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Einfluss des Lehrpersonals auf Ausbildungswege

Im Dokument Mütter und Töchter (Seite 137-141)

5. ERGEBNISSE DER QUALITATIVEN ANALYSE

5.4. Entscheidungs- und Handlungsprozesse

5.4.5. Einfluss des Lehrpersonals auf Ausbildungswege

Bezüglich Diskriminierungserfahrungen kann nach verschiedenen Lebensbereichen unterschieden werden, die dann auch den Umgang mit der empfundenen Diskriminierung bestimmen (vgl. auch Kapitel 5.5.4. Diskriminierungserfahrungen). In der Literatur werden LehrerInnen in der Schule als die Personen identifiziert, die den größten Teil zu einem repektvollen Umgang miteinander beitragen können (vgl.

Dollase 2005: 162). Die Mädchen, die von Diskriminierungen in Ausbildungs-situationen berichten, reagieren darauf auf verschiedene Arten.

Um den immensen Einfluss des Lehrpersonals auf Ausbildungswege zu illustrieren werden hier drei exemplarische Fallbeispiele aus den Interviews dargestellt, von denen zwei von Diskriminierungserfahrungen berichten und eine von einem positiven Erlebnis. Die Erzählungen umfassen dabei Erlebnisse in drei verschiedenen Ausbildungsstufen – von der Grundschule, über eine weiterführende Schule bis hin zur universitären Ausbildung:

(a) Eine Chance für Zeliha – Vertrauensvorschuss als Sprungbrett

Zeliha erwähnt in ihrer biographischen Erzählung den Übergang von der Volksschule ins Gymnasium, den sich mit der Unterstützung ihrer Volksschullehrerin leichter schaffte. Sie berichtet von großen schulischen Problemen in der Volksschule, hatte aber trotzdem den großen Wunsch weiter in die Schule zu gehen.

„Dann war ich in der Volksschule 4. Klasse und ich WOLLT unbedingt ins Gymnasium aber ich war eher eine schlechte Schülerin für die Volksschule, ich mein ich hab schon in der 3. Klasse einen Vierer im Zeugnis gehabt im Gegensatz zu den anderen die alle in der Volksschule lauter Einser und Zweier hatten. Und ich hab halt da am Anfang der 4. Klasse haben meine Eltern mit meiner Lehrerin gesprochen ich hab mit ihnen geredet dass ich halt

unbedingt ins Gymnasium will. Und sie war am Anfang dagegen. Ich hab dann aber halt sie hat gemeint sie wird mir eine Chance geben und diese damals hat man ja noch Formulare oder Einladungen oder so ins Gymnasium geschickt dass ich mich bewerben will oder so. Das musste ja die Volkschullehrerin zuerst mal genehmigen oder so. Sie hat gemeint ja erstes Semester hast du Zeit, wenn du dann dich verbesserst dann kommst du ins Gymnasium. Hab alles verbessert, hat alles gepasst. Bin dann ins XXX-Gymnasium gekommen wo ich jetzt schon seit 7 Jahren hin geh und ja ich bin recht zufrieden mit meiner Schule.“ (Zeliha, 16)

Besagte Lehrerin gab Zeliha einerseits einen Vertrauensvorschuss andererseits wird ihre Motivation durch die Aufgabe gesteigert, sich innerhalb eines Semesters so weit zu verbessern, dass der Übergang von der Volksschule ins Gymnasium realistisch erscheint. Damit ist die Lehrerin zu einem Gutteil am schulischen Erfolg ihrer Schülerin beteiligt.

(b) „Dilara schafft´s eh nicht“ – eine „Self-Fullfilling Prophecy“

Dilara berichtet im Interview von ihren schulischen Problemen, die damit endeten, dass sie das Gymnasium überhaupt verlassen musste:

„Und wieviel Jahre warst du im Gymnasium?

Sechs Jahre. Ich hab die fünfte Klasse wiederholt und die siebente Klasse wiederholt, es hat nicht geklappt und deshalb mach ich jetzt die Abendschule.

Und da geht's dir wie?

