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Sicht auf die Andere

Im Dokument Mütter und Töchter (Seite 89-0)

5. ERGEBNISSE DER QUALITATIVEN ANALYSE

5.3. Rollenwahrnehmung

5.3.4. Sicht auf die Andere

Die Mütter beschreiben ihre Töchter generell als „Vorzeigetöchter“, wobei bei einigen auch bemerkt werden kann, dass die Töchter durchaus auch als Vorzeigeobjekte betrachtet werden. Einigen Müttern scheint es sehr wichtig zu sein, dass ihre Töchter zum guten Ruf der Familie beitragen und es wird von den Mädchen auch artikuliert, dass sie sich bei Besuch im Elternhaus zum Teil wie auf dem Präsentierteller fühlten und die Rolle der braven Vorzeigetochter verweigern würden:

„Ich bin halt eigentlich ein ordentlicher Mensch, so dass ich sag wenn ich lerne muss mein Zimmer aufgräumt sein aber ich mach das nicht als Show für andere. Dass wenn Bekannte bei uns sind, dass ich dann hier Tee und hier

Essen und dass sie dann sagen ja was für eine brave Tochter hast du. Das ist mir eigentlich WURSCHT also diese BRAUTSCHAU sozusagen und ja, meine Mutter hat sich damit abgfunden.“ (Kayra, 18)

Die negativen Eigenschaften der Töchter sind laut den Müttern klassische Generationskonflikte in Familien (aufräumen, laute Musik hören etc.). Interessant ist hier die Einschätzung, die die Mütter bezüglich der Wünsche ihrer Töchter treffen.

Die beiden Mütter, die sich als am religiösesten beschreiben, betonen in den Interviews, dass die Töchter kein Verlangen hätten, „religiös verbotene Dinge“ zu tun.

Interessant ist hier, dass Aktivitäten, die nicht den religiösen Vorgaben entsprechen, von stärker religiösen Müttern als gefährlich beschrieben werden und von weniger religiösen Müttern als inkompatibel mit einer guten Ausbildung (vgl. Kapitel 5.4.2.

Einschränkungen und Umgang). Die Mütter, die sich als religiös definieren, zeichnen ein Bild einer prinzipiell feindlichen Umgebung, vor der vor allem die Mädchen aufgrund ihrer größeren Verletzlichkeit auf der Hut sein sollten – anders gesagt heißt dies, dass diese Mütter dazu tendieren ihre Töchter als schwach, ängstlich und zu beschützend einschätzen.

„Ich sag ihr immer offen ich werde für dich nie einen Mann aussuchen aber sei behutsam, wenn dich jemand fragt willst du mit mir ausgehen oder dass du nicht gleich ja sagst sondern dass du diesen Menschen erforscht. Das ist sehr wichtig für mich, weil es ist auch so dass bei uns Familien sind die aus dem Grund eine Heirat vorschlagen, damit ihr Sohn oder ihr Bruder von der Türkei nach Wien kommt. Ich will sie deswegen sehr von diesen Fehlern möchte ich sie weghalten.“ (Selma´s Mutter, 41)

Andere schreiben den Töchtern Attribute wie „hilfsbereit“ und „gut“ zu und betrachten sie als erfolgreich. Generell werden die Töchter als freier in ihrer Lebensführung im Vergleich zum eigenen Aufwachsen eingeschätzt, was ihnen von den Müttern durchaus gegönnt wird. Alle befragten Mütter freuen sich über die Möglichkeit der Töchter, ein freieres Leben als sie selbst zu führen und keine will einschränken.

