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D. Die Verbandsklage in Österreich: Prozessstandschaft

III. Keine Wirkung auf Individualprozesse

Der Einordnung der Verbandsklage als Prozessstandschaft wird tlw. mit dem krit. Argu-ment begegnet, es fehle an der entsprechenden Wirkung im Individualprozess, denn der kon-kret Betroffene selbst – etwa der Verbraucher oder der unmittelbar betroffene Unternehmer – könne, unabhängig davon, ob eine Verbandsklage anhängig oder entschieden ist, seinen ei-genen Unterlassungsanspruch einklagen.452 Angesprochen ist an dieser Stelle die Wirkung der Prozessstandschaft, dh. die va. in Deutschland anerkannte Unterscheidung zwischen aus-schließlicher und konkurrierender Prozessstandschaft.453

Diese Kritik verfängt hier jedenfalls nicht, weil vorliegend von einem staatlichen An-spruch ausgegangen wird. Es wird gerade kein AnAn-spruch eines Verbrauchers oä. geltend gemacht.

Doch selbst wenn es sich hier um einen solchen Anspruch handelte, könnte diese Kritik mE. ins Leere gehen. Für die österreichische Rechtsordnung gilt zwar im Ausgangs-punkt, dass die Prozessstandschaft ausschließlicher Natur ist; demnach könnte etwa der Verbraucher tatsächlich keine Parallel- oder nachgelagerte Klage erheben. Doch kennt auch das österreichische Zivilprozessrecht Ausnahmen: Es ist ganz hM., dass das Feststellungsverfahren nach § 54 Abs. 1 ASGG und die diesbezügliche Entschei-dung – auch hier liegt mMn. ein Fall der Prozessstandschaft vor454 – nur die Parteien bindet, dh., keinerlei rechtliche Wirkung für die betroffenen Arbeitnehmer entfaltet.455 Mit anderen Worten: Es liegt hier ein Fall der konkurrierenden Prozessstandschaft

451 Siehe dazu Wolf, Klagebefugnis 19 ff., der sodann versucht, die Gruppeninteressen über die Satzung den (Gewerbe-)Verbänden zuzurechnen (Seite 55 ff.), sodass letztlich bei Verletzung dieser der Verband als beeinträchtigt gölte.

452 Kodek/Leupold in Wiebe/Kodek, UWG2 § 14 Rn. 72 mwN.; Kodek, DRdA 2007, 356, 358; ders. in Gab-riel/Pirker-Hörmann, Massenverfahren 314, 331 f.; Nunner-Krautgasser in Fasching/Konecny, ZPG3 II/1 Vor § 1 ZPO Rn. 123; Ballon/Nunner-Krautgasser/Schneider, Einführung13 Rn. 135; Kühnberg, Verbands-klage 175.

453 Seite 36 ff.

454 Seite 41 ff.; siehe etwa OGH 9 ObA 112/09z ecolex 2010/173; so auch Rechberger/Simotta, Zivilprozess-recht9 Rn. 354; aA. Fasching, Lehrbuch2 Rn. 338.

455 Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht9 Rn. 354; so auch die Rsp.: OGH 8 ObA 31/09f ecolex 2010/103.

vor. Dasselbe gölte dann uU. für die Verbandsklage: Auch sie könnte mE. gegebenen-falls ein solcher Fall sein.456

IV. Ergebnis

Im Rahmen der gerichtlichen Geltendmachung handeln die Verbände als Prozessstand-schafter457 und prozessieren im eigenen Namen – daher nicht als gesetzlicher Vertreter – über einen zivilrechtlichen staatlichen Anspruch. Das ist insofern konsequent, als dass der Staat typischerweise die Förderung öffentlicher Interessen übernimmt. Trägerin des gegen-ständlichen Interesses ist nämlich die Sozietät, der es allerdings an Rechtspersönlichkeit man-gelt. Freilich könnte man kritisieren, diese staatliche Berechtigung passe nicht zu den zivil-rechtlichen subjektiven Rechten ieS., die grds. auf die Verfolgung von Eigeninteressen ausge-richtet sind; insofern könnte man meinen, es handele sich hierbei um eine abgewandelte Ka-tegorie; in extremer Ausprägung könnte man zu dem Ergebnis kommen, es läge deswegen gerade kein subjektives Recht ieS. vor.458 Diese Kritiken verfangen mE. jedoch für die öster-reichische Rechtsordnung nicht: Zum einen kann man bereits das Gestaltungsklagerecht auf Ehenichtigkeit, das der Staatsanwalt ausübt, als Recht des Staates im öffentlichen Interesse auffassen. Der gegenständliche staatliche Anspruch stellt insofern keine neuartige Kategorie dar. Zum anderen ist der Schritt – zumindest im System des materiellen Rechts sowie des Erkenntnisverfahrens – von einem „herkömmlichen“ Anspruch zu diesem staatlichen Anspruch kein größerer, als zu einem Verbandsanspruch ohne genuines Eigeninteresse oder gar zu der Verbandsklage als rein prozessuales Instrument. Diese letzten beiden Varianten stellten je-denfalls abgewandelte Kategorien dar.459

Etwas diffiziler stellt sich die Situation außerhalb des Erkenntnisverfahrens dar. Für die Verbandsklage gilt jedenfalls gem. § 24 öUWG und § 30 KSchG, dass (vereinfachte) einstweilige Verfügungen beantragt werden können. Schwieriger könnte die Einord-nung im Vollstreckungsverfahren sein. Es stellt sich hier die Frage, inwieweit eine

456 So iE. auch Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht9 Rn. 354, denen zufolge die für den einzelnen Verbrau-cher rechtlich wirkungslose Verbandsprozessentscheidung ein Sonderfall sei.

