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6. HERKUNFT UND DATIERUNG DER WAREN

6.3. D IE SPÄTMITTELALTERLICHEN UND NEUZEITLICHEN W AREN

6.3.15. POLY

Polychrom bemalte und glasierte Keramik (Hafnerware, Malhornware) liegt vorwiegend im Blickfeld der volkskundlichen Forschung. Dabei steht jedoch die Ikonographie auf Tellern und Schüsseln im Vorder-grund969. Der archäologische Beitrag zu dieser Ware ist im Rheinland noch gering. Veröffentlichungen von Töpfereiabfall als Ausgangspunkt einer systematischen Untersuchung beschränken sich auf wenige kleine Berichte970. Die Kenntnis einer Vielzahl von Töpferorten zwischen Kleve und Xanten ist archiva-lisch bereits gesichert971. Immerhin lassen sich mehrere Produktionsr e g i o n e n der Hafnerware aussondern972: Abgesehen von den rheinischen Orten wurde diese Ware an der oberen Weser und der unteren Werra (Weserware und Werraware)973, in Norddeutschland974, am Mittelrhein und in den Niederlanden975 gefertigt. Die rheinische Hafnerware wurde bereits seit dem späten 16. Jahrhundert hergestellt976. Ihr Gebrauch endet erst – bedingt durch die Massenproduktion von Steingut – im frühen 20. Jahrhundert977.

Der Scherben der Hafnerware POLY kann in zwei Großgruppen unterteilt werden: den rottonigen Waren des Niederrheins („POLY rot“, 79 Scherben) stehen weiß- bis cremefarbene Produkte („POLY weiß“, 45 Scherben) gegenüber. Die helltonigen Scherben sind von Frechener Funden bekannt. Keramik dieser Art liegt erstmalig aus Duisburger Befunden des 18. Jahrhundert vor und wird im 19. Jahrhundert zu einem marktführenden Produkt. Die Frechener Produktion endete erst 1935978. Frechener Ware wurde bis zum Niederrhein verhandelt und dort von einheimischen Produkten verdrängt. In Haus Gelinde (ca. 1700-1870) bei Rheinberg spielt die Frechener Ware keine wesentliche Rolle mehr979. Die Verbreitung in südli-che Richtung ssüdli-cheint ebenfalls bedeutend gewesen zu sein, da in Bonner Fundkomplexen des 18./19.

Jahrhunderts die Frechener Irdenware noch dominiert. Rottonige niederrheinische Ware ist dagegen in Bonn kaum vorhanden980.

Interessant ist, daß einzelne Fragmente des Elsbachtals zeigen, daß die rottonige Ware teilweise die weißtonige zu imitieren versucht, indem auf dem roten Scherben eine weiße Grundierung aufgebracht wurde. Umgekehrt finden sich aber auch Belege für weißtonige Gefäßen mit roter Grundierung981. An Verzierungsweisen herrschen spiralförmige Linien, Wellen- und Zickzacklinien, kurze Striche und florale Muster vor. Diese Muster sind bis in das 19. Jahrhundert üblich, wie Funde aus dem Springwall in Duisburg bezeugen982. Eingeritzte Muster und Verzierung in Springfedertechnik fehlen im Elsbachtal sowohl bei der Frechener als auch bei der niederrheinischen Variante983. Im Gegensatz zum Material von

969 SCHOLTEN-NEESS/JÜTTNER 1971. Es jedoch zumindest erwähnt werden, daß die neuere Keramikforschung in der Volkskunde mittels weiterer Quellen größeres Gewicht auf die Herstellungstechnik, den Töpferbetrieb und sein Umfeld legt (KERKHOFF-HADER 1980). Solche Fragestellungen können von seiten der Archäologie nur angerissen werden.

970 Vgl. Funde aus Issum (SCHOLTEN-NEESS/JÜTTNER 1971, 323 f.), Kervenheim (FRANKEWITZ 1988), Hüls (MELLEN 1988) und Glimbach (PÄFFGEN/SCHMIDT 1992). Möglicherweise wurde auch in Raeren-Berlott Hafnerware hergestellt (KOHNEMANN 1988, 122).