Andererseits wird häufig Gehorsam als Vorzug der Tochter angeführt:

„Aber unsere Lebensweise, wirklich ich bin stolz auf meine Kinder. Sie hören auf mein Wort. Wenn ich nein sage, dann ist es nein, wenn ich ja sage, dann ist es ja. Ob nun ich oder ihr Vater.“ (Lale´s Mutter, 36)

Bei den Töchtern sind wieder mehrere Einstellungen den Müttern gegenüber zu konstatieren. Einerseits gibt es manche, die sehr stolz auf ihre Mütter sind, andererseits gibt es auch Mädchen, die ziemlich deutlich artikulieren, dass sie mit

der Mütter zum Teil als „überholt“ oder nicht ihrem Weltbild entsprechend definieren.

Dabei können ebenfalls die oben beschriebenen Außenzuschreibungen beobachtet werden - dann nämlich, wenn die Mädchen Einstellungsunterschiede nicht mit dem Generationsunterschied, sondern mit der Tatsache begründen, dass die Mütter in der Türkei mit ganz anderen Normen und Werten aufgewachsen seien als sie selbst.

„Ahm, mit meiner Mutter hab ich nicht wirklich viele Gemeinsamkeiten. Ich weiß nicht (Pause), ich nehme einmal an, dadurch dass wir (Pause) dass ich in Wien aufgewachsen bin und dass sie eher in der Türkei und im Dorf aufgewachsen ist kann sie MANCHES nicht verstehen, obwohl meine Mutter ist schon wirklich verständnisvoll da bin ich eh froh, wenn ich Mütter von meinen Freundinnen seh manchmal wie die drauf sind dann... sie gibt sich schon wirklich Mühe mich zu verstehen also im Sinne von „was geht in deinem Kopf ab, was ist die Jugend also wie ist die Jugend so". Da gibt sie sich schon ziemlich viel Mühe aber ich weiß nicht (Pause) es ist eher so das was sie von ihren Eltern gesehen hat kann sie ja nur weitergeben, ich mein sie gibt sich Mühe aber es klappt irgendwie nicht halt (sehr leise). Sie ist relativ anders aufgewachsen als ich. In anderen Umständen, in einer anderen Kultur und....

(Pause)“ (Zeliha, 16)

Die zweite Gruppe artikuliert in verschiedensten Bereichen großen Stolz auf die Mutter. Darüber hinaus werden viele Mütter als revolutionär beschrieben: einerseits sind sie Personen, die „mädchenuntypische“ Dinge in ihrer Jugend taten (als Frau eine weiterführende Schule besuchen, nicht mehr daheim wohnen, politisches Engagement im kurdischen Widerstand), andererseits werden sie als Personen beschrieben, die sich bei ihrer Partnerwahl gegen die Familie auflehnten, um ihren Kopf durchzusetzen:

„Ja, meine Mutter ah (Pause) ist jetzt 40 und ist Kinderbetreuerin, Kinder- und Lernbetreuerin glaub ich heißt das in so einer Art Montessorischule oder Integrationsschule ist das. Und sie war schon immer so. Also GANZ stark soziale Neigungen also halt so im sozialen Bereich arbeiten, also das hab´ ich glaub ich von ihr. Und sie war immer schon ein Revolutionär also (Pause) so eine der wenigen Mädels vom Dorf die äh in die Schule gegangen ist die dann auch noch AUSSERHALB in die Schule ging, in der Stadt eben weg vom Elternhaus und für diese Zeit damals ist das ein ganz, ganz OAGES, eine extrem OAGE Sache weil ich mein wie kann ein Mädchen in eine ganz fremde Stadt ziehen, ohne Mama und vor allem nicht ohne Papa und dann in einer WG leben mit nur Mädels oder so. Und das war halt meine Mutter und sie war schon immer ähm, versuchen halt Grenzen ÜBERWINDEN und sehr viel so Freiheit, Freiheitsdrang. Und wenn ich studieren möchte dann möchte ich studieren und da kommt nichts dazwischen und so und viel für Kurdistan und für das kurdische Volk eingesetzt, immer so Widerstand und solche Sachen.

Und ja, so ganz revolutionäre Gedanken für die damalige Zeit sag ich mal.

