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Ausbildungssituation

Im Dokument Mütter und Töchter (Seite 50-53)

5. ERGEBNISSE DER QUALITATIVEN ANALYSE

5.2. Sozio-demographische Merkmale und Lebensverläufe

5.2.4. Ausbildungssituation

Der Großteil der Mütter hat lediglich vier bis sechs Jahre die Pflichtschule besucht.

Dazu muss gesagt werden, dass bis vor vier Jahren die Pflichtschule in der Türkei fünf Jahre dauerte, mittlerweile sind es acht Jahre. Ein kleiner Teil der Mütter absolvierte eine maximal zwei Jahre dauernde Berufsausbildung oder weiterführende Schule. Die Frauen erlebten eine mehrfache Benachteiligung in Bezug auf ihre Ausbildungspläne. Einerseits durch den finanziellen Status ihrer Familien und andererseits durch ihr Geschlecht und ihre Position innerhalb ihrer Familie. Weiters spielten bei den familiären Ausbildungsentscheidungen Traditionen eine wichtige Rolle, wie beispielsweise die Entscheidungsgewalt älterer Familienmitglieder oder die Bedeutung der Ehrerhaltung einer Familie durch die weiblichen Familienmitglieder.

„Sie haben Schicksal gesagt, ihre Schwestern und Brüder haben höhere Schulen besucht, wieso ist es bei ihnen nicht gegangen, wie denken sie darüber?

Ich bin das älteste Kind der Familie, des weiteren sind wir Migranten.“

(Pekay´s Mutter, 44)

“...aber leider haben sie mich nicht zur Schule geschickt.

Warum?

Im Dorf haben sie die Mädchen nicht lange in die Schule geschickt, vielleicht auch weil es einige schlechte Vorbilder gab, zum Beispiel es gab ein paar Mädchen die in die Schule gegangen sind, sich aber mit Burschen getroffen haben während der Unterrichtszeit und sie meinten halt was so was passiert, wenn die Mädchen in die Schule gehen und du musstest in die Stadt für die höhere Schule und vor allem das alte Denken der Eltern, sie sollten zwar weiterentwickelt sein aber was soll's, keiner von uns hat die Hauptschule besucht. Es gab auch so Nähkurse, aber meine Hände waren voll mit einem Ausschlag der auch wund war und so ist daraus auch nichts geworden.“

(Abide´s Mutter, 37)

„Und was waren so ihre Wünsche und Träume?

Mein größter Wunsch war Krankenschwester zu werden. Damals hatten wir eine Nachbarstochter, die nach XXX ging (Provinzhauptstadt mit Krankenpflegeschule). Wir waren im Dorf. Sie ging dort hin, sie sagte zu meinem Großvater und flehte ihn an, bitte haci Großvater, lass mich die ...

(Dilara´s Mutter) auch mitnehmen, sie soll auch studieren gemeinsam mit mir.

Er wollte nicht, er sagte nein. Er meinte ich würde dann kein Kopftuch mehr tragen. Er war sehr dagegen, dass sich Frauen nicht verhüllten. Bitte verstehen sie mich nicht falsch. sie wissen - die älteren sind halt so.“ (Dilara´s Mutter, 44)

„Wovon hast du immer geträumt? Was hattest du für Zukunftspläne? Wie wolltest du dein Leben verbringen?

Na ja, als Kind wollte ich in die Schule gehen. Ich wollte studieren.

Beispielsweise Lehrerin werden oder Krankenschwester, ja aber nach einer Zeit habe ich festgestellt, dass dies nicht möglich ist. Denn wir hatten ja nicht einmal richtig Lehrer zur Verfügung. Es gab nichts ordentliches. Wir sind fünf Jahre in die Schule gegangen und es kam nur ein Lehrer während dieser Zeit.

Nur ein Jahr gab es einen richtigen Lehrer. Und deshalb war dann irgendwann auch dieser Traum weg.

Aber du hattest Träume?