971 Hüls, Tönisberg, Vluyn, Sevelen, Issum und Sonsbeck. Vgl. KLIJN 1995, Abb. auf S. 64. DE KLEYN 1986, 44-107.

972 Vgl. die Karte bei STEPHAN 1987, Karte 1.

973 STEPHAN 1987.

974 Wildeshausen und Dwoberg (HURST/NEAL/VAN BEUNINGEN 1986, 260 f.).

975 HURST/NEAL/VAN BEUNINGEN 1986, 130-175.

976 STEPHAN 1993, 297. Eine Ausnahme bilden die rottonigen, bleiglasierten und teilweise schlickerbemalten Geschirre aus Duisburg, die nach Gaimster bereits in der Mitte des 15. Jahrhunderts auftreten (GAIMSTER 1988b, Abb. 3). Diese wohl lokal gefertigte Ware steht unter niederländischem Einfluß, wo sich eine glasierte Irdenwareproduktion bereits im Spätmittelalter herausbildete (BAART u. a.1977, 241-256).

977 Den Endpunkt markiert ein preußisches Reichsgesetz von 1887, welches bleihaltige Glasuren verbot (PLÖTZ 1998, 247).

978 JÜRGENS/KLEINE 1988, 109.

979 HACKSPIEL 1993, 13 u. 18.

980 KESSELRING-POTH 1988, 123.

981 Vgl. auch ein Gefäß aus Frechen: JÜRGENS/KLEINE 1988, Taf. 11.

982 FRANCKE 1992b, Abb. 80-81.

983 Bei der Frechener Keramik ist Springfederdekor generell unüblich: MERSE 1995, 28.

Haus Gelinde (ca. 1700-1870), wo diese Techniken nicht selten zu finden sind, stammt das des Elsbachtals von anderen Produktionsorten984.

Die Verteilung der Randformen auf die weißen oder roten Varianten zeigt ein differenziertes Bild (Tabelle 29). Ausschließlich bei den rottonigen Waren finden sich die Ränder r3, r4 r5 und r9. Dagegen ist die Randform r37 nur aus weißtoniger Ware gefertigt. Rundliche Keulenränder der Form r7 liegen bei beiden Varianten vor.

POLY rot POLY weiß

r003c 1

r004a 1

r004b 2

r005 2

r007a 1

r007b 6

r007c 3 1

r007d 1 1

r009a 1

r009b 1

r037d 1

Sonderform 3

Tabelle 29 Die Verteilung der Randformen auf die Waren (nach Scherbenzahl).

r3c: Für die Form r3c lassen sich keine Parallelen anführen. Es kann jedoch vermutet werden, daß diese Form noch in das späte 16. Jahrhundert datiert, da vergleichbare Gefäße der Ware IRGL3 vorliegen (s.o.).

r4: Einfache, verdickte Ränder der Form r4 bildet Gaimster aus Duisburg erst für die Zeit ab der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts ab985. Die Form r4 entspricht den Profilen 4 und 8 in Haus Gelinde986.

r5: Schüsseln mit einer deutlichen Fahne der Form r5 liegen aus Duisburg aus der 1. Hälfte des 17. Jahr-hunderts vor987.

r7: Die Form 7a und 7c/d ist in Duisburg bereits im 16. Jahrhundert vorhanden, die Ränder der Gruppe r7 finden sich dort aber noch bis in das 18. Jahrhundert988. Auf Schloß Bloemersheim sind Schüsseln der Form r7b für die Mitte des 18. Jahrhunderts und die Form r7c erst für das Ende des 18. oder den Anfang des 19. Jahrhunderts bezeugt989. Schüsseln der Form r7d wurden im 18. Jahrhundert in Gennep (NL) gefertigt990. Weitere Formen des 18. Jahrhunderts liegen aus einer Grube des Bonner Kapuzinerklosters vor991. Aus dem 19. Jahrhundert stammen Gefäße vom Duisburger Springwall992. Hier liegt auch eine Parallele zu einem Sieb aus Frechener Ware aus dem Elsbachtal vor993. Ein weiteres Exemplar wurde in

