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§ 1 UKlaG71: „Wer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen, die nach den

§§ 307 bis 309 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unwirksam sind, verwendet oder für den rechtsgeschäftlichen Verkehr empfiehlt, kann auf Unterlassung und im Fall des Emp-fehlens auch auf Widerruf in Anspruch genommen werden.“

68 So handelt es sich auch bei § 54 ASGG um einen Fall der Verbandsklage: Rechberger in FS Welser 871, 874.

69 Schwab, AGB-Recht3 Teil 2 Rn. 1; Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 864a Rn. 7.

70 Anders in Österreich: Perner, ecolex 2009, 288, 288 f.

71 BGBl. I 2002, 3422.

§ 28 Abs. 1 KSchG72: „Wer im geschäftlichen Verkehr in Allgemeinen Geschäftsbedin-gungen, die er von ihm geschlossenen Verträgen zugrunde legt, oder in hiebei verwen-deten Formblättern für Verträge Bedingungen vorsieht, die gegen ein gesetzliches Ver-bot oder gegen die guten Sitten verstoßen, oder wer solche Bedingungen für den ge-schäftlichen Verkehr empfiehlt, kann auf Unterlassung geklagt werden. Dieses Verbot schließt auch das Verbot ein, sich auf eine solche Bedingung zu berufen, soweit sie unzulässigerweise vereinbart worden ist.“

Der jeweilige Tatbestand der klauselspezifischen Verbandsklage setzt sich zusammen aus dem Prüfungsgegenstand (AGB), dem Prüfungsmaßstab (Gesetz- oder Sittenwidrigkeit), der Verletzungshandlung (verwenden oder empfehlen, jeweils im [rechts-]geschäftlichen Ver-kehr) mitsamt der Begehungsgefahr.

Prüfungsgegenstand sind sowohl nach § 1 UKlaG als auch nach § 28 Abs. 1 KSchG AGB. In Deutschland sind diese iSd. § 305 Abs. 1 BGB zu verstehen. In der österreichischen Rechtsordnung fehlt eine entsprechende Legaldefinition; man orientiert sich aber an § 305 BGB.73 Demnach handelt es sich um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertrags-bedingungen (Klauseln); sie müssen vom Verwender gestellt und einseitig in den Vertrag ein-geführt werden.74

Die Verletzungshandlung besteht darin, dass die Gefahr der Verwendung (KSchG: „Zu-grundelegen75) der inkriminierten Klausel besteht. Nur wenn Begehungsgefahr vorliegt, ist der präventiv wirkende Unterlassungsanspruch begründet.76

Umstritten ist jedoch, wie weit der Begriff des Verwendens iZm. der Begehungsgefahr zu verstehen ist. Im Kern geht es um die Frage, inwieweit bereits Vorbereitungsmaß-nahmen des Vertragsschlusses ein tatsächliches Verwenden darstellen.77 Alternativ könnten diese Handlungen auf Ebene der Begehungsgefahr relevant sein. Es ist also

72 BGBl. I 6/1997.

73 OGH 7 Ob 89/08a SZ 2008/54 = Zak 2008/470 (RIS-Justiz RS0123499).

74 Schwab, AGB-Recht3 Teil 1 Rn. 97.

75 OGH 1 Ob 193/19t VbR 2020/35.

76 Siehe Seite 13 f.

77 Nach Jelinek in Krejci, Handbuch 785, 805 ff. muss zumindest ein Vertrag abgeschlossen worden sein; diese Ansicht abl. OGH 6 Ob 551/94 SZ 67/154 (Ris-Justiz RS0065718).

fraglich, ob (erfasste) Vorbereitungsmaßnahmen eine tatsächliche78 oder bloß eine dro-hende Verwendung79 sind. Für das Ergebnis spielt diese Einstufung keine Rolle: Solche Vorbereitungsmaßnahmen sind von der Verbandsklage jedenfalls umfasst. Das ist schon europarechtlich geboten: Art. 7 Abs. 2 RL 93/13 EWG sieht vor, dass sich die Verbandsklage auf Klauseln bezieht, die in Hinblick auf eine allgemeine Verwendung abgefasst wurden; dass die Klauseln tatsächlich eingesetzt werden, ist nicht verlangt.80