Also so ist meine Mutter. Und sich immer weiterbilden wollen und neue Bereiche kennen lernen und ich weiß nicht neue Ideen kennen lernen und so das ist ihr wichtig.“ (Fulya, 24)

„Und er hat halt meine Mutter dann gefragt ob sie ihn heiraten will und mit ihm in der Türkei leben will, also abhauen will in die Türkei. Meine Mutter hat ja gesagt, meine Mutter war damals aber 17, und mein Vater ist acht Jahre älter als meine Mutter, also er war 25, und sie haben sich dann eben ausgemacht, dass sie gemeinsam eben abhauen, sind sie dann auch, also wie sie das gemacht haben ist eine Geschichte für sich, und auf jeden Fall, sie ist in die Türkei, und ihre Eltern waren natürlich schockiert, ja, sie war nicht mehr da und sie hat sie halt angerufen von Graz aus, weil sie da mit dem, mit dem Zug in die Türkei fahren wollten. Natürlich sind die ausgerastet, die Schwester von meiner Mutter auch, also sie hat überhaupt nicht verstanden, obwohl sie selber ihren Mann nicht sehr geliebt hat, nicht aus Liebe geheiratet haben, hat sie kein Verständnis für meine Mutter gezeigt. Weil sie auch meinen Vater nicht gekannt haben, sie haben die haben ihn nicht gekannt und haben automatisch angenommen, dass er ein schlechter Mensch ist. Er ist auch nicht aus der Stadt von meine, meiner Mutter, also die haben überhaupt keine Beziehung zu ihm gehabt.“ (Manolya, 17)

Für beide Gruppen von Mädchen gilt, dass die Töchter ihre Mütter als aufopfernd und erfolgreich im Leben betrachten. Die meisten Mütter werden als starke Frauen, die im Leben viel erreicht haben, beschrieben. Obwohl die Bedingungen in der Türkei und später in Österreich für den Großteil der Mütter eher ungünstig gewesen seien, wären sie in der Lage gewesen, sich hier ein Leben aufzubauen.

Zur Einschätzung der Rückkehrorientierung der Eltern:

Korte (1990) fasst diverse Formen von Rückkehrorientierungen in verschiedenen Lebensphasen zusammen. Bezüglich der möglichen Rückkehrorientierungen von Eltern identifiziert sie die „Rückkehrpläne als Familienprojekt“ als eine mögliche Erscheinungsform. Hier wird kalkuliert, dass die Bleibedauer im Aufnahmeland an die Ausbildung der Kinder gekoppelt ist und nach Beendigung des Projektes „Verbesse-rung des Lebensstandards“ eine gemeinsame Rückkehr erfolgt (Korte 1990: 220ff).

Dieses Muster findet sich in vorliegender Studie wieder – bei Vätern öfter als bei Müttern. Von den Töchtern wird immer wieder artikuliert, dass die Eltern (speziell die Väter) zum Teil starke Rückkehrorientierungen aufwiesen. Die Rückkehrorientierung der Väter wird zum einen als unrealistisch und zum anderen als ein Grund für die mangelnde Integrationsbereitschaft in Österreich betrachtet. Darüber hinaus beurteilen die Töchter den Rückkehrwunsch als Grund dafür, dass sich die Elterngeneration mit unglaublichen Lebens- und Arbeitsbedingungen zufrieden gab und gibt. Dabei werden oft die Mütter als positive Beispiele angeführt, die sich mehr für das Leben in Österreich interessieren würden als die Väter und wenn die Mutter