984 HACKSPIEL 1993, 17 f. Vielleicht spielt hier aber auch eine soziale Komponente eine Rolle, da ritz- und springfederverzierte Gefäße meist aufwendiger gefertigt und wohl teurer waren. Haus Gelinde war seit 1602 Lehensgut der Grafen von Bentheim-Steinfurt. Auch wenn die Bewohner des Hofes keine adeligen Besitzer, sondern Pächter waren, war ihr sozialer Status offensichtlich höher als der der Bewohner des Elsbachtals.

985 GAIMSTER 1994, Abb. 10.

986 HACKSPIEL 1993, Abb. 8.

987 Die Beispiele beziehen sich jedoch auf grün glasierte Frechener Irdenware (GAIMSTER 1994, Abb. 9). In den früheren Perioden besteht die Fahne lediglich aus einem leichten Knick auf halber Höhe der Wandung.

988 16. Jahrhundert: GAIMSTER 1994, Abb. 8. — 18. Jahrhundert: GAIMSTER 1994, Abb. 9-11.

989 Zu Periode A VIII/X vgl. UNTERMANN u. a.1987, Taf. 91,K80 und Taf. 91,K82. — Zu Periode A XI vgl.

UNTERMANN u. a.1987, Taf. 94,K75 und K78.

990 MARS 1994, Abb. 3,b-d.

991 KESSELRING-POTH 1989, Abb. 3-4. Nach L. Kesselring-Poth durch Beifunde in die 1. Hälfte des 18.

Jahrhunderts datiert.

992 FRANCKE 1992b, Abb. 80,1.3.4.5.7 und Abb. 81,3.7.8.

993 FRANCKE 1992b, Abb. 82,3.

Nijmegen, vergesellschaftet mit Tonpfeifen des späten 19. Jahrhunderts, ergraben994. Die Form r7 ent-spricht den Tellerprofilen 1-6 und dem Schüsselprofil 7 von Haus Gelinde995. Für eine chronologische Gliederung der Varianten der Form r7 reichen die angeführten Belege nicht aus, so daß lediglich ein Schwerpunkt im 18./19. Jahrhundert festgehalten werden kann.

r9: Kantig abgestrichene Ränder der Form r9 liegen aus der Duisburger Stadtkerngrabung für die Zeit ab dem 17. Jahrhundert vor, sie sind bis in das 19. Jahrhundert in Gebrauch996. Aus dem 18. Jahrhundert stammen Funde aus Krefeld-Linn997. Weitere Funde sind aus Haus Gelinde zu nennen998.

r37: Gefäße der Form r37 lassen sich chronologisch kaum gliedern: Henkeltöpfe dieser Art sind in der Duisburger Stadtstratigraphie ab der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts nachgewiesen und auch im 18.

Jahrhundert üblich999. Die jüngsten Belege finden sich im Duisburger Stadtgraben am Springwall noch im 19. Jahrhundert1000. Gleichartige Töpfe sind auch aus Haus Gelinde bekannt1001.

Sonderformen: Profilierte Standringe liegen aus Duisburg bereits aus dem 16. Jahrhundert bzw. um 1600 vor, sind aber bis in das 19. Jahrhundert üblich1002. Ein kleiner Topf mit drei kurzen Grapenfüßen aus dem Elsbachtal findet seine Entsprechung im Material der 2. Hälfte des 17. und der 1. Hälfte des 18.

