• Keine Ergebnisse gefunden

6. HERKUNFT UND DATIERUNG DER WAREN

6.1. D IE FRÜHMITTELALTERLICHEN W AREN

6.1.17. Zusammenfassung der frühmittelalterlichen Waren

6.1.17.3. Interpretation

Die Mengenverteilung zeigt für das Frühmittelalter lediglich einen geringen Anteil (14 Scherben) eindeutig merowingischer Waren (Tabelle 3). Hinzu kommen noch einige Stücke der Gruppen IR5, IR6, IRGE9 und IRGE11, die in diesen Zeitraum datieren mögen. Ein merowingischer Siedlungskern läßt sich demnach durchaus vermuten, er tritt im Grabungsbefund aber nicht mit wünschenswerter Deutlichkeit hervor. Die entsprechenden merowingischen Keramikbelege sind also eher als Streufunde im weiteren Siedlungsbereich zu interpretieren. Wesentlich höher dagegen ist der Anteil an karolingischen Waren (420 Scherben). Vermittelnd zwischen beiden Perioden steht womöglich die Gruppe IRGE6 (26 Scherben), die als „älteres Badorf” den Übergang von der Merowinger- zur Karolingerzeit repräsentiert163. Diesem

157 Dies bemerkt auch Rech bei Walberberger Töpfereifunden, der das Verhältnis von verzierten zu unverzierten Scherben mit 1 zu 20 angibt: RECH 1989, 318.

158 Differenzen in den Definitionen der Badorfer Ware im Elsbachtal und in Hambach 500 könnten eine Erklärung bilden. Jedenfalls sind in Hambach 500 karolingische rollstempelverzierte Scherben – unabhängig von der Ware – generell selten (HEEGE 1998, Tab. 20,6).

159 VAN ES/VERWERS 1985, 27.

160 Mehrere Fundstücke belegen in Hambach 500 einen fließenden Übergang von der Merowinger- zur Karolingerzeit, wie z. B. Badorfer Gefäße mit Standboden (Heege 1998, 115). Diese frühen Ausformungen fehlen dagegen im Elsbachtal.

161 HEEGE 1998, 149.

162 Soziale oder wirtschaftliche Gründe können zwar auch Einfluß auf die Zusammensetzung des keramischen Ensembles haben, solche Hintergründe sind zur Zeit jedoch nicht archäologisch zu erfassen (im Gegensatz zu den Befunden bei spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Fundkomplexen).

163 Heege weist auf das Fehlen des älteren Badorfs im Siedlungsmaterial hin und führt dies darauf zurück, daß es sich bei dieser Ware um Grabkeramik handelt (HEEGE 1992, 95 Anm. 111). Die Funde aus dem Elsbachtal binden diese Ware jedoch problemlos in das Siedlungsmaterial ein.

Übergang können sicherlich noch weitere Stücke zugeteilt werden, die geringe Zahl an Rand- oder Bodenscherben verhindert jedoch die genauere Definition eines solchen Horizontes.

Der Großteil der karolingischen Waren stammt aus dem Vorgebirge (344 Scherben); demgegenüber wei-sen 86 Scherben auf Mayener Produktion. Eine geringe Zahl an Grauwarescherben (IRGR4-IRGR9 s. u.) gehört sicher ebenfalls in die karolingischen Periode, doch diese Gruppe ist auch noch im Hochmittelalter in Gebrauch gewesen164. Demnach steht einem Großteil an Vorgebirgskeramik (ca. 80% der karolingi-schen Waren) ein kleiner Anteil aus Mayen (ca. 20%) gegenüber. Dies entspricht ungefähr den Verhältnis-sen in der Siedlung Hambach 500 mit 89% Vorgebirgs- und 9% Mayener Keramik165. Ein krasser Gegen-satz liegt jedoch bei der Mengenverteilung der Walberberger Ware vor (nach Heege Ware WALB, hier KAR6). In Hambach 500 nimmt sie 37% für die karolingische Zeit ein, im Elsbachtal jedoch nur ca. 8%.

