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Ziele und Pläne der Töchter – Ausbildungsziele

Im Dokument Mütter und Töchter (Seite 171-175)

5. ERGEBNISSE DER QUALITATIVEN ANALYSE

5.6. Zukunftserwartungen und –pläne

5.6.3. Ziele und Pläne der Töchter – Ausbildungsziele

Innerhalb der Zweitgenerationsforschung kann als Common Sense betrachtet werden, dass den Kindern aus GastarbeiterInnenhaushalten hohe Bildungsaspirationen bei gleichzeitig größeren Schwierigkeiten in Ausbildungsinstitutionen attestiert werden. Diese Defizitperspektive bezüglich der Ausbildungssituation verändert sich Ende der neunziger Jahre dahingehend, dass die Ursachen für Schulprobleme der GastarbeiterInnenkinder nicht mehr in erster Linie in deren „Integrationsunwilligkeit“ oder in psychischen Problemen, die durch ihre „Zwischenposition“ entstünden, gesucht werden, sondern nach strukturellen Ursachen geforscht wird (vgl. für Österreich: Herzog-Punzenberger, 2003).

Gültekin (2003) konstatiert speziell zur Ausbildungssituation von Mädchen mit türkischem Migrationshintergrund, dass bei Mädchen und Frauen mehr Initiative, Lerneifer und Motivation zu sozialem Aufstieg durch eine gute Ausbildung festgestellt werden kann, während Männer eher passiv und selbstzweifelnd bis ängstlich erscheinen. Alle Interviewpartnerinnen in Gültekins Untersuchung weisen darüber hinaus eine starke Mehrfachorientierung auf – einerseits sind sie stark an die Familie gebunden, andererseits artikulieren sie ein deutliches Streben nach Autonomie, eine ausgeprägte Orientierung an Erwerbsarbeit und ein erstarkendes Bildungs-bewusstsein (vgl. Gültekin 2003: 213ff).

Dieses Ergebnis kann in vorliegender Studie eindeutig bestätigt werden. In den Familien der hier befragten Mütter sind es vor allem die Töchter, die Ausbildungsaspirationen der Eltern internalisieren, während die Söhne dazu tendieren, Ausbildungen zu verweigern.

Hämmig (2003) ist der einzige hier rezipierte Zweitgenerationsforscher, der der

„zweiten Generation“ im Vergleich zu Kindern und Jugendlichen aus dem Aufnahmeland-Kontext keine höheren Leistungsansprüche attestiert. Es zeigt sich laut Hämmig weder eine größere Leistungsmotivation innerhalb der 2. Generation im Vergleich zu der Schweizer Kontrollgruppe, noch steigt die Leistungsmotivation mit zunehmender „Marginal-Man-Spannung“, dem Gefühl also „draußen zu stehen“ (vgl.

Hämmig 2000: 370). Dieses Ergebnis entspricht nicht den im Rahmen dieser Analyse vorgefundenen Ergebnisse, dennoch kann auch nicht von einer völlig internalisierten Aufstiegsorientiertheit der interviewten Töchter gesprochen werden. Ihre Ausbildungspläne werden von den Mädchen durchaus ambivalent beantwortet und die Interviewpartnerinnen können in verschiedene Gruppen eingeteilt werden.

Einerseits gibt es die stark aufstiegsorientierte Gruppe – diese Mädchen äußern sehr explizit das Gefühl, dass sich die Mütter Unabhängigkeit und Erfolg im Leben erwarten würden. Diese aufstiegsorientierte Gruppe lässt sich ihrerseits noch in die wirklich Aufstiegsorientierten und die Unsicheren unterteilen. Einige Mädchen würden gerne mehr Zeit zur Auslotung der eigenen Bedürfnisse und Interessen haben und äußern auf der einen Seite den Willen zu sozialem Aufstieg, andererseits verspüren sie auch einen starken Druck, der auf ihnen lastet. Andere hingegen haben den Aufstiegswillen vollkommen internalisiert.