Ja es geht eh besser dort, weil eben in der alten Schule halt im Gymnasium da gabs ein paar Komplikationen mit den Lehrern und so, also mein Klassenvorstand hat mich nicht gemocht und weil sie mich nicht mochte hat auch die Stellvertreterin mich nicht gemocht und so. Die wollten mich halt raus aus der Schule haben und ja, ich bin dann auch gegangen. Und jetzt mach ich die Abendschule, das ist viel angenehmer, da hat man mehr Freiraum, da weiß man halt, ja ich muss das und das machen, da muss ich mich drum kümmern und so, halt es macht Spaß in der Abendschule.“ (Dilara, 21)

Dilara erwähnt hier die Diskriminierung als Mitgrund für Schulangst und auch für ihren Misserfolg und lässt durchblicken, dass diese Diskriminierungserfahrungen dazu führten, dass sie nicht mehr in den Unterricht der betreffenden Lehrerinnen gehen wollte.

„Und woran hast du gemerkt, dass sie dich nicht mögen?

Ich, ahm, zum Beispiel in der, jede Stunde kam sie rein und sie hat Wiederholungsstunde gemacht, Geschichte- und Geographie-Lehrerin, und sie hat halt JEDE Stunde mich drangenommen, sie hat mich JEDE Stunde fertig gemacht. Sie hat genau gewusst, dass ich weiß nichts, und ich hab, nach jeder Stunde oder so hab ich geweint, weil ich hab GEWUSST sie will mich fertig machen und sie schafft es auch. Und ich war zu dumm und hab

einer Zeit hab ich mir eh gedacht, wieso soll ich in ihre Stunde gehen? Und da bin ich einfach einmal nicht gegangen und so und da hat sie mich auf dem Gang gesehen und hat gesagt was ist denn los, warum kommst du nicht und so. Und ich hab gesagt, ja ich war krank oder so, weil ich kann ihr ja nicht sagen, ja Sie mögen mich nicht ich komm nicht in ihre Stunde und so, das kann man nicht sagen, aber ich hab das richtig gemerkt und die, meinen Freundinnen ja auch, weil weißt, niemand wurde drangenommen, oder ein Junge aus der Klasse wurde drangenommen und hat nichts gewusst genau wie ich, und sie hat nichts gesagt, wenn ich was nicht gewusst hatte hat sie so gemeint, das muss man doch wissen, mein Gott und so, hat mich so richtig fertig gemacht, ich mein das hat man schon bemerkt. Na ja.” (Dilara, 21)

Dilara begreift sich also zum einen als selbst schuld an ihrem schulischen Versagen indem sie erwähnt, dass sie nie für die Wiederholungen gelernt hätte, andererseits war die Diskriminierungssituation unerträglich und brachte sie dazu nicht mehr in die Stunde der Klassenvorständin zu gehen. Im Interview mit Dilaras Mutter erzählt diese, dass ihr Fernbleiben vom Unterricht der Grund dafür war, dass Dilara nicht weiter im Gymnasium bleiben konnte. Durch den Leidensdruck im Unterricht wurde sie also dazu gebracht weniger Zeit dort zu verbringen, trotz allem sucht sie die Schuld für ihr schulisches „Versagen“ in erster Linie bei sich selbst. Auch die Mutter schätzt Dilaras Schulabbruch als deren eigene Schuld ein, und in der Familie wurde auch nie über die Diskriminierungsgefühle der Tochter gesprochen. Auf die Frage hin warum sie ihre Situation daheim nie angesprochen hätte meint Dilara, dass die Mutter sowieso nicht in der Lage gewesen sei, ihr zu helfen. Auch hier manifestiert sich ein grundsätzliches Misstrauen in die Fähigkeiten der Eltern bei schulischen Problemen tatsächlich unterstützend eingreifen zu können. Dilara formuliert keinerlei Vorwurf an die Mutter, dass sie mit ihren Problemen alleine zurande kommen musste, sondern definiert ihre Schulsituation als eine Mischung aus eigenem Verschulden und dem deutlichen Gefühl abgelehnt zu werden.

„Mein Klassenvorstand war so … hinterrucks und halt in den Pausen haben die über mich gredet und haben gsagt, ja die schaffts eh nicht und so, die wird eh rausfliegen und so halt. Also mein Klassenvorstand und die Stellvertreterin, mit der hat sie darüber ge geredet. Eine Freundin hats gehört und dann, so hat sie´s mir halt gesagt und ich hab mir gedacht aha, die wollen mich eh echt auch alle nicht, die wollen mich eh alle loswerden und so.“ (Dilara, 21)

Dilara formuliert hier sehr deutlich, dass die Missachtung in der Schule extrem demotivierende Auswirkungen haben kann. Ablehnung und Entwertung durch Lehrpersonal kann durchaus als Self-Fullfilling Prophecy bezeichnet werden.