Dieser Gegensatz wird weniger chronologisch oder durch unterschiedliche Absatzgebiete zu erklären sein, sondern fußt wahrscheinlich auf unterschiedlichen Definitionen. Einige der hier gebildeten Vorge-birgsgruppen (KAR1-KAR5) sind wohl mit der Gruppe WALB in Hambach 500 identisch166. Ein Vergleich der Warendefinitionen ist grundsätzlich schwierig, da die Brandhärte bei Heege nur eine untergeordnete Rolle spielt. Die von Böhner herausgestellte „steinzeugartig hart gebrannte Ware” (hier Ware KAR1, KAR2 und z. T. KAR4-KAR5) verteilt Heege auf seine Badorfer, Walberberger und Mayener Gruppen (BAD, WALB, MAY). Als Begründung für die Vereinheitlichung führt er eher zufällige Brennvorgänge an: Es handelt sich lediglich um Gefäße unterschiedlicher Brandhärte, wie sie möglicherweise bereits aufgrund unterschiedlicher Plazierung im Ofen bei ein- und demselben Brennvorgang entstehen können167. Bei dem Material aus dem Elsbachtal zeigt sich jedoch, daß sowohl von der formenkundlichen Seite als auch in Bezug auf Verzierung weicher und härter gebrannte Ware Unterschiede aufzeigen, die kaum zufällig sein können.

Die Zusammensetzung des frühmittelalterlichen Fundmaterials entspricht den Beobachtungen aus ande-ren Grabungen. Merowingische Knickwandtöpfe, Schalen und Wölbwandtöpfe stehen den karolingischen Töpfen gegenüber (Tabelle 5). Töpfe bilden also generell den Hauptanteil der Gefäße. Bei 17 Gefäßen kann mittels der Randform nicht entschieden werden, ob ein Topf oder eine Kanne vorliegt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich jedoch um Töpfe, da lediglich 3 Scherben von einem Gefäß mit Tülle vorhanden sind, das eindeutig als Kanne angesprochen werden kann. Das Formenspektrum in karolingischer Zeit ist also recht einseitig. Schalen und Kannen bzw. das Trinkgeschirr fehlen nahezu voll-ständig, und das keramische Ensemble setzt sich fast ausschließlich aus Töpfen zusammen168. Ob 17 Scherben von gehenkelten Töpfen auf eine Nutzung der Gefäße als Krüge/Kannen hinweisen, sei dahin-gestellt; dann wäre zumindest ein kleiner Anteil an Schankgeschirr nachgewiesen. Nicht unwesentlich ist allerdings der Überlieferungsschwund anzusetzen. Dies bezeugen die zwei(!) Randscherben von Relief-bandamphoren, die als pars pro toto zwei gewaltige Gefäße, also eine ehemals große Scherbenmenge, reprä-sentieren169. Dennoch ist die eher uniforme Zusammensetzung der Gefäße im Elsbachtal – im Gegensatz zum Handelsemporium Dorestad – nicht zu übersehen170.

164 Zusammen ergeben diese frühen Grauwaren 164 Scherben. Der karolingische Anteil an der Gesamtsumme kann jedoch nicht ermittelt werden (s. u.). Eindeutig frühmittelalterliche bzw. karolingische Keramik liegt vergesellschaftet mit früher Grauware aus FR116 St. 59 vor.

165 HEEGE 1998, 95.

166 Es gilt jedoch zu bedenken, daß bei den Warengruppen KAR1-KAR5 eine Walberberger Herkunft unwahrscheinlich bzw. ausgeschlossen wird. Ich danke Chr. Keller M.A. für die Durchsicht der hier genannten Warengruppen.

167 HEEGE 1998, 215.

168 Es muß bedacht werden, daß für einige Gefäße eine Doppel- oder sogar Mehrfachfunktion anzunehmen ist. Bei der Zusammenstellung historischer Quellen zur Gefäßfunktion des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit zeigte sich, daß z. B. Töpfe zum Kochen, Aufbewahren oder auch als Tischgeschirr dienten.

Kannen wurden sowohl als Schankgeschirr als auch zum Kochen verwendet (SMIT 1994, 38-40).

169 Reliefbandamphoren sind in mittelalterlichen Siedlungen des Rheinlandes in der Regel nur mit wenigen Scherben vertreten: Elsbachtal (1-2 Scherben), Hambach 500 (HEEGE 1998, 86), Morken (HINZ 1969a, 89).

170 Ähnliche Zustände liegen auch in Hambach 500 vor: Dort sind Reliefbandamphoren, Schalen, Schüsseln und die klassischen rollrädchenverzierten Töpfe ebenfalls in geringer Zahl vorhanden (HEEGE 1998, 94.115).