Jahrhunderts in Duisburg sowie in Haus Gelinde1003. Hackspiel vermutet, daß es sich bei diesen Kleinformen um Trinkgefäße handelt1004. Eine gehenkelte Schale (Kümpchen) des Elsbachtals ist mit einem Tulpenmotiv1005 versehen und kann mit Fundstoff der Mitte des 18. Jahrhunderts von Schloß Bloemersheim verglichen werden; dort besitzen die Schalen jedoch keine Henkel und keine polychrome Bemalung1006. Frühformen bzw. Vorbilder solcher Schalen sind aus den Niederlanden bekannt. Zu nen-nen sind hier Funde aus Alkmaar (datiert ca. 1573 bis 1619) und Burg Kessel (zerstört 1579)1007. In Duisburg werden ähnliche Schalen in die 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts datiert1008. An die Wende vom 16.

zum 17. Jahrhundert wird eine weitere Schale aus Wesel gesetzt1009. Aus einem historisch datierten Kom-plex des Jahres 1784 in Krefeld-Linn ist ein gleichartiges Gefäß bekannt1010. Zwei Schalen aus Haus Gelinde sind mit der Jahreszahl 1736 versehen1011. Schalen dieser Form sind zudem aus weißbrennender Irdenware mit grüner Glasur (aus Frechen?) in Nijmegen und Neuß geborgen worden1012. Für das Exemplar aus dem Elsbachtal ist eine Datierung in das 17./18. Jahrhundert anzunehmen. Für die Bodenscherbe einer Frechener Schüssel mit floraler Verzierung liegt ein guter Vergleich des 19. Jahrhun-derts aus Nijmegen vor1013.

994 BARTELS 1999, Kat.-Nr. 797.

995 HACKSPIEL 1993, Taf. 4 und Abb. 8.

996 GAIMSTER 1994, Abb. 9-11; FRANCKE 1992b, Abb. 81,4 und Abb. 82,8.

997 Aus einer historisch vor 1740 datierten Schicht: REICHMANN 1988, Abb. 2,6.

998 HACKSPIEL 1993, Taf. 4 (Profile 7-8).

999 GAIMSTER 1986b, Abb. 3,2;GAIMSTER 1994, Abb. 10-12.

1000 FRANCKE 1992b, Abb. 83,3.

1001 HACKSPIEL 1983, Abb. 8.

1002 GAIMSTER 1994, Abb. 8; GAIMSTER 1991a, Abb. 3,1.

1003 Zu Duisburg: GAIMSTER 1986b, Abb. 3,2; GAIMSTER 1994, Abb. 10-11. In den vorhergehenden Perioden sind die Grapenfüße länger. — Zu Haus Gelinde: HACKSPIEL 1983, Abb. 8; HACKSPIEL 1993, Taf. 25.

1004 HACKSPIEL 1993, 40.

1005 Die Tulpe wurde bereits im 16. Jahrhundert in den Niederlanden gezüchtet, war jedoch noch lange Zeit eine Kostbarkeit, so daß sie gerne auf Tellern und Schüsseln dargestellt wurde: LEHNEMANN 1978, 114 f.

1006 UNTERMANN u. a.1987, Taf. 88,K35.

1007 Zu Alkmaar: BITTER 1994, Abb. 12. — Zu Burg Kessel: CLEVIS/THIJSSEN 1989, Nr. 280.

1008 GAIMSTER 1994, Abb. 9.

1009 P. MÜLLER 1988, Abb. 2,1.

1010 REICHMANN 1988, Abb. 3,1.

1011 HACKSPIEL 1983, Abb. 7; HACKSPIEL 1993, Abb. 11,4.

1012 Thijssen datiert diese Form in Nijmegen in das letzte Viertel des 17. und in die erste Hälfte des 18.

Jahrhunderts: THIJSSEN 1989, Abb. 4,1. — Die Neußer Gefäße setzt Hupka in das 17. Jahrhundert: HUPKA 1988, Taf. 7a.

1013 Die Schüssel datiert nach Jan R. Thijssen in das zweites Viertel des 19. Jahrhunderts (THIJSSEN 1989, Abb.

1,2).