457 Sie sind dabei mE. keine Parteien kraft Amtes, da dies voraussetzt, dass ein spezieller Bestellungsakt, der über die gesetzliche Normierung hinausgeht, vorliegt: Wache in MüKo, ZPO I6 § 116 Rn. 8.

458 So wohl Halfmeier, Popularklagen 274, für den „sich die Konstruktion eines zivilrechtlichen Anspruchs des Staates auf Einhaltung des objektiven Rechts nicht mit der […] Funktion des zivilrechtlichen Anspruchsbe-griffs als Konkretisierung subjektiver Rechte und damit als Mittel der Güterzuweisung“ vertrage.

459 Betreffend den Verbandsanspruch siehe Spitzer in GS Rebhahn 573, 583, der einem Verband „ein zumin-dest formell eigenes Recht“ einräumt und von einem „gerade für ihn konstruierten Anspruch auf Unterlas-sung“ spricht; siehe auch Kodek in Reiffenstein/Pirker-Hörmann, Defizite 131, 157: „nicht wirkliche subjek-tive Rechte mit Selbstzweck“; siehe auch Kodek/Leupold in Wiebe/Kodek, UWG2 § 14 Rn. 72/3: „Kunst-griff“.

Person die Vollstreckung beantragen kann, obwohl sie materiell-rechtlich nicht berech-tigt ist.460 Ausgangspunkt für die Beantwortung dieser Frage dürfte sein, dass sich die Parteirollen des betreibenden Gläubigers sowie jene des Verpflichteten im Zwangsvoll-streckungsrecht aus dem Exekutionstitel ergeben.461 Insofern sind § 3 Abs. 2 und § 5 EO Ausdruck des formellen Parteibegriffes.462 Die Parteien aus dem Vollstreckungsver-fahren müssen grds. mit jenen aus dem ErkenntnisverVollstreckungsver-fahren übereinstimmen.463 Das Urteil ist daher dem Grundsatz nach von dem Prozessstandschafter des Erkenntnisver-fahrens zu vollstrecken.464 Man wird auch beachten müssen, dass die Verbandsklage kompensatorische Funktion hat.465 Es geht letztlich weniger um die Frage, wer die Un-terlassung begehrt, sondern vielmehr darum, ob ein bestimmtes Verhalten zu unterlas-sen ist; dieser Gedanke könnte sich sodann auch auf das Vollstreckungsrecht auswir-ken.466

Außergerichtlich schließen die Verbände im Rahmen der Unterwerfung nach überwie-gender Meinung ein Anerkenntnis. Nach einer Ansicht handele es sich dabei um ein konstitutives, das die Verbände im eigenen Namen vereinbaren.467 Sie träten dann als Gläubiger des jeweiligen vertraglichen Anspruchs auf.468 Nach einer anderen Ansicht handele es sich um ein deklaratives Anerkenntnis;469 die Verbände machten dann den

460 So gewährt Klicka in Fasching/Konecny, ZPG3 II/3 § 206 ZPO Rn. 12 iZm. einem Vergleich als echten Vertrag zugunsten Dritter unter Rekurs auf § 9 EO ausschließlich der materiell berechtigten Person das Vollstreckungsrecht und begründet dies mit der Vermeidung des „unnötig komplizierenden Instituts einer Vollstreckungsstandschaft als Sonderform der Prozessstandschaft“; zu einem anderen Verständnis der Vollstreckungsstandschaft siehe Münzberg, NJW 1992, 1867 und BGH V ZR 218/83 NJW 1985, 809; siehe zur Vollstreckungsstandschaft im österreichischen Recht auch Holzhammer/Roth in FS Sprung 165, 170 und Kunz, Prozessstandschaft 94.

461 OGH 3 Ob 47/00h; Jakusch in Angst/Oberhammer, EO3 § 3 Rn. 3.

462 Mini in Deixler-Hübner, Exekutionsordnung I § 3 Rn. 4 f.; Neumayr/Nunner-Krautgasser, Exekutionsrecht4 4, 67.

463 Jakusch in Angst/Oberhammer, EO3 § 7 Rn. 12.

464 Holzhammer/Roth in FS Sprung 165, 166 f.; Wolfsteiner in MüKo, ZPO II6 § 724 Rn. 29 mwN.

465 Spitzer in GS Rebhahn 573, 583 mwN. Kodek in Reiffenstein/Pirker-Hörmann, Defizite 131, 157; Linda-cher/Hau in MüKo, ZPO I6 Vorbemerkung zu § 50 Rn. 88; Halfmeier in Jahrbuch 2003 129, 142; ders., Popularklagen 217.

466 So etwa Halfmeier, Popularklagen 305, der die Verbandsklage allerdings als ein rein prozessuales Institut auffasst; siehe dazu Seite 160 ff.

467 Siehe dazu auch Kodek/Leupold in Wiebe/Kodek, UWG2 § 14 Rn. 29; krit. Apathy in Schwimann/Kodek, Praxiskommentar Va4 § 30 KSchG Rn. 16.

468 Siehe etwa OGH 6 Ob 24/11i SZ 2012/87 (verst. Senat); zust. Kellner, ÖBA 2010, 674, 678 mwN. (Anm. zu OGH 2 Ob 1/09z); auch nach Langer in Kosesnik-Wehrle, KSchG4 §§ 28–30 Rn. 54 handele es sich um einen selbstständigen Verpflichtungsgrund.

469 Nach einem Teil der Rsp. mache der Verband den gesetzlichen Unterlassungsanspruch nach § 28 KSchG geltend: OGH 2 Ob 1/09z SZ 2010/41 = RdW 2010/643.

gesetzlichen Anspruch, dh. den staatlichen, geltend. Die Abmahnung als solche ist je-denfalls nicht zwingend Ausdruck eines eigenen Anspruches.470