An den beiden Fallbeispielen von Zeliha und Dilara zeigt sich der immense Einfluss, den das Lehrpersonal auf die persönlichen Ausbildungschancen und –Entscheidungen von SchülerInnen ausübt.

(c) Burcin – „intellektueller Rassismus“

Die dritte interviewte Tochter, die von Diskriminierungen in der Ausbildungssituation berichtet, ist Burcin. Sie beschreibt eine Form von Diskriminierung, die sie

„intellektuellen Rassismus“ nennt und meint damit Diskriminierungsformen in der Ausbildung, die nie offen ausgesprochen wurden, sondern über eine permanente Anzweiflung ihrer kognitiven Kompetenzen erfolgten. Ort dieser Diskriminierungserfahrungen ist dabei die Pädagogische Akademie, an der Burcin studierte.

„Das fand ich schon sehr interessant dass ich eigentlich 13 Jahre Schule besucht habe, sprich also 8 Jahre Pflichtschule plus HAK, nicht wirklich konfrontiert worden im Bereich Rassismus durch Lehrer. Durch Schüler, Mitschüler vielleicht aber nicht durch Lehrer. Durch eben Vorgesetzte und dann beim Studium interessanterweise bin ich dem intellektuellen Rassismus begegnet. So bezeichne ich ihn. Das ist der Rassismus, der nicht frei merkbar ist, der zwischen den Zeilen läuft, der aber direkt verletzt, der unter die Gürtellinie, geht der einem so trifft dass man nicht weiß was man sagen soll.

Wo die Argumente fehlen, weil ja der Rassismus der offensichtliche fehlt. Der läuft versteckt, wenn man die Leute darauf anspricht dann wird man als Mimose bezeichnet, als empfindliche Zimperliese, die das jetzt ausnutzt und seine Herkunft immer nur als Ausrede verwendet. wenn man Schwachpunkte hat, also ich hab jetzt Deutsch studiert, man hat mir schon gesagt allein Deutsch zu studieren ist eine Provokation, hat man mir schon mal gesagt. Ich habe es eigentlich nie wirklich als Provokation betrachtet ich habe einfach nur gedacht, ich liebe die deutsche Sprache, also warum sollte ich sie nicht studieren. Ja offensichtlich haben das einige Professoren nicht so gesehen.

Haben sehr versucht mir Steine in den Weg zu legen, mich sehr wohl zu treffen mit gewissen Aussagen beziehungsweise sie haben meine Arbeiten dreimal so oft gelesen, sie haben Flüchtigkeitsfehler als schwere Grammatikfehler hingestellt, wenn ich handschriftlich Dinge geschrieben habe die Endungen nicht ausgeschrieben habe. Ich habe die Neigung, immer eine Wellenlinie zu machen für Endungen. Was weiß ich für einen habe ich nur eine Wellenlinie gemacht wurde als Grammatikfehler angesehen. Man hat mir Fehler angedichtet wo keine waren also, definitiv keine waren und dann habe ich Arbeiten von Kollegen angesehen die weder die Groß- noch die Kleinschreibung beherrscht haben, die Wörter auf -ung klein geschrieben haben, bei denen waren es dann Flüchtigkeitsfehler interessanterweise und bei mir waren das schwere Grammatikfehler.“ (Burcin, 26)

Burcin sah sich in an der Pädagogischen Akademie in verschiedensten Bereichen durch das Infragestellen ihrer Kompetenzen diskriminiert und reagierte auf diese Empfindungen mit Rückzug und der Ausbildung einer Misstrauenshaltung ÖsterreicherInnen gegenüber.

Die beiden Fälle, in denen Diskriminierungserfahrungen beschrieben werden können als „Diskriminierung durch Anzweifeln der kognitiven Kompetenzen“ beschrieben werden. Die beiden Interviewpartnerinnen zeigen jedoch ein unterschiedliches Reaktionsmuster auf diese Diskriminierungen. Während Dilara komplett verunsichert wird und sich aus der für sie enorm belastenden Situation durch „Teilverweigerung“

(sprich nicht in den Unterricht zu gehen) rettet ohne wütend zu werden, erzeugen die Diskriminierungserfahrungen bei Burcin sehr wohl Wut und Ablehnung, aber kein Verweigerungsverhalten. Sie nimmt den „Kampf“ auf und schließt die Pädagogische Akademie erfolgreich ab. Trotzdem wird klar, dass sie an den empfundenen Diskriminierungen schwer leidet, was ihre Erzählungen über Details, die auch nach Jahren noch immer präsent sind, belegen.

Im Dokument Mütter und Töchter (Seite 137-141)