Jedenfalls muss Verwendungsabsicht vorliegen, die sich hinreichend nach außen dar-stellen muss.81 Das bloße Erstellen oder Formulieren der AGB begründet noch keine Erstbegehungsgefahr, sofern nicht klar ist, dass diese tatsächlich verwendet werden sollen; dieses Stadium kann aber bspw. durch die unternehmensinterne Weisung der zukünftigen Verwendung der AGB erreicht werden.82

Das Empfehlen der AGB ist ebenfalls eine taugliche Verletzungshandlung. Ein solches liegt vor, wenn einer dritten Person angeraten wird, die AGB zu verwenden.83 Die Empfehlung muss nach überwiegender Meinung aber an eine Vielzahl von Adressaten ausgesprochen werden.84

Neben AGB in Verträgen erfasst das KSchG expressis verbis auch Bedingungen, die in Formblättern für Verträge vorgesehen sind. Solche Vertragsformblätter fallen eben-falls unter den ABG-Begriff des BGB.85 Der Unterschied zu AGB besteht darin, dass Vertragsformblätter nicht direkt in den Vertrag integriert sind. Der Begriff Bedingung ist an dieser Stelle nicht als zukünftiges Ereignis zu verstehen, sondern iSv. Klausel.86 Vorsehen meint verwenden.87

78 So etwa Micklitz/Rott in MüKo, ZPO III5 § 1 UKlaG Rn. 23 mwN.

79 So zB. Lindacher in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht6 § 1 UKlaG Rn. 26; Langer in Kosesnik-Wehrle, KSchG4 §§ 28–30 KSchG Rn. 13f.

80 Micklitz/Rott in MüKo, ZPO III5 § 1 UKlaG Rn. 23 mwN.

81 Micklitz/Rott in MüKo, ZPO III5 § 1 UKlaG Rn. 31; Jelinek in Krejci, Handbuch 785, 814; OGH 3 Ob 133/06i SZ 2006/178 (RIS-Justiz RS0121591).

82 Lindacher in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht6 § 1 UKlaG Rn. 37 mwN.; Jelinek in Krejci, Handbuch 785, 814.

83 Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG39 § 1 UKlaG Rn. 9; RV 311 XX. GP, 31.

84 Witt in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht12 § 1 UKlaG Rn. 27 mwN.; Langer in Kosesnik-Wehrle, KSchG4

§§ 28–30 KSchG Rn. 26.

85 BGH IVa ZR 173/85 BGHZ 99, 381 = NJW 1987, 1634; Binder/Keiler in Keiler/Klauser, Verbraucherrecht1.

Lfg. §§ 28–30 KSchG Rn. 19 mwN.

86 Jelinek in Krejci, Handbuch 785, 797.

87 Donath in Schwimann, Taschenkommentar5 § 28 KSchG Rn. 4.

Sowohl die Verwendung als auch die Empfehlung müssen im Anwendungsbereich des UKlaG im rechtsgeschäftlichen Verkehr erfolgen, obwohl das Gesetz dieses nur hinsichtlich der Empfehlung ausdrücklich anordnet.88 Im Zusammenhang mit dem Empfehlen bedeutet dies, dass die AGB für die Rechtsgeschäfte des Dritten nahegelegt werden.89 Dagegen be-stimmt § 28 Abs. 1 KSchG ausdrücklich, dass sowohl das Verwenden als auch das Empfehlen im geschäftlichen Verkehr erfolgen muss. Dieses Tatbestandsmerkmal wurde aus dem öUWG übernommen; damit ist jede selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit gemeint, ungeach-tet einer Gewinnerzielungsabsicht; auch an dieser Stelle kommt es daher auf die Partizipation am rechtsgeschäftlichen Erwerbsleben an.90 Nicht erfasst sind zB. wissenschaftliche Stellung-nahmen.91

§ 1 UKlaG sowie § 28 Abs. 1 KSchG enthalten als weiteres Tatbestandsmerkmal den Prüfungsmaßstab. Die klauselspezifischen Verbandsklagen umfassen zunächst – wie in § 1 UKlaG ausdrücklich festgehalten – die Inhaltskontrolle von AGB (§§ 307 ff. BGB; § 879 Abs.