Manolya ist eine dieser Töchter – sie formuliert ganz deutlich hohe Erwartungen an sich selbst und meint darüber hinaus, dass sie sich von ihrem Mann ebenfalls Erfolg im Leben erwarten würde, denn sie wollte keine Beziehung mit einem „Schmarotzer“

führen. Diese aufstiegsorientierten Töchter haben also eine Art von „protestantischer Ethik“ internalisiert – sie sind erfolgsorientiert und sich auch im Klaren darüber, dass für den Aufstieg Leistungen erbracht werden müssen. Zum Teil werden dabei Erwartungen der Eltern wiedergegeben, zum Teil aber auch eigene Wünsche.

„Ok, und was erwartest du dir von deinem Ehemann?

Ahm, dass er mich unterstützt, also ich mein dass er mich unterstützt egal in welcher Hinsicht jetzt. Dass er, ich mein dass er gut mit meiner Familie auskommt, mich und meine Familie respektiert, ebenso wie ich das mit seiner

dass wir schon auch viele Gemeinsamkeiten haben und dass wir, dass er ein lustiger Mensch ist und dass wir eben viel Spaß haben können. Wie gesagt, ich mag das nicht so, alleine sein und ruhig sein, nicht dass er so einer ist der immer meint ja, ich will nicht rausgehen, ich will nur zu Hause sitzen, das mag ich nicht. Und dass er, dass er auch arbeiten geht, also dass er auch was in seinem Leben weiterbringt, nicht dass er ein Faulenzer oder ein Schmarotzer ist, das kann ich nicht ausstehen. Ja, und dass er nicht so einer ist der so ureifersüchtig ist und der einen so einengt, dass man schon überhaupt nicht mehr atmen kann, weißt, so was auch nicht, das halt ich sicher nicht aus.“

(Manolya, 17)

Auch Pekay meint, dass sie sich von ihrem zukünftigen Ehemann erwarten würde, dass er „erfolgreich im Leben“ ist. Sie kann sich keine Ehe mit einem „Faulenzer“

vorstellen und will selbst ebenfalls etwas im Leben erreichen. Für sie ist auch unverständlich, dass Leute die Schule ohne triftigen Grund versäumen. Sie selbst will etwas erreichen, weiß auch, dass dafür gearbeitet werden muss und eine ähnliche Einstellung erwartet sie sich auch von ihrem Mann.

„Ok, also wenn du dir jetzt deinen zukünftigen Ehemann vorstellst, oder besser gsagt, wennst dir deine Ehe vorstellst, wie soll das sein?

Ja, er sollte, er sollte auch ein selbstständiger Mensch sein, und ahm, ich finde, er sollte auch erfolgreich sein, das ist schon wichtig für mich. Weil, ich mag einfach Leute nicht, die einfach so in den Tag hineinleben, das ist voll nicht mein Ding, ich, er muss schon über, ahm seine Taten nachdenken was er so macht oder über seine Zukunft mein ich, weil ich versteh die Menschen nicht, die einfach sagen, na ja ok, mein Gott na, dann geh ich halt heut nicht zur Schule oder so und dann denken sie überhaupt nicht über die Konsequenzen nach. Oder es, sie nehmen alle Sachen zu locker oder so, das ist nicht mein Ding. Einfach alles locker nehmen und ja, wird schon und so, ja nein, ich will ja auch einen Ehemann haben, der wirklich stabil ist.“ (Pekay, 17) Interessant ist auch Pekay´s Aussage über ihre Großeltern, die ihrer Mutter keine weiterführende Bildung ermöglichten. Leute, die nicht bildungsorientiert sind repräsentieren für Pekay „altmodische“ Personen, „offene“ und „moderne“ Menschen würden die Wichtigkeit von Bildung erkennen.