Ja, eben Lehrerin, ich wollte das studieren. Und mein Vater hat auch immer Ding gesagt, wenn du studieren willst, dann ermögliche ich dir das. Aber leider.“ (Zeliha´s Mutter, 33)

Alle Mütter artikulierten, dass sie als Kinder und Jugendliche den Wunsch nach einer speziellen Berufsausbildung hatten. Die Frauen wollten meist einen sozialen Beruf wie Krankenschwester oder Lehrerin erlernen, auch Polizistin und Anwältin wurden genannt. Allen Frauen ist gemein, dass sich ihre Ausbildungswünsche zu diesem Zeitpunkt nicht verwirklicht haben und sie darunter bis heute leiden. Einige konnten diese Pläne in der Migration verwirklichen (vgl. Kap. 5.5.6. Positive Erlebnisse).

Die Ausbildungswege der Töchter unterscheiden sich stark von denen der Mütter und strukturieren im Wesentlichen deren Alltag und ihre nächste Zukunft.

„Hm, ok, also, kannst du mir erzählen wie dein Alltag jetzt so aussieht?

Uff, (lacht), also eigentlich bin ich die meiste Zeit in der Uni, sitz in der Bibliothek, da ich jetzt zur Zeit, also dieses Semester hab ich vor einige größere Prüfungen abzulegen, und, wenn ich nicht in der Uni bin (Pause) entweder bin ich mit Freunden unterwegs draußen, oder ich bin bei meinen Tanten. Ich hab zwei Tanten hier, ja das, mach ich so eigentlich, entweder bin ich mit Freunden oder mit der Familie halt. Aber unter der Woche bin ich meistens auf der Uni.“ (Bahar, 23)

„Wenn du mir jetzt einfach einmal deinen Alltag beschreiben würdest.

Also so wochentags und am Wochenende.

Also, nichts spaciges, nichts allzu aufregendes, ich bin also....Ja, ähm, mein Tag beginnt jetzt eigentlich schon recht früh, also für mich ziemlich früh so 10, 11 oder so bin ich schon an der Uni und bin eigentlich bis abends an der Uni.

Also ich hab dazwischen schon Pausen wo ich halt weiß ich nicht Freunde treff, was essen geh oder lerne oder sonst irgendwas aber ich bin echt morgens bis abends mit Uni und UniKRAM und so was beschäftigt. [...] So ist mein Alltag, also nichts SPANNENDES echt, also echt morgens Uni bis abends und dann nach Hause gehen, vielleicht noch ein bisschen was machen und essen und ein bisschen unterhalten, dann irgendwann ins Bett und so läuft das eigentlich jeden Tag und Freitag, Samstag arbeiten.“ (Fulya, 24)

Mit nur einer Ausnahme haben alle der befragten jungen Frauen die Matura gemacht beziehungsweise streben diese an. Manche absolvieren bereits ein Studium, eine hat dieses schon abgeschlossen und ist somit die einzige, die bereits als Lehrerin berufstätig ist (vgl. Tabelle 2 im Anhang). Auffallend ist hier, dass die Wahl der Studienrichtung häufig nach pragmatischen Gründen getroffen wurde. Wirtschaftliche Studien werden von den Befragten und deren Eltern als zukunftssicherer beurteilt und aus diesem Grund gewählt.

„Und ja, diese Krise hab ich jetzt. Dass ich nicht wirklich weiß, wie ich dann ein Studium anfangen soll, das mich wirklich nur interessiert und dann wahrscheinlich Jobchancen gleich null sind oder ob ich wirklich was machen soll, was eher wirtschaftlicher ist und wo ich halt sicher sein kann, dass ich was krieg.“ (Kayra, 18)

Manche Befragte äußern in ihren Interviews die Angst, keinen Arbeitsplatz zu bekommen und sehen auch ihrer privaten Zukunft mit sehr viel Unsicherheit entgegen (vgl. Kapitel 5.6.5. Einstellungen zur Zukunft und 5.4. Entscheidungs- und Handlungsspielräume).

Im Dokument Mütter und Töchter (Seite 50-53)