3 ABGB und § 6 KSchG) inklusive dem Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB; § 6 Abs. 3 KSchG). Darüber hinaus geht die ganz hM. davon aus, dass – wie es in § 28 Abs. 1 KSchG geschrieben steht – auch andere Unwirksamkeitsgründe des zwingenden Rechts in den An-wendungsbereich der klauselspezifischen Verbandsklagen fallen; dazu zählen jedenfalls auch die Gesetzes- und die Sittenwidrigkeit (§§ 134, 138 BGB; § 879 ABGB).92

Nicht von § 1 UKlaG umfasst sind hingegen grds. Fragen der Einbeziehung (allgemein in § 305 Abs. 2 BGB) sowie die Ungewöhnlichkeitskontrolle der AGB (§ 305c BGB);

diese beurteilen sich nämlich anhand von Umständen des konkreten Falles, auf die die abstrakte Prüfung im Rahmen der Verbandsklage keine Rücksicht nehmen kann. Aller-dings hat insofern eine Anpassung stattgefunden, als dass tlw. konkret-generelle Um-stände – dh. solche, die generell und typischerweise auftreten – Berücksichtigung fin-den.93 Insofern lässt sich eine Öffnung des Verbandsklageverfahrens konstatieren. Die Einbeziehung ist auch in Österreich nicht Bestandteil der Verbandsklage. Anderes gilt

88 BT-Drs. 7/5422, 10 (Bericht des Rechtsausschusses).

89 Micklitz/Rott in MüKo, ZPO III5 § 1 UKlaG Rn. 39.

90 Jelinek in Krejci, Handbuch 785, 795 f.

91 BT-Drs. 7/5422, 10 (Bericht des Rechtsausschusses); Langer in Kosesnik-Wehrle, KSchG4 §§ 28–30 KSchG Rn. 27 mwN.

92 Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG39 § 1 UKlaG Rn. 4.

93 Siehe dazu Micklitz/Rott in MüKo, ZPO III5 § 1 UKlaG Rn. 13 f.

für die Geltungskontrolle (Ungewöhnlichkeitskontrolle) nach § 864a ABGB: Sie ist je-denfalls von vornherein im klauselspezifischen Verbandsklageprozess beachtlich.94 Auch im Rahmen des § 28 Abs. 1 KSchG wird tlw. die Berücksichtigung konkret-gene-reller Umstände vertreten.95 Diese Ansicht rekurriert auf Art. 4 Abs. 1 RL 93/13 EWG, der die Einbeziehung aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände fordert.96

Die Gerichte überprüfen im Verbandsklageprozess die AGB im Lichte der kundenfeind-lichsten Auslegung.97 Nach der hM. findet die geltungserhaltende Reduktion keine An-wendung.98

Die beiden Verbandsklagen sind nicht auf Verbraucherverträge beschränkt, wenngleich diese der Hauptanwendungsbereich sind. Dies zeigt sich schon anhand der neutralen Formu-lierung der beiden Regelungen.

Dieser Befund verwundert auf den ersten Blick: Das KSchG (Konsumentenschutzge-setz) regelt über weite Strecken besondere Bestimmungen für Verträge zwischen Un-ternehmern und Verbrauchern (§ 1 KSchG). Das Hauptstück II beinhaltet in den §§ 28, 28a, 29 und 30 KSchG die klauselspezifische Verbandsklage; sie ist alles in allem rudi-mentär und mit insgesamt vier Paragraphen äußerst knapp geregelt. Obgleich es iaR.

um die rechtswidrige Verwendung von AGB-Klauseln in Verbraucherverträgen – dem Anwendungsbereich des § 1 KSchG entsprechend zwischen Unternehmern und Ver-brauchern geht – ist die Verbandsklage nach § 28 Abs. 1 KSchG weder auf Verbrau-cherverträge noch auf zivilrechtliche Klauselverstöße beschränkt.99 Die Regelung der Verbandsklage im Konsumentenschutzgesetz kann daher als Paradebeispiel für eine lex fugitiva angesehen werden.