„Beispiele, also zum Beispiel als sie nach Österreich gekommen ist, das war in den 80er Jahren, ahm wollte sie unbedingt Deutsch lernen, und sie sie hat´s gleich geschafft, sie hat sich gleich einen Deutschkurs gesucht, und damals war das nicht so selbstverständlich, zum Beispiel meine Großeltern oder so, oder andere, die aus der Türkei hierher gekommen sind, denen war das eigentlich relativ egal, die wollten nur das Minimum lernen, so damit sie sich verständigen können, aber sie hat sich gleich einen Deutschkurs gesucht, hat, wollte das alles sehr gut lernen damit sie sich einfach ausdrücken kann, damit sie das sagen kann, was sie denkt. Und zum Beispiel wir haben, ich hab sehr viele Verwandte, die können bis heute nicht gut Deutsch, die nur mit dem Minimum auskommen wollen, nur mit dem Minimum an Sprache eben und das wollte meine Mutter einfach nicht. Und zum Beispiel mein Vater ist ja genauso – er wollte, er will einfach nur mit dem Minimum leben, dass er sich verständigen kann, aber mehr ist ihm einfach nicht wichtig.

Warum glaubst ist das so?

Ich weiß nicht, zum Beispiel er hat´s, ich glaub er hat sich nicht, nicht so wirklich, ich mein er denkt noch IMMER, dass er irgendwann einmal zurück in die Türkei gehen wird. Weißt eh, dass er einmal in die Türkei kommt und dort weiterleben wird. Aber meine Mutter hat, also sie denkt schon, dass sie hierbleiben will, wegen uns, und auch einfach, sie weiß es auch, ja, je weiter sie geht, also je länger sie hier wohnt, dass sie ihr Leben hier verbringen will, aber mein Vater denkt noch immer, irgendwann einmal, also er denkt zum Beispiel dass, wenn ich die HAK abschließe, dass wir irgendwann in die Türkei zurückgehen. Aber, ja, das ist einfach nicht der Fall (lacht).“ (Pekay, 17) Die befragten Mütter erzählen häufig, dass sie sich in Österreich nicht so wohl fühlen würden wie in der Türkei. Im Fall von Lale´s Mutter ist das Unwohlgefühl so ausgeprägt, dass sie die zwanzig Jahre, die ihr noch bis zur Pensionierung fehlen und die sie in Österreich verbringen wird, vollkommen ausblendet.

„Das Leben in der Türkei ist viel schöner. Es gibt dort Lebendigkeit. Ich weiß nicht, vielleicht bin ich als jemand aus der Türkei, ist das meine Denkweise.

Aber wirklich die Wärme in der Türkei. Ich meine ich habe hier österreichische Nachbarn, aber sie sind sehr anständig und gut. Vielleicht hätten wir nicht einmal mit türkischen Nachbarn so eine gute Beziehung. Aber trotzdem gibt es Unterschiede. (Pause)

Und deine Pläne für die Zukunft?

Vor allem in Pension gehen und in die Türkei zurückkehren. (lacht). Es ist noch lange bis zur Pension. Pläne darüber zu machen.“ (Lale´s Mutter, 36) 5.3.5. Eigensicht

Die Eigensicht der Mütter deckt sich zu großen Teilen mit dem Bild, das sie von ihrer Familienrolle haben, über Charaktereigenschaften sagen sie wenig. Die Selbstdefinition der Mütter äußert sich selten über die Beschreibung von eigenen Charaktereigenschaften, sondern wird über Aktivitäten und Überzeugungen artikuliert.

Die interviewten Frauen beschreiben sich durchwegs als schwer arbeitend und viel Verantwortung tragend. Im Fall von Bahar´s Mutter führt das so weit, dass sie sich mit 44 Jahren alt und verbraucht vorkommt und meint: „Ich fühle mich so alt, ich bin schon auf dem Weg ins Jenseits.“ Die große Belastung die von den Müttern zum Teil formuliert wird, resultiert vor allem bei denen, die Deutsch nicht so gut beherrschen aus einem Unsicherheitsgefühl, das sie außerhalb des familiären Rahmens befällt.

Wird dieses Gefühl sehr stark empfunden kann dies so weit gehen, dass die Wohnung ungern verlassen wird - dieses extreme Gefühl artikulieren allerdings recht wenige Mütter.

