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Mit der Vorlage der mittelalterlichen Keramik ist eine weitere Facette der archäologischen Unter-suchungen des Elsbachtalprojekts beleuchtet, die auf den ersten Blick einen unspektakulären Eindruck macht, ohne sie ist das Bild jedoch lückenhaft. Der Fundstoff Keramik, der in römischer und mittelalter-licher Zeit gewöhnlich in abschreckend großen Mengen aus Grabungen gewonnen wird, bildet ein unver-zichtbares Mittel zur Datierung. Das Primärziel dieser Arbeit liegt dementsprechend in der möglichst prä-zisen Einordnung der Befunde. Darüber hinaus läßt diese Fundgruppe aber auch auf unterschiedliche kulturhistorische Aspekte wie Tischsitten, keramische Ensembles, Kaufgewohnheiten, Wirtschaftsweise und soziale Stellung der Bewohner des Elsbachtals rückschließen. Diese Aspekte sind besonders in-teressant, wenn sie unter chronologischen Gesichtspunkten bzw. der Frage des Wandels betrachtet wer-den.

Gerade die Alltagskultur agrarisch geprägter Gesellschaften wurde in der Regel von der archäologischen Mittelalterforschung vernachlässigt, deren Schwerpunkte auf Grabungen in Burgen, Kirchen und Stadt-kernen lag. Die davon abgeleitete Darstellung dieser Periode ist jedoch in erster Linie auf Objekte zu be-ziehen, die sich stets im politischen Brennpunkt befanden, und deren Bedeutung mit Hilfe historischer Quellen bereits im Vorfeld abzuschätzen war. Der Reiz des Elsbachtalprojekts liegt nun darin, die Sied-lungsgeschichte eines Kleinraumes und die Lebensumstände der Bewohner auf rein archäologischem und naturwissenschaftlichem Weg zu rekonstruieren1061.

Um die große Zahl an Scherben in eine überschaubere Form zu bringen, wurde sie mittels quantitativer Analysen aus verschiedenen Blickwinkeln (Form, Ware, Metrik) beurteilt. In manchen Fällen ist es jedoch nicht möglich, aus den Detailbeobachtungen hier Allgemeingültigkeiten zu formulieren. Diese Problema-tik ist z. T. in einer geringen Materialbasis (es gilt zu bedenken, daß sich das Material auf ca. 13 Jahrhun-derte verteilt) begründet. Zum anderen fehlt z. Zt. publiziertes Material der jüngsten Perioden (Spätmittel-alter und Neuzeit) anderer Fundorte, so daß vergleichende Untersuchungen kaum ertragreich bzw. die Rückschlüsse nur unter Vorbehalt zu ziehen sind1062.

Den Untersuchungen von Heege, Friedrich und Bauche ist es zu verdanken, daß die Keramik des Früh- und Hochmittelalters nunmehr chronologisch besser zu beurteilen ist. Ein weiteres Ziel der vorliegenden Arbeit war es daher, eine Synthese dieser Publikationen zu erarbeiten1063. Dies war jedoch nur in geringem Maße möglich, da unterschiedliche Terminologien und Auswahlkriterien einem Vergleich im Wege stan-den.

Besonders anschaulich für die rheinischen Siedlungen des Mittelalters ist, daß die Zusammensetzung des Fundmaterials von mehreren Faktoren beeinflußt wird, die von Ort zu Ort in unterschiedlichem Maße auf das Keramikspektrum Einfluß genommen haben. Im vorliegenden Fall ist nun das „elsbachtalspezifische”

Keramikspektrum erarbeitet, das keineswegs Anspruch auf Repräsentativität erheben kann. Die ständig neue Mischung der Keramikpalette unterschiedlicher Siedlungen stellt für den Archäologen, der in der Regel bestrebt ist, Typengruppen, Perioden und Horizonte von Allgemeingültigkeit zu definieren, ein komplexes Problem dar. Andererseits bietet sich hier die Chance, in einer Altsiedellandschaft mit zahlrei-chen Töpfereien von lokaler und überregionaler Bedeutung recht detaillierte wirtschaftsgeographische Verflechtungen aufzudecken. Die Bearbeitung weiterer Grabungen bleibt demnach ein Desiderat.