Randscherben

Kannen 3

Reliefbandamphoren 2

Schalen 3

Töpfe 44

Töpfe/Kannen 17

Tabelle 5 Die Gefäßfunktionen im Frühmittelalter.

Der größte Teil der frühmittelalterlichen Funde stammt aus der Grabung FR116171, gefolgt von FR115 (Tabelle 6172). Auffällig ist, daß sich die frühmittelalterlichen Waren peripher an den Ortslagen Elfgen und Belmen konzentrieren. Die wenigen merowingischen Scherben sind stets begleitet von karolingischer Keramik. Geschlossene Fundkomplexe aus Gruben oder Pfosten des Frühmittelalters wurden selten ergraben173. Es jedoch unwahrscheinlich, daß es sich bei den merowingischen Funden um verschleppte oder erodierte Gefäße aus dem jüngermerowingerzeitlichen Gräberfeld FR82 handelt. Mit einer gewissen Siedlungskonstanz von der Merowinger- zur Karolingerzeit ab dem 7./8. Jahrhundert ist durchaus zu rechnen. Dieser Ansatz wird sich in Zukunft durch die Bearbeitung des fränkischen Gräberfeldes FR82 spezifizieren lassen174. Im Elsbachtal jedenfalls ist der Zeitraum ab dem späten 6. Jahrhundert durch zahlreiche dendrochronologische Daten hinlänglich belegt175. Ein karolingischer Fundschleier läßt sich deutlich herausarbeiten. Solange – abgesehen von Dorestad – Siedlungsfunde des 8. Jahrhunderts fehlen, kann diese Periode kaum weiter unterteilt werden. Vergleiche mit der Siedlung Hambach 500 lassen je-doch vermuten, daß das keramische Material des 9. Jahrhunderts im Elsbachtal häufiger vertreten ist. Ein deutlicher Übergangshorizont von der Merowinger- zur Karolingerzeit läßt sich – im Gegensatz zu Hambach 500 – nicht greifen, was jedoch durch die geringe Zahl an fränkischer Keramik bedingt ist. Da der eigentliche merowingische Siedlungskern im Elsbachtal nicht aufgedeckt wurde, ist der Mangel an Belegen dieser Zeit nicht verwunderlich. Heege konnte zudem in Hambach 500 aufzeigen, daß der Anteil keramischer Gefäße in der Merowingerzeit ohnehin wesentlich geringer war als im Hochmittelalter176.

171 Hier liegen mehrere Komplexe vor, die ausschließlich frühmittelalterliche Ware beinhalten (FR116 St 1-88, 90, 94, 104, 105, 110, 111, 114, 117, 118, 132.). Es handelt sich jedoch nicht um regelrecht „geschlossene Funde”.

172 In der Tabelle fehlen die Waren, die z. T. auch in die römische Zeit datieren können (IR, IR5, IR6, IRGE9, IRGE11), sowie die frühen Grauwaren. Die Ware IRGE6 (frühes Badorf) ist in die karolingische Gruppe eingegangen, da sie vorwiegend in Flächen mit Keramik des 8./9. Jahrhunderts auftritt: FR115 (2 Scherben); FR116 (15 Scherben); FR120 (2 Scherben); FR87/40 (7 Scherben).

173 Meist handelt es sich um kleine Befunde, die zudem nur sehr wenig Material enthalten. So ist es fragwürdig, ob ein oder zwei frühmittelalterliche Scherben auch eine frühmittelalterliche Datierung eines Befundes mit Sicherheit gewährleisten. Z.B. FR103 St. 8-31 (1 Scherbe), FR103 St. 31-6 (4 Scherben), FR109 St. 29-4 (2 Scherben), FR110 St. 1-32 (4 Scherben), FR116 St. 51 (2 Scherben), FR116 St. 59 (4 Scherben), FR116 St.

82-4 (4 Scherben), FR116 St. 96-4 (1 Scherbe), FR126 St. 2-109 (1 Scherbe), FR124 St. 7-2 (1 Scherbe).

174 Die Bearbeitung des Gräberfeldes erfolgt im Rahmen einer Dissertation von U. Vogeler, Universität Marburg. Vgl. vorläufig PÄFFGEN 1994, 147.

175 ARORA u. a. 1995, 282 f. Frühe keramische Formen des 6. Jahrhunderts, wie Standringe, Schalen mit eingezogenem Rand, Knickwandtöpfe mit einschwingender Oberwand, Einzelstempel sowie ältere Wölbwandtöpfe, fehlen jedoch.