Weiters beschreiben sich die Frauen als hilfsbereit, unterstützend und sozial engagiert, wobei sich einige Mütter in islamischen Vereinen engagieren und ihren Landsleuten auch außerhalb bestehender Institutionen bei der Orientierung im Aufnahmeland helfen. Zwei der Mütter mit kurdischem Hintergrund waren auch schon in der Türkei in Menschen- und Frauenrechtsangelegenheiten aktiv. Als revolutionär stellen sich die Mütter dar, die gegen den Willen ihrer Eltern geheiratet haben und als mutig definieren sich diejenigen, die in der neuen Umgebung im Aufnahmeland explorativen Ehrgeiz entwickelten und lernten, sich in der neuen Umgebung auf sich alleine gestellt zurecht zu finden.

Nauck (1985) und Lutz (1999) konstatieren eine Veränderung der innerfamiliären Stellung der Frauen im Migrationsprozess. Lutz bearbeitet den Aspekt, dass die Migration von Frauen oft als Befreiung von familiären Banden und Verpflichtungen wahrgenommen wird (vgl. Lutz 1999: 168), was sich bei den hier interviewten Frauen nur zum Teil beobachten lässt. Im Gegenteil sind diejenigen, deren Familie zum Teil auch in Österreich ist, immer noch stark in familiäre Pflichten eingebunden und übernehmen auch die Verantwortung für Neuankömmlinge aus der Community. Die Töchter meinen allerdings zum Teil, dass auswandern eine Option darstelle, sich den Müttern, die sich in das Leben ihrer Kinder einmischen wollten, zu entziehen. Hier wird auch ein Unterschied zu österreichischen Jugendlichen gemacht, bei denen die Eltern nicht mit der gleichen Selbstverständlichkeit in das Leben ihrer Kinder eingreifen. Die Töchter begreifen sich einerseits sehr wohl als Teil des Familienverbandes und nehmen die Pflichten, die damit verbunden sind, wahr, andererseits wollen sie auch als autonom handelnde Subjekte behandelt werden.

Daher das Gefühl, von der Familie (speziell durch die Mutter), zu stark in

„Ich mein ich hab von meiner Freundin die Schwester die studiert jetzt Biologie macht auch dann den Doktor und will von, aus Österreich wegziehen damit sie ah diese Nabelschnur durchbricht damit ihre Mutter dann nicht sagen kann, weil so kann sie sagen ich muss weg ziehen weil ich einen Job was weiß ich wo gfunden hab aber so wenn man in Wien bleibt, ist es halt so dass man trotzdem noch das Kind der Mutter ist. Und dass sie sich wirklich sehr viel einmischen, das ist auch anders bei den Österreichern. Denk ich mal, weil ich hab einen Cousin, ich weiß nicht der war 26 und die Mutter hat rausgefunden dass er raucht, war das schon ne Krise (lacht) obwohl er ich weiß nicht (lacht) schon sehr komisch. Ja mal sehen, ich lass das auf mich zukommen.“ (Kayra, 18)

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Selbsteinschätzung von Kayra, die ja eine der Interviewpartnerinnen ist, die sich von Seiten der Eltern am stärksten unter Druck gesetzt fühlen. Sie schätzt sich als sehr vernünftige Person ein und bewertet diese Eigenschaft ambivalent in dem Sinne, dass sie ihre eigene Vernünftigkeit im Grunde ablehnt und gerne auch anders sein würde. Wenn sie über ihr rationales Verhalten redet geschieht dies auch in Abgrenzung zu ihrer Mutter, die ja von ihr eine vernünftige Lebensführung mit der Bereitschaft „etwas zu erreichen“

erwartet:

„Äh, und ja manchmal ist es auch so, dass ich mich dafür hasse dass ich immer so vernünftig bin in dem Sinn und manchmal is es auch so dass ich mir denk ok, also ich bin eher die Person, die davor schreckt Fehler zu machen und die alles durch berechnet (lacht) und ja weiß nicht wovon das abhängt, ja wahrscheinlich die Älteste und auch von meiner Mutter her und also ich erkenne viel von meiner Mutter in mir, obwohl ich´s manchmal nicht wahrhaben will (lacht) und manchmal dasitze und mir denke scheiße jetzt sitz ich wie sie. Da reißt´s mich dann.“ (Kayra,18)

Nauck (1985) beschäftigt sich mit den Veränderungsprozessen in einer patriarchalisch funktionierenden Familie, in der der Vater seiner Ernährerrolle nicht in dem Maß nachkommen kann wie es im Herkunftsland der Fall wäre. Hier verschieben sich nach Nauck die Entscheidungsstrukturen innerhalb der Familie, wenn die Ehefrauen in das Berufsleben einsteigen, die Väter büßen an Autorität ein und die Mütter übernehmen viele organisatorische Bereiche und als Folge daraus beginnen die Kinder sich stärker an den Müttern zu orientieren als an den Vätern (vgl. Nauck 1985: 56). Dieses Muster zeigt sich auch in den vorliegenden Interviews, allerdings stärker bei den Töchtern als bei den Müttern, die wenig über die Entscheidungsstrukturen innerhalb der Familie sagen. Die Töchter, deren Väter ihrer Meinung nach zu wenig zum Funktionieren der Familie beitragen, formulieren hier den Unterschied, den sie zwischen Mutter und Vater machen, viel schärfer – die

Mütter werden durchwegs als stark und verantwortungsbewusst beschrieben während die Väter zum Teil als nicht ernst zu nehmend dargestellt werden. Einige interviewten Mütter betonen aber auch, dass sie Selbständigkeit entwickelt haben, nachdem sie viel auf sich alleine gestellt waren und nun stolz auf das sind, was sie aus eigener Kraft geschafft haben.

Die Töchter gehen bei der Frage nach ihrer Eigensicht allgemein viel mehr auf unterschiedliche Charaktereigenschaften ein, als die Mütter, wobei eine grobe Einteilung in die „Starken“ und die „Zurückhaltenden“ getroffen werden kann. Die

„Starken“ betrachten sich als neuen Freundschaften gegenüber offen, mutig und überhaupt charakterstark; die „Zurückhaltenden“ definieren sich als eher ängstlich und ruhig und stehen nicht gerne im Mittelpunkt des Geschehens.

Die „Starken“ bezeichnen sich auch als Personen, die im öffentlichen Leben exponierte Stellungen einnehmen und verknüpfen dies oft mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und dem Gefühl, sich für andere einsetzen zu müssen:

„Ich und die M (Anm. die beste Freundin, die auch die gleiche Klasse besucht), wir lassen uns einfach nichts sagen! Und wenn wir merken, dass sie (Anm.: eine Lehrerin) darauf irgendwie anspielt, auf unsere Herkunft und so, dann sagen wir das einfach, und wir sind auch, wir haben uns einfach dafür eingesetzt, dass sie uns nicht so behandeln kann. Und die andere (Anm.: das dritte türkischstämmige Mädchen in der Klasse) war eben immer mehr so, leise, gusch war sie halt immer und sie hat sich immer alles gefallen lassen, und daher, warn wir eher die Zielobjekte und nicht die anderen. Und

„Ich und die M (Anm. die beste Freundin, die auch die gleiche Klasse besucht), wir lassen uns einfach nichts sagen! Und wenn wir merken, dass sie (Anm.: eine Lehrerin) darauf irgendwie anspielt, auf unsere Herkunft und so, dann sagen wir das einfach, und wir sind auch, wir haben uns einfach dafür eingesetzt, dass sie uns nicht so behandeln kann. Und die andere (Anm.: das dritte türkischstämmige Mädchen in der Klasse) war eben immer mehr so, leise, gusch war sie halt immer und sie hat sich immer alles gefallen lassen, und daher, warn wir eher die Zielobjekte und nicht die anderen. Und

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