Für die Keramik des Elsbachtals läßt sich – in chronologischer Reihe – folgende Entwicklung festhalten:

1061 Dies gilt natürlich nicht nur für das Elsbachtal, sondern für einen Großteil der Untersuchungen im rheinischen Braunkohlenrevier.

1062 Dies ist jedoch ein Kritikpunkt, der in naher Zukunft überholt sein dürfte, denn die Untersuchungen von Dr. U. Recker M.A. und B. Steinbring M.A. zum Kirchspiel Lohn werden die Materialbasis wesentlich erweitern.

1063 Dies war aus dem Grund vielversprechend, da sich diese Arbeiten unterschiedlicher Methoden bedienen (stratigraphisch gegliedertes Fundmaterial steht hier Seriationsergebnissen gegenüber).

Das Frühmittelalter ist mit vergleichsweise wenig Fundmaterial vertreten. Neben einzelnen Scherben, bei denen zwischen einer spätrömischen und merowingischen Datierung nicht entschieden werden kann, liegen Fragmente des 7./8. Jahrhunderts vor, die sich aber stets mit Keramik des 9. Jahrhunderts vergesell-schaftet finden. Für das 9. Jahrhundert ist ein Horizont auszumachen, der sich jedoch in der Regel aus einem karolingischen Fundschleier innerhalb jüngerer Komplexe zusammensetzt. Die Vergleiche mit Hambach 500 sind hier sehr anschaulich und lassen innerhalb des Frühmittelalters auf unterschiedliche chronologische Gewichtungen beider Siedlungen schließen. Für das Elsbachtal ist entlang der Zeitachse ein stetiges Anwachsen der Gefäßzahl zu vermerken. Keramik des 10./11. Jahrhunderts ist im Elsbachtal nachweisbar, mit dem 12. Jahrhundert nimmt die Quantität der Scherben jedoch spürbar zu, was auch auf eine intensivierte Nutzung der Talaue deutet. Die Mengenanteile der unterschiedlichen Warengruppen sind neben chronologischen Gesichtspunkten vor allem an die geographische Lage der Siedlung gebun-den. Dies kommt durch die keramische Versorgung der Bewohner mit Vorgebirgsprodukten deutlich zum Ausdruck. Die Vorgebirgswaren werden seit dem 12. Jahrhundert durch niederrheinisch geprägte Grau-waren ergänzt und verdrängt. Die Keramik des Elsbachtals zeugt zudem von der Kaufkraft seiner Be-wohner: Ein Vergleich mit Gefäßen anderer Siedlungstypen wie Burgen zeigt, wie der soziale Status der mittelalterlichen Verbraucher das Spektrum der Waren und Formen in nicht unwesentlichem Maße beein-flußt. Die Funde des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit belegen eine ungebrochene Nutzung des Tales über das Hochmittelalter hinaus. Auch hier ist ein stetiges Anwachsen der Gefäße zu verzeichnen.

Zu einer differenzierten Bewertung des Fundmaterials dieser Zeit mußten die bekannten Chronologie-vorstellungen an Hand fest datierter Fundkomplexe aufs neue betrachtet werden. Dies führte vor allem für die lehmengobierte Gebrauchsware (hier vor allem die Langerweher Keramik) zu einer Datierungs-grundlage, die über die bislang möglichen Zuweisungen wie „Spätmittelalter” oder „Spätmittelal-ter/Frühneuzeit” hinausgeht. Demzufolge konnten die glasierten Waren, die regelhaft mit Steinzeug des 15./16. Jahrhunderts vergesellschaftet sind, chronologisch besser beurteilt werden. Im 16. Jahrhundert ist die Zahl der nachweisbaren Gefäße wesentlich geringer. Die wenigen glasierten Waren des 17.-19. Jahr-hunderts sind nur unzulänglich einzuordnen.