„Und ahm, die, meine Großeltern eigentlich, jetzt, wenn mit meine Mutter das erzählt, dann denk ich mir schon hm, meine Großeltern waren schon irgendwie, altmodisch damals. Aber jetzt sind sie voll im Gegenteil, ja, sie sagen immer zu mir geh zur Schule, eine Ausbildung ist sehr wichtig und sie sind halt offene Menschen, sie sind nicht altmodisch wie viele ältere Leute.“

(Pekay, 17)

Die zweite Gruppe ist die von Unsicherheit geprägte Gruppe, in der die Mädchen zum Teil stark unter dem Druck, der von den Eltern ausgeübt wird, leiden. Diese Gruppe artikuliert einerseits sehr große Versagensängste, die andererseits auch

damit zusammen hängen, dass sie nicht sicher sind, ob sie den Erwartungen der Eltern auch wirklich entsprechen wollen:

„Manchmal ist es schon irgendwie BESCHISSEN, weil (Pause) es ist alles irgendwie so als ob es irgendwie geplant wär, also so wie es sich gehört, also STUDIUM, dann 1, 2 Jahre hab deinen Spaß und dann heirate und dann dies und dann das aber manchmal frage ich mich ob ich mit 18 einfach nur den Rucksack nehm und mal irgendwas anderes mach und so. Ich weiß es nicht wirklich.“ (leise, Pause) (Zeliha, 16)

„So gut wie ich jetzt maturiert hab und alles hab ich auch schon die Panikattacken, weil wie wird´s in 10 Jahren aussehen. Sie (Anm.: die Mutter) ist auch hergekommen ohne Ausbildung und hat so viel aufgebaut und ja, es ist halt, es ist ein schönes Gefühl auf der einen Seite und auf der anderen Seite is es auch so, dass ich mir denk, ich muss ihr was zurückzahlen. Und ja, diese Krise hab ich jetzt. Dass ich nicht wirklich weiß wie ich dann ein Studium anfangen soll, das mich wirklich nur interessiert und dann wahrscheinlich Jobchancen gleich Null sind oder ob ich wirklich was machen soll, was eher wirtschaftlicher ist und wo ich halt sicher sein kann, dass ich was krieg.“

(Kayra, 18)

Die letzte Gruppe ist die individualistische Gruppe: hier wird die Ausbildung nicht als Instrument zum sozialen Aufstieg behandelt, sondern eher als Instrument zur Selbstverwirklichung. Bahar beispielsweise erzählt im Interview, dass sie zunächst zwei verschiedene Studienrichtungen ausprobierte, von denen sie sich gute Berufschancen erwartete, sich danach allerdings für Turkologie entschied, was sie immer schon interessiert hatte. Nun versteht sie nicht, warum die Eltern ihre jüngere Schwester, die nach der Mittelschule ihre Ausbildung beenden will um eine Lehre zu beginnen, dahingehend unter Druck setzen, dass sie zumindest die Matura machen sollte.

„Na meine Eltern wollten natürlich, dass sie weiter in die Schule geht, also die wollten eher, dass sie HAK oder Gymnasium macht, aber sie wollte nicht und jetzt ist es eben so, dass sie die Mittelschule besucht. Ich denke mir mehr, soll doch jeder machen was er will, oder? Ich habe auch nicht gleich gewusst was ich so machen will und habe herumprobiert, aber ja, irgendwann findet jeder seinen Weg, das ist meine Meinung.“ (Bahar, 23)

Bildung wird von den Töchtern sehr stark mit sozialem Aufstieg verknüpft und ist für sie ebenfalls auf mehreren Ebenen wichtig.

Funktion der Ausbildung Persönliche Motivation der Töchter Bildung als Instrument für sozialen

Aufstieg

Töchter empfinden das Leben und die Arbeitssituation der Mütter als anstrengend und wollen in bessere Positionen am Arbeitsmarkt aufsteigen

Bildung als Mittel um Erwartungen der Eltern zu erfüllen

Töchter antizipieren die Erwartungen der Eltern „gesellschaftlichen Erfolg“ zu haben Bildung als Absicherungsinstrument Töchter artikulieren z.T.

Zukunftsunsicherheiten und wollen abgesichert leben

Bildung als

Selbstverwirklichungsinstrument

Töchter betrachten ihre Ausbildung als Ort persönlicher Entfaltungsmöglichkeiten Abbildung 3: Funktion der Bildung für interviewte Töchter

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