176 Heege 1998.

merowingische Waren karolingische Waren Summe Frühmittelalter-Waren

FR87/129 16 16

FR87/39 1 1

FR87/40 5 16 21

FR95 3 3

FR100 2 2

FR103 6 6

FR109 2 2

FR110 4 4

FR111 4 4

FR113 1 1

FR115 59 59

FR116 5 315 320

FR119 10 10

FR120 8 8

FR124 2 2

FR126 1 1

Tabelle 6 Die Summe der Waren aus den unterschiedlichen Grabungen.

Abbildung 1 Seriation der Randformen und Waren

r024 r022a r001a r001b r002b r013c r013d r013e r013f r022d r051a r020c r028a r020b r002a r013b r023c r028b r028e r023a r051b b04 r023b r028d r029c r013g r051c r023d r028c r020a r022c r029b r013a r023e b17 r014 r015a r017 r032 r015b r033a r016a r018 r016c b15b r023f b15a b02 b15c r033c r025b r030a r025a r040a r033d r030b b15 r033b r039a r039b b16 b03 r040g r040h r050 r041a r040f r016b r041b r040e r040c r040d b05 r049 b12 b11 b13 b09 b18 r041d r041e b06 r041f r026 r022b b14 r041c r036 r040b b10 r037a r003a r037c r037e b01 r037d r037b r007b r007a r003b r056 r006 r007e r010a r007d r004b r003c r007c r004a r005 r009a r009b r021a

IRGR4 IRGR3 IRGR5_6 IR1 IRGR2H IRGR5 IRGR1 IRGR2 IRGR1H IRGR6 IR4 KAR5H KAR5W KAR1H PST2 KAR7 BAD IRGE11 KAR1 KAR1W KAR2H KAR4 KAR5 PST1VOR KAR2 IRGE2 IRGE4 IRGE1 IRLE4 IRGE2H KAR3 IRGE1H FSTLE1 PSTLE1 FST1 PST3 ST3 PST1 ST1 ST2BRUE IRGE5 ST2 STLE8 STLE1A ST2SIEG STLE3 STLE1B IRGE1VOR STLE4 IRLE6 IRLE5 STLE7 IRGL7 KAR6 IRGE7 IRGE9 STLE6 IRGL5B IRGL4 ST8 IRGL6 IRGL5A POLYWEIS IRGR9 IR5 IR6 IRGL3 WESTER IRGL1 IRGL8 IRGL2 POLYROT IRGE10

r024 r022a r001a r001b r002b r013c r013d r013e r013f r022d r051a r020c r028a r020b r002a r013b r023c r028b r028e r023a r051b b04 r023b r028d r029c r013g r051c r023d r028c r020a r022c r029b r013a r023e b17 r014 r015a r017 r032 r015b r033a r016a r018 r016c b15b r023f b15a b02 b15c r033c r025b r030a r025a r040a r033d r030b b15 r033b r039a r039b b16 b03 r040g r040h r050 r041a r040f r016b r041b r040e r040c r040d b05 r049 b12 b11 b13 b09 b18 r041d r041e b06 r041f r026 r022b b14 r041c r036 r040b b10 r037a r003a r037c r037e b01 r037d r037b r007b r007a r003b r056 r006 r007e r010a r007d r004b r003c r007c r004a r005 r009a r009b r021a

IRGR4 IRGR3 IRGR5_6 IR1 IRGR2H IRGR5 IRGR1 IRGR2 IRGR1H IRGR6 IR4 KAR5H KAR5W KAR1H PST2 KAR7 BAD IRGE11 KAR1 KAR1W KAR2H KAR4 KAR5 PST1VOR KAR2 IRGE2 IRGE4 IRGE1 IRLE4 IRGE2H KAR3 IRGE1H FSTLE1 PSTLE1 FST1 PST3 ST3 PST1 ST1 ST2BRUE IRGE5 ST2 STLE8 STLE1A ST2SIEG STLE3 STLE1B IRGE1VOR STLE4 IRLE6 IRLE5 STLE7 IRGL7 KAR6 IRGE7 IRGE9 STLE6 IRGL5B IRGL4 ST8 IRGL6 IRGL5A POLYWEIS IRGR9 IR5 IR6 IRGL3 WESTER IRGL1 IRGL8 IRGL2 POLYROT IRGE10