Bestätigt und verfeinert wurden die chronologischen Ansätze durch quantitative Analysen wie die Seria-tion, die zudem eine weitere Differenzierung der problematischen glasierten Waren erlaubt.

Die Frage der Produktionsorte der einzelnen Waren und die daraus resultierende Rekonstruktion von Handelsströmungen und Absatzgebieten ist mit Unsicherheiten belastet und gerade hier von dem aktu-ellen Forschungsstand abhängig. Aus diesem Grund wurden die Waren nicht einzelnen Produktionsorten, sondern Töpfereiregionen zugewiesen. Die Herkunft des Großteils der merowingischen Waren ist jedoch nicht zu eruieren. In karolingischer Zeit dominieren Waren aus dem Vorgebirge, zu denen sich Keramik der Eifelregion (Mayen, Trier) sowie frühe Grauwaren lokaler Herkunft gesellen. Die Vorgebirgswaren ziehen sich wie ein roter Faden durch sämtliche Perioden des Mittelalters: während die „Pingsdorfer Ware” und ihre Nachfolger aus Proto- und Faststeinzeug das Fundspektrum des Hochmittelalters bestimmen, sind auch im Spätmittelalter Vorgebirgswaren zu vermerken. Daneben sind im fortgeschrittenen Hochmittelalter südlimburgisch beeinflußte Gruppen nachgewiesen, die aber nur eine untergeordnete Rolle spielen. Ab dem 12. Jahrhundert werden die lokalen, frühen Grauwaren durch ein mit der Elmpter Ware stärker niederrheinisch geprägtes Formenspektrum verdrängt. Trotz technologischer Umwälzungen durch die Entwicklung des Steinzeugs behält die Elmpter Keramik ihre maßgebende Position bis in das 14. Jahrhundert bei, um in der Folgezeit durch glasierte Irdenware aus Köln/Frechen ersetzt zu werden. Mit dem Ende der Elmpter Produktion ist daher eine keramische Neu-orientierung der Bewohner des Elsbachtals zu verzeichnen. Mit der frühen Neuzeit geht auch der Anteil des für diese Region offensichtlich unentbehrlichen Langerweher Steinzeugs zurück. Aus dem 17.-19.

Jahrhundert liegen vorwiegend Fragmente „niederrheinischer” und Frechener Ware vor. Dieser Horizont ist jedoch aufgrund geringer Funde kaum zu gliedern.

Ohne hier der Bearbeitung der Befunde vorgreifen zu wollen, deutet sich bei der Betrachtung der Kera-mikverteilung auf die einzelnen archäologisch untersuchten Areale des Elsbachtals eine generelle Sied-lungskonstanz an, die aber auch Verschiebungen oder Konzentrationsprozessen unterworfen war. Die frühmittelalterliche Keramik fand sich verstreut in der Tallage, jedoch vorwiegend im Bereich der Orts-lagen Elfgen und Belmen. Die hochmittelalterlichen Funde sind dagegen über das gesamte Areal verteilt und lassen auf eine intensive Nutzung des Tals schließen. Mit dem Spätmittelalter beginnt sich das Mate-rial auf die eigentlichen Ortslagen zu konzentrieren. Mit dem 16. Jahrhundert nimmt der Fundstoff

deut-lich ab, was auf einen Zentralisierungsprozeß auf die heutigen Ortslagen deutet. Das Bild, das durch die Verteilung der Keramik (als Siedlungsindikator) gezeichnet wird, entspricht in bemerkenswerter Weise den Ergebnissen der archäobotanischen Untersuchungen1064.

1064 BECKER 2000.