 Rn. 5; Kodek/Mayr, Ziviliprozessrecht4 Rn. 296; tlw.

wird auch erst durch den Prozess deutlich, welche Person überhaupt materiell berechtigt ist: W. Lüke, Zivilprozessrecht I11 § 7 Rn. 1.

157 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht18 § 46 Rn. 3; Weth in Musielak/Voit, ZPO18 § 51 Rn. 14 mwN.; G. Lüke, ZZP 76 (1963), 1, 13; exemplarisch bezogen auf das öUWG: Kodek/Leupold in Wiebe/Ko-dek, UWG2 § 14 Rn. 82, 102; allg.: Kunz, Prozessstandschaft 1 mwN.

158 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht18 § 40 Rn. 2; Ballon/Nunner-Krautgasser/Schneider, Ein-führung13 Rn. 118.

159 Siehe nur W. Lüke, Zivilprozessrecht I11 § 7 Rn. 2.

Freilich darf man den Wortsinn nicht überbewerten und losgelöst von sonstigen, etwa systemischen, Gesichtspunkten sehen. Im Kern geht es hierbei nämlich um die schwie-rige und letztlich ungelöste Beurteilung des Verhältnisses des materiellen Rechts zum Prozessrecht.

Als Bsp. dient § 985 BGB: „Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen“. Explizit wird nur das subjektive Recht ieS. des Eigentümers ange-sprochen. Wegen des Grundsatzes, dass Aktiv- und Prozesslegitimation iZw. zusam-menfallen, ergibt sich letztere implizit aus der Einräumung des subjektiven Rechts.

Ferner § 823 Abs. 1 BGB: „Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen wider-rechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens ver-pflichtet.“

Und § 1295 Abs. 1 ABGB: „Jedermann ist berechtigt, von dem Beschädiger den Ersatz des Schadens, welchen dieser ihm aus Verschulden zugefügt hat, zu fordern; der Scha-den mag durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Ver-trag verursacht worden sein.“

Selbiges gilt auch für Normen, die zu vertraglichen Ansprüchen führen können, wie etwa zB. § 1061 ABGB: „Der Verkäufer ist schuldig, die Sache bis zur Zeit der Übergabe sorgfältig zu verwahren und sie dem Käufer nach eben den Vorschriften zu übergeben, welche oben bei dem Tausche (§ 1047) aufgestellt worden sind.“

Die Prozesslegitimation kann aber auch von der Anspruchsgrundlage separiert und ei-genständig geregelt werden. Teilweise wird in ein und demselben Rechtssatz aus gel-tungszeitlicher Sicht neben der Aktiv- auch die Prozesslegitimation ausdrücklich ange-sprochen.

Ein Bsp. ist § 1004 Abs. 1 BGB: „Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Ent-ziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchti-gungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.“ Abs. 2: „Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.“ Wäh-rend nach Abs. 1 S. 2 auf die Möglichkeiten der Klage rekurriert wird, geht es sprachlich in Abs. 2 um den (materiell-rechtlichen) Anspruch.

Besonders gut sieht man dies anhand der rei vindicatio in § 366 S. 1 ABGB: „Mit dem Recht des Eigentümers, jeden anderen von dem Besitze seiner Sache auszuschließen, ist auch das Recht verbunden, seine ihm vorenthaltene Sache von jedem Inhaber durch die Eigentumsklage gerichtlich zu fordern.“ Aktivlegitimiert ist der (Mit-)Eigentümer;

pas-sivlegitimiert ist der nicht berechtigte Inhaber. Neben dem subjektiven Ausschließungs-recht wird – nach dem Wortsinn – ausdrücklich auch das KlageAusschließungs-recht, dh. die Prozess-legitimation, angesprochen.

Siehe auch § 523 ABGB: „In Ansehung der Servituten findet ein doppeltes Klagerecht statt. Man kann gegen den Eigentümer das Recht der Servitut behaupten; oder der Eigentümer kann sich über die Anmaßung einer Servitut beschweren. Im ersten Falle muß der Kläger die Erwerbung der Servitut, oder wenigstens den Besitz derselben als eines dinglichen Rechtes, im zweiten Falle muß er die Anmaßung der Servitut in seiner Sache beweisen.“ § 523 enthält nicht nur die Servitutsklage, sondern wird daraus auch die actio negatoria abgeleitet. Auch an dieser Stelle wird sprachlich zwischen dem Kla-gerecht und dem (dinglichen) Recht der Servituten (§ 472 ABGB) differenziert.